Am 22.4.2021 brachte
Andreas Britz
die Morgenandacht im Deutschlandfunk.
Sie ist ein Meilenstein, weil sie direkt die Grundlage gesellschaftlichen, die Vorausetzung menschlichen Lebens thematisiert.
MehrBegegnung, persönliche Begegnung, nicht digitale Verbimndung per Internet und – egal ob klein oder groß – Bildschirm, ist das, was der Mensch, jeder Mensch benötigt.
Fehlt Begegnung, verkümmert der Mensch.
Er wird zum Sender, zum Empfänger, zu einem Vehikel der Technik.
Die Morgenandacht von Andreas Britz im Dlf vom 22.4.2021 zum Nachhören:
Der Text der Morgenandacht mit Literaturhinweisen
Morgenandacht, 22.04.2021
von Andreas Britz, Bellheim
Digitales Lernen?
„Digitalisierung“ – das ist das Zauberwort unserer Zeit. Kulturwissenschaftler sprechen von der digitalen Revolution und stellen sie den beiden großen Revolutionen der Menschheitsgeschichte gleich.
Bei der ersten, der neolithischen, wurden unsere Vorfahren sesshaft und begannen mit Ackerbau und Viehzucht. In der zweiten, der Industrialisierung, entstand die moderne Massengesellschaft und jetzt eben die Revolution der digitalen Medien, deren Folgen wir noch gar nicht abschätzen können.
Klar ist aber, dass die IT alle Lebensbereiche durchdringt. Da macht die Schule keine Ausnahme. Digitale Bildung scheint das Gebot der Stunde. Jetzt, in der Zeit der Pandemie, soll das computergesteuerte Lehren und Lernen den herkömmlichen Unterricht im Klassenraum ersetzen.
Wie das Homeschooling abläuft, das braucht man Millionen von Schülerinnen und Schülern und deren Eltern nicht zu schildern. Der Leidensdruck ist gewaltig. Und das liegt nicht nur an der oft mangelnden technischen Ausstattung. Es fehlt der direkte menschliche Kontakt mit den Lehrkräften und mit den Klassenkameraden. Ich selbst habe über Monate hindurch nahezu ausschließlich Fernunterricht erteilt.
Die wichtigste Erfahrung, die ich dabei machen konnte, ist die: Kinder brauchen Menschen, keine Bildschirme. Laptops und Tablets sind nur ein Notbehelf. Je länger der Fernunterricht andauert desto schwerer fällt die Motivation.
Keine Videokonferenz kann die Dynamik des echten Unterrichts ersetzen. Bei allen Beteiligten ist die Sehnsucht groß nach einem ganz normalen Zusammensein in der Schule.
Irgendwann wird es wieder soweit sein. Aber was dann? Soll die Digitalisierung in den Schulen stärker vorangetrieben werden? Wenn es nach den meisten Politikern und Wirtschaftsführern geht, ist die Antwort ein klares „Ja“.
Dem digitalen Lernen gehört die Zukunft. Wie ein Mantra wird dieser Satz den Menschen eingehämmert. Aber zeigen nicht gerade die Erfahrungen in der Pandemie, dass man für wirkliches Lernen einen unmittelbaren Kontakt braucht?
Es ist wahr, Lerninhalte lassen sich digitalisieren, Verstehensprozesse aber nicht. Oder um es noch deutlicher zu sagen: Der Mensch lernt nicht digital! Digitale Medien gehören zu einem modernen Unterricht, aber sie sind – so wie die analogen Medien auch – nur Hilfsmittel, nicht mehr.
Unsere Schulen sollten daher keine elektronischen Lernfabriken werden, sondern soziale Räume bleiben, in denen Lehrer und Schüler in einen echten Dialog treten. Für Motivation und Lernerfolg ist keine ausgeklügelte Software entscheidend, sondern eine kompetente Lehrkraft, der die Kinder und Jugendlichen vertrauen. Auch für die Schule gilt, was der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber einmal so formulierte:
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Wenn wir aufhören, uns zu begegnen, ist es, als hörten wir auf zu atmen.“
(Martin Buber)
In den kommenden Jahren wird der Digitalpakt von Bund und Ländern einige Milliarden Euro für die Digitalisierung unseres Bildungswesens ausgeben. Aber werden unsere Schulen damit leistungsstärker? Wäre es nicht viel sinnvoller, Klassen und Kurse deutlich zu verkleinern?
Dafür müssten mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Dazu auch Psychologen und Sozialarbeiter, die sich vor allem der Kinder annehmen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – beim Lernen schwertun.
Herausgefordert sind dabei auch die Kirchen. Der Religionsunterricht spielt eine wichtige Rolle, wenn Kinder und Jugendliche ihre Persönlichkeit entwickeln. Viele Studien zeigen – allen Unkenrufen zum Trotz – dass gerade das Fach Religion bei den Schülern sehr beliebt ist. Hier ist für viele der Ort, wo in vertrauensvoller Atmosphäre auch persönliche Fragen angesprochen werden können.
Offenheit und Empathie sind die Grundvoraussetzungen für einen guten Unterricht. Gerade als Religionslehrer erfahre ich immer wieder, dass man nicht nur als Experte für den Glauben gesehen wird.
Die Mädchen und Jungen brauchen auch Wegbegleiter – gerade in einer so schwierigen Zeit wie heute. Digital ist das nicht zu machen, das geht nur leibhaftig. Von Mensch zu Mensch.
Ganz im Sinne von Martin Buber:
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“
und
Erschienen im Herder-Verlag: Das neue Buch von Bischof Heiner Wilmer.