…tun sich zusammen und machen sich in Videos über die Bundesregierung lustig. Na und, könnte man sagen. Kunst und Macht haben noch nie gut miteinander gekonnt. Es ist die Aufgabe des Harlekins, auch dem mächtigsten Despoten den Spiegel vorzuhalten. Auf der Bühne lebt die Kritik, die draußen verboten ist.
Aber was heute geschah, nachdem die Filme veröffentlicht wurden, zeigt den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland. Garrelt Duin, früher SPD-Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen und derzeit Rundfunkrat beim WDR, fordert, die Kritiker aus den Programmen zu entfernen.
Wird Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts jetzt aus den Krimis herausgepixelt? Werden die Filme von Jan Josef Liefers aus der Mediathek gelöscht? Darf Heike Makatsch doch noch gezeigt werden, weil sie sich als erste von der Aktion gleich wieder distanziert hat?
Nun kann man über die Corona-Politik unterschiedlicher Meinung sein. Ich werfe Jens Spahn vor, dass er die Impferei (heute habe ich übrigens einen Impftermin festgelegt) so versiebt und verzögert hat, wie er es mit seinen privaten Immobilien- und Maskengeschäften niemals gewagt hätte. Darf man das nicht kritisieren? Ist Digital-Staatsministerin Dorothee Bär über jede Kritik erhaben, weil sie 100 Millionen Euro für die Digital-App verbrannt hat, und sie nicht nur zweck- und sinnlos ist – schlimmer noch: weil sie die Ausbreitung des Virus befördert hat?
Darf man das kritisieren? In einer Demokratie eigentlich schon. Nicht unbedingt in Deutschland. Da drohen Shitstorms und Schikanen, denn jeder Kritiker wird als „rechts“ gestempelt. So trommeln es die regierungstreuen Medien und Politiker den braven Bürgern in die Ohren.
Wir erinnern uns: Als die Pandemie begann, waren es der Gesundheitsminister und die Sender der ARD, die behaupteten, die Warnungen vor der Pandemie seien die Erfindung von Rechten, um die Bevölkerung zu verängstigen.
Aber wer verängstigt jetzt die Bevölkerung? Doch die Regierung und die ihnen zugetanen Medien, die jede erhöhte Inzidenz nutzen, um Panik zu erzeugen. Und das wohl nur mit dem Ziel, die Bürger zu schikanieren und die mittelständische Wirtschaft zu ruinieren. Denn dass das tote Virus nicht nachtaktiv ist, dass es nicht ausrottbar ist und dass es schlummert oder immer wieder neu eingetragen wird – das ist doch mittlerweile Allgemeinwissen.
Die Regierung ist auf dem falschen Trip, es sei denn, sie plant Größeres und nimmt Corona nur zum Anlass, sich neue Machtbefugnisse anzueignen und bürgerliche Freiheiten abzuräumen oder den Föderalismus zu beseitigen.
Und wer das alles kritisiert, ist rechts? Das ist lächerlich. Wir wissen, dass auf den Corona-Demonstrationen Linke und Rechte und vor allem frühere Grünen-Wähler ihrer Ansicht Ausdruck verleihen. Das Links-Rechts-Schema taugt da nicht, einst nannte es Norbert Blüm eine überholte „Gesäß-Geographie“. Aber es wird als Totschlagargument benutzt.
Jedenfalls sind wir den Schauspielern zu Dank verpflichtet, auch wenn man ihre Meinungen nicht teilen mag, das darf ja auch sein.
Dieser Staat zeigt gerade sein Gesicht. Es ist kein schönes Gesicht. Es ist verbissen, rechthaberisch, engstirnig und furchterregend.
Wir kennen diesen Umgang mit Künstlern aus unserer finsteren Teil-Geschichte. Das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED vom 16. bis 18. Dezember 1965 ging als sogenanntes „Kahlschlag-Plenum“ in die Geschichte der DDR ein: Es diente vor allem der Säuberung in der DDR-Kulturpolitik von kritischen Kunstwerken und Künstlern. Das damalige Politbüromitglied Erich Honecker warf einer Reihe von Regisseuren, Drehbuchautoren und Schriftstellern „Nihilismus“, „Skeptizismus“ und „Pornografie“ vor. Als Folge des Plenums wurde die halbe Jahresproduktion der staatlichen DDR-Filmproduktionsfirma Defa verboten, unter anderem die Streifen „Das Kaninchen bin ich“ von Kurt Maetzig, „Denk bloß nicht, ich heule“ von Frank Vogel und „Die Spur der Steine“ von Frank Beyer. Auch das Theaterstück „Der Bau“ von Heiner Müller und Stefan Heyms Buch „Der Tag“ kamen auf die schwarze Liste. Insbesondere die Filme gelten heute als sehenswerte Klassiker.
Es sieht so aus, als wollten Duin und andere aus der Geschichte nicht lernen. Sie diskreditieren Künstler, die halt mal anderer Meinung sind. Wir merken, dass Deutschland kein liberales Land mehr ist, in dem man auch Schauspielern eine abweichende Meinung zugesteht, so wie sie jedem Bürger garantiert sein muss.
Die Saat von Merkels Politik geht auf: Misstrauen, Hass und Hetze gegen jeden, der es wagt, ihre „alternativlose“ Politik zu kritisieren. Es fällt auf, dass um uns herum andere Maßstäbe herrschen. Anderer Länder in Europa machen auf, schaffen Begrenzungen ab, feiern den Frühling und das Verschwinden der schlimmsten Bedrohung. Deutschland dagegen sperrt sich selbst ein, die Bürger werden gegängelt, strafbar ist es, nachts das Haus zu verlassen.
… halten sich also für aufgeweckt, aber sie sind nichts anderes als verbohrte, womöglich auch verführte, paralysierte ultralinke „Cancel-Culture“-Aktivisten. Die Rede ist von einem weiteren Beispiel einer Universität, die – wie anno 1968 – von linken Studenten unterminiert wird.
Es geht um die Universität Osnabrück, die es zwar 1968 noch nicht gab, die nämlich erst 1974 gegründet wurde, die aber links bald aufholte, was ihr andere Universitäten voraushatten. Dort inszeniert sich derzeit der AStA, also der Allgemeine Studentenausschuss, gegen einen Gastvortrag des renommierten Historikers und Autors Egon Flaig. Dieser Vortrag soll am 28. April als „online“-Veranstaltung stattfinden und dem Thema gelten: „Die Grenzen von Machtkonzepten.“ Der AStA erwartet nun von der Hochschule, die Veranstaltung zu unterbinden. Die Hochschulleitung hat dieses Ansinnen bislang abgelehnt.
Wir haben dergleichen „Cancel-culture“-Unkultur seit geraumer Zeit erleben müssen. Hier bei TE berichteten wir immer wieder darüber. Man denke an Leute wie Sarrazin, Baberowski, de Maizière, Bernd Lucke, denen man Auftritte an Universitäten verwehrte.
Das grün-kursive Zitat unten und Quelle der beiden Videos oben sowie alle Reden und Dokumente zum TOP des Sitzungstages hören, sehen, lesen.
Begleitet vonDemonstrationen in Berlin(Link MEDIAGNOSE)und unter Protest der Opposition hat der Bundestag am Mittwoch, 21. April 2021, das vierte Bevölkerungsschutzgesetz (19/28444) beschlossen, das eine bundesweit einheitliche Notbremse gegen steigende Corona-Infektionszahlen vorsieht. In namentlicher Abstimmung stimmten 342 Abgeordnete für den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung, 250 lehnten ihn ab, 64 Abgeordnete enthielten sich.
Mit dem „Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ werden das Infektionsschutzgesetz sowie das Dritte und das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III und SGB V) geändert. In zweiter Lesung hatten CDU/CSU und SPD ihrem Gesetzentwurf in geänderter Fassung zugestimmt, während AfD, FDP und Linksfraktion ihn ablehnten. Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Zur Abstimmung hatten der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/28692) und einen Bericht (19/28732) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung zur Finanzierbarkeit (19/28733) vorgelegt.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Mit der Annahme des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen (19/28444) werden dem Bund bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zusätzliche Handlungsmöglichkeiten gegeben, um, wie es darin heißt, „eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten“. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, greifen künftig bundeseinheitliche Regelungen. Danach werden private Zusammenkünfte auf die Angehörigen eines Hausstandes und maximal eine weitere Person begrenzt. Ausgenommen sind Kinder unter 14 Jahren.
Außerdem gelten zwischen 22 Uhr und fünf Uhr des Folgetages Ausgangsbeschränkungen. Der Koalitionsentwurf hatte ursprünglich eine Beschränkung ab 21 Uhr vorgesehen, der Bundestag verschob den Beginn auf 22 Uhr. Aufenthalte außerhalb des Wohnraums bleiben allerdings gestattet, wenn diese unter anderem zur Berufsausübung, zur Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts, zur Ausübung des Dienstes oder des Mandats, der Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderer Medien, zur unaufschiebbaren Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger, der Begleitung Sterbender oder der Versorgung von Tieren dienen. Der Bundestag beschloss eine weitere Ausnahme für abendliche Spaziergänger oder Jogger zwischen 22 und 24 Uhr, wenn sie allein unterwegs sind.
Darüber hinaus wird der Umgang mit Personen geregelt, die geimpft oder anderweitig immunisiert sind. Hierzu ist eine Rechtsverordnung der Bundesregierung geplant, die vom Bundestag beschlossen werden soll. Die Zustimmung des Bundestages ist künftig auch für andere Corona-Rechtsverordnungen vorgesehen. Die Abgeordneten verständigten sich zudem auf eine Befristung des Gesetzes bis Ende Juni 2021.
Schließung von Freizeiteinrichtungen und Geschäften
Untersagt wird bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 100 auch die Öffnung von Freizeiteinrichtungen, Museen, Kinos, Theatern und ähnlichen Einrichtungen sowie von Gaststätten. Die Auslieferung von Speisen und Getränken sowie deren Abverkauf zum Mitnehmen sind dagegen weiterhin möglich. Schließen sollen auch die meisten Geschäfte. Von der Regelung ausgenommen werden der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte.
Weitere Einschränkungen sind für die Ausübung von Sport und die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen vorgesehen. Auch das Bereitstellen von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken kann untersagt werden. Die Regelungen treten außer Kraft, wenn der Inzidenzwert von 100 an fünf aufeinander folgenden Werktagen unterschritten wird.
Regelungen für den Schulbetrieb
Zusätzliche Einschränkungen betreffen den Schulbetrieb. So müssen Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen ab einem Inzidenzwert von 165 den Präsenzunterricht einstellen. Der ursprüngliche Koalitionsentwurf hatte noch einen Inzidenzwert von 200 vorgesehen, der Bundestag reduzierte den Wert auf 165. Ausnahmen sind allerdings für Abschlussklassen und Förderschulen möglich.
Außerdem sieht das Gesetz eine Teststrategie für Schüler und Lehrer vor. Zweimal wöchentlich sollen diese auf das Coronavirus getestet werden, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu dürfen.
So viel Homeoffice wie möglich
Beschäftigte müssen im Homeoffice arbeiten, wenn ihnen dies möglich ist. Gründe, dass es nicht möglich ist, können räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung sein. Arbeitgeber müssen gegenüber der zuständigen Behörde darlegen, weshalb Homeoffice nicht möglich ist, wenn die Behörde dies verlangt.
Auch wird klargestellt, dass Kontakte bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, der Teilnahme an Streiks, der Wahrnehmung politischer Mandate, ehrenamtlicher Tätigkeiten oder behördlicher Termine nicht als Kontakte im Rahmen privater Zusammenkünfte zählen. Zudem werden bei Trauerfeiern statt 15 nun 30 Personen zugelassen, um dem Bedürfnis nach einem angemessenen Rahmen zu entsprechen.
CDU/CSU: Kompromisse sind ein Zeichen von Stärke
In der Schlussberatung warben Vertreter der Bundesregierung und der Fraktionen von CDU/CSU und SPD um Zustimmung zu der Novelle. Um die dritte Infektionswelle zu brechen, seien schnell einheitliche Auflagen notwendig. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus erinnerte an die vielen Kranken und Toten, die das Virus bereits gefordert hat. Angesichts der eingeschränkten Freiheitsrechte werde oft mit dem Grundgesetz argumentiert, die Verfassung sichere aber auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. „Es ist unsere Aufgabe, das Leben und die Gesundheit zu schützen.“
Deswegen müsse nun gehandelt werden, sagte Brinkhaus und fügte hinzu, die Vorlage sei in den Beratungen noch geändert worden, „um Brücken zu bauen für alle, die kritisch sind“. Die erzielten Kompromisse seien auch kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Das Gesetz respektiere zudem den Föderalismus, denn der Bund steige erst bei Inzidenzen ab 100 mit bundeseinheitlichen Regelungen ein, vorher seien die Länder zuständig. Brinkhaus betonte mit Blick auf die notwendige Zustimmung des Bundestages zu Rechtsverordnungen des Bundes: „Nie war so viel Demokratie in der Pandemie-Bekämpfung wie jetzt.“
AfD: Ein Angriff auf Freiheitsrechte
Die AfD-Fraktion hingegen wertete die Novelle als Beleg für undemokratische und untaugliche Mittel im Kampf gegen die Pandemie. Fraktionschef Alexander Gauland rügte, die Regelungen seien ein Angriff auf Freiheitsrechte, Föderalismus und den gesunden Menschenverstand. Wenn zudem Gegenargumente als politische Profilierung abgetan würden, sei jede sachliche Auseinandersetzung zu Ende. „Sie stecken in ihren Schützengräben fest und werfen der Opposition Destruktion vor.“ Tatsächlich habe die Regierung bei der Impfstoffbeschaffung versagt. Statt ausreichend Impfstoff zu beschaffen, würden Freiheitsrechte eingeschränkt.
Statt so viel wie möglich Bewegung an frischer Luft zu ermöglichen, werde aufgrund einer jederzeit manipulierbaren Inzidenz das öffentliche Leben stillgestellt. Gauland mutmaßte, dass die Einschränkungen auch als Experiment gedacht seien für ein mögliches künftiges Vorgehen, etwa in der Klimapolitik. „Im Grunde lassen sich für jeden Bereich der Politik Inzidenzen festlegen.“ Mit Blick auf die Demonstranten sagte er: „Die da draußen protestieren, sind nicht alle Querulanten. Sie können nicht das halbe Volk zu Querulanten machen.“ Grundrechte seien auch Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. „Das Gesetz ist ein Tabubruch, auch wenn Sie versucht haben, die Giftzähne ein wenig abzuschleifen.“
FDP: Inzidenz als alleiniger Maßstab völlig ungeeignet
Die FDP-Fraktion begründete ihre Ablehnung mit verfassungsrechtlichen Bedenken, die nach wie vor nicht ausgeräumt seien. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) begrüßte zwar die bundeseinheitlichen Regelungen im Grundsatz ebenso wie die Zustimmung des Bundestages zu Rechtsverordnungen, denn: „Eine parlamentarische Beteiligung ist immer auch eine Qualitätskontrolle.“ Der Gesetzentwurf beinhalte jedoch erhebliche handwerkliche Mängel. So seien Ausgangssperren keine geeigneten Maßnahmen. Es gebe keine Evidenz, dass Ausgangssperren die Verbreitung des Virus verhindern könnten. Ein so schwerwiegender Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt.
„Wir benötigen wissenschaftliche Erkenntnisse und keine Behauptungen“, sagte die FDP-Politikerin und kündigte eine Verfassungsbeschwerde an. Sie kritisierte überdies die alleinige Ausrichtung der Auflagen an den Inzidenzen. Die Inzidenz als alleiniger Maßstab sei völlig ungeeignet, das Infektionsgeschehen abzumildern. Besser geeignet wäre eine gewichtete Inzidenz. Sie mahnte zudem: „Die Notbremse darf nicht dazu führen, dass die wichtigen Modellprojekte wie in Tübingen abgebrochen werden.“
Linke: Regierung taumelt von einem Murks zum nächsten
Nach Ansicht der Linksfraktion wird die Wirtschaft bei den Auflagen zu sehr verschont, während die Hauptlast von den Bürgern zu tragen sei. Die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali kritisierte: „Die Bundesregierung taumelt von einem Murks zum nächsten.“ Die großen Probleme würden nicht gelöst. Zugleich werde versucht, Grundrechtseinschränkungen im Vorbeigehen zu beschließen. Ausgangssperren seien ein Eingriff in die Grundrechte, derweil steckten sich viele Menschen am Arbeitsplatz an. „Nach wie vor nehmen Sie die Arbeitgeber nicht richtig in die Pflicht.“
Auch die Schulregelungen seien nicht nachvollziehbar. Es sei verständlich, wenn Eltern angesichts der Vorgaben nur mit dem Kopf schüttelten. Die Linken-Politikerin forderte außerdem, soziale Härten in der Pandemie besser zu berücksichtigen. So sei letztlich das Risiko für Menschen mit niedrigem Einkommen höher. Unbürokratische Hilfen seien auch für kleine Unternehmen wichtig, ebenso ein Gesundheitswesen, bei dem nicht der Profit im Vordergrund stehe.
Grüne: Das Fahren auf Sicht ist verantwortungslos
Wie andere Redner machte auch Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich, dass die Lage sehr ernst ist. „Wir brauchen einen schnell wirksamen Wellenbrecher.“ Sie kritisierte, die Bundesregierung habe zu spät und zu zögerlich gehandelt. Es sei gut, wenn der Bund jetzt die Verantwortung wahrnehme. Das Fahren auf Sicht sei verantwortungslos, es lasse viele Menschen an der Handlungsfähigkeit des Staates zweifeln.
Gleichwohl könne der Notbremse in dieser Form nicht zugestimmt werden. Zwar habe es bei den Beratungen noch Verbesserungen gegeben, insgesamt reiche das aber nicht aus, um eine Trendumkehr zu schaffen. Der Gesetzentwurf sei handwerklich schlecht gemacht und in sich inkonsistent. Die unterschiedlichen, maßgeblichen Inzidenzen seien weder verständlich noch wissenschaftlich hergeleitet. Die Auflagen seien auch nicht verhältnismäßig.
Spahn: Impfkampagne hat sich stark beschleunigt
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte ein, dass die Einschränkungen hart seien, aber angesichts der Lage angemessen, verhältnismäßig und geeignet. „Die Notbremse ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses.“ Der Kampf gegen das Virus präge den Alltag und verursache Leid, Härten und Kosten. Daher müssten nun tiefgreifende Entscheidungen getroffen werden. In den Intensivstationen würden immer mehr Patienten versorgt, die Lage in den Krankenhäusern sei wieder dramatisch, eine Überlastung des Gesundheitssystems müsse vermieden werden.
Laut Spahn werden derzeit viele Ausbrüche bei jungen Leuten registriert. Die Notbremse ziele unter anderem auf den betrieblicher Alltag, Schulen und Kitas. Der Minister verwies auf die Erfolge beim Impfen und Testen. So gebe es inzwischen mehr als 15.000 Teststellen im Land, die Impfkampagne habe sich stark beschleunigt. Impfen und testen allein reiche aber nicht, um die dritte Welle zu brechen. „Wir können das Virus nicht wegtesten.“ Daher sei das bewährte Mittel, Kontakte zu reduzieren.
Scholz: Wir brauchen jetzt Klarheit und Konsequenz
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte die Bevölkerung darauf ein, dass der Kampf gegen die Pandemie noch länger dauern könnte, mit allen wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Es sei daher richtig, „mit enormen fiskalischen Mitteln“ Leben zu retten. Scholz betonte: „Was wir jetzt brauchen ist Klarheit und Konsequenz.“ Er zeigte sich überzeugt, dass mit den allgemein gültigen Regeln die Akzeptanz in der Bevölkerung wachsen werde, auch wenn die Lage für viele Menschen schwierig sei.
Scholz mahnte, die enorme Kraftanstrengung der Pfleger und Ärzte in der Pandemie im Blick zu behalten. „Sie können fast nicht mehr, sie schuften jeden Tag.“ Zugleich müsse auch die Hoffnung in den Blick genommen werden, fügte der SPD-Politiker hinzu und nannte die neuen Testmöglichkeiten und die Fortschritte beim Impfen. Scholz versprach: „Es geht nicht um einen Dauerzustand, es geht darum, die Pandemie zu überwinden.“
Änderungs- und Entschließungsanträge abgelehnt
In namentlicher Abstimmung lehnte der Bundestag in zweiter Lesung vier Änderungsanträge der FDP (19/28752, 19/28753, 19/28755, 19/28756) ab. Dem ersten Änderungsantrag (19/28752) stimmten 88 Abgeordnete zu, 456 lehnten ihn ab, 116 enthielten sich. Dem zweiten Änderungsantrag (19/28753) stimmten 149 Abgeordnete zu, 450 lehnten ihn ab, 61 enthielten sich. Dem dritten Änderungsantrag (19/28755) stimmen 90 Abgeordnete zu, 456 lehnten ihn ab, 114 enthielten sich. Dem vierten Änderungsantrag (19/28756) stimmten ebenfalls 90 Abgeordnete zu, 459 lehnten ihn ab, 110 enthielten sich.
Ebenfalls in namentlicher Abstimmung abgelehnt wurde ein Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/28760). 117 Abgeordnete stimmten dafür, 457 dagegen, 78 enthielten sich.
Zwei weitere Änderungsanträge der FDP (19/28754, 19/28757) wurden per Handzeichen bei Enthaltung der Linken und der Grünen mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt. Keine Mehrheit fanden auch zwei Änderungsanträge der Linken (19/28758, 19/28759). Die Koalitionsfraktionen und die AfD lehnten sie ab, die FDP und die Grünen enthielten sich.
In dritter Lesung lehnte der Bundestag zudem Entschließungsanträge der FDP (19/28761) und der Linken (19/28762) ab. Beim FDP-Entschließungsantrag enthielt sich die Linksfraktion, die FDP stimmte zu, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab. Den Entschließungsantrag der Linken lehnten alle übrigen Fraktionen ab.
Drei Anträge der Linken abgelehnt
Keine Mehrheit fanden auch drei Anträge der Fraktion Die Linke: Darin forderten die Abgeordneten zum einen eine „Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft“ (19/24453), „Lockdown-Maßnahmen durch Gesetz, nicht durch Verordnungen“ (19/25882) sowie „Mehr Sicherheit und Lebensqualität mit Schnelltests und Selbsttests für alle“ (19/27960). Beim ersten und zweiten Antrag enthielten sich die Grünen, die übrigen Fraktionen außer den Antragstellern lehnten ihn ab. Dem dritten Antrag stimmten neben der Linken auch die Grünen zu, die übrigen Fraktionen votierten dagegen.
Auch zur Abstimmung über diese drei Vorlagen hatte der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung und einen Bericht vorgelegt (19/28692, 19/28732).
Erster abgelehnter Antrag der Linken
Die Linksfraktion fordert ein ihrem ersten abgelehnten Antrag (19/24453) eine Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen.
Die Abgeordneten verlangten unter anderem, einen vorrangigen Versorgungsauftrag zugunsten dauerhaft gefährdeter Personengruppen in einer epidemischen Notlage für Schutzausrüstungen, Testmöglichkeiten und Impfkapazitäten zu verankern.
Zweiter abgelehnter Antrag der Linken
Nach Ansicht der Linksfraktion muss der Corona-Lockdown per Gesetz und nicht über eine Verordnung geregelt werden. Alle für das Gemeinwesen wesentlichen Entscheidungen benötigten die Zustimmung der Parlamente und dürften nicht an Regierungen oder andere Stellen delegiert werden, um dem Parlamentsvorbehalt zu genügen, hieß es im zweiten abgelehnten Antrag der Fraktion (19/25882).
Es müsse sichergestellt werden, dass alle Entscheidungen von substanziellem Gewicht vom Bundestag getroffen werden. Die bereits geltenden Rechtsverordnungen des Bundes müssten als Gesetzentwurf vorgelegt werden. Auch müsse klar definiert werden, welche Maßnahmen die Landesregierungen oder andere Behörden unter welchen konkreten Voraussetzungen beim Erreichen oder Unterschreiten welcher Kennzahlen für die einzelnen Kreise treffen müssten oder sollten.
Dritter abgelehnter Antrag der Linken
Die Linksfraktion forderte mehr Schnelltests und Selbsttests. Selbsttests ermöglichten es den Menschen, sich aktiv an der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu beteiligen und andere zu schützen, hieß es im dritten abgelehnten Antrag der Fraktion (19/27960).
Die Abgeordneten forderten, flächendeckend die Möglichkeit zu schaffen, mehrmals pro Woche für alle kostenlose Selbsttests zu erhalten. Für Kitas und Schulen sollten verpflichtend mindestens zweimal in der Woche Schnelltests für Kinder und Personal angeboten werden. (pk/eis/ste/sas/vom/21.04.2021)
Auf dem Bundesparteitag der Alternative für Deutschland in Dresden haben die Delegierten eine Corona-Resolution beschlossen. Mit den verabschiedeten Maßnahmen zeigt die AfD einen …
… Weg zurück in die Normalität auf.
Die AfD fordert die Bundes- und Landesregierungen in der Resolution konkret zu folgenden Maßnahmen auf:
einen breiten wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs zuzulassen und dabei auch renommierte Wissenschaftler mit abweichender Meinung zum Umgang mit der derzeitigen Situation gleichwertig zu Wort kommen zu lassen. Gelegenheit dazu gäbe ein unabhängiges Expertengremium, in dem nicht nur Virologen und Epidemiologen, sondern auch Psychologen, Soziologen, Ökonomen und Verfassungsrechtler vertreten sind und auch gehört werden müssten.
2.
zu seit Jahrzehnten bewährten Diagnosemethoden zurückzukehren, die eine Anamnese des Patienten mit einschließt. Der PCR-Test allein ist nicht geeignet, um eine Infektion sicher nachzuweisen. Täglich veröffentlichte Infektionszahlen dürfen deshalb nicht mehr ausschließlich auf Labordiagnostik beruhen.
3.
reelle und für die Bevölkerung wichtige und nachvollziehbare Verhältnismäßigkeiten herzustellen, z.B. die Zahl der aktuell Erkrankten der Zahl der nicht betroffenen Gesamtbevölkerung gegenüber zu stellen. Derzeit leiden 99,82% der Bevölkerung unter den verordneten Maßnahmen aufgrund nur 0,18% positiv Getesteten.
4.
hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Gefahren und Langzeitfolgen der ungewöhnlich schnell zugelassenen, erstmalig auf mRNA basierenden, Impfstoffe die Bevölkerung keinerlei Risiken auszusetzen. Die Meldungen über alarmierend hohe Nebenwirkungen aus verschiedenen Ländern müssen ernst genommen werden, die auffällig vielen Corona-Ausbrüche und erhöhten Sterberaten nach Impfungen in Heimen untersucht werden. Die Bevölkerung ist über bestehende Risiken transparent und unvoreingenommen aufzuklären.
5.
jedweden, auch indirekten, Zwang zur Durchführung von Tests, Impfungen u.a. durch Einführung sogenannter Schnelltest- Apps und des grünen Impfpasses, sowie Benachteiligungen für Maskenbefreite zu unterlassen. Die grundgesetzlich garantierten Rechte auf Menschenwürde und auf körperliche Unversehrtheit sind zu bewahren und zu schützen, den Ärzten das Recht auf freie Ausübung ihres Berufes nach ihrem Gewissen weiterhin zu ermöglichen und zu gewährleisten.
6.
Kinder als Corona-Maßnahmenopfer besonders ins Blickfeld zu nehmen. Laut der Bundes Psychotherapeuten Kammer leiden weit über 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter dem erneuten Lockdown während der zweiten Coronawelle. Fast jedes dritte Kind ist momentan psychisch auffällig.
7.
anstatt einer Politik der Angst, wie im Strategiepapier des Bundesinnenministeriums enthalten , eine Politik der Verhältnismäßigkeit (nur 0,18% der Bevölkerung sind aktuell positiv getestet) zu betreiben, die Zuversicht verbreitet und Empfehlungen für Maßnahmen beinhaltet, die das Immunsystem stärken.
8.
den Menschen wieder Eigenverantwortung und Freiheit zurückzugeben. Dabei soll es den mündigen Bürgern überlassen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten und auch den älteren Menschen wieder entsprechend einer menschenwürdigen Behandlung ihre Selbstbestimmung zurückzugeben und sie darin bestmöglich zu unterstützen und zu schützen.
9.
Den staatlich verordneten Lockdown sofort zu beenden und den vielen existenzgefährdeten Betrieben und ihren Mitarbeitern und allen Menschen wieder ihre grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte allumfassend zurückzugeben.
… erneut mit dem Infektionsschutzgesetz befasst. Dabei stand der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachte Entwurf eines „Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ zur ersten Beratung ein (19/28444) zur Debatte. Der Entwurf wurde im Anschluss an die Aussprache in den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
Beraten wurde zudem ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Mehr Sicherheit und Lebensqualität mit Schnelltests und Selbsttests für alle“ (19/27960). Auch mit dieser Vorlage wird sich nun der Gesundheitsausschuss weiter befassen.
Gesetzentwurf der Koalition
Mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sollen dem Bund bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zusätzliche Handlungsmöglichkeiten gegeben werden, um, wie es darin heißt, „eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten“. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, sollen künftig bundeseinheitliche Regelungen greifen. Demnach sollen private Zusammenkünfte auf die Angehörigen eines Hausstandes und maximal eine weitere Person begrenzt werden. Ausgenommen dabei sind Kinder unter 14 Jahren.
Außerdem sollen zwischen 21 Uhr und fünf Uhr des Folgetages Ausgangsbeschränkungen gelten. Aufenthalte außerhalb des Wohnraums sollen allerdings gestattet bleiben, wenn diese unter anderem zur Berufsausübung, zur Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts, zur Ausübung des Dienstes oder des Mandats, der Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderer Medien, zur unaufschiebbaren Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger, der Begleitung Sterbender oder der Versorgung von Tieren dienen.
Schließung von Freizeiteinrichtungen und Geschäften
Untersagt werden soll bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 100 auch die Öffnung von Freizeiteinrichtungen, Museen, Kinos, Theatern und ähnlichen Einrichtungen. Gleiches soll für Gaststätten gelten. Die Auslieferung von Speisen und Getränken sowie deren Abverkauf zum Mitnehmen sollen dagegen weiterhin möglich sein. Schließen sollen laut Vorlage auch die meisten Geschäfte. Von der Regelung ausgenommen werden sollen der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte.
Weitere Einschränkungen sind für die Ausübung von Sport und die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen vorgesehen. Auch die Zurverfügungstellung von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken soll untersagt werden können. Die Regelungen sollen außer Kraft treten, wenn der Inzidenzwert von 100 an fünf aufeinander folgenden Werktagen unterschritten wird.
Regelungen für den Schulbetrieb
Weitere Einschränkungen sind für den Schulbetrieb vorgesehen. So sollen Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen ab einem Inzidenzwert von 200 den Präsenzunterricht einstellen müssen. Ausnahmen sollen allerdings für Abschlussklassen und Förderschulen möglich sein.
Außerdem sieht der Entwurf eine Teststrategie für Schüler und Lehrer vor. Zweimal wöchentlich sollen diese auf das Coronavirus getestet werden, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu dürfen.
Antrag der Linken
Die Linksfraktion fordert mehr Schnelltests und Selbsttests. Selbsttests ermöglichten es den Menschen, sich aktiv an der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu beteiligen und andere zu schützen, heißt es in einem Antrag der Fraktion (19/27960).
Die Abgeordneten fordern, flächendeckend die Möglichkeit zu schaffen, mehrmals pro Woche für alle kostenlose Selbsttests zu erhalten. Für Kitas und Schulen sollten verpflichtend mindestens zweimal in der Woche Schnelltests für Kinder und Personal angeboten werden. (eis/ste/pk/16.04.2020)
Die Rede der Kanzlerin
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… dass es auch keine indirekte Impflicht durch Sonderrechte für Geimpfte geben wird. Doch genau das soll jetzt kommen: Jens Spahn möchte es auf den Weg bringen.
m 14.03.2020 twittert das Bundesministerium für Gesundheit: „Achtung Fake News! Es wird behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen. Das stimmt NICHT! Bitte helfen Sie mit, ihre Verbreitung zu stoppen.“ Gut eine Woche später wird der erste Lockdown verhängt.
Da klingt die Ankündigung an gleicher Stelle ein drei Viertel Jahr später eher wie eine Drohung: „Eine Impfpflicht wird es nicht geben. Nachrichten und Beiträge, die etwas anderes behaupten, sind falsch.“ Auch Jens Spahn beteuerte im Dezember 2020 ganz vehement: Er sei gegen Sonderrechte für Geimpfte.
Jetzt kündigt er in der BamS an: „Wer vollständig geimpft wurde, kann also in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde.“ Auch in Quarantäne müsste man nicht mehr als Geimpfter.
[…]
Ich lass mich trotzdem nicht impfen.
Ich bin doch kein Versuchskaninchen … für den Langzeittest!
… die Welt könnte bis auf den letzten Winkel Viren-sauber geputzt werden.
Wir leben im Zeichen der Virus-Religion. Wie mittelalterliche Bußprediger ziehen auch die Prediger von Lockdown und Fridays for Future durch das Land und wollen den Menschen Familie, Freiheit und Leben verbieten. Wir sollen büßen bis ans Ende der Zeit. Das neue Paradies wird uns nach der letzten Schlacht versprochen und soll komplett virenfrei sein. Die Demokratie wird abgeschafft zu Gunsten der Virokratie, in der einige Virologen mit Tunnelblick das Sagen haben. Wer widerspricht, wird als Feind betrachtet. Wehren wir uns gegen den Wahn, die Welt könnte bis auf den letzten Winkel klinisch sauber geputzt werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) steuert die Energiewende im Hinblick auf die gesetzlichen Ziele einer sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Elektrizität weiterhin unzureichend. Es muss sein Monitoring zur Versorgungssicherheit vervollständigen und dringend Szenarien untersuchen, die aktuelle Entwicklungen und bestehende Risiken zuverlässig abbilden. Außerdem hat es immer noch nicht festgelegt, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Versorgung mit Elektrizität versteht. Angesichts der Entwicklung der Strompreise empfiehlt der Bundesrechnungshof eine grundlegende Reform der staatlich geregelten Energiepreis-Bestandteile.
0.1 Ausgangslage
Im Jahr 2018 unterrichtete der Bundesrechnungshof den Deutschen Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung in einem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über die Koordination und Steuerung der Energiewende durch das BMWi.1 Er empfahl unter anderem, dass die Bundesregierung die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit quantifiziert. Beide Ziele gehen zurück auf das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Dort heißt es in § 1:
Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche,effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.
0.2 Anlass der Prüfung: Bedeutende Entwicklungen seit dem Jahr 2018
Seit der Berichterstattung im Jahr 2018 gab es bedeutende Entwicklungen, die sich auf das Angebot und die Nachfrage von Elektrizität auswirken: Im Oktober 2019 beschloss die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm 2030. Danach will die Bundesregierung u. a. im Wärme- und Verkehrsbereich stärker auf erneuerbare Energie setzen. Dies soll z. B. geschehen durch den – möglichst direkten – Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien. Wesentliche Bestandteile sind die Förderung der Elektromobilität und der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Bis zum Jahr 2030 sollen 7 bis 10 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen und 1 Million Ladepunkte vorhanden sein. Öl- und Gasheizungen sollen ersetzt werden durch „klimafreundliche Anlagen“ oder „erneuerbare Wärme“. Die Bundesregierung hat das Ziel, im Jahr 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 65 % zu erreichen. Neu eingeführt wurde eine CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme ab dem Jahr 2021. Teil des Klimaschutzprogramms 2030 sind auch die verstärkte Nutzung von Wasserstoff und der beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung. Im Juni 2020 beschloss die Bundesregierung eine Nationale Wasserstoffstrategie. Um einen Teil des in Deutschland benötigten Wasserstoffs zu erzeugen, wird zusätzlich erneuerbar erzeugter Strom benötigt. Im August 2020 traten die Gesetze für die Beendigung der Kohleverstromung in Kraft. Bis spätestens zum Jahr 2038 sollen alle Kohlekraftwerke in Deutschland außer Betrieb genommen werden.
0.3 Gegenstand der Prüfung: Aufgabenerledigung durch das BMWi
Der Bundesrechnungshof ist folgenden Fragen nachgegangen:
1. Was hat das BMWi unternommen, um die Ziele der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität überprüfbar auszugestalten und zu quantifizieren?
2. Wie hat es die Vorgaben des EnWG und des Klimaschutzprogramms 2030 bei der Versorgung mit Elektrizität berücksichtigt und umgesetzt? Die Maßstäbe für die Prüfung des Bundesrechnungshofes sind Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit umfasste hier insbesondere die Beachtung des EnWG betreffend die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Versorgung mit Strom. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit verfolgte einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz und berücksichtigte die Aufgaben des BMWi als Energieministerium sowie als Wirtschaftsministerium: Als Energieministerium hat das BMWi die Energiewende zu gestalten. Zentrales Anliegen der Bundesregierung ist es dabei, die Ziele des energiepolitischen Dreiecks aus Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungsicherheit und Bezahlbarkeit miteinander in Einklang zu bringen. Dabei stehen erhebliche Ausgaben und Kosten im Raum. Eine Studie aus dem Jahr 2016 geht davon aus, dass in den Jahren 2000 bis 2025 einschließlich der Netzausbaukosten insgesamt rund 520 Mrd. Euro für die Energiewende im Bereich der Stromerzeugung aufgebracht werden müssen.
3. Der Bundesrechnungshof schätzte die der Energiewende zurechenbaren Ausgaben und Kosten allein für das Jahr 2017 auf mindestens 34 Mrd. Euro.4 Als Wirtschaftsministerium hat das BMWi die Rahmenbedingungen für Unternehmen, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Verbraucher in Deutschland mitzugestalten. Es soll durch Fördermaßnahmen für Technologien, den Mittelstand sowie den Energieund Außenwirtschaftsbereich Impulse setzen für dauerhaftes, tragfähiges Wachstum und Wohlstand. Damit soll es auch einen Beitrag leisten, um die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu sichern. Für Mittelstands-, Innovations- und Technologieförderung waren 5,4 Mrd. Euro imBundeshaushalt 2020 veranschlagt.
0.4 Prüfungsergebnisse zur Versorgungssicherheit bei Elektrizität
Dem EnWG entsprechend umfasst die Versorgungssicherheit drei Dimensionen: Versorgungssicherheit am Strommarkt, Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit. Das BMWi will die Versorgungssicherheit am Strommarkt mit dem Indikator„Lastausgleichswahrscheinlichkeit“ messen, für den es einen Zielwert von 99,94 % festlegte. Zur Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit gehört die Betrachtung von
• Netzausbau und Speichern, • Netzwartung, • Netzstörungen und Maßnahmen zur Gewährleistung der Netzstabilität sowie • Nachfragespitzen und Versorgungsausfällen.
Zu diesen Aspekten sagt das Monitoring des BMWi bisher nichts oder kaum etwas aus. Insoweit ist das Monitoring lückenhaft. Im Übrigen sind die Annahmen des BMWi zur Versorgungssicherheit bei Elektrizität teils zu optimistisch und teils unplausibel. So hat das BMWi kein Szenario untersucht, in dem mehrere absehbare Faktoren zusammentreffen, die die Versorgungssicherheit gefährden können. Durch den Kohleausstieg entsteht eine Lücke von bis zu 4,5 Gigawatt gesicherter Leistung, die das BMWi noch nicht bei der Bewertung der Versorgungssicherheit berücksichtigt hat. Um den Anforderungen des EnWG zu genügen, muss das BMWi
• sein Monitoring in allen drei Dimensionen – Versorgungssicherheit am Strommarkt, Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit – vervollständigen. Zahlreiche neue Beschlüsse und Pläne werden sich erheblich auf die künftige Versorgungssicherheit auswirken. Dazu gehören insbesondere die Pläne zur Vermeidung von Netzengpässen und zur Wasserstoffgewinnung sowie der Kohleausstieg. Die Bundesregierung muss daraus resultierende Erkenntnisse und Instrumente rechtzeitig nutzen, um sich abzeichnenden, realen Gefahren für dieVersorgungssicherheit wirksam zu begegnen. • dringend aktuelle und realistische Szenarien untersuchen. Außerdem muss es ein „Worst-Case“-Szenario untersuchen, in dem mehrere absehbare Faktoren zusammentreffen, die die Versorgungssicherheit gefährden können.
0.5 Prüfungsergebnisse zur Bezahlbarkeit von Elektrizität
In keinem anderen EU-Mitgliedsstaat sind die Strompreise für typische Privathaushalte zurzeit höher als in Deutschland. Sie liegen 43 % über dem EU-Durchschnitt. Auch für Gewerbe- und Industriekunden mit einem Stromverbrauch zwischen 20 und 20 000 Megawattstunden (MWh) pro Jahr liegen die deutschen Strompreise teils an der Spitze. Die Strompreise für Großverbraucher mit mehr als 150 000 MWh pro Jahr liegen hingegen unter dem EU-Durchschnitt. Treiber hoher Strompreise waren und sind die staatlich geregelten Preisbestandteile, insbesondere die Erneuerbare-Energien-Gesetz-Umlage. Es gibt viele Faktoren, die sich teils erheblich auf das Preisniveau von Strom auswirken. Dazu gehören insbesondere der weitere Ausbau erneuerbarer Energien, die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes, die CO2-Bepreisung und das derzeitige System von Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen. Das BMWi hat nach wie vor nicht bestimmt, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität versteht. So gibt es keine Zielwerte, die festlegen, bis zu welchem Niveau Strom als preisgünstig gilt. Die Indikatoren bilden die Entwicklung bei den Letztverbrauchspreisen nicht hinreichend ab.
Das BMWi muss
• bestimmen, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität versteht. Es muss anhand von Indikatoren festlegen, bis zu welchem Niveau Strom als preisgünstig gilt. • anstreben, das System der staatlich geregelten Energiepreis-Bestandteile grundlegend zu reformieren. Anderenfalls besteht das Risiko, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die Akzeptanz für die Energiewende zu verlieren.
… richtet einen Appell an den Bundestag. Er erinnert daran, dass es neben der Gesundheit noch andere Grundrechte gibt – und kritisiert politische „Trittbrettfahrer“ der Pandemie
WELT:Wir erleben jetzt das zweite Osterfest im Zeichen der Corona-Pandemie, Herr Kirchhof. Wird der Verfassungsstaat, so, wie wir ihn kennen, wiederauferstehen? …
… Ferdinand Kirchhof:Ich bin guter Hoffnung, dass der Verfassungsstaat wieder in seinen Normalzustand zurückkehren wird. Klar ist dabei: Je länger die Beschränkungen dauern, desto dringlicher wird es verfassungsrechtlich, den Grundrechten abseits des Gesundheitsschutzes wieder Geltung zu verschaffen.
WELT:Seit über einem Jahr schränkt die Bundesregierung diese Grundrechte in beispielloser Form ein. Im ersten Halbjahr war die gesetzliche Grundlage dafür eine nicht für eine Pandemie gedachte Generalklausel, im zweiten Halbjahr ein hingeschluderter neuer Paragraf im Infektionsschutzgesetz. Genügt das Ihren Maßstäben als Staatsrechtler?
Kirchhof: Ich bin zunächst froh, dass die Generalklausel im Paragrafen 28 Infektionsschutzgesetz, die nach Art der polizeilichen Gefahrenabwehr ausgearbeitet ist, jetzt nicht mehr zur Anwendung kommt. Wir haben stattdessen seit dem Herbst letzten Jahres den Paragrafen 28a, der sich speziell mit dem Coronavirus befasst. Das ist ein Fortschritt, weil das Parlament dort erstmals die verschiedenen Eingriffe aufgezählt hat, die möglich sind – und vor allem auch Grenzen, Befristungen und Begründungspflichten festgeschrieben hat.
Ich bin aber, je länger die Corona-Lage andauert, auch mit dieser Vorschrift nicht ganz glücklich, weil sie die möglichen staatlichen Eingriffe nicht mit den entgegenstehenden Rechtsgütern und Belangen von Gesellschaft, Wirtschaft und Individuen abwägt.
WELT:Genügt das Infektionsschutzgesetz also den verfassungsrechtlichen Anforderungen?
Kirchhof: Mir fehlt die Beteiligung des Parlaments an der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und der ihnen entgegenstehenden Rechtsgüter. Es ist feststehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bundestag selbst diese Austarierung bei einer Beschränkung von Grundrechten übernehmen muss.
In Paragraf 28 Absatz 6 aber steht lediglich, dass bei staatlichen Maßnahmen auch deren wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Auswirkungen berücksichtigt werden müssen. Das ist keine eigene Konfliktentscheidung durch das Parlament, sondern eher ein lakonischer Hinweis an die Exekutive: Denkt bitte auch daran! Das reicht nicht.
WELT:Der Bundestag beschränkt sich in dieser Pandemie generell eher auf die Rolle eines Beobachters. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung des Souveräns?
Kirchhof: Tja, das ist ein schwieriges Kapitel. Das Parlament fokussiert sich im Wesentlichen darauf, nach Paragraf 5 die epidemische Lage von nationaler Tragweite zu erklären. Das ist die Grundvoraussetzung, damit die Exekutive auf den Maßnahmenkatalog des Infektionsschutzgesetzes zurückgreifen kann. Wenn dieser Schalter aber umgelegt ist, fallen alle Beschränkungen, und die Exekutive darf ohne Mitsprache des Bundestags umfassend handeln.
Mir zeigt das: Der Seuchenschutz ist offenbar kein Thema, von dem die Abgeordneten glauben, dass es Wählerstimmen bringt. Wir haben das in der Vergangenheit schon öfter erlebt. Vergleichbare Zurückhaltung des Bundestags registriere ich immer dann, wenn es um den Abbau von Privilegien geht. Subventionen oder soziale Leistungen zum Beispiel verteilt das Parlament gern, nimmt sie aber ungern zurück.
WELT:Wie ließe sich der Bundestag zum Jagen tragen?
Kirchhof: Es bleibt nur der Appell an die Abgeordneten. Das Parlament ist der Souverän. Es entscheidet, ob und wie es etwas tut. Und es kann eben auch entscheiden: Wir tun nichts oder wir tun wenig. Ein Appell liegt mir mit Blick auf künftige Pandemien allerdings am Herzen.
WELT:Welcher?
Kirchhof: Wir erleben jetzt eine exzeptionelle Situation. Und ich wünsche mir sehr, dass die ergriffenen Maßnahmen auch exzeptionell bleiben – und nicht als Muster für die nächste Hongkong-Grippe herhalten. Mit der Begründung „Auch da gibt es Tote und Kranke“ ließe sich das Infektionsschutzgesetz auch in diesem Fall durchdeklinieren.
Ich würde dem Parlament deshalb empfehlen, dass es sich dieses Themas später außerhalb der akuten Corona-Hektik annimmt und ganz genau sagt, wann wir erneut zum Infektionsschutzgesetz und dessen harten Maßnahmen greifen dürfen – und wann nicht. Sie dürfen nicht zur Regel werden bei jeder Epidemie.
WELT:Die Regierung rechtfertigt die Eingriffe ausdauernd mit der Sorge vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Überzeugt sie das?
Kirchhof: Der Schutz des Gesundheitssystems kann nur ein Hilfsziel für den Schutz von Leben und Gesundheit in extremer Not sein. Allein um staatliche Therapieeinrichtungen nicht zu überlasten, dürfen die Grundrechte des Bürgers nicht beschränkt werden. Da muss der Staat dann schlicht mehr Einrichtungen schaffen.
WELT:Müsste der Staat mehr auf Eigenverantwortung seiner Bürger setzen, zumal wenn jetzt ausreichend Tests zur Verfügung stehen?
Kirchhof: Der Staat hat eine Schutzpflicht, gegen ein Virus vorzugehen, das bedrohlich ist und das tödlich sein kann. Die Lage ist zweifellos ernst, wie die Bundeskanzlerin sagt. Aber man kann eine Gesellschaft, man kann eine Wirtschaft, man kann persönliche Beziehungen auch zu Tode schützen.
Mein Beispiel dafür ist immer der Straßenverkehr. Dort gibt es jedes Jahr Verletzte und Tote. Nun könnten wir entscheiden: Das dulden wir nicht, wir unterbinden den Straßenverkehr mit Autos, Fußgängern, Radfahrern. Damit haben wir Gesellschaft, Wirtschaft und Personen effektiv geschützt – aber eben zu Tode geschützt.
Das lässt sich auf die Pandemie übertragen. Wir sind noch nicht in diesem Bereich. Aber je länger die Maßnahmen andauern, desto verfassungsrechtlich drängender wird es, diese durch sie verursachten schweren Schäden mit in den Blick zu nehmen.
WELT:Die schärfsten Vorschläge in dieser Pandemie kommen regelmäßig aus dem Kanzleramt. Gibt es dort keine Verfassungsjuristen – oder werden sie nicht gehört?
Kirchhof: Doch, die gibt es wohl. Aber neben den Verfassungsjuristen gibt es eben auch die Virologen. Beide vertreten unterschiedliche Ansichten, und dann muss die Politik mit ihrem demokratischen Mandat entscheiden, was man letztlich tut. Sie hat dabei eine sogenannte Einschätzungsprärogative (Gestaltungsspielraum; d. Red.).
WELT:Angela Merkel hat am Sonntag bei „Anne Will“ angedeutet, dass der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder die aus ihrer Sicht nötigen Maßnahmen nicht ausreichend ergreifen sollten. Könnte der Bund durchregieren, wenn er wollte?
Kirchhof: Durchregieren, das ist ein schwieriges Wort. Nach der Konzeption unseres Grundgesetzes macht der Bund die Gesetze, und die Länder setzen sie um. Der Bund könnte das Infektionsschutzgesetz ändern oder ein weiteres Gesetz beschließen. Dafür hätte er die Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 I Nummer 19 Grundgesetz. Er könnte die Länder damit zu strikten Maßnahmen verpflichten.
Das würde dann allerdings auch im Bundesrat diskutiert werden müssen, sodass die Landesregierungen wieder partiell mitwirken würden. Aber der Bund kann nicht durchregieren in dem Sinne, dass er seine Gesetze dann selber durch eigene Behörden durchsetzt.
WELT: Darin würde ja auch eine gewisse Geringschätzung regional unterschiedlicher Lösungen liegen. Wie funktioniert der Föderalismus in dieser Pandemie?
Kirchhof: Ich meine, dass er ausgezeichnet funktioniert, obwohl man in der Öffentlichkeit oft das Gegenteil hört. Ich meine auch, dass die kommunale Selbstverwaltung nach Artikel 28 II Grundgesetz hervorragend funktioniert. Diese Kompetenzverteilung der Verfassung schont auch die Grundrechte. Denn am Ende wissen die 16 Länder und über 400 Landkreise sowie Städte doch am besten über die Lage vor Ort Bescheid. Kommt eine hohe Inzidenzzahl nur aus einer Pflegeeinrichtung oder aus einer Fabrik? Oder grassiert das Virus wirklich flächendeckend? Das kann man nicht über einen Kamm scheren und mit bundesweit identischen Maßnahmen bekämpfen.
WELT:Sie hatten über viele Jahre Ihren Lehrstuhl an der Universität Tübingen. Das ist ja eine Stadt, die sehr eigene Wege zu gehen versucht. Wie funktioniert das nach Ihrer Wahrnehmung?
Kirchhof: Ich bin kein Virologe oder Mediziner. Als politischer Mensch aber meine ich, dass das ein sehr erfreulicher Versuch ist, mit kreativen Ideen und geringsten Beschränkungen für die Bürger eine Bekämpfung des Virus zu erreichen. Kurz gesagt: Ich drücke Frau Federle, Herrn Palmer und dem Landrat Walter ganz fest beide Daumen.
WELT: Wie beurteilen Sie verfassungsrechtlich die überragende Bedeutung der Inzidenzwerte in dieser Krise?
Kirchhof: Diese Inzidenzwerte waren in der ersten Not des Corona-Schocks sicher eine taugliche Methode. Je länger die Pandemie andauert, desto mehr wird man sich fragen müssen, ob sie wirklich der einzige Faktor sind, der über die Maßnahmen bestimmen darf. Sie sind ein grober Maßstab, der aber längst nicht das ganze Grundrechtsgefüge erfasst, das wir beachten müssen.
Ich halte es mittlerweile für verfassungsrechtlich dringend angezeigt, dass wir noch andere Parameter berücksichtigen. Wenn ein Kreis eine Inzidenz von 250 hat, und die Infizierten spüren keine Symptome oder nur die einer leichten Grippe, dann ist mir die Inzidenz ziemlich egal. Wenn ein Kreis die Inzidenz von 30 hat, und das führt zu 25 Todesfällen, dann brennt es. Und das muss man auch gesetzlich abbilden.
WELT:Sie sprechen gern von den Trittbrettfahrern der Corona-Pandemie. Wen meinen Sie damit?
Kirchhof: Es ärgert mich, dass Politiker diese Krise nutzen, um andere Anliegen unter dem Deckmantel Corona durchzusetzen. Ich nenne sie Trittbrettfahrer. So wird die Kreditbremse in einem Maße gelockert, wie es nicht nötig wäre. Der Bundesrechnungshof hat zu Recht kritisiert, dass die Kreditaufnahme deutlich überhöht ist. Auch werden Hilfsfonds in Größenordnungen geschaffen, die man nicht benötigt. Das ist finanz- wie staatsrechtlich höchst problematisch.
WELT:Es gibt die politische Forderung, die Schuldenbremse gänzlich abzuschaffen. Wäre das klug?
Kirchhof: Nein. Dass man für Corona jetzt finanziell etwas tun muss: Ja, klar. Aber doch bitte nur als strenge Ausnahme, um danach sofort wieder zum Regime der Artikel 109 und 115 Grundgesetz zurückzukehren. Ich kann nur davor warnen, die Kreditbremse abzuschaffen. Wir haben sie vor gut zehn Jahren wegen der Erkenntnis eingeführt, dass ein Staat nicht auf Pump leben darf. Dann leistet er gegenüber seinen Bürgern mehr, als er von ihnen an Finanzen fordert – und kommende Generationen müssen das begleichen.
Außerdem gilt: Ein Staat, der sich verschuldet, regelt den Banken- und Finanzsektor nicht mehr als unparteiischer Akteur, sondern ist Interessent. Er will Negativzinsen, er will Nullzinsen. Er ist auch einer Inflation gegenüber offener, weil er daran bei der Rückzahlung des geliehenen Kapitals verdient. Deshalb beruht die Kreditbremse auch heute auf vernünftigen Gründen.
WELT:Das Bundesverfassungsgericht hat vorige Woche angeordnet, dass der Bundespräsident das deutsche Zustimmungsgesetz zum 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU vorerst nicht ausfertigen darf. Wie interpretieren Sie diesen Hängebeschluss?
Kirchhof: Das ist ein gängiges Verfahren bei jedem Zustimmungsgesetz zu internationalen Verträgen. Das Bundesverfassungsgericht will die Sache überprüfen, ehe der Bund seine Stimme endgültig abgegeben hat und die EU das Geld fließen lassen kann. Neu ist allein, dass die Aufforderung durch Beschluss des Zweiten Senats ergangen ist. Üblich ist eine informelle Absprache per Telefon.
WELT:Wie erklären Sie sich, dass man es jetzt so offiziell macht?
Kirchhof: Da kann ich nur spekulieren. Mit einem Beschluss ist für jedermann – auch im Ausland – klar dokumentiert, dass der Aufschub auf einer Anordnung des Gerichts beruht.
WELT:Die Kläger in Karlsruhe fürchten, der Wiederaufbaufonds sei der erste Schritt in eine Schuldenunion – und nicht nur eine Ausnahme. Wie sehen Sie das?
Kirchhof: Diese Diskussion ist breit im Gange, auch in der Bundesregierung. Ja, es wird jetzt deklariert als Ausnahme. Aber man muss auch sehen: Die EU hat schon öfter die Taktik verfolgt, etwas Exzeptionelles zu kreieren und zu sagen: Das machen wir nur einmal. Und danach wurde es dann zur steten Praxis. Und da etliche Mitgliedstaaten offen für eine Haushalts-, Kredit- und Finanzunion plädieren, ist es nicht völlig fernliegend zu sagen: Das ist der erste Schritt in diese Richtung.
WELT:National übt sich das Bundesverfassungsgericht in der Corona-Krise dagegen in Zurückhaltung und verweist bei Verfassungsbeschwerden auf den Rechtsweg. Dabei hätte es die Möglichkeit, auf die grundsätzliche Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu verzichten. Warum tut es das nicht?
Kirchhof: Das hat das Gericht zu entscheiden. Ich habe als ausgeschiedener Richter da keine Ratschläge zu erteilen. Grundsätzlich gilt: Es geht in dieser Pandemie bislang um Rechtsverordnungen der Länder. Und für die gibt es ein gerichtliches Schutzsystem in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da die Sachverhalte je nach Region unterschiedlich ausfallen, scheint es mir ganz weise zu sagen: Lasst die Verwaltungsgerichtsbarkeit entscheiden.
Ich bin sicher, Karlsruhe wird sich des Themas irgendwann annehmen und auch mit Blick auf künftige Pandemien einige grundsätzliche Leitsätze dazu formulieren – und zwar so, wie wir das vom Bundesverfassungsgericht gewohnt sind: erst solide ausdiskutiert, dann klar entschieden.
*Weil das Interview außerordentlich wichtig für die Debatte um Corona ist, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren.