*Weil das Thema außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Corona&Kinder“ ist, zitieren wir den Text als PDF. Verweise und alle Kommentare der Leserschaft lesen Sie komplett, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.
[…] Dabei gehört die Maske wohl unstrittig zu den harmlosesten Mitteln, um sich und andere vor Corona zu schützen. Sie ist sogar so harmlos, dass es Leute gibt, die sie freiwillig aufziehen, ohne dass es eine Maskenpflicht gäbe.[…]
Dieser Meinung widerspreche ich ausdrücklich. Zum einen schützt die Maske meines Erachtens nichts und niemanden. Man denke an den Beginn der Pandemie als die Masken offiziell erst dann schützten, als Abermillionen eingekauft worden waren und an den Mann gebracht werden mussten. Davor waren sich alle einig, dass das Tragen einer Maske eher schädlich sei. Zum anderen wird die Maske damit zum Ausdruck der Unterdrückung von Menschen. Genau das wollen diverse Protagonisten der aktuellen sozial-ökologischen Politik. Den gefügigen Bürger, der sein Gesicht teilweise verdeckt und so seine Individualität preisgibt. Viele Menschen, offensichtlich auch der Kommentator, verstehen nicht, dass die Zeile „All in all it’s just another brick in the wall / All in all you’re just another brick in the wall“ aus dem Pink-Floyd-Album „The Wall“ mit den sinnlosen Masken und der Maskenpflicht bittere Realität wird.
Das einzige Mittel, das gegen Infektionskrankheiten hilft, ist die totale Kontaktlosigkeit zu anderen Menschen (Mindestabstand generell, auch zu den Liebsten). Was einer vollkommenen Vereinsamung, einer Entmenschlichung entspräche und praktisch unrealistisch bleibt. Deshalb werden Menschen – wie schon immer – krank, sie werden wieder gesund oder sterben womöglich, wenn Alter und andere Erkrankungen das Immunsystem so geschwächt haben, dass die Infektion zum Ableben führt. Kundige Ärzte sprechen dann auch gerne von der „Lungenentzündung, der Freundin des alten, kranken und oft lebenssatten Menschen“.
Immer weniger Praxen und Krankenhäuser in Deutschland nehmen Schwangerschaftsabbrüche vor. Das zeigt die Infografik von Statista auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts. Demnach gab es im Jahr 2003 noch 2.030 dieser ärztlichen Einrichtungen, die Abtreibungen vorgenommen und gemeldet haben. Im vierten Quartal 2021 lag diese Zahl nur noch bei rund 1.100 dieser Meldestellen. Viele Frauen müssen deshalb einen längeren Weg zu einer Praxis oder Klinik fahren.
Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist die Zahl aus dem Jahr 2003 nur eingeschränkt mit den aktuellen Zahlen vergleichbar, da erst seit dem 4. Quartal 2018 eine systematische Ermittlung der Anzahl der Meldestellen durchgeführt wird. Es sei außerdem zu beachten, dass die Zahl der Meldestellen von Quartal zu Quartal schwanke und auch keine Rückschlüsse auf Arztpraxen beziehungsweise Kliniken mit Abbrüchen zulasse. Zum einen seien auch Meldestellen mit Fehlmeldungen (keine Abbrüche im Quartal) enthalten, zum anderen würden zentrale ambulante OP-Praxen hier zum Beispiel für mehrere Arztpraxen mit melden. Gleichwohl ist bei den neuesten Zahlen ein leicht rückläufiger Trend zu beobachten. …
… Die Bundesregierung plant die Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch. Der dazu angekündigte Gesetzentwurf wurde vergangenen Freitag erstmals im Bundestag beraten[siehe auch Original-Debatte vom 13.5.2022 im Bundestag]. Bislang gilt hier der § 219a. Nach einem Gesetzentwurf der Ampel soll er nun komplett abgeschafft werden, weil er dazu führe, dass Ärzte mit Strafverfolgung rechnen müssten, „wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich (etwa auf ihrer Homepage) bereitstellen“. So sei es für Patientinnen schwer, den richtigen Arzt zu finden.
Quelle Grafik und Text außer in der eckigen Klammer
KENNZAHLEN ZU SCHWANGERSCHAFTSABBRÜCHEN IM JAHR 2021
… Wie die Grafik außerdem zeigt, sind die meisten Frau zum Zeitpunkt des Eingriffs ledig und lassen diesen mehrheitlich in dem Bundesland durchführen, in dem sie wohnen. Abtreibungen werden zudem meistens in einer gynäkologischen Praxis vorgenommen. Ambulante Eingriffe in Krankenhäusern spielen mit 16 Prozent eine kleinere Rolle, stationär werden hier nur 3 Prozent der Abtreibungen durchgeführt.
Grundsätzlich ist eine Abtreibung in Deutschland gemäß § 218 Absatz 1 StGB eine Straftat. Die in der Grafik unter dem Punkt Begründung aufgeführte Ausnahmefälle lassen es allerdings zu, dass ein Schwangerschaftsabbruch legal durchgeführt werden darf.
Das Werben für Schwangerschaftsabbrüche steht ebenso wie Abbrüche selbst in Deutschland unter Strafe. Ärzte dürfen aufgrund des Verbots zwar sachlich über Abtreibungen informieren, allerdings nicht darauf hinweisen, dass sie sie selbst durchführen. Das Gesetz ist umstritten, weil es Frauen dadurch enorm erschwert wird, einen Arzt zu finden, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen. Wie diese Statista-Grafik zeigt, führen immer weniger Ärzte in Deutschland Abtreibungen durch.
Weniger soziale Kontakte, Maskenpflicht und die Angst, ihre Mitmenschen zu gefährden. Kinder leiden in dieser Pandemie ganz besonders. Rund ein Drittel empfindet demnach weniger Lebensqualität, zeigt eine am Mittwoch präsentierte Befragung im Rahmen der sogenannten Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Vor der Coronakrise war es nur jedes fünfte Kind.
Die EU hat das Leiden der jungen Menschen zumindest teilweise erkannt und schlägt seit 1. Februar vor, Kinder unter 12 Jahren, die aus einem europäischen Hochrisikoland zurückkommen, nicht mehr in Quarantäne zu schicken.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht dies anders: Hierzulande können sich schulpflichtige Kinder (über sechs Jahren) frühestens nach fünf Tagen freitesten. Der oberste Warner der Nation enttäuscht damit die Hoffnung vieler deutscher Familien, in den kommenden Faschingsferien ab 26. Februar gemeinsam in den Skiurlaub nach Österreich, Südtirol oder in die Schweiz zu fahren. Denn alle drei Länder werden vom Robert Koch-Institut als Hochrisikogebiet eingestuft.
Da sich Lauterbach – als Einziger in Europa – querstellt, bedeutet dies nach wie vor: Kinder ab sechs Jahren, die bei ihrer Rückkehr keinen Impf- oder Genesenen-Nachweis präsentieren können, müssen in Quarantäne – auch wenn sie kerngesund sind.
Hilflose Corona-Politik von Karl Lauterbach
Nach seinem Alleingang bei der Verkürzung des Genesenen-Status von sechs auf drei Monate agiert Lauterbach einmal mehr nach eigenem Gusto. Dass der Vater von fünf Kindern wenig Mitgefühl mit den Kleinen hat, zeigte zuletzt seine nüchterne Reaktion auf eine im Januar veröffentlichte Studie der Uniklinik Essen. Danach sind die Suizidversuche von Kindern und Jugendlichen im vergangenen Frühjahrs-Lockdown im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit um das Vierfache gestiegen (Reitschuster.de berichtete). Der Gesundheitsminister bezweifelte einen direkten Zusammenhang zwischen dem Lockdown und psychischen Folgen. Diesen Rückschluss gäbe die Studie so nicht her, befand der SPD-Politiker.
Nicht nur böse Zungen behaupten, dass Lauterbach auf diese Weise die Eltern unter Druck setzen will, möglichst rasch ihre Kinder zum Impfarzt zu bringen. Daniel Caspary, Chef der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, spricht von einer „sinnlosen Extrawurst“, die bezeichnend sei für die hilflose Corona-Politik von Karl Lauterbach.
„Endlich haben die EU-Staaten vereinbart, dass alle wieder frei reisen dürfen. Nur Deutschland und Herr Lauterbach machen es den Familien mit Kindern unnötig schwer“; sagte der CDU-Politiker der „BILD“-Zeitung. Es sei unerträglich, dass selbst Familien, die sich an alle STIKO-Empfehlungen halten, sich noch immer mit europaweit einmaligen Quarantäneregeln herumärgern müssen.
Ein Familienvater aus dem Ortenaukreis zieht gegen diese Quarantäneregel vor das Verwaltungsgericht Freiburg (Az. 2 K 289/22). Eine Entscheidung erwartet er noch vor den Faschingsferien. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall werden – mit möglichen Konsequenzen für bereits ausgesprochene Strafen für Eltern.
Aktuell macht sich ein gewissen- und skrupelloser Mob über eine 17-jährige Frau – wahrscheinlich mit Zuwanderungshintergrund – her und prügelt sie krankenhausreif. Es ist ein Albtraum.
Dieser Albtraum ist nur die Spitze des Eisbergs der Spaltung der Gesellschaft, welche von Politikern aller – außer AfD – Couleur geschürt wird. Es ist ein …
*Dieses Papier des Bundesinnenministeriums ist die Grundlage für das unglaubliche (u. a. Grundrechtsabschaffungen) Vorgehen von Politik, Wissenschaft und Medien, für die Verrohung und Kriminalisierung von Menschen.
Das Papier ist ein Dokument von jener Kraft, die Gutes will und viel, viel Böses schafft.
Mit den „Querdenken“-Protesten geht es bergab. Doch führende Köpfe der Szene finden weiter Wege, Geld zu verdienen. Sie machen Werbung, bitten um Schenkungen und Spenden für Katastrophenopfer. Manch einer könnte so ein beträchtliches Vermögen angehäuft haben.
Zensur in Brüssel, Proteste und Polizeigewalt in Paris, „Globalisten“, die in Wien die Macht übernehmen. So bunt sind die Themen beziehungsweise die kruden Behauptungen am Donnerstagmorgen dieser Woche im Telegram-Kanal von Eva Herman***.
Bis 2007 war Herman „Tagesschau“-Sprecherin, heute ist sie eine Ikone der Verschwörungsszene. Über 180.000 Menschen haben ihren Telegram-Kanal abonniert, lesen mit, wenn Herman Corona-Maßnahmen anzweifelt oder vor einer „Invasion der Migranten“ warnt. In ihrem Kanal auf Telegram taucht noch eine andere Nachricht auf: Pasta Carbonara aus dem Plastikbeutel gebe es zu kaufen. „Survival Food“ für 5,99 Euro pro Portion. Angeblich sei das die perfekte Krisenvorsorge, bestellbar per Mausklick.
Offenbar kaufen Nutzer, wenn Herman Produkte empfiehlt. Der Link zur Pasta Carbonara führt zu einem Shop des Kopp-Verlags, der vor allem für den Vertrieb von Büchern aus dem rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Spektrum bekannt ist.
Verschwörungstheorien haben seit dem Beginn der Corona-Pandemie Hochkonjunktur. Der Verfassungsschutz rechnet allein der Bewegung „Querdenken“ rund 100.000 Menschen zu. Diese Menschen folgen Aktivisten wie Michael Ballweg oder dem Arzt Bodo Schiffmann, sie informieren sich bei Bloggern wie Boris Reitschuster und Eva Herman.
Auf die Straße treibt es in Deutschland zwar immer weniger Menschen zum Protest gegen die Corona-Politik. Einige geplante Versammlungen endeten zuletzt mit wenigen Dutzenden Teilnehmern und Demonstranten, die aus Frust über die enttäuschende Resonanz in Tränen ausbrachen. Die führenden Köpfe der Szene bleiben dennoch umtriebig – auf ihre Art im Netz. Sie werben aggressiv um Spenden, verkaufen Fanartikel oder werden zu Werbeträgern.
Die Summen, die sie so verdienen, sind nicht öffentlich einsehbar. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass einzelne Akteure der Szene ein beträchtliches Vermögen angehäuft haben.
„Als Betreff bitte SCHENKUNG angeben“
Ob und wie viel Provision Herman bei Bestellungen im Kopp-Shop bekommt, ist unklar. Eine Anfrage beantwortete sie nicht. An manchen Tagen verweist sie gleich zehnmal auf den Shop, insgesamt hat sie bereits Tausende solcher Links mit ihren Anhängern geteilt. So viel Begeisterung für Plastiktüten-Pasta und Bio-Vollmilchpulver aus der Dose. Das ist ohne finanziellen Anreiz schwer vorstellbar.
„Querdenken“-Mitgründer Michael Ballweg hat früh gezeigt, welches finanzielle Potenzial in Corona-Verschwörungstheorien steckt. Als im Mai 2020 mehrere Lastwagen seines Technikteams ausbrannten, führte der Vorfall zu einer bemerkenswerten Solidaritätswelle. Innerhalb weniger Tage spendeten Anhänger 225.000 Euro. Die Polizei hatte den Schaden damals auf 70.000 Euro beziffert.
Auf der Internetseite von „Querdenken“ finden sich gleich mehrere Möglichkeiten, die Bewegung zu unterstützen. Und Bewegung bedeutet in diesem Fall: Michael Ballweg. Neben mehreren Bitcoin-Adressen und einem Privatkonto ist auch die Paypal-Adresse des Stuttgarters auf der „Querdenken“-Internetseite angegeben. Dazu heißt es: „Als Betreff bitte SCHENKUNG angeben.“
Anwalt glaubt: Einnahmen sind gewerblich und müssen versteuert werden
Schenkungen sind in der Szene das Mittel der Wahl. Sie gelten laut Gesetz als „freigebige Zuwendungen“. Anders als bei Spenden hat der Geber keinen Einfluss darauf, was mit seinem Geld passiert. Auch einen Anspruch auf Transparenz gibt es nicht. Für Schenkungen gilt aber wohl: Man darf nicht aktiv dafür werben, beschenkt zu werden. „Querdenken“ allerdings hat etwa für den 1. August wieder zu einer großen Demonstration in Berlin aufgerufen. Ein Video, unterlegt mit melancholischer Musik, soll die bisherigen Erfolge der Proteste verdeutlichen. „Erinnerung an ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl“, steht über dem Video. Das unglaubliche Gefühl von Gemeinschaft lässt sich Ballweg erneut bezahlen. „Wir sind sehr dankbar für jede SCHENKUNG“, heißt es unter dem Video. Dazu seine IBAN.
Ob die Einnahmen, die er auf diese Weise generiert, tatsächlich nicht versteuert werden müssen, ist also fraglich. Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun, der sich seit Längerem mit den Querdenkern beschäftigt, erklärt: Wenn Ballweg aktiv um Schenkungen wirbt, lasse sich das mit Geld vergleichen, das Straßenmusiker in den Hut geworfen bekommen – die auch aktiv etwas tun, um das Geld zu bekommen.
Wie geschäftstüchtig Ballweg ist, zeigt auch ein Blick ins Markenregister. Dort hat er sich 19 Marken rund um den Begriff „Querdenken“ gesichert und verdient somit wohl auch an Shirts und Tassen mit dem Logo der Bewegung. Giulia Silberberger, die sich mit ihrem Verein „Der goldene Aluhut“ gegen Verschwörungstheorien engagiert, hat den „Querdenker“ bereits im vergangenen Jahr bei der Steuerfahndung angezeigt. Sie hält „Querdenken“ nicht für eine Bürgerbewegung, sondern für ein kommerzielles Konstrukt. Es sei „viel Geld am Staat vorbeigelaufen“, glaubt sie. Im Falle führender Köpfe der Bewegung könnte es sich nach ihrer Einschätzung um einen niedrigen Millionenbetrag handeln. Was aus dem Vorgang wird, ist offen. Ballweg beteuert, er halte „alle gesetzlichen Vorgaben ein“ und habe „von den Schenkungen keinerlei Einnahmen für sich privat verwendet“.
Reitschusters Blog wird zur wichtigen Quelle der „Querdenker“
Boris Reitschuster, ein Journalist, der nicht immer journalistisch handelt und der als Blogger große Erfolge feiert, gehört zwar nicht zu „Querdenken“. Doch auch ihn haben fragwürdige Thesen zum Pandemiegewinner gemacht. Der Thinktank Initiative Quorum sieht in ihm eine der „wichtigsten Quellen von Verschwörungsnarrativen für die postsowjetischen Corona-Leugner*innen“. Die Reichweite des einst beschaulichen Blogs Reitschuster.de ist in der Pandemie steil nach oben gegangen.
Heute kann die Seite bei den täglichen Aufrufen mit kleineren etablierten Medienmarken konkurrieren. Reitschuster befeuert auf Grundlage wissenschaftlich zweifelhafter Argumente Skepsis am Coronavirus und seiner Gefährlichkeit und warnt vor schweren Nebenwirkungen von Impfungen. Deutschland habe „bereits den Weg der Demokratie verlassen“, schreibt er.
Ehemalige Weggefährten des Journalisten sind ratlos. Reitschuster war einst ein gefragter Russlandexperte. Für den „Focus“ berichtete er rund 15 Jahre lang aus Moskau. Glaubt dieser Mann selbst, was er heute seinen treuen Anhängern erzählt? Oder geht es ihm vor allem ums Geld? Ein Mann, der Reitschuster aus seiner Zeit in Moskau kennt, versucht sich an einer Erklärung: In seinem Inneren habe Reitschuster immer an seine Rolle als Kämpfer für Gerechtigkeit geglaubt. Und er sei empfänglich für Schmeicheleien. So auch für den Zuspruch aus fragwürdiger Richtung. Geld, da ist der ehemalige Weggefährte sicher, sei höchstens ein Teil der Motivation.
Für Reitschuster macht sich seine spezielle Berichterstattung wohl bezahlt. Der Web-Analysedienst „Similarweb“ sieht Reitschuster.de unter den 1000 am besten besuchten Seiten Deutschlands. Finanziert wird das Blog neben Werbung auch durch freiwillige Unterstützer. Sogenannte „Seitenpaten“ zahlen monatlich einen festen Betrag von bis zu 50 Euro. Sie unterstützen Reitschuster gern, auch öffentlich. Als eine Bank Reitschusters Konto kündigt, bittet ein AfD-Politiker bei Twitter um die neuen Kontodaten. Er wolle seinen Dauerauftrag umstellen. Als Reitschuster im Februar live von einem rechten Aufmarsch in Berlin berichtet, steckt ein Demonstrant dem Journalisten Bargeld zu. Abgesehen davon, dass sich ein neutraler Journalist kein Geld zustecken lässt von jemandem, über den er berichtet: Für ein gutes Leben dürften die Zuwendungen reichen. Videos, die Reitschuster für seine Webseite aufnimmt, zeigen ihn auf dem Balkon seiner Wohnung im Berliner Westen, von Maklern als „Luxusneubau“ beworben.
Andere Köpfe der Szene haben sich ins Ausland abgesetzt. „Querdenken“-Pionier Bodo Schiffmann zeigte sich über Wochen hinweg immer wieder in Tansania. Einst war Schiffmann ein angesehener Experte für Schwindelerkrankungen, heute schwadroniert er – nachweislich falsch – von Kindern, die durch das Tragen von Schutzmasken gestorben seien. Laut einer Recherche von „T-Online“ kostet die „Chele Chele Villa“ in Arusha, die in mehreren Videobotschaften des Arztes zu erkennen war, pro Tag mehr als 400 Dollar.
Dass Schiffmann, gegen den laut Medienberichten in Deutschland mehrere Verfahren – unter anderem wegen Volksverhetzung – laufen, nur wenig später öffentlich um Geld bat, um angebliche Ausstände in der Höhe von mehr als 103.000 Euro auf seinem Geschäftskonto auszugleichen, machte seine Anhänger nicht stutzig. Keine zwei Tage später verkündete Schiffmann sichtlich bewegt, dass das Konto nach den eingegangenen Geldgeschenken nun nur noch 5600 Euro im Minus sei.
Am späten Donnerstagabend meldete sich Schiffmann erneut bei Telegram zu Wort. Die Unwetter in Teilen Deutschlands seien schrecklich, es würde lange dauern, bis staatliche Hilfen ankämen. Deshalb habe er selbst angefangen, via Paypal Geld zu sammeln. Wer genau das Geld am Ende bekomme, darüber werde noch abgestimmt. Davon unbeeindruckt zückten Menschen noch in der Nacht ihr Portemonnaie: Bereits in den ersten sieben Stunden kamen fast 20.000 Euro zusammen.
Aktualisierung Montag, 19. Juli, 8:30 Uhr: Mittlerweile hat Bodo Schiffmann bei Paypal 335.763 Euro gesammelt. „Das Geld dieser Sammlung geht zu 100 % an die Hochwasseropfer“, steht unter dem Aufruf. In einem Video erklärte er dann aber: Er habe für 12.000 Euro pro Tag eine Firma für „Aufräumarbeiten“ im Katastrophengebiet beauftragt.
Artikel 2
Nach dem verheerenden Hochwasser in Ahrweiler sind nicht nur Hilfsorganisationen angerückt, sondern auch Corona-Leugner. Manche von ihnen verbreiten gefährliche Falschinformationen. Wie können die Behörden im Chaos unterscheiden zwischen Helfern und Demagogen?
Wer saubere oder zu leichte Schuhe trägt, fällt in diesen Tagen auf in Ahrweiler. Nach dem verheerenden Hochwasser mit mindestens 125 Toten stehen Wasser und Schlamm noch immer zentimeterhoch in vielen Straßen des rheinland-pfälzischen Ortes. Helfer, die Schutt entfernen, tragen Gummistiefel, die tagelangen Aufräumarbeiten haben Spuren auf ihrer Kleidung hinterlassen.
Am Dienstag steht ein Mann mit strahlend weißen Sneakern vor dem Impfbus, den die Landesregierung eilig organisiert hat. Dutzende warten auf ihre Schutzimpfung gegen das Coronavirus. Sorge herrscht, dass die Infektion sich unter den Helfern, die in diesen Zeiten keine Rücksicht auf Abstand nehmen können, rasant verbreitet.
Der Mann in den weißen Sneakern ist offenbar nicht zum Helfen gekommen. Er filmt mit seinem Handy die Menschen, die auf ihre Impfung warten, überträgt das Video ins Internet. „Ich stehe jetzt hier in Ahrweiler und bin sprachlos. (…) Hier stehen Leute, anstatt zu helfen“, sagt er.
Dass es ihnen allein um Hilfe geht, ist fraglich
Der Mann gehört wohl zu einer größer werdenden Gruppe von Menschen aus der Coronaleugner-Szene, die seit Tagen nach Ahrweiler strömen. Einige von ihnen sind bereits seit dem Wochenende da und packen an. Sie behaupten: Der Staat habe versagt. Bundeswehr, THW und Feuerwehr seien kaum präsent, würden die Hilfe der vielen Freiwilligen sogar blockieren. Ohne sie, „Querdenker“, Ex-Soldaten, Landwirte und andere Freiwillige, sei die Versorgung längst zusammengebrochen.
Andere kamen erst unter der Woche nach Ahrweiler. Darunter Neonazis, der als „Volkslehrer“ bekannte Holocaustleugner Nikolai N., Reichsbürger und zahlreiche in der Verschwörungsszene bekannte Blogger und Youtuber, darunter die als „Hutmacherin“ bekannt gewordene Rechtsanwältin Viviane Fischer. Auch Gruppen wie die „Schüler gegen Maskenpflicht“ haben ihr Kommen angekündigt.
Dass es ihnen allein um Hilfe geht, ist fraglich. Die Behörden vor Ort warnen vor Desinformationskampagnen und einer Instrumentalisierung der Katastrophe. Am Mittwochabend fährt ein im Stile eines Polizeiautos lackiertes Fahrzeug mit der Aufschrift „Friedensfahrzeug“ durch Ahrweiler. Ähnliche Gefährte waren im vergangenen Jahr immer wieder bei „Querdenken“-Demonstrationen gesichtet worden.
Per Lautsprecherdurchsage behaupten die Insassen, alle offiziellen Hilfskräfte würden aus der Region abgezogen. Die Bundeswehr sieht sich zu einer Richtigstellung gezwungen: Es handele sich um eine Falschmeldung. Man sei weiter in vollem Umfang vor Ort. Aktionen wie diese werfen Fragen auf. Was planen die „Querdenker“ im Krisengebiet? Welche Rolle spielen sie wirklich bei den Aufräumarbeiten? Und können Behörden und Anwohner im Chaos der Aufräumarbeit überhaupt unterscheiden zwischen Helfern und Demagogen?
„Veteranen“ richten Einsatzzentrale ein
Vor einer Grundschule im Ortskern von Ahrweiler wurde ein Schild angebracht. „Lebensmittelausgabe“ steht darauf. Darunter der Link zu einer Website. Der Link ist zwar falsch. Führen soll er aber wohl zur Seite einer Vereinigung, die sich „Veteranen Pool“ nennt und sich nach eigenen Angaben aus „gedienten Soldaten der Bundeswehr sowie der ehemaligen NVA“ zusammensetzt, die „für das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes einstehen“.
Diese mutmaßlichen Veteranen haben die Grundschule seit mehreren Tagen „beschlagnahmt“, wie sie es nennen, und hier ein „Kommandozentrum“ errichtet. Geführt wird die Zentrale offenbar von einem Mann namens Maximilian E. Er war früher Oberstleutnant beim Kommando Spezialkräfte (KSK) und ist mittlerweile in Pension. Seine Uniform trägt er immer noch, auch wenn er das streng genommen nicht mehr darf, sagt er selbst.
Der Ex-Soldat ist in der Vergangenheit bei „Querdenken“-Demonstrationen aufgetreten. Jetzt organisiert er in Ahrweiler Hilfseinsätze und die Annahme und Ausgabe von Spenden. Eine Erlaubnis der Stadt, die Schule dafür zu nutzen, hat er nicht. Der „Veteranen Pool“ beruft sich auf die Ausnahmesituation. Das tut die Gruppierung seit Monaten. „Wir sind im Krieg“, verlautete ein Administrator der Berliner Telegram-Gruppe der Veteranen einmal. Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr distanzierte sich deutlich von den Ansichten der Gruppierung. Sie richtete sich gegen alle Werte, „die wir gemeinsam vertreten“.
Am Mittwoch gegen 14 Uhr meldet sich ein weiteres Mitglied in einem von den „Veteranen“ im Hochwassergebiet erstellten Telegramchat zu Wort. In einer Sprachnachricht behauptet der Mann, der sich Axel nennt: „Die Polizei behindert die Querdenker.“ Hilfeleistungen würden blockiert, Frauen würden weinen, Polizisten hätten das Schulgebäude, das mühsam wieder freigeschaufelt worden sei, wieder verdreckt. Sie hätten „nichts Besseres zu tun, als die Maskenpflicht zu kontrollieren“. „Leute, beschützt die ‚Querdenker‘“, appelliert er an seine Kameraden.
Es ist ein Narrativ, das sich hartnäckig hält – auch in anderen Chatgruppen und Telegramkanälen mit Bezug zur Verschwörungsszene. Während Querdenker Hilfe leisteten, würden die offiziellen Stellen diese zu verhindern versuchen.
Mit der Realität vor Ort hat das wenig zu tun. Hier erlebt man ein Miteinander verschiedenster Organisationen und Menschen. Bundeswehrsoldaten, THW, Polizisten, Einheimische und Helfer aus dem Umland schaufeln zusammen Schlamm und Unrat aus den von der Flut beschädigten Häusern. Freiwillige verteilen Wasser und Nahrungsmittel. Nach den politischen Ansichten jedes Einzelnen fragt niemand.
„Dann könnte ein Bürgerkrieg enstehen“
Auch die Polizei Koblenz widerspricht gegenüber WELT den Behauptungen, die Beamten würden freiwillige Helfer in ihrer Arbeit behindern. „Wir können das nicht bestätigen. Wir raten lediglich davon ab, mit dem privaten Pkw in das Katastrophengebiet anzureisen“, sagt eine Sprecherin. Es sei immer wieder vorgekommen, dass Straßen zugeparkt worden seien, die für Rettungskräfte benötigt würden. Die Rettungs- und Sucheinsätze hätten Vorrang. Private Helfer sollten ihre Autos daher außerhalb abstellen.
Das Verhältnis zwischen der selbsternannten „Einsatzleitung“ vor Ort und der Polizei ist dennoch angespannt. Anfang der Woche macht in Kreisen des „Veteranen Pool“ die Nachricht die Runde, die Polizei plane eine Auflösung des „Kommandozentrums“ in der Grundschule. In der Telegram-Gruppe der Koordinatoren wird die Stimmung nun offen feindselig.
„Spinnen die jetzt komplett?“, fragt ein Nutzer, der sich „Wickinger Walhalla“ nennt, in die Runde. Auf einem seiner Profilbilder bei Telegram ist das von Rechtsextremisten benutzte Symbol der schwarzen Sonne zu sehen, dazu die Worte „Frontkämpfer Germania“. „Sollten die das versuchen, dann könnte ein Bürgerkrieg entstehen“, droht die Person.
Auch der Arzt und Corona-Leugner Bodo Schiffmann behauptet in einem Video, die Polizei sei mit einer „Hundertschaft“ an der Grundschule aufgetaucht, da dort Querdenker vor Ort seien. Die Polizei Koblenz dementiert dies. Konkrete Pläne zur Räumung der Schule gebe es nicht. „Aber wir haben die Situation natürlich genau im Auge.“
Bodo Schiffmann und das Geld
Schiffmann ist eine zentrale Figur der „Querdenken“-Szene. Auch zur Hochwasserkatastrophe in Ahrweiler meldet er sich immer wieder in Videos zu Wort. Schiffmann hat in der vergangenen Woche beim Bezahldienst Paypal einen sogenannten „Money Pool“ eröffnet, eine Spendensammlung für die Betroffenen. Der Link kursiert in zahlreichen Telegramgruppen und anderen sozialen Netzwerken.
Das Bundesinnenministerium erklärt auf WELT-Anfrage, die Behauptungen und die damit verbundenen Aufrufe seien bekannt. Diese zielten darauf ab, das Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen und Strukturen zu beschädigen. Es werde dazu geraten, „sich ausschließlich an Spendenaktionen zu beteiligen, die von offiziellen Hilfsorganisationen organisiert werden“.
Denn was mit dem von Schiffmann gesammelten Geld tatsächlich passiert, ist völlig offen. „Jede Rechnung wird in unserem Kanal offengelegt und ihr werdet genau sehen, wer was bekommt“, behauptet Schiffmann. Passiert ist das bislang nicht. Auch konnte der Arzt bis zu diesem Zeitpunkt nicht schlüssig erklären, wie genau er die großen Summen verwendet.
Die anfängliche Behauptung, er zahle der Firma „Zintel Bau“ pro Tag 12.000 Euro, um Schutt von den Straßen zu beseitigen und diese wieder befahrbar zu machen, weist deren Geschäftsführer Marcus Zintel in einem Video zumindest zurück. Er bedanke sich für das Angebot, lehne es aber „dankend ab“. Zunächst habe er „umsonst“ gearbeitet, sagt Zintel. Am Sonntag habe er vom Landesbetrieb Mobilität einen Auftrag für Instandsetzungsarbeiten bekommen. Der Landesbetrieb bestätigt auf Anfrage, Zintel habe den Auftrag erhalten, die Befahrbarkeit von Teilen der B267 für den Katastrophenschutz wiederherzustellen.
Auch Versuche Schiffmanns, Dixiklos in die Region zu liefern, scheiterten zwischenzeitlich. In einem Video erklärte er, ein Anbieter habe sein Angebot zur Bereitstellung zurückgezogen, da er die Toiletten nur an offizielle Stellen liefere. Tatsächlich befinden sich vor Ort bereits jetzt Hunderte Dixiklos. Unter anderem zur Verfügung gestellt von der Herstellerfirma. TOI TOI & DIXI habe eine Task Force gegründet, „die in enger Abstimmung mit zentralen Koordinationsstellen wie Feuerwehr oder THW in den von der Flutkatastrophe betroffenen Orten steht“, heißt es auf der Unternehmensseite.
Menschen sind dankbar für jede Hilfe
Vor Ort bekommen die meisten Menschen von Schiffmanns Treiben nichts mit. Für sie geht es noch immer nur um eines: das Nötigste zu retten. Auf „Querdenken“ angesprochen, wiegeln Anwohner ab. „Die spielen nun wirklich keine Rolle“, sagt eine Frau. Den Namen Bodo Schiffmann habe sie noch nie gehört.
Ohnehin ist für die Menschen in Ahrweiler in diesen Tagen egal, wer hilft. Die Hauptsache ist, dass etwas passiert. Hunderte Freiwillige tun ihren Teil. Und so fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass vor Ort auch die umstrittene islamische Ahmadiyya-Jugend aktiv ist und die rechtsextreme türkische Atib-Gemeinde kostenloses Essen, Fladenbrot, Fleisch und Reis an die Helfer verteilt.
Vor der Grundschule, der „Einsatzzentrale“ des „Veteranen Pool“, kommen am Mittwochnachmittag weitere Helfer an. Zwei junge Männer warten auf ihre Einweisung. Sie würden zu einer Art „Männerbund“ gehören, hätten über Telegram Kontakt zu den „Veteranen“ vor Ort aufgenommen, erzählen sie. Wie die Menschen hier mit anpackten, beeindrucke sie. „Und keiner trägt eine Maske“, sagt einer der beiden, ein Tischler, der sich extra eine Woche frei genommen habe, um zu helfen.
„Wir halten nicht viel von der Pandemie“, sagt er. Sein Freund korrigiert ihn: „,Plandemie‘, sagen wir. Denn das war alles von oben geplant.“
Auch der Deutschlandfunk stößt in das gleiche Anti-Querdenker-Horn. Wobei ich gerne mal wüsste, woran man die Querdenker so erkennt. Und weshalb Querdenker das THW beschimpfen sollten?
Das Technische Hilfswerk beklagt, dass seine Helferinnen und Helfer in den Hochwassergebieten mit Beleidigungen und Angriffen zu kämpfen haben. Dahinter stünden vor allem Menschen aus der sogenannten Querdenker-Szene.
THW-Vizepräsidentin Lackner sagte dem Sender RTL, es gehe so weit, dass Helferinnen und Helfer beschimpft würden. Wenn die Mitarbeiter mit Einsatzfahrzeugen unterwegs seien, würden sie mit Müll beworfen. Hinter den Übergriffen stünden Menschen aus der sogenannten Querdenker-Szene, die sich als Betroffene der Katastrophe ausgäben, aber auch einige frustrierte Flutopfer. Es seien noch keine Einsätze wegen der Vorfälle abgebrochen worden, doch die Situation sei für die ehrenamtlichen Helfer psychisch belastend, erklärte Lackner.
Die Einsatzkräfte seien bei ihrer Arbeit teils auch gefilmt worden – von Personen, die sich nicht als Pressevertreter erkenntlich gemacht hätten. Das THW habe zum Schutz veranlasst, dass die Kollegen ihr Namensschild von der Kleidung abnehmen durften.
In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Berichte über Aktivitäten von Querdenkern in den Hochwassergebieten gegeben. [Pfahler geht medial viral] In Ahrweiler wurde ein sogenanntes Familienzentrum vom Jugendamt geschlossen.
**Weil die Artikel außerordentlich wichtig für die Debatte „Katastrophenschutz/Klimawandel“ sind, zitieren wir die Texte Verweise, Grafiken und sämtliche Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.