Im deutschen Stromnetz …
… ist es im Juni mehrfach zu chaotischen Zuständen gekommen. Die kritische Lage konnte nur mit Hilfe aus den Nachbarländern bereinigt werden. Auf F.A.Z.-Anfrage gaben die vier Netzbetreiber am Montag zu: „Die Lage war sehr angespannt und konnte nur mit Unterstützung der europäischen Partner gemeistert werden.“ An der Börse schossen die Kurzfristpreise für Strom in die Höhe. Als eine Konsequenz aus den Turbulenzen, die das gesamte europäische Stromnetz in Mitleidenschaft zogen, verdoppelten die Netzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und Transnet-BW die vorgehaltene Minutenreserve von Freitag auf Samstag auf 2000 Megawatt. Es blieb unklar, wie weit das Land von einem Blackout entfernt war.
An drei Tagen im Juni, zuletzt am Dienstag vergangener Woche, hätten die deutschen Netzunternehmen eine starke „Unterspeisung“ des deutschen Systems festgestellt. Es war weniger Strom da als benötigt. Das Defizit habe „jeweils zu einem Absinken der Netzfrequenz im gesamten europäischen Verbundnetz geführt“. Die Folge: „Im deutschen Elektrizitätsversorgungssystem sind in den vergangenen Tagen signifikante Systembilanzabweichungen aufgetreten, welche die Systemsicherheit gefährden.“
Die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde bewertete gegenüber der F.A.Z. die Erhöhung der Regelenergiemenge durch die Netzbetreiber als „eine sinnvolle Maßnahme“. Laut den Netzbetreibern war der Bedarf zuvor teils doppelt so hoch, wie die zuvor bestellte Menge. Regelenergie ist der Strom, der gebraucht wird, um die Netzfrequenz stabil zu halten. Frenquenzschwankungen können Uhren aus dem Takt bringen, aber auch dazu führen, dass sich ganze Fabriken aus dem Arbeitsprozess abschalten.
„Nun drohen den Stromkunden exorbitante Mehrkosten“
Die ungewöhnlichen Unterdeckungen am deutschen Strommarkt hatten nicht nur Hilfsaktionen der Anrainerstaaten zur Folge, sondern auch erhebliche Kursausschläge an der Börse. Dienstagabend schossen die Preise um gut das Zwanzigfache auf bis zu 1000 Euro die Megawattstunde. Der höchste bezahlte Betrag für Regelenergie belief sich am Samstag sogar auf 37.856 Euro, nachdem er am Samstag der Vorwoche weniger als 10 Euro gekostet hatte. Am Sonntag brachte eine Megawattstunde Regelenergie dann bis zu 3900 Euro, am Montag 1000 Euro. Für Dienstag wurden sie am Montag zu Preisen um die 400 Euro gebucht.
„Nun drohen den Stromkunden exorbitante Mehrkosten“, warnte die Netzexpertin der Grünen, Ingrid Nestle. Denn die Kosten für die Netzsystemsicherheit werden auf die Stromkunden umgelegt. Die Bundesregierung müsse die Fehlanreize in der Ausschreibungspraxis unverzüglich abstellen, verlangte sie. „Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass die Erneuerbaren Energien Schuld an den Verzerrungen sind. Hier handelt es sich eindeutig um mangelhafte Regulierung und politische Fehlsteuerung.“
Netzbetreiber und Netzagentur sind in der Fehleranalyse und Schuldzuweisungen weniger schnell. Die Ursache für die Unterdeckung sei „noch nicht eindeutig geklärt“. Die sorgfältige Analyse bedürfe weiterer Daten, die noch nicht vorlägen.
Die Netzbetreiber wollen nun auswerten, ob die „Bilanzkreise“ ausgeglichen waren. Das dauere bis zu acht Wochen. Im Markt wird darüber spekuliert, dass Händler Positionen zum Teil aus Gewinnstreben bewusst nicht geschlossen hätten und es dann in der Kumulation der Fälle zu der krisenhaften Zuspitzung gekommen sei. Die Netzbetreiber erklärten: „Ob es Konsequenzen für Marktteilnehmer oder die Methodik der Bilanzkreisabrechnung geben wird, wäre zu diesem Zeitpunkt auch eine Spekulation, an der wir uns nicht beteiligen wollen.“ Doch sie sind auf der Hut: Die neuen Werte für Regelenergie würden gegebenenfalls monatlich überprüft und angepasst.
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Der Dlf berichtet am 3.7.2019:
Danach wird ein Blackoutspezialist interviewt:
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