… dass Alt-Medien und Politik ein inoffizielles Kartell gebildet haben, der sollte sich die neueste Kolumne des Spiegel-Journalisten genau anschauen. Lobo kündigt an, was demnächst politisch exekutiert wird: Die Ausgrenzung von Menschen, die gesund sind und sich (vorerst) nicht impfen lassen wollen, weil es derzeit wenig Kenntnisse darüber gibt, ob der medizinische Grundsatz, die Therapie dürfe nicht schädlicher sein als die Krankheit, auf die Corona-Impfungen zutrifft. …
… Jede Skepsis gegenüber Impfungen verweist Lobo arrogant ins Reich der Verschwörungstheorien. Er spaltet das Land in eine gute und eine böse Seite: „Die eine orientiert sich am wissenschaftlichen Konsens, an Solidarität sowie der flächendeckenden Schnauzenvollheit, die andere stützt sich oft auf unseriöse, esoterische Quellen oder auf Propaganda.“ Wie sieht der „wissenschaftliche Konsens“ aus, den Lobo hier behauptet? Er beruht in Wahrheit auf der Ausgrenzung aller, auch noch so gut begründeter, abweichender Meinungen. Wer nicht bereit ist, die Corona-Panikmache zu unterstützen, wird nicht gehört, weder von der Politik, noch von den Medien. …
… Solidarität? Was hat es mit Solidarität zu tun, wenn einer ganzen Generation der Kontakt untereinander und der Schulbesuch verweigert wird, um die hauptsächlich betroffenen über 80-Jährigen zu schützen? Und was hat dieser „Schutz“ mit Solidarität zu tun, wenn die Alten in ihren Heimen in Isolationshaft gezwungen werden und sterben müssen, ohne dass ein Angehöriger sie tröstet und begleitet? Wo ist die Solidarität mit den Gastronomen, Hoteliers, Einzelhändlern, die kalt mit Schließungen und unsinnigen Vorschriften nach der angeblichen „Öffnung“ in den Ruin getrieben werden? Wo bleibt die Solidarität mit den Kosmetikerinnen, Fußpflegerinnen, Kellnerinnen und anderen Angestellten der willkürlich geschlossenen Unternehmen, die nunmehr seit über einem halben Jahr mit Kurzarbeitergeld auskommen müssen, das nach ihrem mickrigen Grundgehalt berechnet wird, weil das Trinkgeld, das sie seit neuestem bei der Steuer angeben müssen, nicht berücksichtigt wird?
Hoffnung auf Impfgehorsam
Ja, die Bevölkerung hat die Schnauze voll und sehnt sich nach der Impfung wie nach der Erlösung von einem Albtraum. Sie hofft, durch Impfgehorsam ihr altes, vergleichsweise unbeschwertes Leben zurückzuerhalten. Das ist ein Irrtum. Wir haben innerhalb eines Jahres die radikale politische Kursänderung erlebt: Von dem anfänglichen Versprechen, die Grundrechtseinschränkungen permanent auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen und sofort rückgängig zu machen, zum Entzug der Grundrechte als Dauerzustand, der nicht mehr begründet, sondern mit allerlei Vorwänden aufrechterhalten wird. Wenn die Menschen es wagen, wie zu Pfingsten in Düsseldorf geschehen, die Altstadt mit ihrer Anwesenheit wieder zu beleben, wird von der Stadtverwaltung eine Anordnung erlassen, der den Aufenthalt in der Altstadt beschränkt und an eine Maskenpflicht im Freien bindet. Der wissenschaftliche Konsens der Lungenexperten, dass Aerosole an der frischen Luft nicht infektiös sind, wird von den verbotsbesessenen Politikern hier einfach missachtet.
Kommen wir zu der bösen Seite, die sich angeblich auf „unseriöse, esoterische Quellen oder auf Propaganda“ stützt. Das Lobo Propaganda auf dieser Seite verortet, ist schon fast lustig, nachdem wir seit über einem Jahr einer flächendeckenden Corona-Propaganda von Politik und Altmedien ausgesetzt sind. Das fängt bei der morgendlichen Meldung der angeblichen „Neuinfektionen“ an, die in Wirklichkeit mehrheitlich positiv Getestete ohne Symptome sind, und hört mit den abendlichen Sondersendungen zur „Coronalage“ nicht auf, denn selbst nachts wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit suggeriert, man befände sich in einer tödlichen Gefahr, das Gesundheitssystem würde jeden Augenblick zusammenbrechen. Diese Propaganda ist so stark, dass viele Menschen auch nach einem Jahr nicht bemerken, dass es die prophezeiten Millionen Toten nicht gegeben hat und dass die Sterbeziffern „an und mit Corona“ angegeben werden, weil auch ein Unfallopfer, das im Krankenhaus stirbt, aber vorher noch schnell auf Corona getestet wurde, als Coronatoter gilt.
… bei uns in der BRD immer dann stattgefunden, wenn große Umwälzungen zu verzeichnen waren. Politisch-moralische und auch materielle Katastrophen waren da ausschlaggebend.
Es begann nach dem 3. Reich und endete mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten zu einer Nation. Damit verbunden waren auch gesetzliche Neuerungen, Verhaltensregeln, in internationalem Recht und vor allem mit der Gründung der EU. Wie das in demokratischen Ländern gute Tradition ist, wurden die Bedingungen zu diesen Veränderungen verhandelt und beschlossen. Der einzelne Bürger war meistens nicht unmittelbar betroffen, doch änderten sich im Rechtsverhältnis Bürger/BRD viele Dinge, die dann von der Bürgerschaft mitgetragen wurden.
In den letzten 2 Jahrzehnten ist eine Erosion der Grundrechte zu verzeichnen. Immer wieder wurde versucht, durch neue Gesetzesbeschlüsse die garantierten Grundrechte zu beschneiden. Man konnte spüren, dass die Politik Veränderungen will, um gültige Grundrechte auszuhebeln.
Mit der Ausrufung der Pandemie im Frühjahr 2020 kam dann der absolute GaU. Endlich hatte die Regierung den lange gesuchten Grund gefunden, um die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv zu beschneiden. Mit dem Beschluss des Bundestags, eine „epidemische Notlage nationaler Tragweite“ auszurufen, kam das Ende freiheitlicher, im GG verankerter Rechte, sogar solcher, die mit der Ewigkeitsklausel versehen sind. Die Änderung des IfSG war dann die rechtliche Handhabe genau so vorzugehen.
Nie für möglich gehaltene Einschränkungen der Bevölkerung waren die Folge. Von Berufsverboten, Freiheitsbeschränkung, Reiseverboten, Ausgangssperre und weiteren Maßnahmen tat sich ein Moloch an Verboten und Geboten auf, die an Kriegszustände erinnerten, die aber sicherlich nicht das Leben in einem demokratischen Staat abbilden. Hier hatte der politische Irrsinn den Weg gefunden, die Bevölkerung zu entrechten und zu kasernieren! Jetzt konnten wir erleben, dass hier ein Monstrum entstand, indem Verbote eigentlich Übertretungen erzeugen, die zu einer neugemachten Schuld führen und im absoluten Widerspruch zu den Grundrechten stehen.
Am 18.11.2020 und im April 2021wurden dann mit weiteren Gesetzesänderungen die Regeln in der epidemischen Notlage verschärft, indem willkürlich im Gesetz fest verankerte Inzidenzwerte einen Automatismus an Verordnungen auslösen. Mit diesen Änderungen wurde der Föderalismus ausgehebelt, da man diese Änderungen dazu nutzte, Zuständigkeiten dem Bund zuzuordnen.
Schon im Frühjahr 2020 wies die Regierung daraufhin, dass die Pandemie nur mit einer Durchimpfung der Bevölkerung oder mit Verabreichung von Medikamenten zu beenden sei. Mit riesigem Finanzaufwand wurden nun weltweit Vakzine in kürzester Zeit entwickelt, die allerdings nicht alle notwendigen Phasen durchliefen. Die Phase 3 der Entwicklung wurde überhaupt nicht durchgeführt, und sie erhielten auch nur nach abgeschlossener Phase 2 eine Notzulassung. In Deutschland wurden diese Vakzine dann ab 27.12. 2020 verimpft.
Im Land wurde diskutiert, ob Geimpften andere Rechte zustehen als Nichtgeimpften. Hier wird das insgesamt rechtlose Geschehen zum absoluten, hirnrissigen Politgeschehen:
Man will geimpften Personen Privilegien zugestehen, heißt, unterschiedliche Bemessung des Rechtsstatus Einzelner. Ab nun wird die Spaltung des Volkes in absolute Höhen getrieben!
Geimpfte Personen erhalten Rechte, die Nichtgeimpfte nur erhalten, wenn sie sich testen lassen. Erst, wenn sie den Test vorweisen können, werden sie gleich behandelt. Allerdings hat dieses Testergebnis nur eine Zeitdauer von 24/72 Stunden. Danach muss man sich wieder testen lassen, um die Rechte eines Geimpften zu erhalten. Das ist purer Wahnsinn! Mit dieser rechtswidrigen Methode soll die Bevölkerung dazu angehalten werden sich impfen zu lassen.
FAZIT
Es zeigt sich deutlich, dass man die Grundrechte schleifen will. Die Regierenden haben überhaupt keine Probleme damit, Teile der Bevölkerung zu diskriminieren, zu diffamieren, zu entrechten und zu bevormunden. Es wird nicht mehr nach Rechten der Bevölkerung gefragt, sondern es werden Rechte nach Gutdünken zugewiesen. Wir haben mittlerweile den Status der Rechtlosigkeit. Es ist festzustellen, dass bei vielen Politikern helle Freude an dem Machtspiel entsteht, und sie sich in dieser Rolle mehr als wohlfühlen. Im Klartext: Sie wollen das bestehende Rechtsgefüge, den demokratischen Staat. Der Souverän hat ausgedient, sie planen den autoritären Staat!
… für Deutschland nachgeschärft. Gründe sind neue EU-Vorgaben sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, in dem das Klimagesetz von 2019 als unzureichend gerügt wurde. Welches sind die neuen Ziele, wie sollen sie erreicht werden und welche Kritik gibt es? Ein Überblick.
Deutschland hat seine Klimaziele angehoben und verbindliche Emissionsziele beschlossen. Bis 2045, statt wie zuvor geplant bis 2050, soll Klimaneutralität erreicht werden. Dies geht aus dem verschärften Klimaschutzgesetzhervor, das das Bundeskabinett am 12. Mai beschlossen hat und das von einem Maßnahmenpaket, dem „Klimapakt Deutschland“, begleitet werden soll.
Ob Masken, Impfstoff oder der Umgang mit Geimpften:
In der Corona-Pandemie reagiert die Regierung erst spät auf voraussehbare Szenarien. WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust erkennt darin ein Muster. Wie bei vielen Krisen zählen die Jüngeren für ihn zu den größten Verlierern.
WELT AM SONNTAG:Dass es schon bald mehr Geimpfte als Ungeimpfte geben wird, war ja schon länger abzusehen. Irritiert es Sie, dass sich die Politik erst jetzt damit beschäftigt, wie es weitergehen soll?
Stefan Aust:Das hätte mich vielleicht früher mal irritiert, aber nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres nimmt man das doch schon fast gleichgültig hin. Jeder gute Manager würde sich frühzeitiger und pragmatischer mit diesen Szenarien auseinandersetzen und dann pragmatisch handeln oder aber sicher Hilfe von außen holen, wenn es zum Beispiel um die Lösung technischer Probleme geht wie bei einem digitalen Impfpass. Mich hat ein Unternehmer angeschrieben, dessen Firma schon lange im Bereich der digitalen Dokumenten-Sicherheit tätig ist und der sich mit seinem Vorschlag an das Bundesgesundheitsministerium gewandt hatte. Er bekam nicht einmal die Chance, sich weiter vorzustellen, weil die Ausschreibung für das Projekt Impfpass angeblich abgelaufen war – aber erst unmittelbar zuvor.
WELT AM SONNTAG: Ist diese fehlende Szenarien-Vorplanung nicht ohnehin ein wiederkehrendes Muster in der Pandemiebekämpfung?
Aust: Sicher, das ging schon mit der Maskenbeschaffung los und zog sich dann im Grunde über alle Etappen, denken wir nur an den Impfstoff-Bezug. Natürlich war die Lage vor einem Jahr neu und fraglos sehr schwierig, aber in vielen Fällen war es dennoch keine Geheimwissenschaft, Lösungen zu finden. Es klingt sicher hart, aber ich halte diese Regierung für die inkompetenteste der vergangenen Jahrzehnte.
WELT AM SONNTAG: Die Jüngeren müssen am längsten warten, bis sie geimpft werden. Ist diese Altersgruppe die größte Verliererin?
Aust: Bei vielen tiefen Krisen sind die Jüngeren die größten Verlierer, weil sie die Suppe auslöffeln müssen. Jetzt eilig für sie aufgesetzte Programme sollen da die Wogen etwas glätten, aber das sind nur Schein-Aktivitäten, deren Wirkung niemals jemand überprüfen wird.
Stefan Aust ist Herausgeber der WELT AM SONNTAG. Die Fragen stellte Jörn Lauterbach.
*Weil der Artikel und die Meinung außerordentlich wichtig für die Debatte „Klimaschutz“ sind, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.
… mit seinem Urteil dafür, dass über Klimapolitik immer einseitiger diskutiert wird. Alles dreht sich nur noch um den Schaden, den wir durch unseren Lebensstil anrichten. Technische Lösungen – wie in China – ignorieren die Richter. Eine Einordnung.
Der Soziologe Nico Stehr hat im Jahr 2011 im Suhrkamp Verlag einen interessanten Vergleich unternommen. Er verglich in seiner Studie ,,Die Macht der Erkenntnis“, gemeinsam mit Reiner Grundmann, die zeitgenössischen Diskurse über die NS-Rassenpolitik und der heutigen Klimapolitik miteinander. Er fragte weniger nach der guten Absicht, sondern suchte als Wissenssoziologe strukturelle Parallelen bezüglich des Rollenverständnisses von Politik und Wissenschaft.
Politik dürfe sich nicht zum Durchführungsorgan wissenschaftlicher Expertenforderungen machen, resümierte Stehr. Sonst sei großer demokratischer Verlust zu beklagen. Es gebe eine „auffallende Ähnlichkeit zwischen den Diskursen über Rasse und Klima“, schrieb er. „Beide veranschaulichen einen technokratischen Zugang der Politikgestaltung, beide stellen uns nicht vor eine politische Entscheidung, sondern sagen uns, ,was die Wissenschaft fordert’.“ Die Gemeinsamkeiten, so Stehr: Kollaps-Prophetie, Selbstmord-Rhetorik, das Angebot „rein naturwissenschaftlicher“ Rettungspfade.
Die Greta-Bewegung verlangt genau dies, eine radikale Wissenschaftsorientierung der Politik. Mit Abstrichen war die Corona-Politik ein Vorgeschmack darauf, dass dieses Verständnis sicher geglaubte, verfassungsgeschützte Freiheiten rasch infrage stellen kann. In dieser Hinsicht war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimapolitik epochal. Das gilt auch auf der Sachebene, mehr aber noch aufgrund seiner semantischen und logischen Akzentsetzungen.
Wer jetzt von Freiheit spricht wie zuvor, könnte nach dem Urteil geradezu als verfassungsfern erscheinen. Die neue Klimabewegung sagt, in mehr oder minder scharfer Form, dass viele Lebensbereiche, die heute noch mehrheitlich als privat begriffen werden, im „Lichte der Wissenschaft“ politisch gedeckelt gehörten: Reisen, Heizen, Essen. Kohlenstoffintensive Lebensstile, mit anderen Worten. Und die ganze Industrie drum herum. Die Freiheit nicht nur der Mobilität, sondern auch des Eigentums, der Berufswahl, der kreativen Forschung steht zur Debatte. Pardon: steht vor einer umweltethischen Neudefinition.
Indem Karlsruhe das Staatsziel des Umweltschutzes eins zu eins an die Regierungsziele einer Kohlenstoffneutralität bis 2050 bindet, ist zunächst der parlamentarische Spielraum genommen, im Sinne des Paris-Abkommens mögliche Verschiebungen der Frist auf 2060 (wie China) oder später zu beschließen. Diese Frage ist damit, ganz im Sinne von Fridays for Future und Extinction Rebellion, nicht mehr an Mehrheiten gebunden, nicht daran etwa, dass es zunehmend auch mehrheitsfähige konkrete Angebote für alternative Lebens- und Produktionsweisen gäbe. Sondern (genau) diese Frist ist nun deshalb als nötig festgemacht, weil die Erwärmungsprognosen der Klimawissenschaft die CO2-Notbremse sachzwangartig verlangten.
Am Handlungsdruck besteht kein Zweifel. Aber Wege in eine kohlenstoffneutrale Zukunft gibt es viele. Das etwas in die Jahre gekommene Schlusswort von Nico Stehr wirkt im Lichte der aktuellen Panikrhetorik geradezu antiquiert: Er spricht über Klimaanpassung, Küstenschutz und warnt vor radikaler, also nicht auf wirtschaftliche Folgen Rücksicht nehmender CO2-Bremsung. Und die technischen Quantensprünge, die CO2 vom Gift zum Nährstoff machen, geschahen ja erst nach dem Erscheinen von Stehrs Studie.
Ziele sind längst beschlossen
Die Arroganz der Proteste sagt heute trotzdem nicht so selten: Ach, ihr alten Männer mit euren Autos. Jetzt fügt sie hinzu: Seid ihr jetzt also auch gegen die Verfassung?
Gesamtwirtschaftliche „Netto-CO2-Ausstiegsziele“ sind sinnvoll und längst politisch beschlossen. Der Weg dahin muss nun, nach dem Karlsruher Urteil der vergangenen Woche, erheblich konkretisiert werden. Dieser Auftrag an die Bundesregierung auf der „Sachebene“ ist gewiss vielseitig und kreativ zu gestalten. Aber die Folgen des Urteils für den Diskurs sind viel interessanter.
Seine Sprache und Hintergrundlogik sind epochal merkwürdig. Denn das Gericht hebt zwei Verkürzungen der Klimadebatte auf eine höhere, nämlich die Verfassungsebene: Das ist, erstens, die angesichts technischer Innovation womöglich zu rigide Vorstellung vom CO2 als Umweltgift und, zweitens, die moralische Verdammung CO2 emittierender Verhaltensweisen (nicht also etwa von Steuerpolitiken, die das CO2 viel zu billig sein lassen).
Die Berufung auf Lebensstile hat Konsequenzen. Mit dem Urteil ist – wenn es sich auch auf Regierungshandeln bezieht – gewissermaßen auch der persönliche Kohlenstoffausstieg zum Gebot verfassungstreuer Lebensführung erklärt. „Du fliegst? Damit trägst du zur Unterdrückung anderer bei“ – das ist jetzt die letztgültige Verfassungsauslegung: Individuelle Freiheiten, die gelegentlich Emissionen kosten, können nun wohl als Verletzung des Bürgerrechts auf die Freiheit (anderer) gelten.
Das Problem dieser Deutungsweise ist nicht ihre grundsätzliche Richtung, sondern die schreckliche Eindeutigkeit. Anders gesagt: die Engführung auf das „materiell-ökologische Ausbeutungsgeschehen“ bei gleichzeitiger Ignoranz der, im Bild gesprochen, Freuden, Eindrücke und positiven Nachklänge der Begegnungen, die so eine Flugreise zum Beispiel bringt. Und der Arbeitsplätze und materiell sicheren Existenzen.
Künftig müsse, so heißt es in der juristenkühlen Karlsruher Erklärung, „CO2-relevanter Freiheitsgebrauch immer stärkeren, auch verfassungsrechtlich gebotenen Restriktionen ausgesetzt sein“. Das kann vieles heißen, auch höhere CO2-Steuern. Auch die Radikalität der Extinction Rebellion hat sich das Bundesverfassungsgericht zwar, auf den ersten Blick, nicht zu eigen gemacht. Man kann das Urteil – wie viele Kommentatorinnen – auch als Ausrufezeichen sehen hinter die (triviale) Feststellung, dass es Zielkonflikte gebe zwischen zwei Verfassungszielen: Umweltschutz und individuelle Freiheit.
Die Verknotung der Ebenen
Aber ist es nicht andererseits ein billiger Trick, beide Ebenen einfach zu verbinden, sie zu einem Zielbereich zu vereinen? Das Verfassungsgericht sagt einfach, es gebe langfristig keine Freiheit ohne Umwelt-, also Klimaschutz. In der logischen Verknotung beider Ebenen liegt überhaupt der fatale Fehlgriff.
Denn ist nicht schon das Staatsziel des Umweltschutzes allein übervoll von Zielkonflikten? Zwischen dem Klima-, Arten-, Wild-, Weidetier- und Landschaftsschutz? Windparks zerstören Landschaftsbilder. Wolfsschutz zerstört Schafherden. Im Kern der artenreichen Biosphärenreservate haben auch Biobauern keinen Raum mehr.
Wiederum kollidiert jedes dieser Schutzziele mit individuellen Freiheiten von Menschen. „Letztlich bleibt eine unaufgelöste Spannung zwischen Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie einerseits und dem Anspruch auf wahre Erkenntnis und verbindliche objektive Sachnotwendigkeit andererseits“, schreibt der Historiker Andreas Rödder über die Klimadebatten der vergangenen Jahrzehnte. So sprechen Historiker. Das Gericht hat sich für die Sprache der Naturwissenschaft entschieden. Sie ist historisch blind – und ethisch ebenfalls.
Der Anspruch des Bundesgerichtes, die Widersprüche von Klima- und Freiheitsschutz mit einem simplen definitorischen Trick zu lösen, indem es Klimaschutz und Freiheit zu einem gemeinsamen Problemfeld definiert, wirkt aus historischer Perspektive naiv, vielleicht sogar anmaßend. Aber gerade diese Raffinesse lobten Kommentatoren, in der „Zeit“ wie in der „F.A.S.“.
Die eindeutige Argumentation liefert dann auch gleich die eindeutige Lösung mit: weg von den Emissionen. Das Gericht schreibt en passant auch das Zieldatum der deutschen Netto-Null (2050) als unumkehrbar notwendig fest – es gehe eindeutig aus dem Staatsziel Umweltschutz hervor, Artikel 20a Grundgesetz. Damit entkoppelt es dieses Datum auch von Korrekturen.
Was an der Argumentation darüber hinaus epochal aufregend ist, das ist ihre ganz eigenartige Apokalyptik: eine höchstrichterliche Apokalyptik der drohenden Endzeit der Freiheit. So verdoppelt sich der apokalyptisch stimulierte Handlungsdruck gewissermaßen, statt dass er auf zwei Säulen verlagert würde.
Gefeiertes Mega-Ausrufezeichen
Das mag im Sinne der Sache sein oder nicht. Gemäß den meisten öffentlichen Reaktionen von Politikern und Journalistinnen ist es das: Die einen feiern das Urteil als klimapolitisches Mega-Ausrufezeichen (Aktivistinnen, FFF, „taz“, „Stern“), die anderen sagen: ach, halb so wild, und applaudieren fast reflexartig. Andere unterstreichen, das sei gut, es gehe hier schließlich auch irgendwie um Freiheit („F.A.S.“, CDU).
Und nicht zuletzt: Jetzt steht der klimabegründete Freiheits-Lockdown offiziell und unabänderlich im Raum der Möglichkeiten. „Künftig“, so sagt der erörternde Text aus Karlsruhe, „können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein“. Die Extinction Rebellion fordert genau dies, allerdings für sofort und weniger im Sinne der Freiheit, sondern der Umwelt.
Der Panikmodus der Politik hat nicht nur eine Leitplanke verloren, stattdessen gibt es nun Rückenwind. Zur Abwehr der dystopischen Zukunft hilft demnach die wohltemperierte, aber unerbittliche Abgewöhnung umweltschädlicher Verhaltensweisen. Die nennt Karlsruhe nicht beim Namen, sondern spricht allgemein von „mit CO2-Emissionen verbundenen Lebensweise[n]“.
Da schwingt also wieder das Klischee vom SUV-Fahrer oder der gut verdienenden Ärztefamilie mit, die im Winter in die Karibik fliegt, aber ebenfalls von Currywurst zum Kantinenpreis.
Die Moralisierung liegt im Bezug auf die „Lebensweise“. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man sagt: Flüge und Currywurst müssen viel teurer werden. Seit vergangener Woche sind solche „unökologischen“ Lebensweisen mit der Verfassung(sauslegung) verknotet. Das entspricht grüner Kampagnenlogik und steht quer zu „konservativen“ beziehungsweise moderierenden Abwägungen und Abgleichungen mit wirtschaftshistorischen Entwicklungspfaden eines Industrielands. Und auch (ein böses Wort?) mit der Wahrung nationaler materieller Interessen, wie auch mit jedem nicht ganz naiven Blick auf die nationale Interessenverfolgung der Weltmacht China.
Ja, die Weltrettung hängt auch an guten Lebensweisen. Das moralische Sprechen gehört in einer pluralen Demokratie aber in Verlage, Parteien und Parlamente. Es ist nun überparlamentarisch verankert. Aber die nötige ethische Abwägung wäre mehrdimensionaler als symbolische Moralen, die CO2-bezogene „Lebensweisen“ grundsätzlich verdammen.
Klimaschonende Lebensweise als Verfassungsaufgabe
Die klimaschonenden Lebensweisen, beziehungsweise die Herbeiführung ebensolcher, erscheinen damit als Verfassungsaufgabe (Artikel 20a). So heißt es in der ausführlichen Erläuterung des Urteils etwa, die Zeit sei knapp, in der „die Umstellung von der heute noch umfassend mit CO2-Emissionen verbundenen Lebensweise auf klimaneutrale Verhaltensweisen freiheitsschonend vollzogen werden könnte“.
Die Politik erhält den Auftrag, Lebensweisen und Verhaltensweisen in einem langfristigen Plan zu verändern. Vielleicht wird der neue ökologische Mensch ja ohnehin zur Mehrheit, weil die Veggie-Küche besser bekommt und der Spessart auch ganz wunderbar erholsam ist.
Wie Faust in der Walpurgisnacht fliegen die Verfassungsrichtenden durch die Lüfte von Endzeitangst und Zeitenwende, aber deuten immer wieder an, dass der eigentliche Sinn des Rittes die Rettung der Freiheit sei. Was aber wird aus dem Karlsruher Text im Diskurs? Wie lang ist der Weg, bis die fernreisende Familie sich auch in der Nachbarschaft als verfassungsfern rechtfertigen muss?
Die von Karlsruhe übernommene Hypermoral der Emissionsfreiheit lässt – das ist das Greta-Momentum – in der Tat wenig Raum für Hoffnung. Auch nicht für die Weltrettung durch Techniksprünge (und sowieso nicht für Hoffnungen jenseits der Weltrettung).
Der Preis ist also zweitens: Das Urteil begünstigt eine radikale Vereindeutigung wissenschaftlich wie politisch bislang streitbarer Konzepte wie desjenigen von festen nationalen CO2-Budgets. Als gäbe es einen Kuchen, der unabänderlich schrumpfe und nach eindeutigen Gerechtigkeitsüberlegungen zu verteilen sei. Das klingt im Juristinnendeutsch so: „Durch die in Paragraf 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 geregelten Emissionsmengen würde das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen auf der Grundlage der Schätzungen des IPCC ermittelte Restbudget bis zum Jahr 2030 weitgehend aufgebraucht.“
Aber ist nicht die Zukunft offen, die technischen Möglichkeiten gerade in Zeiten biotechnischer Revolutionen an der Grenze zur Science-Fiction kratzend? Sicher lässt das Urteil, auf der „Sachebene“, auch technische Entwicklung als Möglichkeit zu einem guten Ausgang des CO2-Themas zu. Denn es geht im Klimaschutzgesetz ja um Nettoemissionen. Und wie bis dahin der technische Wandel der Mobilität, der Bioökonomie, der Ernährungs- oder Bauindustrie und veränderte CO2-Bilanzen dieser Kernsektoren beitragen, dass auch ein relativ materiell intensiver Lebensstil noch im Rahmen des Umweltverträglichen ist, steht heute in den Sternen.
Die Zukunft des Heizpilzes
Aber muss man dann apokalyptisch sprechen? Was können wir in 2021 wirklich wissen über die Zukunft des Reisens und der Heizpilze, der Metzgereien und Gokart-Bahnen, der Betonhäuser, der Gasheizungen und so weiter?
Leider verschließt die logische Verknüpfung von CO2 und Schädlichkeit zumindest semantisch den Blick in eine überraschend andere Zukunft. Der Lösungsbeitrag staatlicher Budgetierung ist überbetont. Wer weiß, in welchen Sektoren Digitalisierung die Globalisierung des Warenhandels wie stark verändern wird? Und wie es gelingen wird, aus CO2 einen Rohstoff zu machen?
In Israel sind genveränderte Bakterien erschaffen worden, die CO2 zu Biosprit oder Nahrung umwandeln können sollen. Wer weiß, ob dieser Ansatz im großen Stil ein „game changer“ wird. Oder andere. Aber wenn ja, könnte er die Klimabilanzen des Verkehrs- oder Ernährungssektors stark verändern. China, das bis 2060 auch CO2-neutral werden will, baut seine Kohlekraftanlagen mit angeschlossener industrieller CO2-Verwertung.
Die mit der Politik engmaschig verknotete NGO-Landschaft hat zu solchen technischen Lösungen in Europa bereits Nein gesagt. Und wenn Kraftstoffe aus dem CO2 der Luft oder der Industrieanlagen oder aus Plastikmüll gewonnen würden, wäre auch der Verbrennungsmotor wieder klimaneutral.
Das Plastik der Zukunft wird ebenfalls aus dem CO2 der Luft gemacht. In Leverkusen steht schon eine Pilotanlage. Solche Techniksprünge, in der Breite der Industrie angekommen, hätten gravierende Auswirkungen auf Sektorbilanzen. Vor allem aber bezogen auf die Moral des Reisens oder der Plastiktütennutzung, die das Bundesverfassungsgericht anscheinend für ewig gültig hält. Es gibt gute Gründe, an technischen Lösungen zu zweifeln. Bleiben sie ganz unerwähnt und gar nicht mitgedacht, werden aber auch sie immer mehr aus dem staatsbürgerlichen Diskurs verschwinden.
Es gibt – jenseits des populistischen, antirationalen Zynismus – zwei Wege, sich zur drohenden Megakrise zu verhalten.
Einer ist ein furchtsames, aber spielerisches Vorantasten, das neben marktorientierter CO2-Verteuerung auf Forschung und Innovation setzt und auf lokale Lösungen der vielen Spezialistinnen in Wirtschaft und Wissenschaft.
Der andere ist ein einerseits moralisierender und letztlich auch planwirtschaftlicher, der CO2 recht fantasielos zum Jahrhundertgift erklärt, der vom Staat Klarheit über genaue Entgiftungspfade verlangt und a priori technische Lösungsbeiträge wie CO2-Verwertungstechniken oder genomverändernde Pflanzenzucht (etwa Stickstoffbindung durch Crispr/Cas-Editierung) ausschließt.
Dass der erste Weg zum Erfolg führt, ist historisch wahrscheinlicher, der zweite Weg ist der für Büro- und Technokratinnen reizvollere.
Die Einseitigkeit von Karlsruhe
Karlsruhe legt den Fokus einseitig auf Risikovermeidung durch Eliminierung der Emission statt auch auf Anpassung. Allein der Faktor der Unsicherheit genüge: „Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge“, heißt es in der Karlsruher Erklärung, so „erlegt Art. 20a GG dem Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht auf.
Danach müssen bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen berücksichtigt werden.“ Daran mangelt es nicht. Aber müsste das Verhältnis von Innovation und Risikovermeidung in dieser wichtigen, über Wohlstand und Freiheit entscheidenden Frage nicht fortlaufend im Parlament verhandelt werden?
Das Parlament ist nicht nur der eigentliche Ort für Ausstiegsbeschlüsse, sondern vor allem für den vorgelagerten Streit über ökonomische und ökologische Abwägungen – wie zuvor auch die Parteien, die Medien und NGOs, die Wissenschaften. Staatsziele, warnten Staatsrechtler gelegentlich, würden die Macht von den regierenden Parteien und Parlamenten hin zu den Gerichten verschieben. Jetzt sehen wir, was das bedeutet.
Die Machtverlagerung von der Legislative zur Jurisdiktion ist eine Konsequenz daraus, dass Umweltschutz 1994 zum Staatsziel erklärt wurde (neben der europäischen Einigung, der Gleichberechtigung und dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht). Der Umweltminister hieß in diesem Jahr Klaus Töpfer, die Rio-Konferenz von 1992 war ein Anlass, Tschernobyl und das Verschwinden der Regenwälder waren das zeitgeschichtliche Hintergrundgeschehen. Nun sagt Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen … durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“
Die Verlagerung von ethischer Abwägung zum „Kopf-durch-die-Wand“ ist nun wie auf einer schleimigen Rutsche beschleunigt. Zum Vergleich ein anderes Urteil, das sich auf Artikel 20a bezieht, und zwar das Staatsziel des Tierschutzes. Über Jahre hatten zuvor mehrere Verwaltungsgerichte über das (entsetzliche) systematische Töten von Küken in der Eier-Industrie entschieden, dieses geschehe mit „vernünftigem Grund“. So urteilten die Vorinstanzen, da es wirtschaftlich geboten sei. Dann hieß es 2019 höchstrichterlich, es sei zwar nicht vernünftig, aber noch zu dulden, da sich diese Industrie historisch lange auf die Gesetzeskonformität dieses Vorgehens verlassen habe.
Das Bundesverwaltungsgericht argumentierte hier nicht prinzipiell moralisch, sondern historisch. Und es sagt, erst mit der Etablierung technischer Methoden der Geschlechtserkennung werde das Kükentöten zu unterlassen sein. In Sinn und Sprache scheint dieses Urteil geradezu eine juristische Gegenwelt zu demjenigen des Bundesverfassungsgerichts zu bilden. Hier hat die Ethik das letzte Wort. Das Gericht entschied nicht für das (mehrheitsfähige): Kükentöten geht gar nicht, Ausstieg jetzt!
Die CO2-Wende hat noch fast dreißig Jahre Zeit. Das Anliegen ist heikel, die Kohlenstoffneutralität ist gesellschaftlich breiter und fundamental tiefer mit Fragen individueller Lebensführung verbunden als die Ausweisung von Naturschutzgebieten, Tierschutzfragen oder Verbote oder Regulierungen toxischer Chemikalien. Kohlenstoffneutralität ohne technische Quantensprünge hieße Kulturrevolution.
Die rigide Fixierung auf einzelne Schadstoffe hat ihrerseits ihre Geschichte in der Umweltbewegung. Die Grünen haben ihre Karriere in den 1980er-Jahren als „Entgiftungspartei“ begonnen. Erst ging es ihnen um Chemiefabriken und Gewässer, dann um Atomkraft. Dadurch, dass CO2 zum Supergift wurde, verlagerte oder weitete sich der Anspruch von bürgerfreundlicher Gestaltung der Industrie zum Kampf um globale und soziale Gerechtigkeit.
Der politische Kampf gegen die Emissionen ist hinsichtlich der katastrophalen Wirkungsweise der Klimagase auf die natürlichen Lebensbedingungen der Menschheit naturwissenschaftlich unzweifelhaft sinnvoll, aber die konkrete Umsetzung unterliegt eben facettenreichen ethischen Abwägungen. Das moralische Gesetz in uns, die Klimawissenschaft über uns.
In vielen Formulierungen des Pressetextes verbergen sich zentrale metaphorische Konzepte der „grünen“ politischen Kräfte: das von der Kohlenstoffschuld, den planetaren Grenzen, der globalen CO2-Gerechtigkeit, nationalen CO2-Budgets. Jeder, der diese Konzepte in Parlamentsdebatten und Wissenschaft, in Social Media oder Interviews nicht umstandslos akzeptiert, wird sich künftig womöglich die Frage nach der Verfassungstreue stellen lassen müssen.
Die Geschichte der Umweltbewegung lässt sich allerdings von zwei Seiten verstehen. Das sind weniger Kopf und Herz, sondern mehr Ausdruck und Macht. Oder: das ökologische Fühlen und die moralisierende Skandalisierung. Das ökologische Fühlen nimmt seine Leidenschaft aus dem Schmerz, der im menschlichen Blick auf die Kollateralschäden der technokratischen Industriegesellschaft gründet.
Dazu zählen die Krebstoten von Tschernobyl, die toten Fische im Rhein nach den Chemieunfällen der 1980er-Jahre, die Ausbeutung der Tiere in industriellen Schlachtanlagen bis in die Gegenwart, aber auch die Verarmungen von Landschaften durch Windindustrieparks. All diese Schmerzen finden ihren Ausdruck im literarischen und philosophischen Schreiben. Die Erfolge der massenbewegenden Buchbestseller gründeten im poetischen Ausdruck ihrer Autorinnen: Rachel Carson, Wendell Berry, Safran Foer.
Klimapolitik aber ist untrennbar vor allem Machtpolitik. Sie ist wohl das Teilgebiet der Umweltpolitik mit dem geringsten poetischen Gehalt. Der rigide CO2-Minderungs-Klimapfad ist durch das Urteil zur umwelt- und wirtschaftspolitischen Totalperspektive von Exekutive, Legislative und Jurisdiktion geworden. Das ist eine Revolution der Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland.
Die Gretchenfrage lautet nun auch für alle, die der Verfassung treu sein möchten: Wie hältst du‘s mit dem „CO2-relevanten Freiheitsgebrauch“? Klimawissenschaft, Politik und Privates sind engmaschig verknüpft. Das schien für Nico Stehr noch vor zehn Jahren extrem unwahrscheinlich.
*Weil der Artikel und die Meinung außerordentlich wichtig für die Debatte „Klimaschutz“ sind, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.
… hat die sogenannte Bundes-Notbremse und Bundeskanzlerin Merkel scharf kritisiert.
„Wenn die Bundeskanzlerin es als Mehrwert sieht, dass die Verwaltungsgerichte ausgeschaltet werden, dann frage ich mich, was für ein Verständnis von Rechtsstaat sie hat“, sagte Andreas Heusch beim Jahrespressegespräch des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes. Merkel hatte am Dienstag im Gespräch mit Kulturschaffenden gesagt, dass das Bundesgesetz dafür sorgt, dass man für einzelne Regelungen nur noch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen kann – nicht mehr vor den einzelnen Verwaltungsgerichten. „Wir haben nicht mehr die unterschiedlichen Verwaltungsgerichts-Entscheidungen“, sagte Merkel.
„Gerade in den letzten Monaten hat sich die Bedeutung der Verwaltungsgerichte für den Rechtsstaat gezeigt“, sagte dagegen Heusch. Man habe immer mit Augenmaß entschieden. „Die sogenannte Bundes-Notbremse berührt die Grundfeste des Rechtsstaats“, so der Verwaltungspräsident.
Die Corona-Pandemie hatte das Verwaltungsgericht im vergangenen Jahr fest im Griff. „Mit der Pandemie waren völlig neue Rechtstfragen zu beantworten“, sagte Nicola Haderlein, Vizepräsidentin des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts. Im Bereich des Infektionsschutzrechts sind beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Jahr 2020 275 Verfahren eingegangen, 208 Verfahren seien erledigt worden, die Verfahren wurden in vier Kammern bearbeitet.
Prof. Andreas Heusch, ein Mann, der sich gegen das Aushebelns des Rechtsstaats wehrt. Hoffentlich bleibt er auf seinem Posten.
Ein Richter* bringt einen Meilenstein der Analyse:
Haben Sie eigentlich auch Blumen oder einen Kranz zur Beerdigung geschickt? Sie wissen nicht, von welcher Beerdigung ich spreche? Ich rede von der Beerdigung des Grundgesetzes. Denn das Grundgesetz, das bislang in Deutschland galt und das ich als Jura-Student gründlich gelernt habe, wurde zu Grabe getragen. Es war kein lauter Militär-Putsch mit Toten und Verletzten, sondern ein ganz leiser, stiller und sich „normal“ gerierender Abschied, in etwa so wie der Abschied von Prinz Philip in Großbritannien. Dieser Abschied, eigentlich ein Staatsstreich, wurde betrieben und durchgeführt von den eigenen Institutionen des Staates. Wie komme ich zu dieser Behauptung?
Es sind zwei Dinge, mit denen faktisch die Geltung der Grundrechte, wie sie im Grundgesetz stehen, und die Freiheit, wie sie im Grundgesetz definiert ist, auf die Müllhalde der Geschichte verabschiedet wurden. Bei diesen zwei Dingen, die das Ende einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung eingeläutet haben, handelt es sich um die sogenannte Notbremse im Infektionsschutzgesetz und um den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 zu Verfassungsbeschwerden gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz.
Zunächst ist hier die von den Regierenden herbeigeführte „Notbremse“, also § 28b Infektionsschutzgesetz, zu erörtern. Diese Vorschrift klingt erst einmal recht harmlos und ist doch angeblich „für einen guten Zweck“. Bereits an dieser Stelle sollte man hellhörig werden. Denn das Ermächtigungsgesetz von 1933 klang in den Ohren der meisten damaligen Zeitgenossen auch recht harmlos – man hatte schon mehrere Notverordnungen und Notstandsgesetze in der Weimarer Republik erlebt – und es sollte doch auch nur einem guten Zweck dienen. Was ist also an § 28b Infektionsschutzgesetz so schlimm?
An diesem Gesetz ist so schlimm, dass damit auf dem Gebiet des Infektionsschutzgesetzes der Föderalismus abgeschafft wurde. Von nun an wird zentralistisch von Berlin aus bis in den letzten Kreis und das letzte Dorf in Deutschland durchregiert. Aber das ist ja nach Meinung der Herrschenden auch gut so. Denn ein zentralistisches Durchregieren ist doch viel effektiver als der blöde Föderalismus. Wir haben außerdem mit dem Zentralismus in Deutschland immer gute Erfahrungen gemacht, das war von 1933 bis 1945 in ganz Deutschland so und von 1945 bis 1989 in Ostdeutschland. Also wofür noch diesen blöden Föderalismus?
An § 28b Infektionsschutzgesetz ist über seinen Inhalt hinaus schlimm, wie dieser Paragraph formal zustande kam und Gesetz wurde. Nach dem Modell des Grundgesetzes steht die gesamte staatliche Macht grundsätzlich den Ländern zu und nur in genau bezeichneten Ausnahmen dem Bund (Art. 30 GG). Bei den Gesprächsrunden mit Kanzlerin Merkel hätten also eigentlich die Ministerpräsidenten den Ton angeben müssen und hätte Merkel lediglich moderieren und vermitteln dürfen. In der Realität sah es genau andersherum aus. Merkel machte die Ansagen und die Ministerpräsidenten kuschten wie eine Schulklasse von Pennälern.
Die Ministerpräsidenten haben sich aber auch von ihrem eigenen Amt verabschiedet
Von den mächtigen Landesfürsten war so gut wie nichts zu hören. Hierzu ein konkretes Beispiel: Selbst in der Situation, als deutsche Urlauber über Ostern nach Mallorca fliegen und dort in Hotels wohnen konnten, aber die Hotels an der deutschen Nord- und Ostseeküste geschlossen blieben (trotz guter Hygiene-Konzepte), kam von den Ministerpräsidenten der Meeres-Anrainer-Bundesländer (Schleswig-Holstein, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern) keine Reaktion. Wenn die Ministerpräsidenten dieser drei Bundesländer so etwas ähnliches wie ein Rückgrat gehabt hätten, wären sie aufgestanden und hätten die Besprechung mit Merkel verlassen. Aber tatsächlich passierte nichts. Überhaupt nichts. Die Ministerpräsidenten – alle Ministerpräsidenten – haben sich zwar als angeblich selbstbewusste Landesfürsten präsentiert, insbesondere unser Super-Ministerpräsident Söder, tatsächlich aber als stromlinienförmige, rückgratlose Würmer herausgestellt.
Das i-Tüpfelchen war dann die faktische Zustimmung der Bundesländer zum § 28b Infektionsschutzgesetz im Bundesrat. Zumindest an dieser Stelle hätten die Ministerpräsidenten die Zustimmung zum Gesetz verweigern und den Vermittlungs-Ausschuss anrufen können. So sähe es eigentlich das Grundgesetz bei einer streitigen Gesetzesvorlage für ein Bundesgesetz vor. Es wurde doch sonst in jeder Sonntagsrede von den Ministerpräsidenten der Föderalismus und seine Sinnhaftigkeit so hoch gelobt. Aber als es jetzt ernst wurde, unterschrieben sie ihr eigenes Abdankungs-Urteil. Die Bundesländer ließen § 28b Infektionsschutzgesetz im Bundesrat ohne jeglichen Widerstand passieren.
Mit diesem Gesetz haben sich alle Beteiligten – die Kanzlerin, die Ministerpräsidenten und die Abgeordneten des Bundestages, die für das Gesetz gestimmt haben – vom Föderalismus-Modell des Grundgesetzes endgültig verabschiedet. Die Ministerpräsidenten haben sich aber auch von ihrem eigenen Amt verabschiedet.
Denn solches Personal wie die jetzigen Ministerpräsidenten braucht wirklich niemand mehr. Wofür benötigen wir beispielsweise noch 16 verschiedene Landesbauordnungen oder 16 verschiedene Landesschulgesetze? Wenn dann doch allein Berlin festlegt, wann Schulen geschlossen werden müssen. Und wofür brauchen wir dann noch 16 Landesparlamente und 16 Landesregierungen mit Ministerpräsidenten, Ministern und Staatssekretären, wenn letztlich allein das Bundeskanzleramt den Durchblick bei den inneren Angelegenheiten hat und der Bundestag dem mehrheitlich zustimmt?
… dass die Nicht-Geimpften vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden sollen. Aber dies ist ja „selbst gewählt“. So wird natürlich versucht, die Impfpflicht zu umgehen in der Hoffnung, dass dann alle sich impfen lassen, nur um wieder in ein Buchgeschäft, ein Restaurant oder mal ins Kino zu gehen. Gleiches gilt für die Kinder, deren Impfung jetzt auch ins Gespräch gekommen ist. Meine Schwiegereltern wollten sich eigentlich nicht impfen lassen, haben dies aber aufgrund des sozialen Drucks durch deren Freunde getan, weil diese sich mit Nicht-Geimpften nicht mehr treffen wollten. Soweit sind wir schon gekommen.
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Vorher heißt es:
[…]
Unbemerkt von Vielen kam es im vergangenen Jahr zu einer Neudefinition des Begriffes „Herdenimmunität“. Am 09.06.2020 heißt es auf der WHO-Webseite, dass Herdenimmunität der indirekte Schutz vor einer Infektionskrankheit ist, der erreicht wird, wenn eine Population Immunität entweder durch Impfung oder Exposition erreicht hat. Nun heißt es auf der WHO-Webseite: Herdenimmunität gegen COVID-19 sollte durch eine Impfung erreicht werden, nicht durch eine Exposition gegenüber dem Virus. Begründet wird dies mit den hohen Risiken, die eine Erkrankung mit SARS-CoV-2 mit sich bringen könnte. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass es noch unklar ist, ab welchem Prozentsatz der Durchimpfung eine Herdenimmunität für die aktuelle Viruserkrankung besteht.
Warum schreibe ich dies?
Wir werden schrittweise darauf hingelenkt, dass eine Impfung gegen SARS-CoV-2 unumgänglich ist.