Die letzte Rettung ist die Beistandsklausel …
Quelle des grün-kursiven FAZplus* – Kommentars und alle Verweise/Kommentare
Mehr... des NATO-Vertrags. Weil die Ukraine nicht zum Bündnis gehöre, so ist es nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wieder und wieder zu hören, kämen nur nichtmilitärische Reaktionen infrage. Zumindest in Deutschland spricht daraus auch eine gewisse Erleichterung. Denn so ist es seinen Politikern möglich, angesichts einer katastrophalen Widerlegung jahrelang gehegter Erwartungen doch noch das Gesicht zu wahren.
Die Erwartungen waren: Frieden schaffen ohne Waffen, bis vor wenigen Jahren sogar von Lissabon bis Wladiwostok. Wer gegen diese Sicht schon vor Jahren aufbegehrte, meist waren das Osteuropäer, galt als hinterwäldlerisch. Die deutsche Debatte wähnte sich ihrer Zeit voraus und versteckte sich hinter der deutschen Geschichte. In Wahrheit aber waren die Zweifler die Realisten und die deutschen Ideale die Ausgeburt eines provinziellen Denkens. Das stand ganz in der westdeutschen Tradition, andere für die Sicherheit aufkommen zu lassen, unter deren Schirm es sich gut moralisieren ließ.
Die letzte deutsche diplomatische Glanztat, die unter diesen Umständen möglich war, bleibt die deutsche Einheit. Hätte Helmut Kohl damals betrieben, was heute unter „Diplomatie“ verstanden wird, würden wir wohl noch immer auf die Einheit warten. Er hatte Glück, aber auch Durchsetzungsvermögen gegen die Lafontaines, Schröders und Fischers, die von einem Weg jenseits der Nation träumten. Später träumten sie dann von einem Russland in Europa, das so werden würde wie dieser postnationale Traum.
„Kalte Krieger, Revanchisten, Ewiggestrige“
Es gibt viele bekannte Politiker, die sich gerne auf Konrad Adenauer, Helmut Schmidt oder Helmut Kohl berufen; kaum einer von ihnen steht aber tatsächlich in deren Tradition. Wäre es so, hinge ihnen der Ruf nach, den die letzten Jahrgänge der Wehrpflichtigen ertragen mussten: kalte Krieger, Revanchisten, Ewiggestrige.
Der deutsche Idealismus erweist sich nun als historischer Irrtum, als Täuschung, als das moralische und materielle Versagen einer Generation. Bis hinauf zu Frank-Walter Steinmeier sucht sie nach Worten, um aus der Provinz ihrer Friedensillusionen wieder in die Mitte des Weltgeschehens zu finden.
Neue Fehltritte sind inbegriffen: Die Behauptung, es habe sich doch gezeigt, dass Abschreckung nichts nütze, war zu erwarten. Die Ukraine hatte auf die Mittel der nuklearen Abschreckung verzichtet, um von Putin eine Bestandsgarantie zu erhalten. Putin droht nun dem Westen mit nuklearer Vergeltung. Dass Rolf Mützenich daraus eine Bestätigung seiner Linie macht, grenzt an infame Rechthaberei. Als „Trophäe“ dieser Irrlichterei werden die fünftausend Helme in die Geschichte eingehen, die der Ukraine wenige Tage vor dem russischen Einmarsch aus Deutschland angeboten wurden.
Es wäre mehr möglich gewesen, ganz ohne Beistandsklausel. Dass allerdings ein Neuanfang deutscher und europäischer Außen- und Sicherheitspolitik möglich ist, erscheint wenig wahrscheinlich. Von der Ampelkoalition ist er nicht zu erwarten. Ein Anfang wäre aber gemacht, wenn ihre Politiker mit dem Wort „wir“ sparsam umgingen. Denn nicht wir haben versagt, nicht wir haben uns getäuscht: Das wart ihr.
*Weil das Thema außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Russland, Ukraine & der Westen“ ist, zitieren wir den Text . Verweise und Kommentare der Leserschaft lesen Sie, wenn Sie FAZplus testen/abonnieren. Wir empfehlen FAZplus ausdrücklich: 30 % sparen & nur knapp 100€ im ersten Jahr zahlen.