Die staatliche Finanzierung ziviler Seenotrettung …
von Flüchtlingen im Mittelmeer hat am Donnerstag, 19. Oktober 2023, zu einer scharfen Kontroverse im Bundestag geführt. Während Redner der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion ein Ende der Leistungen forderten, verteidigten Vertreter der Koalition die Zahlungen. Die Linke kritisierte wiederum, dass die Hilfen viel zu gering ausfielen. …
Gesamte Debatte
Antrag der AfD
Grundlage der Debatte war ein AfD-Antrag (20/8872), dass die Bundesregierung „keine finanziellen Mittel für die sogenannte zivile Seenotrettung im Mittelmeer zur Verfügung“ stellen soll. In der Vorlage führt die Fraktion aus, dass der Bundestag vergangenes Jahr mit Koalitionsmehrheit beschlossen habe, „dass die ,zivile Seenotrettung‘ mit insgesamt acht Millionen Euro unterstützt werde“. Dabei stehe außer Frage, dass man Menschen nicht ertrinken lassen darf. Die Staatsanwaltschaft Trapani/Sizilien ermittele NGO- und Presseberichten zufolge jedoch gegen deutsche private Seenotretter wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Einwanderung, schreibt die Fraktion weiter und fordert die Bundesregierung auf, „die mutmaßliche Kooperation von sogenannten zivilen Seenotrettern im Mittelmeer mit Schleusern zu verurteilen“.
Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion mit Marokko und Tunesien Migrationsabkommen abschließen, „die die Verbringung von illegal Eingereisten und in Seenot geretteten Migranten in die betreffenden Staaten sicherstellen“. Diese sollten ihren Asylantrag dann in Marokko beziehungsweise Tunesien nach dem jeweils dort geltenden Recht stellen, schreibt die Fraktion in einem weiteren Antrag (20/8873), der ebenso wie die erste Vorlage nach der Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen wurde. Die beiden Länder sollen nach Vorstellung der AfD eine finanzielle Kompensation und logistische Unterstützung seitens Deutschlands und weiterer EU-Partner, insbesondere Italiens sowie Großbritanniens erhalten.
AfD kritisiert „Missbrauch der Seenotrettung“
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Rede Stephan Brandner (AfD)
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In der Debatte kritisierte Stephan Brandner (AfD), ein „dubioses Geflecht aus kriminellen Vereinigungen in Deutschland, staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, Kirchenvereinen und sogenannten Rettungsschiffen“ solle in den kommenden vier Jahren acht Millionen Euro erhalten. Es sei aber durch nichts zu rechtfertigen, Schleuser und Menschenhändler im Mittelmeer mit deutschen Steuermitteln zu finanzieren.
Dabei stehe für die AfD außer Frage, dass Menschen in Seenot gerettet werden müssten. Richtige Seenotrettung bedeute aber, Schiffbrüchige in den nächsten sicheren Hafen zu bringen und nicht, Menschen „über hunderte von Kilometern übers Mittelmeer zu schippern“, nachdem man vorher einen Treffpunkt ausgemacht habe, an dem die „vorsätzlich in Seenot gebrachten“ Boote von den Rettungsschiffen übernommen würden. Dies sei ein Missbrauch der Seenotrettung.
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Rede Petr Bystron (AfD)
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SPD: Öffentliche Finanzierung nur ergänzender Beitrag
Hakan Demir (SPD) hielt Brandner im Gegenzug „Falschaussagen“ vor und nannte es unverschämt, Menschen als Schleuser zu bezeichnen, die sich für die Rettung anderer im Mittelmeer einsetzen. Auch sei längst wissenschaftlich erwiesen, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen der Seenotrettung und der Anzahl der Überfahrten gebe. „In Jahren, in denen wenig gerettet wurde, kamen nicht weniger Menschen, sondern mehr Menschen sind gestorben“, betonte Demir. Allein dieses Jahr seien bereits 2.440 Menschen gestorben.
Gebraucht werde eine EU-Seenotrettungsmission, die es aber nicht gebe. Daher sei die zivile Seenotrettung stärker gefragt, deren öffentliche Finanzierung nur ein „ergänzender Beitrag“ sei. Dabei sollte der Bundestag stolz darauf sein, die zivile Seenotrettung mit acht Millionen Euro zu fördern: „Jeder Euro, der dafür verwendet wird, dass ein Mensch gerettet wird, ist es wert.“
CDU/CSU: Willfährige Helfer krimineller Schlepperbanden
Moritz Oppelt (CDU/CSU) sagte, man habe die Verpflichtung, Menschen aus Seenot zu retten. Es sei aber inakzeptabel, wenn private Seenotrettungsorganisationen die Menschen nach ihrer unmittelbaren Rettung automatisch immer ans europäische Festland bringen, und es sei noch weniger akzeptabel, „wenn dies nur wenige Kilometer vor der afrikanischen Küste geschieht“. Diese Nichtregierungsorganisationen (NGO) machten sich dadurch „mindestens zu willfährigen Helfern der kriminellen Schlepperbanden“ und sorgten dafür, dass mehr statt weniger Menschen in die Boote steigen. Dafür dürfe kein Cent deutscher Steuermittel mehr verwendet werden.
Die CDU/CSU habe am 12. Oktober im Haushaltsausschuss einen Antrag zum Thema der Streichung der Finanzierung privater Seenotrettung eingebracht, der aber von der „Ampel“-Mehrheit abgelehnt worden sei. Dies stehe im Widerspruch zur Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich von dieser Finanzierung distanziert habe.
Grüne: Eine Frage der Menschlichkeit
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) verwies demgegenüber darauf, dass seit 2014 mindestens 28.000 Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer ertrunken seien. Jeden Tag stürben etwa acht Menschen im Mittelmeer, wobei die Dunkelziffer noch viel höher liegen dürfe. „Das Sterben im Mittelmeer ist die zweitgrößte humanitäre Katastrophe nach dem Krieg in der Ukraine“, fügte Schäfer hinzu.
Die Pflicht zur Rettung Schiffsbrüchiger sei internationales Recht und eine Frage der Menschlichkeit. Daher sei sie dankbar, dass man vergangenes Jahr im Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition, der CDU/CSU und der Linken jeweils zwei Millionen Euro pro Jahr bis 2026 zur Unterstützung der Seenotrettung beschlossen habe. „Das gilt, und das ist auch gut so“, betonte sie. Seenotrettung führe nicht zu mehr Flüchtlingen, „sondern zu weniger Toten“.
Linke: Regierung knickt auf Druck von rechts ein
Clara Bünger (Die Linke) beklagte, Menschen, die vor Gewalt, Repression und Elend übers Mittelmeer fliehen müssten, könnten dies nur mit seeuntüchtigen Booten tun, da sie ohne Visum keine Flugzeuge oder Fähren bekämen. Unzählige dieser Boote kenterten, und für die Betroffenen sei die zivile Seenotrettung die einzige Chance zu überleben. Es gebe auf dem Mittelmeer aber kaum noch Rettungsschiffe, da diese kriminalisiert, mit immensen Auflagen überzogen oder von Einsatzgebieten ferngehalten würden.
Die Bundesregierung habe zwar zu Beginn der Wahlperiode ein staatlich koordiniertes Seenotrettungsprogramm versprochen. Statt dessen habe die Koalition eine viel zu geringe finanzielle Förderung von Seenotrettungsorganisationen in Aussicht gestellt. Zwei Millionen Euro seien ein „lächerlich kleiner Betrag“, doch werde selbst dieser „symbolische Beitrag“ nun in Frage gestellt. „Auf Druck von rechts knickt die Bundesregierung ein, allen voran Olaf Scholz“, kritisierte Bünger.
FDP: Seenotrettung als hoheitliche Aufgabe
Ann-Veruschka Jurisch (FDP) nannte es furchtbar und beschämend, dass Menschen mit seeuntüchtigen Booten versuchten, nach Europa überzusetzen, und viele dabei ums Leben kämen. Zugleich müsse man feststellen, dass etwa über die zentrale Mittelmeerroute sehr viele Menschen in Europa ankommen, die keinen Schutzanspruch haben. Von den 130.000 Menschen, die in diesem Jahr über diese Route gekommen seien, hätten laut EU-Kommission 30.000 eine ungeklärte Herkunft aufgewiesen. Es könne nicht dabei bleiben, dass sich zu viele Menschen mit sehr vagen Bleibeperspektiven auf den Weg nach Europa machten.
Klar sei, das Menschen in Seenot zu retten seien. Dabei sollte strukturierte Seenotrettung eine hoheitliche Aufgabe sein und perspektivisch von der EU-Grenzschutzagentur Frontex übernommen werden. Auch müsse man rasch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung angehen, ob und wie Asylanträge auch in Drittstaaten rechtsicher gestellt werden können. (sto/19.10.2023)
Quelle Ausschnitt, Text, eingeschobene Videos und alle Reden/Dokumente
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