Walter-Borjans: Wir haben im Moment eindeutig erkennbar in diesen Staaten eine noch viel härtere Krise, als sie bei uns ist. Die sind im Moment mit Sicherheit nicht an einem Punkt, wo sie sich irgendwelche schönen Dinge finanzieren, sondern sie haben ganz harte Not, die jetzt beseitigt werden muss. Genauso wie wir das hier im Land machen mit der Unterstützung von Unternehmen, bei denen wir sagen, es geht jetzt erst einmal darum, dass die Mittel fließen, dass die Liquidität da ist, muss das in diesem europäischen Kontext auch gelten.
Ich glaube, die Sorge, dass das Geld, das im Moment nach Italien oder Spanien fließt, nicht eingesetzt wird, um deren katastrophale Gesundheitslage und Wirtschaftslage zu reparieren, die ist, glaube ich, kleiner, als sie je zuvor war. […]
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Hören Sie das komplette Interview des Dlf vom 1.4.2020:
… der Corona-Epidemie haben unser Land in einen Ausnahmezustand versetzt,…
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… in einen Zustand, in dem viele der normalen Regeln des Zusammenlebens nicht mehr gelten und verfassungsrechtlich garantierte Rechte suspendiert sind. Die Fortbewegungsfreiheit und die Freiheit der Wahl des Aufenthaltsorts sind massiv beschränkt worden. Die Ausübung der Berufsfreiheit wird Millionen von Geschäftsleuten, Handwerkern, Gastwirten, Hoteliers, Musikern und anderen Künstlern unmöglich gemacht. Schüler und Studenten können ihr Recht auf Bildung nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen. Die Religionsfreiheit kann nur noch zu Hause oder über die Funkmedien wahrgenommen werden. Die Versammlungsfreiheit ist vollständig suspendiert.
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Die derzeitige Einschränkung von Grundrechten ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber angemessen gerechtfertigt wurde sie nicht. Bundesregierung und Bundestag haben nicht zwischen Virus-Schutz und anderen Gemeinwohlbelangen abgewogen.
… des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht Freiheitsbeschränkungen, die über die bisher eingeführten noch hinausgehen, äußerst kritisch: „Notlagenmaßnahmen rechtfertigen nicht die Außerkraftsetzung von Freiheitsrechten zugunsten eines Obrigkeits- und Überwachungsstaates“, sagt Papier.
„Ich habe gar nichts gegen die Maßnahmen der Kontaktreduzierung“, sagt Möllers. „Aber das Infektionsschutzgesetz, das jetzt zur Grundlage des politischen Handelns gemacht wird, gibt die weitreichenden Einschränkungen der Freiheitsrechte der Bürger einfach nicht her. Man kann auf dieser Grundlage nicht wochenlang ein ganzes Land zumachen.“
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Was ist an den Notfallregelungen der Regierung problematisch? Zwar hat sich der Bundestag wenigstens ein wesentliches Mitspracherecht gesichert: Nach dem neuen Paragrafen 5 des IfSG ist es das Parlament selbst, das „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellt, und es kann diese Feststellung auch wieder aufheben. Doch in besagter Lage wird der Bundesgesundheitsminister überproportional mit Sonderbefugnissen ausgestattet: Er wird ermächtigt, per Rechtsverordnung (und ohne Zustimmung des Bundesrates) Grenzen zu schließen, in den Flug-, Auto- und Schiffsverkehr einzugreifen oder geltende Gesetze zu ändern.
Laut Artikel 80 des Grundgesetzes müssten solche Rechtsverordnungen eigentlich „ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß nach“ durch Gesetze bestimmt werden – von Bundestag und Bundesrat. Aktuell ist das aber nicht vorgesehen. „Wir beobachten also eine enorme Zentralisierung“, sagt Möllers. „Auf einmal vollzieht der Bund Gesetze, genauer gesagt sogar nur ein einziger Bundesminister, und die Länder spielen keine Rolle mehr.“
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Ulrich Battis, lange Jahre Staatsrechtslehrer an der Humboldt-Universität zu Berlin, hat vor allem Bedenken, dass das Parlament sich in der gegenwärtigen Krise selbst marginalisiert. „Wir sind trotz aller dramatisierenden Rhetorik nicht im Krieg“, sagt er, „deshalb sollten Verfassungsänderungen oder Regelungen für Notfallparlamente auf keinen Fall übers Knie gebrochen werden. Panik ist zu vermeiden.“
Battis sieht die „Expertenherrschaft“ von „drei oder vier Vertretern des Robert-Koch-Instituts oder der Berliner Charité“ kritisch. „Auch die haben doch ihre Meinung zur Seuche schon dreimal geändert.“ Starvirologe Christian Drosten sagte im Interview mit „Zeit online“ wie zur Illustration von Battis’ These: „Wenige Entscheidungen der letzten Tage waren rein evidenzbasiert – viele waren vor allem politisch … Sie sind zum Teil sicher auch unter dem Eindruck der strikten Maßnahmen in den Nachbarländern zustande gekommen.“
Entscheiden, sagt Battis, müssten immer die Parlamentarier. Die Gewaltenteilung sei genau dazu da, um die Exekutive vor Fehlern zu bewahren; deshalb brauche die Regierung den Widerspruch der Opposition. Die jedoch könne nur Gehör finden, wenn das Parlament tatsächlich tage. Insofern dürfe man auch keine Fraktionssitzungen absagen, wie die CDU es getan hat. „Mit Blick auf unsere gesamte Demokratie müssen wir immer bedenken: Die Medizin darf nicht gefährlicher sein als die Krankheit“, sagt Battis.
Besonders bemerkenswert erscheint mir dieser Absatz:
[…] Für eine seriöse Debatte wäre es außerdem wichtig zu wissen, welche Risikoanalyse die Bundesregierung ihren Maßnahmen zugrunde legt: Mit wie vielen Kranken und Toten rechnet sie bei unbegrenzter Ausbreitung des Coronavirus in letzter Konsequenz, wenn ihr eine komplette Stilllegung des wirtschaftlichen Lebens als angemessene Gegenmaßnahme erscheint? „Dazu hat die Regierung nicht mehr vorgetragen als das, was jeder aufmerksame Zeitungsleser wissen kann“, sagt Möllers. Also: viel zu wenig. […]
Familie ist oft eben kein Zufluchtsort, sondern der Ort, den Kinder oft am liebsten in Richtung Kita/Schule/Straße verlassen möchten. Weil Eltern rauchen, saufen, Drogen nehmen, streiten, gewalttätig sind, nur an sich selber denken. Weil viele Kinder den Eltern oder dem „erziehenden“ Elternteil schnurz-piep egal sind.
Die Corona-Krise ist nicht nur ein Stresstest für den Staat und für die Unternehmen, sondern auch für Familien. Wenn Menschen längere Zeit zusammen zu Hause sind, kann es zu Problemen kommen, die häusliche Gewalt könnte zunehmen. Erste Zahlen scheinen solche Befürchtungen zu bestätigen. Der Europarat verweist auf Berichte aus EU-Mitgliedsstaaten, die zeigen, dass Kinder und Frauen in ihrem Zuhause einem erhöhten Risiko von Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. […]
Die Trennung von den wenigen Menschen, die einen bisher noch besucht haben, diese gnadenlose Abschottung ist für viele alte Menschen schlimmer, als der bevorstehende Tod. Gerade der Kontakt zu den Kindern, zu Enkel- und Urenkelkindern ist für viele alte Menschen der absolute Höhepunkt des nunmehrigen Lebens oft in ohnehin weitgehender Einsamkeit.
Das ist unmenschlich und die Maßnahme sollte nicht beachtet werden!
Lassen Sie Ihre Kinder zu Oma und Opa. Mit dem entsprechenden Abstand und natürlich nicht, wenn Ihre Kinder oder Sie selber irgendeinen Infekt haben.