Blackout, Inflation, Verarmung, Lieferkettenprobleme …
… und immer wieder das hohe C – viele Deutsche fürchten sich vor der Zukunft. Dabei geht es uns doch gut: Offene Not ist selten, Geld kommt pünktlich, Strom und Gas fließen. Haben wir alles im Griff und machen uns unnötige Sorgen? Oder gibt es Warnsignale, dass dies alles nur Wohlstand auf noch kurze Zeit ist?
Achim Winter und Roland Tichy über Ängste und Sorgen. Klar ist: Die Risiken für unser Land und die Unsicherheiten wachsen. Sie bleiben beherrschbar, wenn wir uns ihnen stellen und darauf vorbereiten. Aber gerade das fehlt in der Politik – sie hält an ihren Träumen fest, die gestern noch schön und heute unerfüllbar sind.
In einer Woche feiern wir in Deutschland Buss- und Bettag. Da ist es Zeit, einmal in sich zu gehen und über seine Sünden nachzudenken. Ich besonders habe mich schuldig gemacht. Was habe ich hier so oft über journalistische Fake News, Manipulationen und über „Haltungsjournalismus“ geschimpft. Schande über mich! Mea Culpa, mea maxima culpa!
Dabei ist Haltungsjournalismus notwendig. Habe ich gerade aus dem Artikel von Lea Susemichel im österreichischen ‚Standard‘ vom 15.10.21 gelernt („Warum es mehr Haltungsjournalismus braucht“).
Warum braucht „es“ mehr Haltungsjournalismus?
Frau Susemichel meint, dass angesichts der Klima-Apokalypse unbedingt mehr journalistische „Haltung“ nötig sei, wohl um dem tumben Leservolk die Milch der moralischen Denkart beizubringen.
Und wer könnte dazu geeigneter sein als Journalisten? Steht diese Berufsgruppe doch im Ruf, stets moralisch einwandfrei, ehrlich, objektiv, sine ira et studio, ohne auf Schlagzeilen und Leserzahlen zu schielen, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen, ohne zu verleumden und niederzumachen, ohne sich bei Politikern einzuschleimen, … kurz: immer – nur und ausschliesslich der Wahrheit zu dienen.
Wer könnte denn daran zweifeln, wenn er die fast unerträglich wahren und objektiven täglichen nüchternen Faktenberichte unsere lieben Zeitungsleute liest?
Nein, wenn man den Artikel von Frau Susemichel liest, ist man völlig überzeugt: Haltung ist das Gebot der Zeit.
Deshalb mein schlechtes Gewissen. Ich habe es eingesehen.
Allerdings ist das nur mein erster Schritt. Ich argwöhne, dass ich möglicherweise immer noch aus den falschen Gründen bekehrt wurde. Meine Haltung scheint noch nicht ganz korrekt zu sein.
(Ich verspreche, ich werde weiterhin im besten kommunistischen, nein, streichen wir das, im besten
grünlinken Sinne Selbstkritik üben.)
Denn – ich gestehe! – ich bin zu der Überzeugung der Notwendigkeit von Haltungsjournalismus gekommen, weil ich eingesehen habe, dass es aus Gründen der Vermeidung von Diskriminierung geschehen muss. Nicht aus der Sache heraus (vielleicht erleuchtet mich diese Erkenntnis noch).
Denn was sind Haltungsjournalisten?
Sogenannte Haltungsjournalisten – im Unterschied zu kritisch-rationalen Journalisten – sind Menschen, die zu dämlich, zu faul, zu ideologisch verbohrt sind, sich Fakten anzueignen und über sie zu berichten. Und darauf zu vertrauen, dass die Recherche ihrer Fakten so gut ist, dass die Leser sich ein stimmiges eigenes Bild machen können.
Haltungsjournalisten arbeiten mit dem ideologischen Holzhammer, um ihre eigene Meinung in die Köpfe der Bevölkerung zu prügeln. Fakten sind ihnen egal. Es kommt nur auf die Haltung an.
Wer Fakten aufzählt, die nicht zu ihrer Haltung passen, ist nicht etwa jemand, der andere Fakten aufzeigt oder der vielleicht eine andere Meinung hat, er ist Staatsfeind.
Moralisch zu verurteilen.
Müssen Menschen, die eine solche Auffassung von Journalismus haben, nicht fast als geistig Behinderte angesehen werden? Zweifellos.
Und deshalb ist Haltungsjournalismus so unverzichtbar. Oder sollen wir etwa geistig Behinderte diskriminieren, indem wir ihnen die Teilhabe an journalistischer Tätigkeit verwehren?