Die Ampel-Koalition hat sich sehr ehrgeizige Ziele …
… zur Energie- und Klimawende vorgenommen. Man könnte sie auch utopisch16 nennen: Bis 2030 sollen 15 Millionen vollelektrische PKW auf deutschen Straßen fahren. Nach dem Atomausstieg soll es bis 2030 auch einen Ausstieg aus der Kohle geben. Der Stromverbrauch wird stark anwachsen, und der Strom soll natürlich auch künftig ohne größere Dunkelpausen zu bezahlbaren Preisen aus der Steckdose kommen. Ich habe aufgehört zu rätseln, wie das funktionieren soll. Es ist das Programm der neuen Bundesregierung, und zu seiner Verwirklichung haben sich die neuen Partner eine interessante Aufstellung ausgesucht.
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In militärischen Jargon umgemünzt, nehmen die SPD und die FDP die Posten für Nachschub und Versorgung in der Etappe ein. Die Frontschweine, die erfahrungsgemäß die größten Verlustraten haben, sind dagegen die Grünen. Sie müssen in den drei Ministerien für Wirtschaft und Energie, Umwelt und Landwirtschaft die Hauptlast der Energie- und Klimawende schultern. Sie müssen dafür sorgen, dass das Licht nicht ausgeht, dass der Strom bezahlbar bleibt und dass die deutsche Chemie-, Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie – um nur einige energieintensive Branchen zu nennen – nicht dank unerfüllbarer Vorgaben in die Knie geht. Nur Annalena Baerbock darf unter den grünen Ministern künftig noch das Reich der Träume verwalten. Ziemlich sicher kann man sagen, dass ihr Ruf nach einer „europäischen Republik“ in Brüssel wohl ungehört verhallen wird. Wenn die Sozialdemokraten die Aufgaben ihrer Ressorts nicht ordentlich erledigen, wenn das Innenministerium weiterhin das Asylthema verschleppt, wenn die Bundeswehr weiter unter Ausrüstungsmängeln leidet und wenn die Sozialausgaben weiterhin stärker als vertretbar steigen, dann ist dies die Fortsetzung der Vergangenheit und wird den daran bereits gewöhnten Bürgern nicht besonders unangenehm auffallen. Wirklich scheitern kann die SPD mit ihren Ressorts nicht. Es wird einfach weiter so schlecht bleiben, wie es schon seit vielen Jahren war. Die FDP hat sich für ihre Regierungsbeteiligung quasi ein kräftige Vorab-Ausschüttung geben lassen: das ist der Verzicht auf künftige Steuererhöhungen und die Bekräftigung der Schuldenbremse. Jetzt können die Beamten im Finanzministerium für ihren neuen Chef Christian Lindner bequem ausrechnen, was der Sozialstaat und was die Energiewende den Bundeshaushalt kosten darf, und der Steuerbürger fühlt sich beschützt. Im Justizministerium achtet die FDP darauf, dass alles schön verfassungsmäßig bleibt – auch die ordnungspolitischen Durchgriffe, die die Grünen für die Energiewende planen müssen. Im Verkehrsministerium achtet die FDP darauf, dass der Autofahrer geschützt wird, und bei Digitales und Forschung kann die FDP zeigen, dass sie für alles Moderne steht. Für die Grünen dagegen steht das aufreibende Vorantreiben der Energie- und Klimawende von Anfang unter dem Vorbehalt, dass drei Dinge niemals gefährdet werden dürfen: – Verfügbarkeit: Nirgendwo, zu keiner Zeit, darf es in Deutschland längere oder größere Stromausfälle geben. Wiederkehrende Dunkelpausen würden ein Todesstoß für die Legitimation der Ampelregierung sein. – Bezahlbarkeit: Strom, Heizung und die Betriebskosten der PKW müssen weiterhin ins private Budget der Bürger passen. – Sicherheit der Arbeitsplätze: Industrie und Arbeitnehmer sind in diesem Punkt am sensibelsten. Wenn der Export einbricht oder die Arbeitslosigkeit steigt, wackelt jede Bundesregierung. Diese Zwänge kennt auch ein Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck. Es ist ein bisschen wie ein Wettlauf zwischen Hase und Igel. Die Grünen sind der Hase, der in der Jagd auf utopische Energieziele durch die Furche hetzt. An dem einen Ende steht der Igel Lindner und ruft „Geld“, und am anderen Ende der Igel Scholz und ruft „Arbeitsplätze“. Auf beides muss der grüne Hase achten, und je mehr er das tut, in umso weitere Ferne rücken seine Energiewende-Ziele. Es muss nicht so kommen. Aber es scheint mir doch ziemlich klar, dass SPD und FDP hier eine strategische Falle aufgestellt haben. Das größte Risiko in dieser Regierung tragen die Grünen. Aber sie haben auch die größten Chancen auf einen historischen Heldenstatus, wenn es denn wirklich klappen sollte. Wird es gelingen, Planungsverfahren ausreichend zu beschleunigen, ohne dass Einspruchsfristen und Bürgerbeteiligungen ein verfassungsrechtliches Minimum unterschreiten? Wird es gelingen, ausreichend Gaskraftwerke für die unvermeidlichen Dunkelpausen bereitzustellen? Wird es gelingen, rechtzeitig den Übergang zur grünen Wasserstofftechnologie zu bewältigen? Entscheidend wird sein, ob die deutsche Industrie die Eckwerte der Energiewende als realistisch einschätzt und von ganzem Herzen unterstützt, oder ob sie sich auf ein ganzes oder teilweises Scheitern einrichtet. Für Deutschland insgesamt bleibt die Energiewende eine Operation am offenen Herzen. Foto: Achgut.com Konkrete Zahlen zu den Plänen der AmpelDie FDP hat die Glückslose gezogen
Eine strategische Falle
Offene Fragen gibt es reichlich: