Frank Walter Steinmeier sagte vor ein paar Tagen (zu diesem Anlass):
„Unser Grundgesetz verträgt harte und härteste Auseinandersetzungen. Verfassungsfeinde jedoch kann eine Verfassung nicht integrieren.“
Ein bemerkenswerter Satz, den Menschen, die nicht auf der Seite der selbsternannten Vertreter des Guten stehen, genauestens zur Kenntnis nehmen sollten, weil es eigentlich eine Drohung ist.
Ich selbst sehe mich natürlich nicht als Verfassungsfeind. Ich nutze lediglich mein Recht auf Meinungsäußerung und mein Wahlrecht und halte mich darüber hinaus an alle demokratischen Spielregeln, aber ich verstehe, dass Leute wie Steinmeier mich unabhängig davon als Verfassungsfeind bewerten.
Dazu ein Ausschnitt aus einem Artikel von n-tv, in dem Saskia Esken für ihre Forderung nach einem AfD-Verbot kritisiert wird.
„Die AfD will eine andere Republik, ein anderes Deutschland, das ist offenkundig. Das Deutschland der AfD stünde ohne EU und NATO da, hätte alle Klimaschutz-Abkommen gekündigt und würde den Wehrdienst wieder einführen, wozu auch immer. Viele der hier lebenden Ausländer würden besser das Weite suchen und Zuwanderung gäbe es kaum noch, weil biodeutsche Frauen genug Kinder gebären, um den deutschen Firmen genug Fachkräfte zuzuliefern. Das kann man als Politikerin durchaus verfassungsfeindlich nennen oder rechtsextrem.“
Interessant, oder? Die Forderungen nach einem EU- bzw. Natoaustritt, das Aufkündigen des Klimaschutz-Abkommens, hierzulande das Bekommen von Kindern zu unterstützen und die Wiedereinführung der Wehrpflicht zu fordern, qualifizieren einen Menschen mittlerweile als verfassungsfeindlich oder rechtsextrem.
Nun sind das meinetwegen alles Positionen, die man kritisch sehen und diskutieren kann, ich lehne bspw. die Wiedereinführung der Wehrpflicht strikt ab. Diese Gesellschaft hat mich vor zwei Jahren ausgeschlossen und bis heute nicht bei mir entschuldigt. Für so eine Gesellschaft bin ich nicht bereit, einen Zwangsdienst zu leisten, an dessen Ende ich darauf vorbereitet bin, als Kanonenfutter in einem politischen Schwanzvergleich zu sterben, während die eigentlichen, vor Inkompetenz strotzenden Verantwortlichen Sekt schlürfen.
Ich verstehe aber nicht, was daran verfassungsfeindlich sein soll, wenn man das anders sieht. War Deutschland bis 2011 verfassungsfeindlich, weil die Wehrpflicht bestand, wobei sie auch jetzt nur ausgesetzt und nicht abgeschafft ist? Wo im Grundgesetz ist eine Zwangsmitgliedschaft in der EU festgelegt, die auch erst seit 1993 existiert?
Wenn diese Forderungen grundsätzlich als verfassungsfeindlich bezeichnet werden, bedeutet es, dass es – wenn es nach Steinmeier und Co. geht – keinen demokratischen Weg mehr gibt, diese Dinge zu verändern, weil schon das Aufstellen der Forderung kriminell ist. Wie kann das demokratisch sein?
Selbst wenn jedes Apokalypse-Szenario der Grünen real wäre, müsste es in einer Demokratie, die ihren Namen verdient, dennoch für die Mehrheit eine Option geben, bspw. das Pariser Klimaabkommen zu kündigen, egal ob Klimaforscher das für clever halten oder nicht.
Auch sollte man sich fragen, was dann aus dieser Haltung folgt.
Ich spreche es mal klar aus: In meinen Augen ist die EU eine korrupte Organisation, die restlos – auf demokratischen Wege, also per Wahl – abgeschafft gehört und durch eine Art Wirtschaftsgemeinschaft ersetzt werden sollte.
Und jetzt, Herr Steinmeier? Macht das Aussprechen meiner Gedanken einen Verfassungsfeind aus mir, der nicht in die Verfassung integriert werden kann?
Wenn ja, was heißt das? Gilt für mich nicht mehr, dass meine Würde als Mensch unantastbar ist? Gelten die Rechte des Grundgesetzes jetzt nicht mehr für mich? Sprechen sie es aus, Herr Steinmeier. Ich möchte gerne wissen, woran ich in dieser Gesellschaft noch bin und worauf ich mich in der Zukunft einzustellen habe, auch wenn ich es mir angesichts ihrer Äußerungen und der historischen Verläufe sozialistischer Regime denken kann.
Es ist zudem höchst grotesk, wie sich die vermeintliche Verteidigung des Grundgesetzes entwickelt hat. Das Grundgesetz regelt in erster Linie mal die Beziehung zwischen Staat und Bürger. Das Grundgesetz ist dafür da, mich als Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen. Das Recht auf Meinungsäußerung ist eigentlich eine Ansage an den Staat, der diese zu achten hat. Das Grundgesetz, das die Politik im Zaun halten soll, wird aber aktuell vom Staat als Motivation genutzt, um übergriffig gegen den Bürger vorgehen zu können, zum vermeintlichen Schutz des Grundgesetzes. Hier findet eine vollkommene Verdrehung der Funktion des Grundgesetzes statt, die niemanden zu interessieren scheint.