Wenn ich in den Achtzigerjahren …
… als Bonner Ministerialbeamter dienstlich nach Frankfurt musste, was einmal in der Woche geschah, nahm ich den Zug um 7:23 Uhr. Er fuhr stets pünktlich ab und kam nach zwei Stunden pünktlich an, auf der Rückfahrt war es genauso. Exakt konnte ich meine Reisezeiten und Termine planen, und bei gelegentlichen Reisen nach Hannover oder München war es nicht anders. Auf die Bahn war unbedingter Verlass. …
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… Das Management bestand aus durchschnittlich bezahlten, aber sehr gut ausgebildeten Beamten, die einfach nur das taten, was sie verstanden, nämlich Züge fahren und das ganze komplizierte System ingenieurmäßig in Schuss zu halten. Damals arbeiteten in der Frankfurter Hauptverwaltung der Bahn 350 Mitarbeiter, heute sind es in den Bahnzentralen in Berlin und Frankfurt mehr als 3.000 Mitarbeiter, und über ihnen schwebt ein mit Millionengehältern bezahlter Vorstand, von denen keiner mehr eine originäre Bahnkompetenz hat.
Die von den Bundesbahnzentralämtern entwickelten Loks und Waggons hielten 50 Jahre lang, sie waren quasi unkaputtbar, und übel ging es dem Lieferanten, der Schrott ablieferte. Auch in den damals noch viel strengeren Wintern fuhr die Bahn pünktlich. Es gab einen funktionierenden Winterdienst, der von eigenen Mitarbeitern durchgeführt wurde und bei Wind und Wetter um vier Uhr morgens auf die Strecke ging. Auch bei Stürmen funktionierte die Bahn weiter, denn Äste und Bäume, die auf die Leitungen und Gleise hätten fallen können, waren längst vorher abgeschnitten worden.
Heute kostet die Bahn mehr Geld als jemals zuvor. Aber noch nie funktionierte sie so schlecht, ihr Marktanteil im Güterverkehr ist so gering wie nie zuvor, und es ist überhaupt nicht absehbar, wann endlich die Zulaufstrecken für die Alpentransversalen in Betrieb gehen.
Kosten von 47 Milliarden Euro. Wofür?
Spezialfahrzeuge für den Transport von militärischem Gerät gibt es bei der Bahn nicht mehr. Selbst wenn man der Ukraine zu Hilfe kommen wollte – was bekanntlich niemand möchte – würde es an der Möglichkeit fehlen, Panzer und Artillerie dorthin zu transportieren, wo es die Russen beeindrucken könnte. Das ist aber deshalb nicht so schlimm, weil es in der ganzen Bundeswehr trotz der jährlichen Ausgaben von 47 Mrd. Euro nur noch wenige unmittelbar einsatzfähige Kampfflugzeuge, Panzer und Schiffe gibt.
Die Flugabwehr des Heeres ist ganz abgeschafft. Feindlichen Drohnenangriffen aus der Luft wäre man hilflos ausgeliefert. Die Anschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr hat die SPD untersagt. Aber die Anordnung der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie auch bei der Truppe anzuwenden ist, gilt nach wie vor. Eine Folge: Kein Schiffskommandant kann mehr mit seiner Mannschaft auf See üben, wenn diese an Bord übernachten müsste.
Im Fernstraßennetz, einst für seine Leistungsfähigkeit und Modernität berühmt, bröckeln mehr und mehr Brücken. Technisch bedingte Stilllegungen an Verkehrsknotenpunkten greifen um sich. Die Stauzeiten wachsen.
Bei der digitalen Infrastruktur sieht es nicht besser aus: Zu Zeiten der staatlichen Deutschen Bundespost hatte Deutschland das modernste Telekommunikationsnetz der Welt. Heute ist es unter den entwickelten Ländern Schlusslicht beim schnellen Internet.
Deshalb brauchen wir das russische Erdgas
Zum Schlusslicht wird Deutschland auch bei der Energie- und Klimawende: Einst war es weltweit führend in der Kernenergie. Die entsprechende Industrie existiert nicht mehr, die letzten Kernkraftwerke werden gerade abgeschaltet, und der Zubau von Wind- und Solarenergie ist im Dickicht von Bau- und Umweltschutzvorschriften weitgehend zum Stillstand gekommen.
Deshalb brauchen wir nötiger als je zuvor das russische Erdgas. Und der schweigsame, weitgehend unsichtbare Bundeskanzler Scholz schweigt besonders konsequent, wenn sein Vorvorgänger und Parteifreund Gerhard Schröder einem mit seiner Militärmacht drohenden Putin Honig um das Maul schmiert, denn dieser, das sagte Schröder schon früher, ist ja ein „lupenreiner Demokrat“.
Vielleicht arbeitet Scholz ja an einem Masterplan, wie er die Deutsche Bahn, das Autobahnnetz, die Bundeswehr und das Internet wieder so leistungsfähig machen will, wie es dem deutschen Selbstverständnis entspricht. Wir wissen es nicht, er schweigt ja. Immerhin hat seine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der Sicherheitspolitik einen Akzent gesetzt, indem sie den bedrängten Ukrainern 5.000 Stahlhelme versprach.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.