… Nummer eins seiner gerechten Strafe zugeführt. Abu al-Baghdadi ist tot“, sagte Trump bei einer Pressekonferenz. Die USA hätten ihn seit vielen Jahren gesucht. „Es hatte die größte Priorität bei unseren Sicherheitsbehörden“, sagte der US-Präsident.
Während des Angriffs sei al-Baghdadi laut Trump in einen Tunnel gelaufen. Elf Kinder wurden aus Baghdadis Haus geholt und seien nicht verletzt. Al-Baghdadi zog jedoch drei seiner Kinder bei der Flucht mit sich. Am Ende des Tunnels habe er eine Sprengstoffweste gezündet und die Kinder mit in den Tod genommen. „Er hat die letzten Momente in Furcht und Panik zugebracht“, so Trump. […]
Die Vereinigten Staaten und die Türkei haben sich auf eine Waffenruhe in Nordsyrien geeinigt. Die Türkei habe zugesichert, alle militärischen Aktionen für 120 Stunden zu unterbrechen, sagte Pence am Donnerstag in Ankara nach Beratungen mit Erdogan.
Ziel sei, dass die Kämpfer der kurdischen Verteidigungseinheiten YPG abziehen können. Diese Phase habe bereits begonnen. Nach dem vollständigen Abzug der Kurden solle die Offensive ganz beendet werden. Der Kommandant der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu der auch die YPG gehört, Maslum Abdi, sagte dem kurdischen Fernsehsender Ronahi TV, dass man die ausgehandelte Feuerpause akzeptiere. „Wir werden alles tun, damit die Waffenruhe ein Erfolg wird.“
Eine hochkarätige amerikanische Delegation unter Führung von Pence sowie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten das Abkommen am Donnerstag in mehrstündigen Verhandlungen erzielt. Präsident Donald Trump twitterte: „Tolle Neuigkeiten aus der Türkei. … Millionen Leben werden gerettet.“ Abdi sagte, die Vereinbarung beinhalte auch die Rückkehr von Vertriebenen in ihre Häuser und schließe demografische Veränderungen in der Gegend aus. Die Vereinbarung gelte für das Gebiet zwischen den Städten Ras al-Ain und Tall Abjad. […]
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Selbstverständlich findet sich in Hell-Deutschland keine Stimme, die das Vorgehen Donald Trumps gutheißen würde. Bemerkenswert ist, dass die USA machen können, was sie wollen: Greifen Sie militärisch im nahen osten ein, geht es um ihre Interessen, geht es um Rohstoffe, geht es um Öl. Ziehen Soldaten ab, dann verraten die USA ihre – angeblichen – Verbündeten.
Es ist wie mit der AfD, egal, was die Partei, was Trump macht, es wird immer ein Haar in der Suppe gesucht und gefunden. Hier setzt meine Kritik am Demokratieverständnis der angeblich „Guten“ an. Für diese Leute sind andere Meinungen, auch wenn sie die Mehrheit bilden, immer zu bekämpfen. Statt zu akzeptieren, dass es der Wählerwille ist, der sich widerspiegelt und der seine demokratische Berechtigung hat, werden andere Meinungen verleumdet, verächtlich gemacht und diskreditiert.
Das war auch mit ein Grund, dass ich die Unsäglichkeiten und Unwahrheiten, auf der diese Unsäglichkeiten beruhen,zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Aachen Staatsanwaltschaft gebracht habe. Irgendwann muss gegen die Boshaftigkeit angeblich Guter Menschen mit angeblich Guten Gedanken – hier Michel Friedmann – angegangen werden. Ich lasse mich nicht als Judenfeind und Menschenverachter beschimpfen.
… die Türkei nicht von einem Angriffskrieg gegen Syrien abhalten können, wundert mich nicht. Die dort agierenden Personen sind allesamt schwach und inkompetent. Charisma haben sie ohnehin nicht:
Es sind durchgängig Luschen.
Donald Trump hatvollkommen zu Recht seine 2.000 Soldaten – die meisten sind Berater und keine Kampftruppen – aus dem Feuer genommen. Oder sollten die etwa die Türken aufhalten?
[…] Die Türkei hatte die lang geplante „Operation Friedensquelle“ am Mittwoch mit Angriffen auf syrische Orte entlang der gemeinsamen Grenze begonnen. Ankara betrachtet die dortigen Kurdenmilizen als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und damit als Terrororganisation.
Der libanesische TV-Sender al-Majadin berichtete von einer vom Vereinbarung der Regierung in Damaskus mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF). Diese werden von der Kurdenmiliz YPG angeführt, gegen die Ankara die Offensive begonnen hatte. Als Teil der Vereinbarung würden syrische Regierungstruppen ab Montagmorgen zur türkischen Grenze verlegt. Kontrollpunkte der SDF würden geöffnet, um der Armee Zugang zur Region zu verschaffen, berichtete al-Majadin unter Berufung auf kurdische Quellen.
Die mit Russland verbündete Regierung von Präsident Baschar al-Assad beherrscht acht Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs große Gebiete im Zentrum sowie im Westen und im Süden des Landes. Im April hatte die Regierung zudem eine Offensive gegen die letzte große Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten begonnen. […]
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Die Hilflosigkeit in Person:
Außenminister Maas im ARD-Bericht aus Berlin am 13.10.2019:
Dieser Mann vertritt Deutschland also im Ausland. Er sollte den Begriff „Haltung“ – seine Antwort zum Messerangriff auf Juden in Berlin ist einfach nur ein Witz – vielleicht besser aus seinem Wortschatz streichen.
Auf Heikos Frage: „Was schlagen Sie vor?“, antworte ich:
Sofort die bundesdeutschen Grenzen scharf kontrollieren und alle Menschen ohne gültige Einreisepapiere zurückweisen bzw. festsetzen!
PS.: Lob an den Interviewer von Außen-Heiko im Bericht aus Berlin. Aber im Grund war es typisch menschlich, was er getan hat. Einen Menschen, dessen Angst man durch den Kommunikationskanal riecht, kann man scharf befragen. Oder archaischer formuliert: Auf einen offensichtlich schwachen Menschen lässt sich gut eintreten.
… Donald Trump nicht in einen Konflikt mit dem NATO-Partner Türkei hineingezogen werden will. Auch sind 2.000 Soldaten – bei weitem nicht alles Kampftruppen – durchaus nicht geeignet einen Großangriff der Türkei aufzuhalten. Sie würden zerrieben. Das kann Donald Trump aber nun gar nicht brauchen.
Der Westen benutzt die Kurden gegen den IS. Unterstützt sie aber nicht im ´Kampf` für einen eigenen Staat. Statt Verhandlungen darüber auf den Weg zu bringen, macht man lieber nichts und zieht der Schwanz ein. Wären Frankreich, England oder gar Deutschland bereit gegen die Türken in den Verteidigungskrieg der Kurden nach Syrien zu ziehen. Na ja, Deutschland käme erst gar nicht zum Kriegsschauplatz. Oder vielleicht doch mit 2 Panzern und 3 Hubschraubern.
Egal, die Amerikaner haben mit dem Konflikt m. E. am wenigsten zu tun und sind am weitesten weg. Deshalb kann ich Trump irgendwo verstehen.
Dennoch:
Das Weisse Haus hat am Montagabend den umstrittenen Entscheid von Präsident Donald Trump relativiert, amerikanische Truppen aus dem Nordosten Syriens zurückzuziehen. Keinesfalls bedeute dies, dass Trump seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan «grünes Licht» gegeben habe, im Nachbarland einzumarschieren und ein Massaker unter der kurdischen Bevölkerung im betroffenen Gebiet anzurichten. Dies sagte ein anonym bleibender Berater des Präsidenten in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten. In diesem Zusammenhang verwies der Berater auf eine Mitteilung des Präsidenten, die dieser wenige Stunden zuvor über den Kurznachrichtendienst Twitter versendet hatte. Demnach kündigte der Präsident an, die Wirtschaft der Türkei komplett zu zerstören, falls die Türkei irgendetwas unternehme, was er — «in meiner grossartigen und unübertroffenen Weisheit» — für tabu («off limits») erachte. Allerdings verriet Trump nicht, was denn seine Definition von «off limits» sei. […]
Was sie auf politischem Weg nicht hin bekommen, versuchen die Demokraten nun mit einem Amtsenthebungsverfahren zu erreichen. Was nicht gelingen wird. Die Demokraten können und dürfen froh sein, dass Trump nur einmal wiedergewählt werden darf. Sonst hätten sie den Mann noch lange = mehr als 5 Jahre an der Backe.
Denn wiedergewählt wird er 2020. Der Donald Trump.
So wie sie Donald Trump vorführen, der – wie es so seine Art ist – wenig diplomatisch antwortet: Hier klicken.
Doch Israel sagt „Nein!“ und verweigert die Einreise:
[…] Der Reihe nach und im Detail: Jerusalem hatte den Besuch der beiden Abgeordneten der demokratischen Partei der USA, Ilhan Omar und Rashida Tlaib – wie nicht anders zu erwarten war – wohlwollend gegenüber einem befreundeten Staat, willkommen geheißen. Allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, als das Programm auf dem Tisch lag. Darin heißt es wörtlich: „Besuch in Palästina“, kein Wort von Israel, obwohl allgemein bekannt ist, dass es einen „Staat Palästina“ nicht gibt, nie gegeben hat. Der Ankunftsort heißt alternativlos „Internationaler Flughafen Ben Gurion“ und der liegt bekanntlich in Israel, deren Zoll- und Sicherheitsbehörden die Damen in Empfang hätten nehmen müssen für einen Besuch in einem nicht existierenden Land.
Außerdem wurde von den „Gästen“ angekündigt, sie wollten als Muslima in der Al Aqsa-Moschee beten, einem der politisch neuralgischsten Orte im Nahen Osten. Die Ordnungsmacht Israel hätte mit einem Mammutaufgebot an Sicherheitskräften Leib und Leben der „Gäste“ auf dem für Juden und Muslime „Heiligen Berg“ garantieren müssen. Diese Vorstellung hat die Aktion auf der „Freiheits-Flottille“ Mavi Marmara aus der Türkei im Jahre 2010 in Erinnerung gerufen. Bei der rechtmäßigen Kontrolle des Schiffes in israelischen Hoheitsgewässern auf dem Weg nach Gaza eskalierte die Lage. Am Schluss waren neun Tote und zahlreiche Verletzte zu beklagen. Aufgrund der Geographie in der Altstadt von Jerusalem wäre ein Ausufern der Gewalt unkontrollierbar. Die Entscheidung der Regierung Netanyahu nach Rücksprache mit den Sicherheitskräften, den Besuch der beiden Damen abzusagen, ist naheliegend, vernünftig und verantwortungsbewusst. Hier ging es in erster Linie um eine Bedrohung von Menschen, da ist das mediale Pro-und-Contra-Spiel einer Polit-Show eher zu vernachlässigen.
Wären die beiden Damen an einer Informationreise interessiert gewesen, hätten sie an dem fast gleichzeitig stattgefundenen Besuch von 70 Kollegen des US-Repräsentantenhauses aus beiden politischen Lagern, Demokraten und Republikanern, teilnehmen können. […]
Haben Sie aber nicht gewollt, unsere Musterdemokratinnen.
Dieser meint, dass die USA – Donald Trump – aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen sei, weil ein „regime change“ herbeigeführt werden solle. Das habe Donald Trump mehrfach betont.
Für Trump ist vor allem die kurze Laufzeit des Abkommens und die Tatsache, dass Iran weiter Langstreckenraketen entwickeln und testen – ein Verbot ist nicht Teil des Abkommens – darf und dies auch tut, Grund für den Ausstieg. Darin liegt der Mangel des Abkommens. Wer Langstreckenraketen baut und testet, tut dies nur um sie später mit Atomwaffen zu bestücken. Die kurze Laufzeit des Abkommens wird dies absehbar ermöglichen.
… in Hongkong hat eine staatlich kontrollierte Zeitung in China eine scharfe Warnung an die Protestler ausgesprochen. „Peking hat nicht beschlossen, gewaltsam gegen die Unruhen in Hongkong vorzugehen, aber diese Option steht Peking eindeutig zur Verfügung“, schrieb die „Global Times“ am Freitag in einem Kommentar.
Die Übungen der paramilitärischen Polizei in der an Hongkong angrenzenden Stadt Shenzhen seien „eine deutliche Warnung“ an die Randalierer gewesen. Wenn Hongkong die Rechtsstaatlichkeit nicht von sich aus wiederherstellen könne, um die Unruhen zu beenden, müsse die Zentralregierung „unbedingt direkte Maßnahmen“ auf Grundlage des Gesetzes ergreifen, hieß es weiter.
Die Zeitung veröffentlichte ihre aggressive Warnung kurz vor den für Freitagabend und zum Wochenende geplanten neuen Protesten in der chinesischen Sonderverwaltungszone. […]
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Politologe: Westen wird nicht eingreifen
Die Demonstranten in Hongkong könnten bei weiteren Eskalationen „bestenfalls warme Worte aus dem Ausland“ erwarten, so Politologe Eberhard Sandschneider im Dlf. Außer fulminanter Reden hätte der Westen wenig Gestaltungsmacht. Donald Trumps Vermittlungsversuch sei das letzte, was China aktuell benötige.
… zeigt sich besorgt über die Eskalation der Gewalt in Hongkong. Zum einen würden die radikalen Kräfte innerhalb der Demonstranten immer lauter, zum anderen sei eine militärische Intervention nicht ausgeschlossen, sagte er im Dlf. China wolle die Proteste anscheinend gewaltsam beenden. Quelle: Hier klicken
die Verlegung von Teilen der in Deutschland stationierten Truppen nach Polen:Hier klicken.
Jetzt, da sich die deutsche Regierung bezogen auf die freiwillig eingegangene 2%-Verpflichtung Militärausgaben weiter sperrig gibt, ist der komplette Abzug der US-Truppen aus Deutschland im Gespräch. 50.000 Mann kosten den amerikanischen Steuerzahler eine Menge Geld. Und wenn Deutschland nicht die 2% bezahlen will, warum sollen die Amerikaner Geld für den Schutz Deutschlands ausgeben?
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Der böse Onkel aus Amerika wartet schon wieder mit einer neuen Gemeinheit auf: Er will uns verlassen. Genauer: Er will seine Truppen aus unserem schönen Deutschland abziehen. Nicht ganz, aber ganz ordentlich. Wenn das so weiter geht, müssen wir Deutschen uns eines Tages selber verteidigen und können uns nicht mehr hinter dem breiten Rücken unseres starken Freundes aus Übersee verstecken.
Also gut, Freund ist zur Zeit nicht das passende Wort. Ob Donald Trump gemerkt hat, dass wir Deutschen ihn nicht ausstehen können? Dass wir ihm jeden Tag, wie kleine Buben und Mädels, verbal vors Schienbein treten? Ist er womöglich beleidigt und sagt sich: Wenn ihr mich nicht lieb habt, dann helfe ich euch auch nicht mehr mit meinen muskelbepackten Arme(e)n. Verständlich wäre das ja. […]
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Manche Zeitgenossen finden das mit dem US-Truppenabzug natürlich super: Hier klicken
… unterzeichnet wurde, war Carl Melchior nicht mehr am Ort des Geschehens. Der letzte französische Abreisestempel auf dem für die Fahrten nach Versailles ausgestellten Ministerialpass Melchiors, des Finanzsachverständigen der deutschen Friedensdelegation, datiert vom 16. Juni. An diesem Tag hatten die Alliierten den sechs deutschen Delegierten eine harsche, weitestgehend abschlägige Antwort auf deren Eingaben zum Vertragsentwurf übergeben. Sie enthielt eine ultimative Aufforderung, den Vertrag anzunehmen, sonst werde Deutschland besetzt.
Noch am selben Abend reiste fast die gesamte, mit Kommissionen und Stab etwa 180 Mitglieder zählende deutsche Delegation ab. «Mit Flaschen, Steinen und allem möglichen Unrat beworfen», wie Melchiors Sekretär Albert Rose festhielt, setzte sich der Tross in Bewegung. Melchior traf ein Stein im Nacken.
Carl Melchior war der einzige der sechs Delegierten, der kein politisches Amt innehatte. Er war und blieb bis zum Lebensende Bankier, Teilhaber der 1798 gegründeten Privatbank M. M. Warburg & Co. in Hamburg. Das Institut hat das «Dritte Reich» und die «Arisierung» dank umsichtigen Treuhändern überlebt und besteht wieder unter seinem alten Namen; es ist heute die grösste inhabergeführte Privatbank Deutschlands.
Der umfassend gebildete, weltläufige Jurist – Melchior entstammte einer jüdischen Kaufmanns- und Bankiersfamilie, sein Vater war Mitglied der Hamburger Bürgerschaft – hatte zunächst als Grundbuchrichter gearbeitet und war dann als Syndikus zu Warburg gekommen, wo man ihn 1917 zum Teilhaber machte. Politisch hatte er sich zwar 1918 an der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) beteiligt und war vorübergehend im Vorstand dieser mit ihrem wirtschaftsfreundlichen Programm bald als «Judenpartei» diffamierten liberalen Partei. Doch Melchior strebte nicht in die Politik. Auch später, als man ihm antrug, Finanzminister zu werden, lehnte er ab.
Auf Abruf bereit
Sich der Regierung mit Rat und Tat zur Verfügung zu stellen, war für Melchior ebenso eine staatsbürgerliche Selbstverständlichkeit wie für den Bankier Max Warburg. Es lag stets aber auch im Interesse des Unternehmens. Zwischen den körperlich zarten, beherrschten Melchior und den umtriebigen, temperamentvollen Warburg, der als Fachmann ebenfalls in Versailles zugegen war, passte kein Blatt. Sie siezten einander und waren doch beinahe wie Brüder. Was der eine unternahm, besprach er mit dem anderen; man hielt sich mit einem Firmentagebuch à jour.
Melchiors Tätigkeit führte zu einem diplomatischen Einsatz, der im Krieg begann und erst 1933 unfreiwillig endete. Er entwickelte sich zum auf Abruf bereitstehenden Staatsdiener, wie er im Buche steht, kompetent, «pflichttreu und schlicht», wie der Jurist Hans Schäffer über ihn schrieb, aber «ohne jeden Formalismus, jede Härte und jeden Aufstiegswunsch».
Melchior war nicht nur kein Politiker, er war auch kein radikaler Querdenker. Der Strudel dessen, was für heutige Betrachter Geschichte ist, riss ihn mit wie die anderen Beteiligten auch, und zugleich produzierte und formte er die Zeitläufte durch sein Tun. Mit seinem Sachverstand, seinen Verbindungen, seinem Verhandlungsgeschick, seinem «Pokergesicht» und seinem «geheimrätlichen Stil», wie Warburg sagte, vertrat er das, was man für deutsche Interessen hielt. In seinem Streben, seinen Erfolgen und letztlich seinem Scheitern, ja in seinem Schicksal spiegelt sich das deutsche Drama der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Kontakt zu John Maynard Keynes
Im Kriegseinsatz verwundet, war Melchior noch 1917 dazu abgestellt worden, die Zentrale Einkaufsgesellschaft Deutschlands neu zu organisieren sowie mit Rumänien und der Ukraine Kornlieferungen auszuhandeln, um die Lebensmittelknappheit abzuwenden, die nach der britischen Seeblockade drohte. Bis er sich wegen antisemitischer Anfeindungen zurückzog, tat er dies so erfolgreich, dass seine Dienste im Folgenden immer wieder neu angefragt wurden. Keine Regierung konnte auf ihn verzichten. Die Sorge um die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu tragbaren Konditionen beschäftigte ihn auch als Vorsitzenden der Finanz-, der Ernährungs- und der Schifffahrtskommission der deutschen Waffenstillstandsdelegation.
Jede Verhandlung, jedes Abkommen bedingte für Melchior diplomatische Folgeeinsätze. Das Waffenstillstandsabkommen war befristet, es musste mehrfach nachverhandelt und erneuert werden. Zudem liefen diffizile Ausführungsverhandlungen, während die mit ihren tiefen Interessengegensätzen ringenden Siegermächte schon die Grundzüge eines Friedensvertrags entwarfen.
In diesem Kontext traf Melchior unter anderem auf John Maynard Keynes, der als Vertreter des Schatzkanzlers im Obersten Wirtschaftsrat sass, dem Gremium, das die Wirtschaftspolitik der Alliierten in Europa bis zum Abschluss der Friedensverträge koordinierte, sowie als britischer Unterhändler in Versailles anwesend war. In einer seiner besten literarischen Fingerübungen hat der Ökonom seinem Gegenüber, dessen Sorgen er teilte und mit dem er jahrelang geheimdiplomatisch eng zusammenarbeitete, ein Denkmal gesetzt: «Nur er wahrte die Würde der Niederlage.»
Die ökonomische Ratio stand für die Alliierten nicht im Vordergrund, sondern vor allem die Verhinderung künftiger deutscher Macht.
Was die beiden Fachleute spontan verband, war ihre Frustration über die Amerikaner. Keynes suchte diesen Späteinsteigern in den Krieg einen Schuldenerlass und finanzielle Unterstützung abzuringen; Melchior empfand wie viele andere die Zusagen von Präsident Woodrow Wilson gegenüber Deutschland als Irreführung.
Die schweizerische Regierung – durch diplomatische Kontakte hatte sie nach Ausrufung der Republik die neue Reichsregierung von Beginn ihres Bestehens an unterstützt – hatte zwar Ende November eine Mitteilung des amerikanischen Aussenministers Robert Lansing vermittelt, nach der Wilson bereit sei, «die Versorgung Deutschlands mit Nahrungsmitteln in günstigem Sinn zu erwägen und diese Frage mit den verbündeten Regierungen sofort aufzunehmen». Doch davon konnten sich die Deutschen nichts kaufen, denn Wilson hatte die Rechnung ohne die anderen Alliierten gemacht, die dafür einen Preis setzen wollten. Erst im März 1919 war es so weit, Melchior konnte aus Brüssel kabeln: «abkommen (sic) gezeichnet». Im April kam es zu ersten Lieferungen.
Bei Melchiors Abreise am 16. Juni aus Versailles weilte auch Keynes nicht mehr in Frankreich. Den Vertragstext, der den Deutschen am 7. Mai übergeben worden war, hatte der Ökonom als «höllisch» gegeisselt, am 6. Juni hatte er alle Ämter niederlegt. Er fürchtete, eine Belastung Deutschlands über dessen Leistungsfähigkeit hinaus werde Europa ins Verderben treiben. Seine Kritik schrieb er im Buch «The Economic Consequences of the Peace» nieder, später auch in «A Revision of the Treaty». Doch die ökonomische Ratio stand für die Alliierten gar nicht im Vordergrund, sondern vor allem die Verhinderung künftiger deutscher Macht.
Die Sprengkraft von Artikel 231
An den Vorgängen in Versailles war für die deutsche Delegation besonders demütigend, dass sie gar nicht erst in mündliche Verhandlungen eintreten durfte – weshalb sich daheim rasch der Begriff des «Diktatfriedens» verbreitete. Man fühlte sich auch hier von Wilson getäuscht. In dessen «14 Punkten» war Anfang 1918 von einem «Frieden ohne Sieg» die Rede gewesen, von einer liberalen Neuordnung Europas in Selbstbestimmung und Einvernehmen. Die Deutschen hatten deshalb auf ein Kriegsende ohne schwere Sanktionen gesetzt.
Nach dem Vertrag galt es nun aber nicht nur Reparationen zu zahlen, sondern Deutschland verlor zudem 13 Prozent seines Gebiets und 10 Prozent der Bevölkerung; knapp 15 Prozent des Ackerlandes fielen weg; die abbaubaren Rohstofflager an Eisenerz, Zink und Steinkohle wurden dezimiert. Fast die ganze Handelsflotte und ein Viertel der Fischfangflotte wurden kassiert. Der deutsche Staat wurde weitgehend entmilitarisiert, das Rheinland in drei Zonen aufgeteilt und besetzt. Die Kolonien wurden unter den Siegermächten aufgeteilt. All dies musste die Wirtschaftskraft Deutschlands stärker beeinträchtigen als die Reparationszahlungen selbst, fürchtete Melchior.
Die grösste Sprengkraft des Versailler Vertragswerks aber entfaltete Artikel 231: «Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, dass Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.» Das war das Gegenteil der üblichen «Vergessensklausel», die eine Dämpfung der Emotionen und einen Neubeginn ermöglichen sollte. Keine Spur also von einem «Frieden ohne Sieg».
Die unerhörte Grausamkeit des «Grossen Krieges» hatte den Siegernationen tiefe Ressentiments eingepflanzt, die in einer giftigen Kommunikation zum Ausdruck kamen.
Die Alliierten hatten den Passus auf Anraten des amerikanischen Anwalts und späteren Aussenministers John Foster Dulles als völkerrechtliche Basis für Reparationen eingefügt. Schliesslich sollte nicht mehr die Kungelei der Diplomaten dominieren, sondern neu das Recht, gesetzt unter dem wachsamen Auge der Öffentlichkeit – so hatte es auch der einflussreiche liberale Publizist Walter Lippmann empfohlen, der Wilson beriet. Dass nebenbei ein massiver Vorwurf festgehalten wurde, kam den europäischen Alliierten entgegen, insbesondere dem französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau.
Die unerhörte Grausamkeit des «Grossen Krieges» hatte den Siegernationen tiefe Ressentiments eingepflanzt, die in einer giftigen Kommunikation zum Ausdruck kamen, mehr noch als im Vertragstext selbst. Dass gesichtswahrende Einigungen unmöglich geworden waren, verstärkte die Hilflosigkeit einer aristokratisch geprägten Diplomatenriege, die zudem auch noch im ungewohnten Licht einer demokratischen Öffentlichkeit agieren sollte. Die Deutschen verloren die Fassung und bissen sich an der Kriegsschuld fest, allen voran Aussenminister Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau.
Gescheiterter Gegenentwurf
Wohl kaum einem Deutschen war es damals möglich, den Versailler Vertrag zu schätzen – und sei es nur dafür, dass er trotz aller Ranküne und allen Ungeschicktheiten auch den mutigen Versuch darstellte, in eine neue Zeit des internationalen Miteinanders aufzubrechen, vor allem mithilfe des durch ihn neu gegründeten Völkerbunds, der später auch Deutschland offenstehen sollte. Auch Melchior war entsetzt. Ihm stand vor Augen, wie gross schon in der kurzen Frist die finanziellen Belastungen sein würden, und er ahnte wohl, welche politische Dynamik die Kombination aus Kriegsschuldzuschreibung und Reparationsforderungen entfalten würde.
Zwar folgte im Vertrag auf den Kriegsschuldartikel unmittelbar die Einschränkung, eine volle Wiedergutmachung werde kaum möglich sein. Doch auch hier hatte Wilson ein Versprechen zurückgezogen: Es seien nur die zivilen Schäden zu ersetzen, hatte es ursprünglich geheissen. Inzwischen hatte sich Wilson, wie Melchior mutmasste, von Clemenceau und dem britischen Premierminister Lloyd George übertölpeln lassen.
In den letzten Wochen in Versailles hatte Melchior mit der Finanzkommission noch einen Gegenentwurf entwickelt, ein Konzept für einen «Frieden der ökonomischen Vernunft».
Wie hoch die Summe nun sein würde, blieb offen und wurde in die Hand eines Wiedergutmachungsausschusses gelegt, der weitreichende Rechte einer fiskalischen Aufsicht über Deutschland bekam. All dies gab angstvollen Spekulationen Auftrieb. «Damit hat unser öffentliches Leben nur noch den Schein, nicht mehr das Wesen wirklicher Souveränität», klagte Melchior. «Deutsches Eigentum ist vogelfrei.»
In den letzten Wochen in Versailles hatte Melchior mit der Finanzkommission der deutschen Delegation noch einen Gegenentwurf entwickelt, ein an der Leistungsfähigkeit Deutschlands anknüpfendes Konzept für einen «Frieden der ökonomischen Vernunft». Demnach sollte für die Reparationen ein fester Prozentsatz der Einnahmen des Deutschen Reiches zur Verfügung stehen. Die Gesamtsumme war auf immerhin 100 Milliarden Goldmark festgelegt. Dass auch diese Eingabe kategorisch abgewiesen wurde, lag wesentlich daran, dass die Deutschen dazu eine weitgehende territoriale Unversehrtheit ihres Landes wünschten. «Die Lebensluft und Ehre muss man Deutschland lassen», schrieb die Delegation. Doch wie auch Keynes urteilte, konnte ein solches Angebot von den Alliierten «kaum als ernsthaft angesehen werden».
Das Ringen geht weiter
Nach ihrer Abreise aus Versailles empfahl die deutsche Delegation Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann einstimmig und nachdrücklich, den Vertrag nicht zu unterzeichnen. Wie glaubwürdig die Invasionsdrohung der kriegsmüden Siegermächte war, war und ist strittig. Jedenfalls legte Scheidemann, der erst am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hatte, am 20. Juni sein Amt nieder – nach einem Sitzungsmarathon der Nationalversammlung, die wegen der revolutionären Unruhen in Berlin nun in Weimar tagte. Brockdorff-Rantzau tat es ihm gleich.
Das Parlament stimmte dem Vertrag am 23. Juni zu. Scheidemanns Nachfolger wurde Gustav Bauer. Dieser entsandte zwei Minister, unter ihnen Hermann Müller, den neuen Aussenminister, zur Unterschrift nach Versailles. Die Ratifizierung folgte zügig.
Für Carl Melchior setzte sich danach die Arbeit umso intensiver fort, auch wenn daheim jeder Verhandlungserfolg als ungenügend bewertet wurde und ihm antisemitische Schmähungen eintrug. «Unser Schicksal – und damit das Schicksal des europäischen Kontinents – wird davon abhängen, ob wir den Wiedergutmachungsausschuss zur Einsicht bringen, dass die Grundlagen für die Begrenzung unserer Entschädigungspflicht nicht in den Zahlen und Mengen des Friedensvertrags, sondern in der Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes, seiner Produktionsmöglichkeit und seiner Steuerkraft zu finden sind», sagte er vor der Gesellschaft Hamburger Juristen.
Das war nicht nur seine Agenda. Es war die dominierende, fatale Logik, nach der sich im Folgenden die Beziehungen zwischen Siegern und Besiegten entwickelten: Es blieb ein Gegeneinander, das Ringen ging weiter. Partnerschaftlich wurde der Umgang nicht.
Gefährliches Spiel
Um zu verhindern, dass eine strikte Durchsetzung «ein Weltenunglück» verursachte, wie er fürchtete, kämpfte Carl Melchior fortan um eine Milderung der Folgen des Versailler Vertrags. Er war 1920 als Sachverständiger auf zwei Reparationskonferenzen im Einsatz und 1922 zudem auf der Konferenz von Genua, wo eine Neuordnung des Finanzsystems auf der Agenda stand.
In der Zwischenzeit hatte der Wiedergutmachungsausschuss die Gesamthöhe der deutschen Reparationszahlungen auf 132 Milliarden Goldmark beziffert, zahlbar binnen 57 Jahren, nachdem die Forderungen zuvor von 20 bis hin zu Phantasiebeträgen jenseits der 250 Milliarden Goldmark geschwankt hatten. Die deutsche Regierung hatte sich nun darauf verlegt, die Forderungen der Alliierten formal zu akzeptieren, um diesen dann aber vor Augen zu führen, dass sie nicht zu erfüllen waren – ein unwürdiges, gefährliches Spiel, das mitnichten zur Vertrauensbildung beitrug, sondern Deutschland 1923 auch noch die Ruhrbesetzung eintrug.
Der als «Erfüllungspolitik» diffamierte scheinbare Kotau kostete den Finanzminister Matthias Erzberger von der Zentrumspartei wie auch den liberalen Aussenminister Walther Rathenau das Leben. Beide wurden von antisemitischen Rechtsterroristen ermordet.
Allein weil die Zunahme der Zahl an Nullen die Schreibarbeit in der Buchhaltung vervielfachte, musste das Bankhaus M. M. Warburg & Co. immer mehr Angestellte beschäftigen.
Zu den Kollateralschäden der Politik in diesen Jahren gehörte eine dramatische Hyperinflation, verursacht durch die übermässige Ausweitung der Geldmenge in den ersten Jahren der Weimarer Republik. Sie erfasste nicht die Reparationsleistungen, die in Goldmark, Devisen und Sachgütern zu erfolgen hatten. Dennoch erschien die Lage auch den Alliierten dramatisch. Die Mark hatte 1922 noch ein Tausendstel ihres Wertes von 1914. Allein weil die Zunahme der Zahl an Nullen die Schreibarbeit in der Buchhaltung vervielfachte, musste das Bankhaus M. M. Warburg & Co. immer mehr Angestellte beschäftigen; die Zahl stieg von 174 im Jahr 1919 auf 505 im Jahr 1923.
Im November 1923 kam es zum Währungsschnitt und zur Einführung der Rentenmark. Der Wiedergutmachungsausschuss knüpfte daraufhin die Zahlungspflicht, wie von Melchior beabsichtigt und auch von Keynes gefordert, an die Leistungsfähigkeit. Dieser sogenannte Dawes-Plan von 1924 ermöglichte einen frischen Kapitalzufluss nach Deutschland.
Wenig später, im Jahr 1926, fand Deutschland schliesslich Aufnahme in den Völkerbund, dem am Ende ausgerechnet die Amerikaner ferngeblieben waren. Melchior wurde deutscher Repräsentant im Finanzausschuss und 1930 sogar dessen Vorsitzender. In den Jahren 1929 und 1930 reiste er abermals nach Paris und nach Den Haag, um an den Verhandlungen zum Young-Plan teilzunehmen, der als letzter Reparationsvertrag den Dawes-Plan ablösen sollte.
Man einigte sich auf eine Jahreszahlung von rund 2 Milliarden Reichsmark und eine vorzeitige Freigabe des Rheinlands. Der damalige Reichskanzler Hermann Müller, der als Aussenminister noch seine Unterschrift unter den Versailler Vertrag hatte setzen müssen, dankte Melchior im Januar 1930 mit einem offenen Brief, in dem er inständig bat, bei Bedarf wieder auf ihn zählen zu dürfen. Zwei Monate später freilich war auch dieser Reichskanzler verschlissen.
Ernte in Lausanne
Im April 1930 wurde Melchior als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel berufen, deren Einrichtung Teil des Young-Plans war. Die Aufgabe dieses Instituts sollte es sein, die Reparationszahlungen zu bündeln und zu verteilen. Heute fungiert die BIZ als Bank der Zentralbanken und spielt zudem eine wichtige Rolle in der Bankenaufsicht.
Die Ernte seiner langjährigen diplomatischen Bemühungen konnte Melchior endlich im Sommer 1932 ebenfalls in der Schweiz einfahren, auf der Lausanner Konferenz im Château d’Ouchy, die er wie stets mit vorbereitet hatte: das Erlöschen der Reparationspflichten. Im Vertrag war noch eine Restzahlung vereinbart worden, doch dazu kam es nicht mehr, dank einem «Gentlemen’s Agreement», wie Melchior es nannte, weil die Alliierten über den noch ausstehenden Schuldenausgleich untereinander uneins waren. Damit jedenfalls hatte das im Versailler Vertrag angelegte fortgesetzte Ringen zwischen Deutschland und den Siegermächten vorläufig ein Ende. Insgesamt hat Deutschland am Ende nach eigener Rechnung knapp 70 Milliarden Goldmark an Reparationen bezahlt.
Privates Glück kommt spät
Jahrzehntelang ständig per Eisenbahn in Europa unterwegs, doppelt belastet im Dienst für Bank und Vaterland, mit schier endlosen Arbeitstagen, ist Melchior als Privatperson womöglich auch deshalb wenig bekannt, weil sein Privatleben mit seinem Berufsleben weitgehend in eins fiel. In Hamburg teilte er mit seiner Schwester Clara eine Villa am Rothenbaum; heute ist dort das Institut Français untergebracht. Er besass eine stattliche Gemäldesammlung der klassischen Moderne, und von Auslandsreisen brachte er antike Kunstgegenstände mit.
Von 1930 an dürfte Marie de Molènes ein regelmässiger Gast gewesen sein. Während der Pariser Konferenz zum Young-Plan hatte der Junggeselle die 28 Jahre jüngere, in zweiter Ehe verwitwete Schwester eines Anwalts und sozialistischen Politikers kennengelernt. Einer Adelsfamilie aus der Dordogne entstammend, klassisch gebildet und polyglott, schrieb sie an einem Entwicklungsroman, «Fortunade à Berlin», von dem sie wünschte, er möge die deutsch-französische Verständigung voranbringen, «von der unsere Zukunft und der europäische Frieden abhängen».
Melchiors Lebenswerk, die Erleichterung der ökonomischen Bedingungen des Friedensvertrages, hatte gegen die Wucht der destruktiven Kräfte nicht ausgereicht.
Das Jahr von Carl Melchiors grösstem Erfolg, 1932, markierte zugleich das Ende seiner Karriere und den Vorabend des dunkelsten Kapitels in der Geschichte Deutschlands. Sein Lebenswerk, die Erleichterung der ökonomischen Bedingungen des Friedensvertrages, hatte gegen die Wucht der in Deutschland wirksamen destruktiven Kräfte nicht ausgereicht. Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt, im Februar brannte der Reichstag, im März wurde die NSDAP stärkste Partei, im April wurden die ersten Judengesetze erlassen.
Melchior kam der Abberufung von seinem Direktoriumsposten bei der BIZ per Rücktritt zuvor. Auch für Warburg und die Bank wurde die Luft immer dünner. Viele Geschäftskontakte froren ein. Notgedrungen widmeten sich die Teilhaber fortan vor allem jüdischen Belangen. Melchior baute den Zentralausschuss für Hilfe und Aufbau unter der Leitung des Berliner Oberrabbiners Leo Baeck mit auf. Der Ausschuss widmete sich der Wohlfahrtspflege und half Menschen, denen die Judengesetze den Lebensunterhalt raubten.
Die Sommermonate musste Melchior im Sanatorium verbringen. Im September heiratete er in Paris seine Gefährtin; die beiden erwarteten ein Kind. Charles Melchior de Molènes, «le petit Carl», wie ihn die Mutter zärtlich nannte, kam am 9. März 1934 auf die Welt. Der Vater war da schon neun Wochen tot. Carl Melchior, krank, erschöpft und bei allem privaten Glück auch in grosser Sorge um die Zukunft, war am 30. Dezember in Hamburg gestorben. Das ganze Ausmass des Zivilisationsbruchs zu erleben, der nun folgte, blieb ihm erspart.
Karen Horn lehrt ökonomische Ideengeschichte an der Universität Erfurt. Sie lebt in Zürich.