ein aufgesetzer schuss aus einer gaspistole auf einen nazi am kopf oder am herz ist sofort tödlich. da braucht es keine umstände um legal oder nicht an eine scharfe pistole ranzukommen, steht im Jahr 2018 auf der deutschen Unterseite von Indymedia im Beitrag „bewaffnet euch“, und das ist eindeutig eine Empfehlung, denn weiter heißt es, man sollte die Pistole verdeckt tragen, und die Patronen nur mit Haushaltshandschuhen anfassen. Es ist eine Anleitung zum Mord, und obwohl 2017 die Unterseite linksunten.indymedia vom Innenministerium verboten wurde, steht dieser Text seit dem 30. August 2018 auf der Hauptwebseite Indymedia, und der Text führt auch deutlich aus, wer die Nazis sind, gegen die man sich mit Waffen schützen sollte: „faschisten, rassisten, neonazis auf den strassen und in den parlamenten“. Parteien stehen nicht dabei. Welche demokratisch gewählten Vertreter des Volkes damit gemeint sein sollen, bleibt dem Leser überlassen. Ich habe mich schon bei der „FAZ“ mit Indymedia beschäftigt, und weil das Verbot von „Linksunten“ kurz darauf erfolgte, stand in der linken Szene die Frage im Raum, ob es einen Zusammenhang mit meinem Beitrag gibt. Im Netz fanden sich seitdem Vorschläge, ich würde wie Schleyer im Kofferraum enden, oder man sollte mich doch einmal besuchen und die Möbel umstellen.
Linksextremismus sei ein aufgebauschtes Problem, ließ sich früher die damalige Familienministerin Manuela Schwesig zitieren. Sie förderte mit Staatsgeldern großzügig Organisationen, die „gegen rechts“ aktiv sind, und sie hat in Chemnitz offensichtlich gut gelaunt ein Selfie von sich und anderen Vertretern linker Parteien gemacht. Der Anlass war die Gegendemonstration „Wir sind mehr“. Aber dem Vernehmen nach ist es der AfD gelungen, zumindest ähnlich viele Besucher für ihren Trauermarsch wegen des mutmaßlichen Tötungsdelikts durch drei Asylbewerber an einem Chemnitzer auf die Straße zu bringen. Journalistisch würde mich Chemnitz durchaus interessieren, aber angesichts meiner Vorgeschichte bin ich in exakt jenen aufgebauschten Problemkreisen, die mit Frau Schwesig demonstrieren, einschlägig bekannt, und bleibe lieber daheim. Die Gefahr wird früher oder später ohnehin mit allen Begleiterscheinungen zu mir kommen.
Denn ich glaube nicht, dass die Pforten zur rechten Hölle in Sachsen stehen. Es ist natürlich bequem, den Aufmarsch in Chemnitz den Ostdeutschen und den Sachsen anzulasten und ihnen Defizite bei Demokratie und Willkommenskultur zu unterstellen. Aber ich glaube, dass die Situation in Chemnitz nur ein Zufall ist. So zufällig, wie dort ein Mensch erstochen und zwei weitere durch Messerstiche verletzt wurden. Hätte es die Bluttat auf dem Stadtfest nicht gegeben, wäre Chemnitz eine mittelgroße Stadt in Sachsen ohne besondere Vorkommnisse, Höcke hätte einen anderen Termin wahrgenommen, und Schwesig wäre vielleicht daheim geblieben. Und vielleicht wäre alles sogar ganz anders gekommen, hätten die Medien nach dem ersten „Trauermarsch“, an dem fraglos Rechtsextremisten, Hooligans und Neonazis teilnahmen, auf Basis des Videos eines Twitternutzers „Antifa Zeckenbiss“ nicht von Hetzjagden und Pogromen gesprochen, für die es nach heutigem Wissen keine sicheren Beweise gibt.
Dabei sind die Reaktionen im politischen Berlin und in den Medien nachvollziehbar. Die große Angst ist, dass es in Deutschland zu einer Art Aufstand kommt, der sich schon einmal vor der Migrationskrise mit der Pegida-Bewegung angedeutet hat. In Hamburg, München und Berlin werden Demonstrationen, die sich gegen die Politik der Regierung wenden, schon im Ansatz von Gegendemonstranten erstickt, mitunter auch durch den Einsatz brutaler Gewalt. In Freiburg kam es nach dem Mord an Maria L. trotz der erkennbaren staatlichen Defizite nicht zu großen Protesten, und auch nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz oder den islamistischen Attentaten in der bayerischen Provinz und in Hamburg blieb es ruhig. Das änderte sich aber nach den Mordfällen von Mia in Kandel und Susanna in Wiesbaden. Chemnitz ist ein weiterer Fall einer Demonstration wütender Menschen nach einer Messerattacke in einer mittelgroßen Provinzstadt, ähnlich wie es auch schon in Cottbus zu sehen war.
Und ich selbst wohne nun in einer mittelgroßen deutschen Stadt in der Provinz. Die Ausgangslage erinnert an Ostdeutschland, auch wenn es hier wirtschaftlich brummt: Die AfD hat hier eine Hochburg in Bayern, und die SPD als Arbeiterpartei distanziert. Viele Bewohner der Stadt haben einen Migrationshintergrund und leben bislang friedlich und gut integriert zusammen – mit dem Ergebnis, dass man extrem harte Urteile über weitere Neuankömmlinge auch bei Türken, Bulgaren und Spaniern hört. Den einzigen Vorschlag zu einer Bürgerwehr habe ich in einem Geschäft vernommen, das bei Migranten vom Balkan hoch angesehen ist. Bezeichnenderweise waren Bosnier und Serben der gleichen Meinung wie die Türken. Der Anlass: In der Nähe wurde ein größeres Objekt mit Asylbewerbern aus afrikanischen Staaten belegt. Die Bürgerwehr blieb nur eine Drohung, stattdessen stellte der Geschäftsbesitzer wie viele Geschäfte in der Nähe von Lagern Sicherheitspersonal an die Tür.
Es gibt hier – und das mag das gute Abschneiden der AfD auch erklären – zudem sehr viele Inhaber deutscher Pässe, die als Spätaussiedler in den letzten 40 Jahren zugewandert sind. Nimmt man Deutsche aus Polen, Rumänien und Russland zusammen, wohnen im Großraum der Stadt mindestens 10.000 Menschen, die nach außen hin gut integriert sind, aber durchaus ihre eigenen Lebensvorstellungen behalten haben. Naturgemäß fühlen sich besonders die Russlanddeutschen nicht als Täter des Zweiten Weltkriegs, sondern als Opfer Stalins: Der migrationspolitische Konsens der BRD, allen Ankommenden gleich freundlich gegenüberzustehen und sich der historischen Verantwortung bewusst zu sein, ist dort nach meiner Beobachtung nicht allzu nachhaltig verwurzelt. Für diese Gruppe und ihre durchaus realen Verlustängste sind rücksichtsvolle Justiz und Verständnis für kulturelle Eigenheiten anderer Erdkreise nicht ganz leicht vermittelbar. Man merkt davon im Alltag nichts. Aber aus meiner privaten Erfahrung heraus kommen die wirklich harten Urteile über die Politik der letzten Jahre nicht aus den Biergärten der Ureinwohner. Sie kommen von den Zugewanderten, die in dieser teuren Stadt im Konkurrenzkampf um Wohnungen, Beschäftigung und Aufstieg sind. Auch noch in der zweiten Generation.
Wir haben hier eine in sich gut vernetzte soziale Schicht, die sich nicht umfassend an jenem Konsens orientiert, der in den deutschen Medien gepredigt wird, und eine Menge an AfD-Wählern, die auch das öffentliche Formulieren von Thesen erlaubt, die in den Medien kaum Aussicht auf öffentliche Verbreitung hätten. Außerdem gibt es draußen vor der Stadt, in einer Kaserne, eines der großen Ankerzentren in Bayern. Nach der Grenzöffnung war es vor allem ein Unterbringungsort für Asylbewerber aus dem Balkan mit geringer Bleibeperspektive, wie das im Amtsdeutsch heißt. Heute sind dort vor allem Migranten aus Subsaharastaaten untergebracht. Personen aus Nigeria, die kaum eine Aussicht auf politisches Asyl haben, stellen die große Mehrheit. Manche erzählen auch offen, dass sie eigentlich gar nicht hier sein wollen, sondern nur in Deutschland geblieben sind, weil der Weg nach England verbaut ist. Und die Staatsregierung lässt wissen, dass sie auch eine Art Zuweisungsroulette spielt: Wie jetzt kurz vor der Wahl in Bayern durchgesickert und von der CSU-freundlichen Heimatpresse ausgewalzt worden ist, werden keine weiteren Nigerianer in das Lager vor der Heimatstadt des deutschen Innenministers mehr gebracht.
Es gibt da so eine Kommunikation des Nichtsagens. Man sagt nicht dauernd, dass es im Ankerzentrum zwei große Revolten bei der Geldauszahlung gegeben hat, bei denen sich die Beamten verbarrikadieren mussten und die Polizei nur durch einen Großeinsatz Schlimmeres verhindern könnte. Solche Nachrichten kommen und gehen, und dann kommen bedeutende öffentliche Verlautbarungen, dass sich die Staatsregierung um die Aufstockung der Polizei verdient gemacht hat. Der Bürger macht hier Erfahrungen mit Krisen und Erfahrungen mit Medien: 2014, vor der Grenzöffnung durch Merkel, hat ein Asylbewerber in einer stadtbekannten und alteingessenen Disco zwei Frauen sexuell genötigt. Bundesweite Schlagzeilen machte aber nicht die Straftat, sondern die Folge: Weil das Lokal dadurch ins Gerede kam, wies der Besitzer seine Türsteher an, keine Asylbewerber mehr hineinzulassen. Daraufhin wurde in der bundesweit öffentlichen Darstellung aus dem dunklen Kellerlokal eine Edeldisco, die Menschen mit anderer Hautfarbe diskriminiert. Der Betreiber entschuldigte sich, aber sobald die Leitmedien den Fall abgelegt hatten, wurde die Teilnahme am Nachtleben für Asylbewerber überall deutlich schwieriger.
Darüber spricht man natürlich nicht. Aber es gibt hinter dem Rathaus den Viktualienmarkt. Das ist eine Freifläche mit Bänken und Tischen und Bäumen. Eine Art innerstädtischer Biergarten, wenn man so will, zumindest am Tag. Und bis 2015 gab es hier auch kaum Probleme. Das änderte sich, und 2017 gab es dann einen Bericht in der Heimatzeitung, der nicht die ganze Wahrheit schrieb: „Die Discos lassen nach den schlechten Erfahrungen keine Asylbewerber mehr hinein, das hohe Preisniveau der Gaststätten können sie sich auch kaum leisten, am Viktualienmarkt stehen aber Tische und Stühle draußen, und außerdem hält gleich nebenan der letzte Bus zum Lager. Sie bringen den Alkohol selbst mit, daher entsteht hier eine laute und gefährliche Szene, die für viele Marktbetreiber und Besucher am Abend schwierig ist. Daher gibt es jetzt eine Debatte über helleres Licht und Videoüberwachung.“ Die Lokalzeitung lässt 2017 nur einen Standbetreiber sagen, die letzten zwei Jahre wären katastrophal gewesen. Wer die Ecke kennt, weiß, was mit den zwei Jahren seit 2015 gemeint ist. Und warum hier inzwischen große Tafeln auf die Videoüberwachung hinweisen.
Ich kenne das. Neben dem Viktualienmarkt ist meine Sparkasse, und bei mir um die Ecke ist ein anderer Nachtklub. Es gibt dort eine Besonderheit: Gegenüber ist eine ehemalige Kaserne mit Durchgängen, die auch bei Regen trocken sind. Wegen der Raucher verlagert sich zu allen Jahreszeiten das Geschehen auch nach draußen, es ist ein ständiges Kommen und Gehen, und wer nicht hineinkommt, kann sich immerhin draußen bei jedem Wetter unter die Gäste mischen. Früher war es nur laut, in den letzten Jahren wurde es auch gewalttätig. Neben dem Klub wird gerade eine Wohnung vermietet, und sie ist wirklich günstig: Man zahlt gerade einmal die Hälfte dessen, was hier üblich ist. Wegen der Schlägereien durch das, was man in den Medien als „Männergruppen“ bezeichnet, hat die Ecke inzwischen einen schlechten Ruf. Es führen drei nicht sonderlich gut beleuchtete Straßen zum Klub. Dorthin gehen die Türsteher nicht, dort finden dann die Konflikte statt. Früher waren Schlägereien vorbei, wenn ich aus dem Fenster rief, dass ich die Polizei anrufe. Mitunter habe ich auch unten geschlichtet. Letzthin hatten wir hier zwei Gruppen mit jeweils gut 20 Mann, Araber und Afrikaner, die sich über die Straße hinweg angegriffen haben. Da ist man dankbar um jedes Auto, das kommt, und den Umstand, dass die Polizei keine fünf Minuten hierher braucht. Ich bin nicht feige. Es wäre nur lebensgefährlich, sich dort direkt einzumischen.
In München gab es vor dem Hauptbahnhof den sogenannten Pilz als Unterstand, der nach 2015 wegen des dort verweilenden Publikums ins Gerede kam und folglich abgerissen wurde. Bei uns kann man die Arkaden an der Kaserne nicht entfernen. Aber inzwischen hat schon der dritte Betreiber das Lokal aufgegeben. Ohne Disco ist das eine gute, ruhige Ecke der Altstadt. Mit Disco wartet man nur darauf, dass irgendwann die Kamerawagen kommen, und den Tatort des Tötungsdelikts filmen. Wir haben mehr Polizei und mehr Überwachung, aber diese Konflikte entstehen so schnell, da reichen ein paar Worte, und es geht los: Es ist nur eine Frage der Statistik, bis aus Streit Körperverletzung und aus Körperverletzung Totschlag wird. Wenn es dann so weit ist, wird hier rückblickend jeder sagen, dass es kein Wunder ist, man wusste ja, was am Viktualienmarkt, in der Nacht, an der Donau, draußen im Lager schon passiert ist. Und bei alldem, was passiert ist, ist es bislang auch ruhig geblieben. Man hat seine Vorkehrungen getroffen, man passt auf, man weiß, dass die Zustände in den Lagern nicht optimal sind, wenn es um Strafverfolgung geht. Auch wenn regionale Einzelfälle hier für Verunsicherung sorgen: Es geht noch niemand auf die Straße, weil noch kein Einheimischer hier gestorben ist.
Aber die Leute reden, und sie sind unzufrieden. Ich kenne keinen, der nach Chemnitz zu #wirsindmehr gefahren ist, aber ziemlich viele Menschen sagen, dass die Chemnitzer recht haben, wenn sie auf die Straße gehen. Bei uns gibt es im Vergleich zu Chemnitz noch zwei wichtige Unterschiede. Wir haben hier keine nennenswerte Nazi- oder Hooliganszene, die einen Protest an sich reißen könnte. Und wir haben hier keine nennenswerte Antifa, die sich dagegenstellen würde. Wir sitzen hier auf einem Pulverfass. Wir haben ein Ankerzentrum, das vor allem der Abschiebung dient, wir haben dort Ausbrüche extremer Unzufriedenheit mit der Situation, wir haben die AfD als Volkspartei und in der Nacht Gruppen mit Alkohol in der Stadt. Wir haben ein Aufatmen in der Bevölkerung, dass Brennpunkte wie Klubs und der McDonald’s in der Innenstadt schließen. Man ist kein Nazi und kein Rassist, wenn man hofft, die Konflikte möchten woanders stattfinden. Aber sollte jemand aus der Stadt sterben, werden hier viele kommen und Kerzen anzünden.
Sollte es ein Mädchen oder eine Frau treffen, sollte sexuelle Gewalt im Spiel sein, sollte das Opfer einer gut vernetzten Gruppe angehören, würde ich mir Sorgen machen. Natürlich ist das hier Bayern, und man hat ohne großes Gerede mehr Polizei eingestellt, mehr Videoüberwachung aufgebaut, und das Einsatzkonzept an die veränderte Situation angepasst. Das wird dann aber nicht mehr reichen, um die Stimmung bei einem Todesfall zu beeinflussen, und wir haben hier eine Viertelmillion Einwohner im Großraum. Ein paar Tausend werden dann kommen, und was immer danach passiert: Jeder hier wird das Gefühl haben, man es hätte wissen und ahnen können. Es stand verklausuliert in der Zeitung, es ist genug geschehen, es hat sich etwas verändert nach 2015, es wurde nach innen mehr abgesichert, aber nicht genug. Die Menschen werden kommen, und da ist dann im ersten Moment keine Frau Hayali und keine Frau Giffey und auch kein linksextremer Sänger, der seine Messerklingen in Journalistenfressen rammen will. Da sind dann die Bürger. Die Zivilgesellschaft. Ganz normale Menschen. Und weil hier so viele von denen sind und so viele inzwischen nicht mehr den traditionellen Medien und Parteien trauen, werden es genug sein, damit das Opfer kein regionaler Einzelfall mehr bleiben kann.
Man kann viel dagegen tun. Zum Beispiel still in eine Wallfahrtskirche gehen, um das Ausbleiben eines Todesopfers beten und eine Kerze anzünden und eine zweite, dass kein Sexualdelikt dabei ist, eine dritte, dass es keinen Russlanddeutschen oder Deutschpolen trifft, und eine vierte, dass der Täter nicht schon wieder nur dank eines Staatsversagens noch hier ist. Das nützt hier an den Toren zur Hölle so gut wie alles andere, und schadet deutlich weniger. Mir ist bewusst, dass dieser Text in seiner defätistischen Haltung erheblich von dem abweicht, was man sonst in den Medien liest, aber das hier war eigentlich eine äußerst friedliche und sichere Stadt. Recht viel besser geht Deutschland nicht. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, dass sie sicher sind und gut miteinander auskommen. Das Wesen von Migration und Abschiebung bringt es mit sich, dass hier nun zwei Klassen aufeinandertreffen, die sich nicht verstehen, und von denen eine bleibt, und die andere mehrheitlich auf den meisten Ebenen ausgeschlossen und chancenlos gehalten wird. Das ist das System der extremen Ungleichheit der Verwaltungsentscheidungen und Aufenthaltsrechte, in das seit 2015 über eine Million Menschen eingewandert sind, und von Frau Merkel eingeladen wurden. Die Kaste aus Politik, Medien und Gesellschaft, die um Frau Merkels Entscheidung Stellung bezogen hat, hat zwei Jahre einigermaßen funktioniert, und dafür gesorgt, dass es relativ ruhig um regionale Einzelfälle blieb.
Ich bin Atheist. Ich glaube nicht, dass Beten hilft, und so gern ich schreiben würde, Gott schütze unsere Heimat – es wird nicht passieren. Es läuft eine Art russisches Roulette. In Berlin passiert nichts, wenn eine Kunstgeschichtlerin grausam ermordet wird, in Hamburg passiert nichts, wenn ein Junge am Wasser erstochen wird, aber in Chemnitz war es anders, und nun weiß jeder, wie man die Politik an ihre Verantwortung erinnert. Andere mögen Totschlagratschläge bei Indymedia haben, gewaltverherrlichende Popgruppen, Antifa-Videoschnipsel, Talkshows, linksradikale Kolumnen bei „Spiegel Online“, und den Segen des Bundespräsidenten. Aber hier bei uns ist der regionale Einzelfall das nächste Opfer einer vorhersagbaren Entwicklung. Der nächste Tote in irgendeiner mittelgroßen Provinzstadt kann in diesem Land den Flächenbrand auslösen, die Zutaten sind vorhanden, es fehlt nur noch das auslösende Moment mit der ausreichenden Emotionalisierung. Wir stehen, einfach gesagt, vor den Toren der Hölle, und man kann natürlich auch einfach weitergehen, als wäre nichts passiert. Die Chemnitzer werden sich schon beruhigen. Man kann alle Ängste eisern weiter kleinreden, mit dem zynischen Hintergedanken, dass der nächste Tote auch nicht schlimmer ist als jene, die man schon politisch überstanden hat. Es wird immer einen öffentlich-rechtlichen Sender geben, der den Menschen erklärt, wie klein das statistische Risiko für sie ist, und immer ein Portal, das der Gaudi-Antifa sagt, wo sie hinfahren soll.
Wenn es einmal um meine Heimatstadt gehen sollte: Man bleibe besser daheim und zünde eine Kerze an, und lasse den Menschen ihre Wut und ihre Trauer. Das ist für alle und das Land besser so.
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