Weil alles relativ ist!
Sozialisation im Deutschland der 50er Jahre
Höflichkeit und Anstand waren damals Erziehungsziele. Wenn Erwachsene sprachen, hatten Kinder zu schweigen. Wurden Erwachsene begrüßt, machten die Jungen einen Diener, die Mädchen einen Knicks. Kam der Lehrer in Klasse, standen alle Jungen und Mädchen auf. Die weiterführenden Schulen waren reine Jungen- oder Mädchenschulen.
Die Normalschule war die Volksschule. Sie endete nach 8 Jahren. Dann begann die Lehre. Lehrjahre waren keine Herrenjahre. Wer muckte, bekam eins hinter die Löffel. Erzählte man das den Eltern, gab zusätzlich einen Satz heiße Ohren. Wenn nicht mehr. Kinder und Jugendliche hatten zu gehorchen. ´Schlag in den Nacken`, Kochlöffel, der Spruch ´Dann hat der Arsch Kirmes` schwebte immer über den Kindern.
Vater ging arbeiten, Mutter war Hausfrau. Sie besorgte den Haushalt, kochte und hatte die Verantwortung für die Erziehung der Kinder. Ja, Kinder. Einzelkind war die absolute Ausnahme. Geschiedene Frauen auch. Alleinerziehend, Frau mit Kind ohne Ehemann war ein echtes No Go. Diese Frauen waren geächtet. Deshalb war es der Normalfall, dass man heiraten musste. Alles andere war ´Schande` für die Familie. Mädchen ließen sich nicht mit jedem beliebigen Mann ein. Es konnte ja etwas ´schiefgehen`. Dann musste frau womöglich diesen Mann heiraten. Also war es besser, zurückhaltend zu sein, eine ´Vorauswahl` zu treffen. Natürlich gab es Frauen, die viele Männer hatten. Die nannte man promisk. Das war ganz schlimm. Nur so genannte Freudenmädchen waren schlimmer. Aber nicht viel.
Womit wir bei der Berufstätigkeit wären. Frauen, die arbeiten mussten, waren ganz arm dran. Sie hatten keinen ´abbekommen`. Sie mussten selber für ihren Lebensunterhalt sorgen. Sie wurden alte Jungfern. Deshalb hatte jedes Mädchen ein lebhaftes Interesse daran, unter die Haube zu kommen. Die Eltern sparten für die Aussteuer, die Dinge des Haushalts, die die künftige Ehefrau in die Ehe einbrachte. Der Mann musste zusehen, dass er eine Familie ernähren konnte. Sonst war er gesellschaftlich unten durch. Mehrfach Lehre abbrechen, kein Schulabschluss oder Ausruhen auf Sozialhilfe bedeuteten Ächtung durch die Gesellschaft.
Mann sorgt für den Lebensunterhalt, Frau sorgt für die Familie. Die eigene Familie. Einfach aber effizient. Man kann es auch Arbeitsteilung nennen.
Ist es genug? Reicht das zur Illustration der allgemeinen Lebensverhältnisse des Deutschlands vor 60 Jahren? Kann man sich vorstellen, dass ein „Schmähgedicht“ wie das des Jan Böhmermann in dieser Zeit möglich gewesen wäre? Nein, kann man nicht. Und wenn, dann wäre Herr Böhmerman so was von gesellschaftlich tot gewesen. Er wäre in der Versenkung verschwunden wie einstmals Bundestagspräsident Philipp Jenninger nach seiner Rede zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht 1988 im Deutschen Bundestag.
Deutschland heute
Wir schreiben das Jahr 2016. Viele Dinge haben sich seit den 50er Jahren verändert. Leider nicht alles zum Guten. Höflichkeit und Anstand sind eher ferne Begriffe. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Fleiß sind Sekundärtugenden. Treue ist für viele Menschen eine Schimäre. Sexualität ist frei verfügbar. Jungen stoßen sich das Horn, Mädchen die Scham ab. Geht trotz fast 100 % Verhütungssicherheit was schief, ist Abtreibung das Mittel der Wahl. Um die 100.000 Mal in Deutschland offiziell und detailliert. Jedes Jahr.
Erzählen kann jeder, was er will. Einzige Ausnahme: Er gehört zu den „Rechten“. Da greift das, was politische Korrektheit genannt wird. Früher unverdächtige Begriffe wie z. B. „Neger“ oder „Zigeuner“ werden aus der Literatur getilgt. So was ist diskriminierend. Oder es wird gegen Flüchtlinge (siehe oben), Beladene,Entrechtete oder Arme polemisiert . So was geht gar nicht. Das ist rechts.
Es gibt nach moderner genderwissenschaftlicher Lesart keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wer das behauptete, der denke biologistisch. Rassen gibt es ohnehin nicht. Das Erbgut des Menschen unterscheidet sich von dem des Affen nur um 2 oder 3% . Das verwundert in der Tat nicht.
Wobei wir bei der Rezeption des Böhmermannschen „Schmähgedichtes“ z. B. in der Türkei, der muslimischen Welt wären.
Frage
Wodurch unterscheidet sich die Welt der Türkei oder die arabische, die iranische Welt von den Verhältnissen im Deutschland der 50er Jahre?
Antwort:
Durch gar nicht so viel.
Der Hauptunterschied liegt m. E. darin, dass in der Türkei, den arabischen Staaten, dem Iran das Wort Gottes, das wahre durch den Propheten Mohammed geoffenbarte Wort Gottes, also nicht durch irgendwelche von Menschen geschriebene Bücher – in summa Bibel genannt – die Grundlage des Zusammenlebens ist. Das wahre Wort Gottes ist im Koran niedergelegt und wird durch die Hadithen des Propheten konkretisiert.
Schule bedeutet für die Menschen in erster Linie das Auswendiglernen des Koran. Das ist die Grundlage für die Menschen die in der Türkei leben, in der arabischen Welt, im Iran und vielen weiteren Ländern.
Den Menschen in der muslimischen Welt wird sehr detailliert vorgeschrieben, wie sie zu leben haben. Was geht (halal), und was nicht geht (haram).
So etwas wie Böhmermanns Erguss geht in der muslimischen Welt gar nicht.
Wenn es nur das wäre. Der deutsche Hype um diese so genannte Satire – m. E. ein Machwerk, das gegen jedwede zivilisatorische Grundlage verstößt – gießt Wasser auf die Mühlen der Kräfte in der muslimischen Welt, die ohnehin Gegner des Westens, der heutigen westlichen Lebensart sind. Dieses ´Anything goes`, diese Dekadenz ohne Rücksicht auf Verluste, ist auch für zivilisierte Zeitgenossen nur sehr schwer oder überhaupt nicht erträglich. Die Unterstützer Jan Böhmermanns merken offensichtlich gar nicht, wie sie sich selber diskreditiren. Ich nenne so etwas erkenntnisresistent.
Kampfansage
Die weitere Diskussion, das ach so offene meinungsfreie Herauskrähen einer bejahenden Meinung in der Causa Böhmermann ist für Moslems eine Kampfansage. Weil sie halt so sind, wie sie sind. Sein müssen. Denn hinter der muslimischen Lebensweise steht nach ihrem Glauben das wahre Wort Gottes. Das sollten wir respektieren. Sonst wird der Kampf der Kulturen, ja den gibt es, viele haben es nur noch nicht gemerkt, dieser Kampf wird weiter befeuert.
Wollen wir das?
Nein, wir sollten es keinesfalls tun. Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen verletzt wird. Auch wenn es in unseren Augen eine Unfreiheit ist. Das wäre wirkliche Toleranz. Nicht nur eine Worthülse.
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Lesen Sie in diesem Zusammenhang meinen Essay Islamischer Terror in Europa – Der Islam und der Westen, den Sie unter Essays finden.