Bei ihrem letzten EU-Gipfel versucht Angela Merkel, die Wogen im Bündnis zu glätten. Polen hat sich isoliert und wird hart attackiert. Ein weiteres Thema erhitzt die Gemüter: die hohen Energiepreise, besonders die für Gas.
In den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft hatte Angela Merkel nie viel Zeit zum Durchatmen. Erst die Eurokrise, dann die Flüchtlingskrise und nun die Corona-Pandemie. Deshalb war es bezeichnend, dass auch ihr voraussichtlich letzter EU-Gipfel nicht die erhoffte ruhige Veranstaltung war mit netten Abschiedstoasts beim Dinner mit Pistou-Suppe, Seebarschfillet mit sautiertem Fenchel und zum Dessert Erdbeertorte. Vielmehr stand das europäische Haus wieder einmal in Flammen.
Die polnische Gerichtsentscheidung im Streit über Richterbesetzungen, die nebenbei zentrale Artikel des EU-Vertrages aushebelte, sowie rekordhohe Energiepreise hatten die Gemüter in den vergangenen Wochen erhitzt. Führende EU-Politiker forderten, Geldzahlungen aus dem Corona-Hilfspaket für Warschau zurückzuhalten. Am Tag zuvor waren Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Polens Premier Mateusz Morawiecki mit ihren Reden vor dem Europaparlament aufeinandergeprallt. „Die Union wurde niemals so radikal infrage gestellt“, schrieb der durch Krankheit verhinderte europäische Parlamentspräsident David Sassoli in einem Brandbrief an die Regierungschefs.
Angela Merkel machte dann jedoch das, was sie in jenen 16 Jahren stets getan hat: Sie versuchte die Lage abzukühlen und den Laden Europa irgendwie zusammenzuhalten. Ja, Rechtsstaatlichkeit sei ein Kern des Bestands der Europäischen Union sagte die deutsche Kanzlerin zum Beginn des Gipfels. „Auf der anderen Seite müssen wir Wege und Möglichkeiten finden, hier wieder zusammenzukommen, denn eine Kaskade von Rechtsstreitigkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof ist noch keine Lösung des Problems, wie Rechtsstaatlichkeit auch gelebt werden kann“, meinte Merkel.
Will heißen: Dieses Problem muss mit einem politischen Kompromiss gelöst werden, nicht mit Ultimaten und „Erpressung“, wie Morawiecki sich zum Beginn des Gipfels beklagte. Der einzige, der Morawiecki öffentlich beisprang war der ebenfalls unter Beobachtung der EU-Kommission stehende ungarische Regierungschef Viktor Orban, der von einer „Hexenjagd“ gegen Polen sprach.
… Deutschlands bewegt sich das Land wieder mit ungeheurer Dynamik in einen autoritären Staat, der z. B. ungeimpft gesunde Menschen diskriminiert.
Wenn nicht umgehend derStatus quo ante Corona = Menschen ohne respiratorische Symptome sind respiratorisch gesunde Menschenwiederhergestellt wird, wird die Gesellschaft zerbrechen!
… gegen unsere Corona-Experten in einer Veranstaltung der Städteregion Aachen wurde von YouTube wegen „unangemessener Inhalte“ noch vor der Veröffentlichung gelöscht. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese erneute Zensur durch Youtube vorgehen und halten unsere Leser auf dem Laufenden. Wir sind mit diesem Beitrag auf die Plattform rumble ausgewichen.
Worum geht es in diesem Video? Die Städteregion Aachen lud zu einem Impfdialog u.a. mit dem Gesundheitsdezernenten. Also statt Impf-Nötigung eine Debatte mit Kritikern? Nein, die wollte man nur mit völlig absurden Behauptungen für unglaubwürdig erklären, auch unsere Achgut-Coronaexperten.
… tritt zum Ende des Jahres von seinem Amt zurück. Diese Nachricht ist nicht von der derzeitigen Inflationsentwicklung zu trennen. Weidmann warnt schon seit Jahren vor der ständigen Ausweitung der Geldmenge, weil sie unweigerlich zur Inflation führen könnte. Auch wenn Weidmann „persönliche Gründe“ anführt – ausführlich kritisiert er noch einmal die Geldpolitik der EZB: deren einseitige Fokussierung auf Deflationsrisiken, und dass diese Politik nur für Notsituationen geeignet sei, während sie längst Dauerzustand ist.
So hatte er schon 2012anlässlich des 18. Kolloquiums des Instituts für bankhistorische Forschung in Frankfurt gewarnt, dass Zentralbanken, die unbegrenzte Geldschöpfung versprechen,riskieren, die Inflation anzuschieben und ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Er erinnerte zugleich an die Verantwortung der Zentralbanken zur Erhaltung des Geldwertes.
Beide Warnungen haben sich seither bestätigt, Jahr für Jahr und immer wieder aufs Neue. Genau diese Warnung hinsichtlich der Inflation ist jetzt eingetreten; noch in diesem Jahr wird sich die Inflationsrate in Deutschland auf fünf Prozent erhöhen, warnte zuletzt gestern Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank und derzeit der angesehenste Bankenvolkswirt in Deutschland.
Tatsächlich: Die Europäische Zentralbank hält nach wie vor die Inflation für beherrschbar, setzt weiter ihre Geldpolitik fort, um Frankreich und Italien die Aufnahme neuer Staatsschulden zu ermöglichen und durch Nullzinsen die bestehenden zu finanzieren.
Diese Entwicklung erhält jetzt einen neuen Schub: Was immer die beginnende Ampel-Koalition redet – sie will weiter die Schulden erhöhen. Das mag bislang von dem möglichen Zukunftskoalitionär Christian Lindner (FDP) bestritten werden. Er verspricht im guten Sinne die Einhaltung von Schuldenbremse und überschaubarer Staatsverschuldung. Aber der Druck von SPD und Grünen ist zu stark. Beide stehen für massive Ausgabenwünsche: Robert Habeck, der mit Christian Lindner um den Posten des zukünftigen Finanzministers rangelt, spricht davon, dass die „Klimawende“ am Geld nicht scheitern werde – Geld, das in die Subventionierung der unwirtschaftlichen und wirtschaftlich desaströsen grünen Wirtschaft fließen soll. Lindner mag reden, es entscheidet die rot-grüne Mehrheit, die die grüne Inflation zur Rettung des Weltklimas bewusst fördert.
Da ist es für Weidmann wohl eine Frage der Ehre, zurückzutreten. Bundesbankpräsidenten treten häufig zurück: Karl Otto Pöhl trat im Juli 1991 zurück, weil der den Umtausch der Ost-Mark mehr oder weniger paritätisch 1:1 mit der West-Mark nicht mitmachen wollte. Tatsächlich hat dieser Umtauschkurs den Niedergang der ostdeutschen Industrie massiv beschleunigt; sie war nicht in der Lage, diese harte Währung zu ertragen. Die Folge der populären Entscheidung durch Bundeskanzler Helmut Kohl war das Siechtum der neuen Bundesländer, das bis heute anhält.
Im April 2011 trat mit großem Auftritt Axel Weber zurück. Er hatte sich gegen die unbegrenzte Finanzierung der griechischen Defizite gewandt, weil er um den langfristigen Bestand des Euro und das deutsche Vermögen fürchtete. Er sagte mir damals: „Ich will nicht der Präsident der Bundesbank sein, der den Milliarden-Scheck unterzeichnet.“ Mittlerweile haben deutsche Sparer über Null- und Negativzinsen vermutlich an die 500 Milliarden Euro verloren und indirekt in die Subventionierung des Südens gepumpt.
Tatsächlich hat nach Webers Rücktritt die massive Politik der Geldmengenausweitung durch die EZB ihren verhängnisvollen Lauf genommen. Beschleunigt wurde diese durch immer neue Schuldenpapiere Italiens, Frankreichs und anderer meist südeuropäischer Länder. Seither kauft die EZB deren Staatsanleihen gegen frische Euros wieder auf. Die EZB brüstet sich damit, die Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten und den Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Dieses Argument benutzt sie auch seit Beginn der Corona-Krise.
Weidmann warnte immer wieder davor. Als Person ist Weidmann umstritten. Er kann als Merkel-Zögling gelten, war ihr Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt und Sherpa für die G7, G8 und andere Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsnationen. Seine Berufung als Nachfolger des wesentlich härteren Axel Weber war daher umstritten, da er als Geldpolitiker nicht in Erscheinung getreten war. Er ist nicht Mitglied der CDU. Trotzdem hat er im Detail immer wieder gehorsam die oft genug rein parteipolitisch geprägten personalpolitischen Vorgaben von Angela Merkel umgesetzt. Gleichwohl übernahm er den geldpolitischen Kurs der Bundesbank, deren erklärtes Ziel die Bekämpfung der Inflation ist.
Weidmann war immer ein Mann der leisen Töne. Damit allerdings konnte er sich nie durchsetzen. Unter seiner Ägide hat die Deutsche Bundesbank daher ihre Glaubwürdigkeit, Eigenständigkeit und ihren Ruf verloren. Mit leisen Tönen kann man eben keine Politik gegen die Front der Anhänger einer Inflationspolitik machen. Mittlerweile muss der Bundesbankpräsident im entscheidenden Gremium, dem Zentralbankrat, sogar zu geplanten Auszeiten auf der Reservebank ohne Stimmrecht Platz nehmen und ist temporär zu Entscheidungen nicht mehr zugelassen – obwohl Deutschland für rund ein Viertel des Kapitals der EZB verantwortlich zeichnet und damit für ein Viertel der gigantischen Schuldenlast steht. Diese Demütigung hat Weidmann still ertragen. Auch wenn er es vielleicht anders gewollt hätte und nicht konnte – unter seiner Ägide wurde die Bundesbank zu einer Einrichtung, die schmutzige EZB-Geldscheine wäscht und wieder aufbügelt. Aber geldpolitische Entscheidungen fielen ohne oder gegen ihn.
Offensichtlich wachsen ihm jetzt aber trotzdem die Probleme über den Kopf: Eine sich auf Schuldenmacherei programmierende Ampel-Koalition, eine mittlerweile galoppierende Inflation, eine weiterhin unbegrenzte Schuldenmacherei der Südstaaten zulasten des halbwegs noch soliden nördlichen und daher wirtschaftsstarken EU-Kerns.
Auch wenn Weidmann eine schillernde Figur ist: Sein Rücktritt ist eine Art geldpolitischer Katastrophenalarm gegen den Euro als inflationsgeschüttelte Weichwährung, Europa droht eine Stagflation: schrumpfende Wirtschaft und steigende Preise. Sein Nachfolger, vermutlich wird’s aus optischen Gründen eine weniger kompetente, aber weibliche Person, sein Nachfolger wird geldpolitisch weniger entschieden sein und den kommenden Regierenden kaum noch Schwierigkeiten machen. Damit ist der Weg frei für den Euro als Inflationswährung. Das allein ist schlimm genug – ohne Zinsen aber ist dies mörderisch für jeden, der spart oder vorsorgt.
Presseschau des Dlf vom 21.10.2021 (Frau Bas wird BTP, Weidmann, Polen)
Zumindest, was seine allgemein-politischen Einstellungen und deren Kommunikation anbelangt. Bei Corona hat er m.E. vollkommen versagt. Bis zum heutigen Tag.
… Deutschlands bewegt sich das Land wieder mit ungeheurer Dynamik in einen autoritären Staat, der z. B. ungeimpft gesunde Menschen diskriminiert.
Wenn nicht umgehend derStatus quo ante Corona = Menschen ohne respiratorische Symptome sind respiratorisch gesunde Menschenwiederhergestellt wird, wird die Gesellschaft zerbrechen!
... nicht auf Zuruf der EU (Aufnahme von Flüchtlingen) parieren, versucht der Bürokratiemoloch in Brüssel andere Saiten aufzuziehen. Das gelingt nicht so richtig.
Jetzt muckt Polen sogar gegen die Rechtsstaatlichkeit der EU auf. Die EU sieht darin – zu Recht – einen Angriff auf die Rechtmäßigkeit der „Gemeinschaft“. Eingedenk der Einsetzung von UvdL gegen alle Absprachen und nach einer riesigen Volksverarschung im „Wahlkampf“ zur Oberkommissarin der EU-Kommission ist da m. E. viel dran. An der Unrechtmäßigkeit.
Es wundert nicht, dass Polen jetzt endlich mal die bundesdeutsche Verfassungsgerichtsbarkeit aufgreift. Man hat zu Recht den Eindruck, dass die EU mit zweierlei Maß misst.
Es gehört zum guten Ton der europäischen Politik, …
… mangelnde Unabhängigkeit des polnischen Verfassungsgerichts zu bemängeln. Jetzt dreht Polen den Spieß um – und das Bundesverfassungsgericht steht plötzlich mit seiner kaum getarnten Abhängigkeit von der Politik am Pranger.
Seit Jahren steht die polnische Regierung wegen ihrer Justizreformen in der Kritik. Insbesondere Deutschland mokiert sich laut. Jetzt keilt Warschau zurück – und stellt die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Frage. Das System der Richternominierung sei in der Bundesrepublik komplett politisch, meint Justizminister Zbigniew Ziobro. „Da die EU auf der Gleichheit aller Staaten und Bürger beruht, muss die Situation in Deutschland überprüft werden.“ Gegen Deutschland solle ein Verfahren des EU-Gerichtshofes angestrengt werden, weil die Politisierung der Richter-Nominierung gegen EU-Verträge verstoße.
Der Schritt ist zweifelsohne primär eine Retourkutsche gegen Berlin, wo man seit Jahren an vorderster Front gegen die polnische Justizpolitik steht. Die umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen Regierung in Warschau beschäftigen EU-Gremien seit Jahren. Zuletzt hatte der EuGh geurteilt, eine 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am obersten Gerichtshof sei nicht garantiert unabhängig und überparteilich. Die polnische Landesjustizkammer, welche die Ernennungen für die Disziplinarkammer vornehme, sei ein Organ, das „von der polnischen Exekutive und Legislative wesentlich umgebildet wurde“, an seiner Unabhängigkeit gebe es berechtigte Zweifel.
In Warschau argumentiert Ziobro nun exakt entlang dieser Logik. Der deutsche Richterwahlausschuss, welcher die Bundesrichter ins Amt wählt, besteht aus den Justizministern der Länder sowie 16 Bundestagsabgeordneten. Längst wird die Politisierung der Besetzung kritisiert. Auch das deutsche Verfahren der Richterwahl ist alles andere als politikfern, stellt der polnische Justizminister nun fest – und das durchaus zutreffend. Der Ausschuss sei sogar stärker politisiert als Polens Landesjustizrat – diesem gehören 17 Richter, sechs Parlamentsabgeordnete sowie zwei von der Regierung entsandte Mitglieder an.
Gemäß EU-Recht ist Polen als Einzelstaat berechtigt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ein anderes Mitglied anzustrengen. Dies ist zwar unüblich, aber nicht unmöglich. Zunächst muss sich die EU-Kommission mit den Vorwürfen befassen – sollte diese grünes Licht geben, könnte der EuGh dem deutschen Richterwahlsystem am Ende ernsthafte Probleme attestieren. Das wird zwar nicht passieren; längst gibt es in der EU Gleiche und besonders Gleiche. Auch das Bundesverfassungsgericht ist zuletzt scharf in die Kritik geraten.
Bezeichnend der Umgang mit dem Klima-Urteil: Eine Reihe von NGOs hatten schärfere Klima-Regeln eingeklagt – und die Bundesregierung sich kaum dagegen verteidigt. Es ist eher das Protokoll eines grünen Ortsvereins als das abgewogene Urteil eines hohen Gerichts – und dazu passt, dass die mit der Formulierung des Urteils beauftrage Richterin Gabriele Britz ganze Passagen aus einem Pamphlet übernahm, das ihr Ehemann als Vorsitzender der Frankfurter Grünen vorformuliert hat. Unabhängigkeit sieht anders aus.
Ob Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern, Seenotrettung oder Einbürgerungen: In der Migrationspolitik wollen SPD, Grüne und FDP sich klar absetzen von der Regierung Merkel. Was sind ihre Pläne für die Zuwanderung nach Deutschland? Die Folgen wären weitreichend.SPD, Grüne und FDP starten ihre Koalitionsverhandlungen am Donnerstag – und wenn sie die nächste Regierung bilden, steht schon jetzt fest: mehr Zuwanderung und schnellere Einbürgerung. WELT gibt den Überblick:
Schnellere „Spurwechsel“ für abgelehnte AsylbewerberIm gemeinsamen Sondierungspapier, dessen Inhalte in den Koalitionsverhandlungen konkretisiert werden, bekennen sich die drei Parteien zum Ausbau sogenannter Spurwechsel für abgelehnte Asylbewerber in den Arbeitsmarkt – und damit zu legalem Daueraufenthalt. Im Papier heißt es dazu: „Wir wollen einen Spurwechsel ermöglichen und die Integrationsmöglichkeiten verbessern.“ Wer für den „eigenen Lebensunterhalt sorgen“ könne, solle „schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten“.Wie viel schneller dies geschehen soll, wird sich zeigen. Jedenfalls erwecken die Parteien den Eindruck, dass es sich bei den „Spurwechseln“ um eine Neuigkeit handele und abgelehnte Asylbewerber mit Job bisher meist abgeschoben würden oder ewig im Duldungsstatus blieben. Tatsächlich wurden die „Spurwechsel“ schon mehrfach ausgeweitet. Erstmals gesetzlich geregelt wurden die „Spurwechsel“ 2005. Seither können die Ausländerbehörden abgelehnten Asylbewerbern nach 18 Monaten Duldung eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.Doch nach diesem bisher geltenden Gesetz „soll“ die Aufenthaltserlaubnis bei guter Integration erteilt werden, wenn eine Abschiebung bereits für 18 Monate ausgesetzt ist und „mit einem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist“. Diese „Soll“-Vorschrift war SPD und Grünen bald zu schwach, sie forderten einen einklagbaren Rechtsanspruch.Diesen schuf Schwarz-Rot 2015 mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts. Dadurch bekommen kinderlose Geduldete acht und Familien sechs Jahre nach Einreise eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie nicht verurteilt wurden und ihr „Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert“ ist. Unter 21-Jährige können schon nach vier Jahren einen Rechtsanspruch erhalten, etwa wenn sie eine Schule abschließen.Spätestens nach vier, sechs oder acht Jahren besteht also schon der Rechtsanspruch auf einen „Spurwechsel“. Doch auch für die Zeit davor wurde 2016 mit dem Integrationsgesetz die Chance zum Aufbau einer beruflichen Existenz für Geduldete erweitert. Ausreisepflichtige, die während ihres Asylverfahrens eine Ausbildung begonnen haben, dürfen ihre Lehre beenden. Anschließend besteht der Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre, um im erlernten Beruf zu arbeiten. Die Ampel-Verhandler wollen jetzt mehr.
Staatliche Rettungsmissionen im Mittelmeer
Die drei Parteien wollen zudem darauf hinwirken, dass wieder staatliche Schiffe unter dem Dach einer EU-Mission Bootsmigranten im Mittelmeer aufgreifen und nach Italien bringen. Diese Missionen waren 2017 auf Druck Italiens heruntergefahren worden, damit sich weniger Migranten in seeuntauglichen Booten auf das Meer begeben. Die illegale Migration und die tödlichen Seeunglücke nahmen in der Folge deutlich ab.
Im rot-grün-gelben Sondierungspapier heißt es dazu nur vage, man wolle „mit den europäischen Partnern Anstrengungen unternehmen, das Sterben auf dem Mittelmeer“ zu beenden. In den Wahlprogrammen der Parteien steht es explizit, etwa bei der FDP: „Frontex sollte auch die Seenotrettung übernehmen, um endlich das grausame Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden. Hierbei handelt es sich um eine staatliche Aufgabe.“
Neues Staatsangehörigkeitsrecht
Laut Sondierungspapier will die Ampel auch „ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht schaffen“. Konkreter heißt es im SPD-Wahlprogramm: „Unsere Gesellschaft des Respekts braucht ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Nachdem wir bereits dafür gesorgt haben, dass grundsätzlich alle in Deutschland geborenen Kinder mit der Geburt auch deutsche Staatsbürger sind, werden wir auch die generelle Möglichkeit von Mehrstaatigkeit gesetzlich verankern. Wir wollen bestehende Hürden bei Einbürgerungen abschaffen und hierfür auch die geltende Regelaufenthaltsdauer von bisher acht Jahren verkürzen.“
Zwar hat die SPD, anders als sie es schreibt, noch nicht dafür gesorgt, dass „grundsätzlich alle in Deutschland geborenen Kinder“ deutsche Staatsbürger sind. Wenn ein amerikanisches Paar auf Deutschlandurlaub von einer Niederkunft überrascht wird, ist das Kind genauso wenig deutsch, wie wenn frisch zugewanderte Syrer hier ein Kind bekommen.
Allerdings hat die SPD in der rot-grünen Regierungszeit mit der großen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts 2000 bewirkt, dass hier geborene Kinder von zwei Ausländern den deutschen Pass erhalten, falls ein Elternteil schon acht Jahre legal im Land lebt. Damals wurde das traditionelle Abstammungsprinzip um das in den angelsächsischen Ländern und Frankreich gebräuchliche Geburtsortprinzip erweitert. In der Reform wurde auch die Mindestaufenthaltsdauer für eine Einbürgerung von 15 Jahren auf in der Regel acht Jahre verkürzt.
Diese im internationalen Vergleich eher schnelle Vergabe der Staatsangehörigkeit ist SPD, Grünen und FDP zu streng. Das Grünen-Parteiprogramm plant „einen erleichterten Rechtsanspruch auf Einbürgerung“ für alle „Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben“, und eine „Ausweitung des Geburtsrechts“. So soll „die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland erworben werden können, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat“. Die FDP fordert „einen vereinfachten Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit nach insgesamt vier Jahren.“
Schon heute kann die Frist für einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach bestandenem Integrationskurs auf sieben Jahre verkürzt werden, bei besonderem Engagement auf sechs. Neben diesen Anspruchseinbürgerungen sind sogenannte Ermessenseinbürgerungen für besondere Gruppen schon ab drei Jahren Aufenthaltsdauer möglich.
Schnellere Familienzusammenführung
Laut Sondierungspapier wollen die drei Parteien auch „die Verfahren zur Familienzusammenführung“ beschleunigen. SPD und Grüne fordern in ihren Programmen, die Regeln für den privilegierten Familiennachzug zu Flüchtlingen auf alle subsidiär Schutzberechtigten auszudehnen und den Geschwisternachzug zu unbegleiteten Minderjährigen auszuweiten.
*Weil das Thema außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Die Zukunft Deutschlands“ ist, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.
Der Russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, erwartet nach eigenen Angaben, dass auch die kommende Bundesregierung an der Erdgas-Fernleitung Nord Stream 2 festhalten wird. „Das Projekt entspricht den Interessen der deutschen Wirtschaft und der Bevölkerung. Es garantiert die Energiesicherheit“, sagte Netschajew der Berliner Zeitung. Außerdem sei es ein Projekt mehrerer europäischer Länder. Erdgaslieferungen seien „kein politisches Druckmittel“ für Russland, „sondern ein gutes Geschäft für alle Beteiligten“, sagte Netschajew.
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, die derzeit mit der SPD und der FDP Koalitionsverhandlungen führt, plädierte dagegen im Gespräch mit der Funke Mediengruppe am Mittwoch dafür, Nord Stream 2 vorerst keine Betriebserlaubnis zu erteilen.
Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber „ein anderer sein als derjenige, der das Gas durchleitet“, sagte Baerbock. „Solange das ein und derselbe Konzern ist, darf die Betriebserlaubnis nicht erteilt werden.“ Baerbock warf Russland ein „Pokerspiel“ mit den Energiepreisen vor und mahnte: „Wir dürfen uns nicht erpressen lassen.“
In der deutschen Wirtschaft steigen die Preise in allen Bereichen. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des Statistisches Bundesamtes. Dies trifft insbesondere auf die Preise von importierten Waren zu. Der entsprechende Index liegt im August 2021 11,8 Prozent höher als noch im August 2019. Bei exportierten Waren stiegen die Preise im selben Zeitraum um 6,1 Prozent. Stark gestiegen sind auch die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte. Sie sind im genannten Zweijahreszeitraum um 10,6 Prozent gestiegen. Derart stark sind die Preise zuletzt in der ersten Ölkrise in den 1970er Jahren gestiegen. Grund sind unter anderem Materialengpasse und hohe Beschaffungskosten. So sind zahlreiche Lieferketten in Europa und den USA immer noch stark gestört, wie diese Infografik zeigt. Bei den Verbraucherpreisen fällt der Anstieg mit 3,9 Prozent am geringsten aus. Hier gibt es aber Ausreißer wie Gemüse oder Heizöl, die deutlich teurer geworden sind. Die steigenden Lebensmittelpreise veranschaulicht diese Statista-Grafik.