Die Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen …
Mehr… sind am Donnerstag, 14. Mai 2020, mit zwei Anträgen (FDP: 19/7423, Grüne: 19/7436) zum Schutz von Grundrechten in der EU gemäß der Beschlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (19/9741) gescheitert. Die FDP hatte die Bundesregierung aufgefordert, eine europäische Grundwerteinitiative zum besseren Schutz von Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechten in den Mitgliedstaaten anzustoßen. Gegen diese Forderung stimmten CDU/CSU, SPD und AfD. Linke und Grüne enthielten sich.
Die Grünen hatten verlangt, alle Mitgliedstaaten kontinuierlich auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten durch eine neue, unabhängige Rechtsstaatskommission zu überprüfen. Gegen diesen Antrag stimmten Unionsfraktion, SPD, AfD und Die Linke. Die FDP und die Antragsteller stimmten dagegen. Ein weiterer Antrag der Liberalen (19/19129)zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit in Europa wurde zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.
Große Zustimmung im Plenum zu europäischen Werten
Einig waren sich im Plenum gleichwohl alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD, dass der Schutz grundlegender europäischer Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unabdingbar sei und Verstöße etwa durch Ungarn und Polen geahndet werden müssten. Wer beispielsweise die Covid-19-Pandemie nutze, um rechtsstaatliche Prinzipien dauerhaft auszuhöhlen „sollte damit nicht ungeschoren davon kommen“, betonte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mit Blick vor allem auf die ungarische Notstandsgesetzgebung, die das Parlament praktisch entmachtet und Kritik unter Strafe stellt.
Maas erklärte, die Bundesregierung wolle sich auch im Rahmen ihrer im zweiten Halbjahr 2020 beginnenden Ratspräsidentschaft dafür einsetzen, dass die Auszahlung von EU-Mitteln künftig stärker an die Erfüllung rechtsstaatlicher Grundsätze geknüpft werde. Außerdem kündigte er die Schaffung eines präventiven Instruments an, das einen „offenen und konstruktiven Dialog über Rechtsstaatlichkeit ermöglichen“ solle. Alle Teilnehmer sollten sich dabei einer Überprüfung auf Rechtsstaatlichkeit stellen. „Das ist ein Novum, aber notwendig“, urteilte Maas. Rechtsstaatlichkeit sei „die Garantie der Garantien und das Fundament der europäischen Rechtsgemeinschaft“.
CDU/CSU: EU braucht Hebel gegen Grundrechtsverstöße
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU/CSU), sagte, die EU brauche einen „stärkeren Hebel“ gegen Grundrechtsverstöße, ihr Instrumentenkasten sei leer. So erfordere ein Stimmrechtsentzug nach Artikel 7 der Europäischen Verträge ein einstimmiges Votum.
Krichbaum, der sich ebenfalls für eine stärkere Konditionierung von EU-Mitteln aussprach, betonte, dass es sich nicht um einen Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines Staates handle, wenn die Europäische Kommission einschreite. „Es geht um die Garantie von Grundrechten und Werten in der EU.“ Die Einhaltung dieser Werte sei die Voraussetzung für den Beitritt der Staaten zur Union gewesen.
FDP fordert Rettungsschirm für Rechtsstaat
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle forderte in Anlehnung an die Wirtschaftshilfen in der Coronakrise einen „Rettungsschirm für den Rechtsstaat“. Die EU sei eine Rechts- und Wertegemeinschaft – wer gegen deren Prinzipien verstoße, beschneide die für alle Bürger garantierten Grundrechte und verübe einen „Anschlag auf die Demokratie“.
CDU und CSU forderte Kuhle auf, sich für den „längst überfälligen Rausschmiss“ von Ungarns Premierminister Viktor Orbán aus der europäischen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), stark zu machen. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte außerdem einen besonderen Fokus auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU legen, so Kuhle.
Andrej Hunko (Die Linke) bezeichnete die Notstandsgesetze in Ungarn anlässlich der Corona-Pandemie als die „mit Abstand repressivsten“ in der EU. „Diesen Missbrauch der Pandemie müssen wir deutlich verurteilen“, forderte er.
Die EVP müsse sich von Orbáns Regierungspartei Fidesz trennen und dürfe nicht allein auf neue Sanktionsinstrumente setzen. Der AfD warf er vor, sich Orbán zum Vorbild zu nehmen, in Deutschland aber das Bild einer Grundrechtepartei zu pflegen. „Diese Doppelmoral ist unerträglich“, urteilte Hunko.
AfD rügt „Einmischung“ von EU und Regierung
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Rede Corinna Miazga, AfD
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Für die AfD hatte Corinna Miazga EU und Bundesregierung zuvor vorgeworfen, sich in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einzumischen und neue Instrumente zu deren Bestrafung etablieren zu wollen. Für eine „Rechtsaufsicht auf EU-Ebene“ gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage in den Europäischen Verträgen, konstatierte sie.
Die Europäische Union solle außerdem „erst einmal selbst demokratisch werden, bevor sie sich um die Demokratiedefizite in den Mitgliedstaaten kümmert“. So verfüge der Europäische Gerichtshof noch nicht einmal über „Spurenelemente einer demokratischen Legitimation“.
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Corona-Pandemie als „Test für die Demokratie“. Die Demokraten müssten jetzt beweisen, dass sie besser durch diese Krise kommen, „als jene, die die Grundrechte abschaffen wollen, wie Orbán es gerade tut“.
Neben der Etablierung einer Rechtsstaatskommission zur Überwachung der Grundwerte, müsse es auch finanzielle Sanktionen für Verstöße geben, urteilte Brantner. Allerdings dürfe man damit nicht die Bürger des jeweiligen Landes bestrafen.
Erster Antrag der FDP
Die FDP zeigte sich in ihrem Antrag (19/7423) besorgt über die „mangelnde Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Bürger- und Menschenrechte in Teilen der Europäischen Union“, da diese das Potenzial hätten, die EU in ihrer Funktionsfähigkeit und ihrer Glaubwürdigkeit dauerhaft zu beschädigen und ihre Grundwerte zu untergraben.
Die Bundesregierung solle daher eine europäische Grundwerteinitiative zu einem besseren Schutz von Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechten anstoßen. Unter anderem solle die EU-Grundrechtecharta in allen EU-Mitgliedstaaten voll gelten, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterliegen und den Bürgerinnen und Bürgern einklagbare Rechte verleihen.
Zweiter Antrag der FDP
In ihrem zweiten Antrag (19/19129) fordert die FDP die Bundesregierung auf, mit den Ländern und verschiedenen Akteuren der Medienlandschaft „die Gewalt gegenüber Presse- und Medienvertretern öffentlich zu verurteilen“. Dazu solle die Bundeszentrale für politische Bildung Kampagnen und Sonderveröffentlichungen anstoßen.
Neben weiteren Forderungen sollten außerdem Polizisten stärker im Medienrecht geschult werden, schreiben die Abgeordneten. Zum Hintergrund des Antrags nennt die Fraktion „mehrere tätliche Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Berlin“, die alleine im Mai 2020 verübt worden seien.
Antrag der Grünen
Die Grünen forderten in ihrem Antrag den lückenlosen Schutz von Grundrechten mit der für die Rechte aller EU-Bürgerinnen und -Bürger günstigsten Lösung. Alle Mitgliedstaaten sollten kontinuierlich auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten durch eine neue, unabhängige Rechtsstaatskommission überprüft werden. Die Kommission solle aus Verfassungsfachleuten bestehen, die von den nationalen Parlamenten und vom Europaparlament ernannt werden.
Regierungen in Mitgliedstaaten mit systemischen Rechtsstaatsdefiziten sollten keine EU-Mittel erhalten, heißt es weiter. Die Vergabe von EU-Haushaltsmitteln solle an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geknüpft werden. Um mehr Menschen zu erreichen, seien mehr offene Bürgerdialoge, aber auch niedrigschwellige Bildungs-, Informations- und Kommunikationsformate für die Jugend- und Erwachsenenbildung nötig, schreibt die Fraktion. (joh/hau/sas/ste/14.05.2020)
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Ungarischer Abgeordneter: Zusammenarbeit in der EU muss überdacht werden
Tamás Deitsch zufolge üben die U-Kommission und das Europäische Parlament politische Gewalt aus und versuchen insbesondere, „die ungarische Regierung zu zwingen, ihrer Politik in den Bereichen Migration, sexuelle Minderheiten und Sanktionen zu folgen.“
Die EU-Kommission übt politische Gewalt gegen Ungarn, Polen und andere Länder aus, und deshalb muss die Zusammenarbeit innerhalb der EU überdacht werden. Diese Meinung vertrat Tamas Deitsch, Europaabgeordneter der Regierungspartei „FIDES – Ungarische Bürgerunion“, in der Sonntagssendung des Radiosenders Kossuth.
Er wies darauf hin, dass insbesondere die EU-Kommission und das Europäische Parlament versuchen, die ungarische Regierung zu zwingen, ihrer Politik in den Bereichen Migration, sexuelle Minderheiten und Sanktionen zu folgen. „Die Brüsseler Bürokraten versuchen mit allen Mitteln, dem ungarischen Volk ihren Willen aufzuzwingen, und das in einer Zeit, in der es in diesen Fragen eine nationale Einigkeit gibt, die weit über die Parteizugehörigkeit hinausgeht“, so Deitsch.
Die Europaabgeordnete ist der Meinung, dass „wir über nichts Geringeres als häusliche Gewalt innerhalb der politischen Gemeinschaft, der Europäischen Union, sprechen, und häusliche Gewalt ist eines der schwersten Verbrechen.“ „Wir haben genug von dieser arroganten, herablassenden, überheblichen, kolonialen westlichen Überlegenheit, die aus der Geschichte gut bekannt ist“, sagte Deitsch und fügte hinzu, dass „die Zusammenarbeit innerhalb der EU in vielerlei Hinsicht neu überdacht werden muss.“
Er betonte, dass die EU-Kommission nicht nur Druck auf Ungarn ausübe, indem sie Gelder aus europäischen Fonds zurückhält, sondern auch auf Polen, von dem innenpolitische Reformen gefordert werden. Deitsch ist auch der Ansicht, dass Rumänien und Bulgarien von einigen Ländern mit Duldung der EU-Kommission ungerecht behandelt wurden, indem ihnen der Beitritt zum Schengen-Raum verweigert wurde.
Der Vorschlag des Europaabgeordneten Guy Verhofstadt, ehemaliger belgischer Ministerpräsident, die ungarische Regierung mit Geld zu bestrafen, wenn sie von ihrem Vetorecht in der EU Gebrauch macht, zeige die wahre Haltung der europäischen linksliberalen politischen Elite gegenüber Ungarn. Verhofstadt „hasst Ungarn wirklich“, so Deitsch. Er warnte, dass solche Aktionen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments „die gutnachbarschaftliche Zusammenarbeit“ in Europa untergraben und „langfristige Folgen“ für die Europäische Union haben könnten.
https://www.anti-spiegel.ru/2022/eu-vs-ungarn-ungarns-reaktion-auf-den-druck-aus-bruessel/