Es braut sich ein Sturm zusammen …
Mehr… am Horizont der europäischen Geldpolitik. In Karlsruhe ist, so kann man es wohl sagen, am 5. Mai 2020 eine Grundsatzentscheidung getroffen worden. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstagvormittag erstmals gegen die von Mario Draghi begonnenen und von seiner Nachfolgerin Christine Lagarde fortgeführten Krisenmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) interveniert und die mittlerweile leider billionenschweren Käufe von Staatsanleihen deutlich beanstandet.
Im Zentrum des Rechtsstreits steht das sogenannte „Public Sector Purchase Program“ (PSPP), mit welchem die EZB seit 2015 Staatsanleihen von Euroländern im Wert von über 2 Billionen Euro aufgekauft hat. Dagegen wurden mehrere Verfassungsbeschwerden erhoben, so auch vom langjährigen CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, der auch in seiner Zeit im Deutschen Bundestag engagiert gegen das Schleifen der Nichtbeistandklausel (no-bailout) und die Schuldenvergemeinschaftung in der Eurozone eintrat. Diesen Verfassungsbeschwerden gaben die Karlsruher Richter nun mit 7:1 Stimmen größtenteils statt. […]
Zur Person Klaus-Peter Willisch: Hier klicken
__________________
Gar nicht prickelnd empfindet der Staatsrechtler Prof. Franz Mayer das Urteil des BVG:
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank hat der Europäische Gerichtshof auf seine alleinige Zuständigkeit in solchen Fragen gepocht. Konkret zum Urteil aus Karlsruhe äußerte sich der Gerichtshof in Luxemburg allerdings nicht. Es hieß lediglich in einer Pressemitteilung, um die einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu wahren, ist nur der EuGH befugt, festzustellen, dass die Handlung eines Unionsorgans gegen Unionsrecht verstößt.
Franz Mayer, Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld, kritisierte das Bundesverfassungsgericht scharf. Indem das oberste Deutsche Gericht dem EuGH Willkür vorwerfe oder behaupte, die Urteile des Europäischen Gerichtshofes seien nicht nachvollziehbar und methodisch nicht mehr vertretbar, überschreite das Bundesverfassungsgericht damit eine Grenze, so Mayer im Deutschlandfunk.
__________________
EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts – Ein Überblick
__________________
Das Bundesverfassungsgericht hat das Anleihekaufprogramm der EZB namens PSPP für teilweise verfassungswidrig befunden. Das aktuelle Corona-Programm der Notenbank bleibt davon aber unberührt.
Es lasse sich nicht leugnen, dass es eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Sache gegeben habe. Dass das Bundesverfassungsgericht dabei selbstverständlich annehme, dass es alleine wisse, wie das gehe, sei „irritierend“, so der Jurist.
_______________
Das komplette Interview des Dlf vom 9.5.2020 mit Prof. Mayer hören:
_______________
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland?
Der EuGH habe sich nun in einer dürren Pressemitteilung dazu geäußert. Dies sei ein „absolut unerhörter Fall“, dieses Gericht habe sich bisher noch nie unmittelbar auf eine mitgliedsstaatliche Gerichtsentscheidung im Wege einer Pressemitteilung geäußert. Es habe darauf hingewiesen, dass EuGH-Urteile für die Mitgliedsstaaten bindend seien.
Diese Pressemeldung verweise auf die geltende Rechtslage und sei insofern auch eine angemessene Antwort. Mayer hält in diesem Zusammenhang ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland für folgerichtig – ansonsten wäre das Verhalten des BVG ein Signal, dass „eine Art richterliches Faustrecht“ gelte.
__________
Zum einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren: Hier klicken
__________