Klima & Irrtümer & Lehren aktuell: Stefan Aust bringt – wieder mal – einen journalistischen Meilenstein …

Wie sehr man mit Klima-Vorhersagen daneben liegen kann, hat ausgerechnet der renommierte Club of Rome bewiesen. Keine seiner Prognosen trat ein, einige erweisen sich als grotesk falsch. Das ist so interessant, weil sich die „Letzte Generation“ noch heute auf das Gremium beruft. …

Der Club of Rome war die „Letzte Generation“ der 1970er-Jahre. Keine seiner Prognosen ist eingetreten, doch das hat seinem Ansehen nicht geschadet. Insbesondere China entwickelt sich ganz anders als vorhergesagt. „Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu“, erklärt die grüne Außenministerin Annalena Baerbock. Die selbst ernannte „Letzte Generation“ sieht den „Kipppunkt“ bereits in drei Jahren erreicht. Das sage „die Wissenschaft“.

Zu den Autoritäten, auf die man sich beruft, gehört der Club of Rome. 1972 veröffentlichte der seinen ersten Bericht unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“. Diese Warnungen seien jahrzehntelang ignoriert worden, hört man derzeit oft. Dabei sei die mit dem Klimawandel drohende Katastrophe schon damals vorausgesagt worden. Wirklich?

Heute heißt es, wir nutzten zu viel Kohle und Gas. Doch damals warnte der Club of Rome vor dem Gegenteil: Die Vorräte an solchen Rohstoffen seien bald aufgebraucht, und die Menschen müssten dann frieren und hungern. „Wenn der Gebrauch natürlicher Brennstoffe eines Tages durch die Freisetzung von genügend Kernenergie ersetzt werden sollte, hört auch die Freisetzung von Kohlendioxid auf, vielleicht, wie man hofft, ehe es messbare ökologische und klimatologische Wirkungen hinterlassen hat.“

Als mögliches Problem sah der Club of Rome damals nicht das CO₂, sondern dass „freigesetzte Wärme im Endeffekt die Atmosphäre direkt oder indirekt erwärmt, zum Beispiel über das bei Kühlvorgängen erwärmte Wasser“. Aber das war in den „Grenzen des Wachstums“ nur eine Randnotiz.

Was damals „berechnet“ wurde: 1981 werde das letzte Gold gefördert und 1985 das Quecksilber aufgebraucht. 1992 fließe dann der letzte Tropfen Erdöl. 1994 werde das Gas ausgehen. Kupfer gebe es nur noch bis 1993, Aluminium immerhin bis 2003. Und diese wissenschaftlich fundierte Prophezeiung kam nicht von jungen Leuten, die sich auf der Straße festklebten, sondern aus dem renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Die Stiftung Volkswagenwerk förderte die Studie. Zu den Gründern des Club of Rome gehörten der italienische Industrielle Aurelio Peccei, einst Topmanager von Fiat und Olivetti, und der Schotte Alexander King, Direktor bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Ein Blick in die Vergangenheit hätte Denkfehler vermieden

Wie konnten sich solche Leute derart irren? Weil sie mathematisch bisherige Entwicklungen hochrechneten, aber weder zukünftige technische Innovationen noch weitere Entdeckungen von natürlichen Ressourcen vorhersahen.

Dabei hätten sie durch einen kurzen Blick in die Vergangenheit feststellen können, dass etwa die Steinzeit nicht aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen ist. Sie lebten in einer Zeit ohne Internet und Smartphones, dennoch bestimmten die Weissagungen der damaligen Zukunftsforscher die Medien. Selbst das Wort „Windenergie“, heute aus grüner Sicht wichtigste Lösung der Energieprobleme, kommt in dem Text von 1972 nicht vor, dabei kannte man Windmühlen schon seit einigen Jahrhunderten.

Noch weniger in mathematische Modelle pressen lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen. In der ersten Studie des Club of Rome hieß das Horrorszenario nicht „Klimakatastrophe“, sondern „Bevölkerungsexplosion“. Die Zahl der Menschen auf der Erde werde exponentiell wachsen, sich also in immer kürzeren Abständen immer wieder verdoppeln – eine allgemein den Milchmädchen unterstellte Rechnung, die dann, bezogen auf Kranken- und Totenzahlen, in den Corona-Zeiten wieder auftauchte. Diese mehrfach verdoppelte Zahl von Menschen werde man dann nicht mehr ernähren können, denn sie lebten in armen Ländern ohne Wirtschaftswachstum.

„Das Wachstum der Weltindustrie findet in erster Linie in den bereits hoch industrialisierten Ländern statt, deren Bevölkerung aber relativ langsam anwächst.“ Als Beispiel für Länder mit schnellem Wirtschaftswachstum nannte die Studie von 1972 ausgerechnet die UdSSR mit 5,8 Prozent und Japan mit 9,9 Prozent.

Die Katastrophe erwartete man für China mit einer schnell zunehmenden Bevölkerung und einem Wachstum von nur 0,3 Prozent. Die Mutter aller Fehler im Bericht des Club of Rome war seine Prämisse: „Die gegenwärtige Art des Wirtschaftswachstums reißt die klaffende Lücke zwischen den reichen und den armen Ländern unaufhaltsam weiter auf.“

Die UdSSR existiert nicht mehr, und ihr Nachfolger Russland lebt nach wie vor vom Export fossiler Brennstoffe – und Japan wächst nur noch um 1,7 Prozent. China hingegen erreichte in den Jahren seither auch schon mal 15,2 Prozent im Jahr.

Die Volksrepublik ist das beste Beispiel dafür, dass alles anders kam als vorausgesagt. 2005 überholte sie mit ihrem Wirtschaftsvolumen Frankreich. In den Jahren 2006, 2007 und 2009 zog sie an Großbritannien, Deutschland und Japan vorbei und wurde damit zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Erde. Geht es nach dem kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt, liegt China seit 2014 sogar vor den USA auf Platz eins.

Die Untergangspropheten von damals wie heute pflegen eine eurozentristische Sicht. Doch die Gewichte auf der Welt verschieben sich. China ist dafür das größte Beispiel, aber nicht das einzige. Auch Indiens Bruttoinlandsprodukt hat das von Frankreich bereits übertroffen und nähert sich jetzt dem von Großbritannien an, wuchs 2021 noch einmal um 8,7 Prozent.

Bei allen fortbestehenden wie neuen Problemen: Das Leben in diesen Ländern hat sich nicht verschlechtert, sondern entscheidend verbessert. „Mehr als 850 Millionen Menschen wurden aus der Armut befreit“, stellt die Weltbank etwa über China fest.

Je mehr Wohlstand es gibt, desto weniger Kinder werden geboren

Damit erledigte sich auch das Thema „Bevölkerungsexplosion“. Wie überall auf der Welt, so gilt auch in China: Wenn der Wohlstand wächst, wollen die Leute nicht mehr so viele Kinder. Auch verbessern sich die sozialen Sicherungssysteme, Nachwuchs wird also nicht mehr als alleinige private Altersversorgung benötigt. Xi Jinping schaffte die Ein-Kind-Politik ab.

Jetzt dürfen chinesische Familien mehrere Kinder bekommen, aber die meisten wollen es nicht. 2022 schrumpfte Chinas Bevölkerung um rund 850.000 Menschen. Das ist ein Problem, denn auch China überaltert. Und es ist das Gegenteil von dem, was der Club of Rome prognostizierte. Der warnte vor einer Weltbevölkerung von 14 Milliarden im Jahr 2032 – heute, ein knappes Jahrzehnt davor, sind es acht Milliarden.

Die in den „Grenzen des Wachstums“ beschworene große Hungersnot ist ausgeblieben. Laut Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen ist die Zahl der Hungernden 1990 bis 2015 sogar um 216 Millionen zurückgegangen. Mittlerweile ist sie wieder gestiegen, was aber nicht an Überbevölkerung liegt, sondern andere Ursachen hat: Die Corona-Lockdowns führten weltweit zu wirtschaftlichen Zusammenbrüchen, etwa durch die Unterbrechung des Tourismus – ein Problem, das die Klimaaktivisten mit ihrer Polemik gegen Fliegen und Schiffsfahrten noch verschärfen wollen.

Jetzt, so heißt es immer wieder, gefährde der Ukraine-Krieg die weltweite Versorgung mit Weizen. Sicherlich ein Problem – denn insgesamt liegt die Ukraine in ihrer jährlichen Weizenernte (26.098.830 Tonnen) weltweit auf Platz sieben, hinter China, Indien, Russland, USA, Kanada und Frankreich einen Platz vor Pakistan und zwei Plätze vor Deutschland (24.463.800 Tonnen), das einen Großteil seiner Ackerflächen klimaschonend für den Anbau von Mais nutzt, um Biogas zur Stromerzeugung herzustellen.

Natürlich sprach der Club of Rome 1972 auch schon von einer Umweltkatastrophe, meinte aber nicht hohe Temperaturen oder steigende Meeresspiegel, sondern vergiftete Luft und verschmutztes Wasser. Doch entgegen allem Anschein beim täglichen Medienkonsum: Diesbezüglich hat sich die Lage sehr stark gebessert.

Das muss sogar Nordrhein-Westfalens neuer grüner Umweltminister Oliver Krischer auf der Website seines Ministeriums zugeben: „Durch eine ambitionierte Umweltpolitik konnte in den letzten Jahrzehnten die Belastung durch Blei und Cadmium für die Bevölkerung deutlich reduziert werden.

In Nordrhein-Westfalen gelangte so im Jahr 2020 nur noch rund ein Sechstel des im Basisjahr 1986 mit dem Staubniederschlag eingetragenen Bleis und Cadmiums in die Umwelt.“ Wer an Flüssen wie Rhein, Ruhr oder Saale lebt, der weiß: Auch die sind heute um ein Vielfaches sauberer als vor ein paar Jahrzehnten.

„Ja, aber“, entgegnet der Eurozentriker mit gepflegtem Halbwissen, denn er glaubt: Dafür sei es in Ländern wie China schlimmer geworden aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung dort. Als Autoren einer kritischen Biografie über den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping stehen wir nicht im Verdacht, ihn bejubeln zu wollen.

Unser Buch wurde sogar Opfer von chinesischen Zensurmaßnahmen. Doch es gehört auch zur Wahrheit, die wir über Xi recherchiert haben: Er hat erkannt, dass nicht nur die ausufernde Korruption eine Gefahr für die Kommunistische Partei darstellt, sondern auch die Wut der Bevölkerung über die Umweltzerstörung. Und hat deren Bekämpfung deshalb zur Chefsache gemacht.

Das fing schon an, als der damalige Vizepräsident in der Parteiführung für die Olympischen Sommerspiele 2008 zuständig war. Xi verbannte 2000 Fabriken aus der Stadt. Kohle- wurden durch Gasheizungen ersetzt. Um den Autoverkehr einzuschränken, führte er Fahrverbote ein für jeden zweiten Tag, je nachdem, ob das Nummernschild mit einer geraden oder einer ungeraden Nummer endete.

Abhängigkeit von China bleibt das größte Problem

Gleichzeitig vervielfachte er den öffentlichen Nahverkehr: Vor den Spielen gab es in Peking nur zwei U-Bahn-Linien. Heute erstreckt sich das Netz über 25 Linien, 470 Stationen und 797 Kilometer. Noch größer ist Shanghais U-Bahn, mit 802 Kilometern das größte Netz der Welt.

China steckt mehr Geld in erneuerbare Energien als die USA, die EU und Japan zusammen (baut gleichzeitig weiter Kohle- und Kernkraftwerke). Neun der zehn weltgrößten Hersteller von Solarkollektoren und sieben der zehn größten Hersteller von Windkraftanlagen sind chinesische Unternehmen. Unsere Abhängigkeit von China bei der Energiewende ist auf lange Sicht das größere Problem als die Umweltverschmutzung innerhalb Chinas. Denn die hat auch dort schon ihren Höhepunkt überschritten.

Wenn man in der antiautoritären Bewegung groß geworden ist, dann wundert man sich manchmal, wie blind manche Jugendliche heute Autoritäten vertrauen. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres bei der Klimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich. Das wird von manchen Klimaaktivisten als der Weisheit letzter Schluss verstanden – Ansporn für Klebeaktionen auf Straßen im Berufsverkehr und die Besetzung von unzeitgemäß freigegebenen Abbaugebieten für Braunkohle.

Es relativiert sich aber, wenn man weiß, dass „Die Grenzen des Wachstums“ mit Worten des UN-Generalsekretärs U Thant aus dem Jahr 1969 eingeleitet wurden. Er sah sich schon damals im Vorhof der Hölle: „Nach den Informationen, die mir als Generalsekretär der Vereinten Nationen zugehen, haben nach meiner Schätzung die Mitglieder dieses Gremiums noch etwa ein Jahrzehnt zur Verfügung.“

An Weltuntergangsszenarien besteht kein Mangel. So schrieb der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 11. August 1974 unter der Überschrift „Katastrophe auf Raten“, dass seit 1960 bei den Klimaforschern die Überzeugung wachse, das irdische Klima sei im Begriff umzuschlagen – in Richtung auf eine neue Eiszeit: „Symptome dafür entdeckten die Experten nicht nur in Europa, sondern inzwischen in fast allen Weltregionen.“

Am Anfang habe die fortschreitende Abkühlung des Nordatlantiks gestanden: „Dort sank während der letzten 20 Jahre die Meerestemperatur von 12 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt auf 11,5 Grad.“ Nach Erkenntnis der Wissenschaftler sei die allgemeine Erwärmung des Weltklimas von insgesamt 0,7 Grad zwischen 1890 und 1945 zum Stoppen gekommen.

Die knapp 30 Jahre vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis Mitte der 70er-Jahre habe sich der Trend umgekehrt. Dass in den drei Jahrzehnten ein industrieller Aufschwung ohnegleichen – mit einem entsprechenden Anstieg an CO₂ – zu verzeichnen war, spielte damals klimatechnisch keine Rolle, vermutlich weil der Treibhauseffekt durch die schmutzige Luft im Ruhrgebiet und anderswo behindert wurde.

Gut zehn Jahre später, im August 1986, machte der „Spiegel“ eine klimatische Kehrtwende. Auf dem Titel versank der Kölner Dom im Wasser. Grund: der Anstieg des Meeresspiegels durch die Erwärmung der Erde. So weit ist es zum Glück auch auf der Kölner Domplatte noch nicht gekommen.

Um nicht missverstanden zu werden: Der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ sprach reale Probleme an und hat damit zu ihrer Lösung beigetragen. So ist es auch bei den Aktivisten heute. Und Politiker handeln nach der Methode Lauterbach: Drastisch warnen („Killer-Variante“, „harter Winter“), um anschließend zu sagen, mit diesen Warnungen habe man das Schlimmste verhütet.

Man sollte sich aber nicht davon deprimieren lassen. Nach dem Ende der Geschichte kommt bekanntlich der Anfang.

Quelle Ausschnitt & Text* plus PDF*

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*Weil das Thema außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Deutschlands Perspektive im Spiegel der Vergangenheit“  ist, zitieren wir den Text  des Artikels komplett sowie als PDF. Verweise und alle Kommentare der Leserschaft lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren.  Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos/günstig testen.

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