Strom & Energie & Kontrafunk & Toufars Technikcheck aktuell: Wärmepumpe Teil 1 & 2

Sind Wärmepumpen gut für die Umwelt?

Es gibt Fälle, da ist die Lage relativ eindeutig. In Gegenden, wo man relativ viel heizt und dies ohnehin elektrisch tun würde, weil Strom preisgünstig und CO₂-arm zur Verfügung steht, da ist der Umstieg auf die Wärmepumpe eine Selbstverständlichkeit – man bleibt bei der gleichen Energiequelle, braucht aber nur einen Bruchteil davon und erreicht damit eine Einsparung, die die höheren Investitionskosten rechtfertigt, spätestens wenn die Neu- oder Ersatzinvestition ohnehin nötig wird. …

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… Typisch ist das für Länder in hohen und mittleren Breiten, die mit viel Platz und natürlichen Ressourcen für relativ wenige Einwohner gesegnet sind. Beispiele sind Norwegen (62 von 100 Haushalten haben Wärmepumpe) und Dänemark (mit 30 Prozent). Noch leichter fällt die Entscheidung, wenn in der dunklen Polarnacht Atomkraftwerke zusätzlich für stabile, preisgünstige und CO₂-arme Stromversorgung sorgen, wie in Schweden (39 Prozent) und Finnland (70 Prozent). Atomkraft macht Wärmepumpen auch dort sinnvoll, wo Strom selbst in dichtbesiedelten Ländern ohne CO₂-Emission produziert werden kann, wie in Frankreich (mit 15 Wärmepumpen-Haushalten von 100). Damit haben wir die Plätze 1 bis 4 und 6 unter den Einsatzländern benannt.

Auf Platz Nummer 5 liegt Italien mit 20 Wärmepumpen je 100 Haushalten. Hier ist keine der oben genannten Bedingungen erfüllt, aber es wird auch nur gelegentlich und insgesamt relativ wenig geheizt. Deshalb lohnt sich der Aufbau großräumiger Infrastruktur wie Gas- oder Fernwärmenetze definitiv nicht, und bei relativ geringen absoluten Verbrauchskosten ist der Komfort einer elektrischen Heizung gegenüber einem Kamin oder einer Öl- und Flüssiggasheizung sicher ein Vorteil. Für unser deutsches Energiewendewunderland wären solche idealen Bedingungen ein milder Winter mit einem Luftreservoir von 0 °C und ein gut gedämmtes Haus mit Fußbodenheizung, das mit 35 °C Vorlauftemperatur auskommt. 

Island verwendet übrigens kaum Wärmepumpen, denn Island heizt zu über 90 Prozent mit Erdwärme. Mancher Träumer sieht das als Modell für Deutschland, aber das ist surreal. In Island sitzen knapp 400.000 Menschen, also die Einwohnerschaft von Bochum oder Chemnitz, auf der Fläche der fünf ostdeutschen Bundesländer, und zwar mitten auf dem mittelatlantischen Rücken, mit direktem Draht zum glühenden Erdmantel. In Deutschland muss Erdwärme aus geologischen, geografischen und demografischen Gründen eine Marginalie bleiben.

Konzentrieren wir uns also auf die CO₂-Bilanz der Wärmepumpe, denn den durchschnittlichen Haushaltsstrompreis für 2024 oder später können auch die Weisesten von uns nicht vorhersagen, und so lässt sich über die Ökonomie letztlich nur spekulieren. 

Wärmepumpen heizen mit Umgebungswärme, das heißt sie kühlen die Umgebungsluft, den Boden oder das Grundwasser ab und übertragen die entzogene Wärme und die Wärme, die durch den Pumpaufwand selbst entsteht, auf den Wärmeträger unseres Heizungssystems oder direkt auf unsere Raumluft. Das allerdings geht nicht von allein, das würde den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verletzen. Der sagt sinngemäß: „Die Unordnung der Welt nimmt niemals ab, wenn sich irgendwas tut, nimmt sie unter dem Strich zu.“ Wasser fließt immer bergab und mischt sich dann mit anderen Wassern. Es kann sich nicht spontan in ein oberes und ein unteres Wasserreservoir aufteilen. Ein Ball fällt auf den Boden und erwärmt sich dabei ein wenig – nie würde er sich spontan abkühlen und mit der gewonnenen Energie von allein wieder hochspringen.

Die beiden Hauptsätze der Thermodynamik erscheinen uns als eherne Grundpfeiler unseres Wissenschaftsgebäudes. Es sind aber tatsächlich nur qualifizierte Mutmaßungen, entstanden aus alltäglichen Beobachtungen, sozusagen wissenschaftliches Gewohnheitsrecht. Sie wurden immer wieder anekdotisch experimentell betätigt und niemals widerlegt, obwohl das im Zuge der Jagd nach dem Perpetuum mobile erster und zweiter Art oft genug versucht wurde. Sie erscheinen plausibel, es gelang bisher nicht, sie zu falsifizieren, aber ebenso gibt es keinen Weg, sie eindeutig zu verifizieren oder aus anderen, bereits verifizierten Grundlagen des Wissenschaftsgebäudes zwingend herzuleiten. 

Immerhin gibt es außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks praktisch niemanden mehr, der diese Hauptsätze in Frage stellt. Man kann sie – zumindest in bestimmten Bereichen – sogar quantifizieren und dafür heranziehen, die maximale mögliche Effizienz einer Wärmekraftmaschine – und nichts anderes ist eine Wärmepumpe – zu berechnen. Die wird ausgedrückt als COP, eine Arbeitszahl AZ, das Verhältnis der für die Heizung bereitgestellten Wärme in Kilowattstunden zur dafür aufgewandten elektrischen (bzw. mechanischen) Arbeit, ebenfalls in Kilowattstunden.

Die AZ hängt recht simpel von den Temperaturen der Wärmequelle (das Außenreservoir) und des Wärmeziels, zum Beispiel die Vorlauftemperatur einer Fußbodenheizung, ab. Nehmen wir also unser Idealbeispiel von vorhin: ein milder Winter mit einem Luftreservoir von 0 °C und ein gut gedämmtes Haus mit Fußbodenheizung, das mit 35 °C Vorlauftemperatur auskommt. Das ergibt eine AZ von 8,8 Kilowattstunden Wärme je Kilowattstunde Strom – allerdings unter der Voraussetzung einer perfekten Maschine, die wir noch nicht haben. Handelsübliche Wärmepumpen schaffen etwa die Hälfte des theoretischen Wertes, also um die 4,4. Der Anreiz, in eine Wärmepumpe anstelle der billigeren Infrarotheizung oder Heizlüfter zu investieren, ist dadurch natürlich auch geringer, aber hier greift der Staat mit Subventionen hilfreich ein.

Ende Teil 1

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Anfang Teil 2

[Oben] haben wir gelernt, …

… dass bei der Berechnung der Effizienz einer Wärmekraftmaschine der Wert der Arbeitszahl entscheidend ist. Diese variiert je nach vorhandener Außen- und gewünschter Innentemperatur und beträgt bei handelsüblichen Wärmepumpen im Durchschnitt 4,4. Eine knackige „Russenpeitsche“ mit −25 °C des Nachts drückt die AZ in der Praxis auf 2,5. Muss man wegen mangelnder Dämmung und/oder zu kleiner Heizkörper die Vorlauftemperatur auf 75 statt 35 °C anheben, dann sinkt die AZ weiter auf 1,75. Es gibt keine echte physikalische Grenze für den Einsatz einer Wärmepumpe; sie kann Wärme noch aus −250 °C hinaufpumpen und gleichwohl eine Dampfheizung mit 150 °C betreiben, nur sinkt dann die Effizienz auf nahe 1, das heißt, die meiste Heizenergie kommt unter diesen Umständen aus der Steckdose. …

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… Wichtig ist allerdings, dass die Wärmepumpe für die Aufgabe ausreichend dimensioniert wird. Eine Kompressionswärmepumpe, die weitaus häufigste Ausführung, braucht ein Wärmeübertragungsmedium, das sich bei Quelltemperatur und niedrigem Druck verdampfen und bei Zieltemperatur durch hohen Druck kondensieren lässt, und einen Kompressor, der diese Arbeit auch schafft. Allzu großzügige Auslegung der Wärmepumpe geht jedoch schnell ins Geld, das heißt, sie treibt die Investitionskosten in die Höhe. Schließlich verdoppelt eine Verdoppelung der auslegungsgemäßen Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außentemperaturen die benötigte Wärmeleistung, während die Effizienz der Wärmepumpe deutlich sinkt, so dass die Leistung des Kompressors mehr als verdreifacht werden muss. In der Praxis hilft man sich damit, dass man nur bis zu häufig auftretenden Frostgraden auslegt und für die seltenen Härtefälle noch eine konventionelle elektrische Widerstandsheizung einbaut. Die ist billig, hier kann – und sollte – man also klotzen. An solchen Kältetagen ist die Arbeitszahl dann natürlich nur 1 und das Heizen mit Strom entsprechend teurer, aber solange die Zahl solcher Tage gering bleibt, ist das verschmerzbar. Wie sieht es aber nun mit der CO₂-Bilanz aus? Dazu schauen wir uns zunächst das Referenzsystem an. Eine moderne Erdgas-Brennwertheizung setzt den Energiegehalt des Gases nahezu hundertprozentig in Heizwärme um, der geringfügige Rest geht über den Schornstein in die Umgebung. Aus 1 Kilogramm Methan entstehen in der Verbrennung mit 4 Kilogramm Luftsauerstoff genau 2750 Gramm CO₂ und 2250 Gramm H₂O. Der Brennwert dieses Methans beträgt 15,42 Kilowattstunden pro Kilogramm. Daraus ergibt sich rein rechnerisch eine spezifische CO₂-Emission von 178 Gramm pro Kilowattstunde. Wir müssen aber damit rechnen, dass sich ein wenig CO₂ schon im Gas befindet und der Wirkungsgrad eben doch nicht ganz 100 Prozent entspricht, so dass wir uns auf 200 Gramm pro Kilowattstunde als realistischen Kompromiss einigen. 

Bei den Wärmepumpen stellt sich zuerst die Frage der Effizienz. Die schwankt, wie wir oben gesehen haben, mit den Temperaturen über den Jahreslauf und mit dem energetischen Zustand des zu beheizenden Gebäudes ganz erheblich. Am besten ist es hier, empirisch Daten zusammeln. Genau das hat die Helmholtz-Gesellschaft getan und eine mittlere Jahresarbeitszahl von 3,1 für einen breiten Bestand an Wohngebäuden über einen mehrjährigen Zeitraum ermittelt. In Einzelfällen wird der Wert sicher übertroffen, aber im Allgemeinen beschreibt er gut, was wir bekommen, wenn Wärmepumpen in der Breite in den Wohnungsmarkt gedrückt werden. Das bedeutet, dass wir für eine Kilowattstunde Wärme nur eine Drittelkilowattstunde Energie benötigen. Nun kommen wir zur interessantesten aller Glaubensfragen: Welche spezifische CO₂-Emission pro Kilowattstunde ist für den deutschen Strom zugrunde zu legen? Bei dem aktuellen Strommix aus Erneuerbaren, Kohle und Erdgas dürfte der CO₂-Ausstoß bei 310 Gramm liegen. Dazu tragen allerdings auch die Sommermonate bei, in denen ja nicht geheizt wird. Schaut man nur auf die Winterquartale, landet man bei etwa 420 Gramm je Kilowattstunde. In beiden Fällen läge man mit 100 Gramm beziehungsweise 135 Gramm CO₂ je Kilowattstunde Wärme deutlich besser als die Gasheizung. Das Problem ist nur: So kann man nicht rechnen. Es kommt nicht bloß auf den aktuellen Strommix an, sondern auf die künftige Entwicklung. Der weitere Ausbau der Erneuerbaren läuft per Gesetz mit maximaler Geschwindigkeit bis zum Ende des Jahres 2038, der Pfad des Mixes ist also gesetzt. Jeder zusätzliche Verbraucher, der zwischen heute und 2038 ans Netz geht, kann daher nur von a) zusätzlichen Produzenten oder b) von Produzenten, deren Abschaltung unplanmäßig verschoben wird, bedient werden. Beides kann bei Lage der Dinge nur Braunkohle sein. 

Braunkohle schlägt mit 1150 Gramm je Kilowattstunde Strom zu Buche, das ergibt eine Emission von 370 Gramm CO₂ je Kilowattstunde Wärme, also fast doppelt so viel wie bei Erdgas. Eine Erdgasheizung im normalen Häuschen mit 20.000 Kilowattstunden Jahreswärmebedarf verursacht 4 Tonnen CO₂-Emissionen im Jahr, die entsprechende Wärmepumpenheizung, Stand heute, 7,4 Tonnen CO₂. Die Situation bessert sich erst, wenn der von den Braunkohlekraftwerken im Winter produzierte Strom nur noch für weniger als die Hälfte des Verbrauches der Wärmepumpen reicht. Die entscheidende Schlussfolgerung ist: Wärmepumpen können ein guter Beitrag zur effizienten und CO₂-armen Versorgung mit Heizenergie sein – aber erst, wenn die Stromgewinnung weitgehend umgestellt ist. Bis dahin sollte man die begrenzten Ressourcen, die für die Umgestaltung der Energiewirtschaft verfügbar sind, auf andere Projekte mit einem positiven Hebel konzentrieren. 

Ende Teil 2

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Dr. Helge Toufar bei MEDIAGNOSE

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