… Er kann jetzt beispielsweise theoretisch die Bewegungsfreiheit der Bürger mittels Reiseverboten, Grenzschließungen oder Ausgangssperren einschränken. Nur durch ministerielle Anordnung könnte also mal Landesarrest und mal Hausarrest verhängt werden, es muss nur irgendwie mit dem Corona-Virus zu tun haben. Auch Kontaktverbote, Geschäftsschließungen, die zwangsweise Stilllegung des gesamten Kulturbetriebs und andere Restriktionen aus dem inzwischen ja hinlänglich bekannten Ausnahmezustands-Instrumentarium, können auf der Grundlage einer einfachen Regierungs-Verordnung verhängt werden. Die Parlamente in Bund und Ländern müssen nicht mehr gefragt werden, dieser Entmachtung haben Bundestag und Bundesrat mehrheitlich zugestimmt, indem sie die Regierungen zu derartigen Maßnahmen ermächtigt haben.
Weil im Gesetz zwei Dutzend Mal vom „ermächtigen“ die Rede ist, lag das böse Wort vom Ermächtigungsgesetz einfach zu nahe, so dass die Gesetzes-Unterstützer die Chance bekamen, ihren Kritikern den Missbrauch historischer Assoziationen zur Zeit des Nationalsozialismus zu unterstellen. Und weil viele Deutsche, die auf dem Gebiet öffentlich geführter Debatten zu Hause sind, falsche NS-Vergleiche ebenso lieben wie die Verurteilung derselben, gibt es schon mal einen schönen Nebenkriegsschauplatz, auf dem man gefahrlos seit Jahrzehnten liebgewonnene Sprechblasen verwenden kann.
Hier soll selbstverständlich nicht mit 1933 assoziiert werden, wir konzentrieren uns lieber ganz auf 2020. Und da bleibt fest zu halten, dass eine solche parlamentarische Selbstentmachtung in der deutschen Nachkriegsdemokratie etwas Außerordentliches ist. Bei solch einem außerordentlichen Gesetzesvorhaben hätte man als zuschauender Wähler oder wählender Zuschauer eigentlich auch eine außerordentliche Debatte im Deutschen Bundestag erwartet, mit vielleicht wenigstens etwas argumentativer und rhetorischer Bilanz. Doch obwohl es immerhin um etwas so Wichtiges, wie den Umgang mit den Grundrechten der Bürger ging, blieb die Debatte in der Zweiten Lesung dieses Gesetzes eher auf Ramsch-Niveau, weitgehend bestehend aus Textbausteinen vom Wühltisch. Da gab es leider nur gelegentliche, also regelbestätigende Ausnahmen.