Quelle grün-kursiver Text & alle Verweise/Kommentare
MehrBundesbankpräsident Jens Weidmann …
… tritt zum Ende des Jahres von seinem Amt zurück. Diese Nachricht ist nicht von der derzeitigen Inflationsentwicklung zu trennen. Weidmann warnt schon seit Jahren vor der ständigen Ausweitung der Geldmenge, weil sie unweigerlich zur Inflation führen könnte. Auch wenn Weidmann „persönliche Gründe“ anführt – ausführlich kritisiert er noch einmal die Geldpolitik der EZB: deren einseitige Fokussierung auf Deflationsrisiken, und dass diese Politik nur für Notsituationen geeignet sei, während sie längst Dauerzustand ist.
So hatte er schon 2012 anlässlich des 18. Kolloquiums des Instituts für bankhistorische Forschung in Frankfurt gewarnt, dass Zentralbanken, die unbegrenzte Geldschöpfung versprechen, riskieren, die Inflation anzuschieben und ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen. Er erinnerte zugleich an die Verantwortung der Zentralbanken zur Erhaltung des Geldwertes.
Beide Warnungen haben sich seither bestätigt, Jahr für Jahr und immer wieder aufs Neue. Genau diese Warnung hinsichtlich der Inflation ist jetzt eingetreten; noch in diesem Jahr wird sich die Inflationsrate in Deutschland auf fünf Prozent erhöhen, warnte zuletzt gestern Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank und derzeit der angesehenste Bankenvolkswirt in Deutschland.
Tatsächlich: Die Europäische Zentralbank hält nach wie vor die Inflation für beherrschbar, setzt weiter ihre Geldpolitik fort, um Frankreich und Italien die Aufnahme neuer Staatsschulden zu ermöglichen und durch Nullzinsen die bestehenden zu finanzieren.
Diese Entwicklung erhält jetzt einen neuen Schub: Was immer die beginnende Ampel-Koalition redet – sie will weiter die Schulden erhöhen. Das mag bislang von dem möglichen Zukunftskoalitionär Christian Lindner (FDP) bestritten werden. Er verspricht im guten Sinne die Einhaltung von Schuldenbremse und überschaubarer Staatsverschuldung. Aber der Druck von SPD und Grünen ist zu stark. Beide stehen für massive Ausgabenwünsche: Robert Habeck, der mit Christian Lindner um den Posten des zukünftigen Finanzministers rangelt, spricht davon, dass die „Klimawende“ am Geld nicht scheitern werde – Geld, das in die Subventionierung der unwirtschaftlichen und wirtschaftlich desaströsen grünen Wirtschaft fließen soll. Lindner mag reden, es entscheidet die rot-grüne Mehrheit, die die grüne Inflation zur Rettung des Weltklimas bewusst fördert.
Da ist es für Weidmann wohl eine Frage der Ehre, zurückzutreten. Bundesbankpräsidenten treten häufig zurück: Karl Otto Pöhl trat im Juli 1991 zurück, weil der den Umtausch der Ost-Mark mehr oder weniger paritätisch 1:1 mit der West-Mark nicht mitmachen wollte. Tatsächlich hat dieser Umtauschkurs den Niedergang der ostdeutschen Industrie massiv beschleunigt; sie war nicht in der Lage, diese harte Währung zu ertragen. Die Folge der populären Entscheidung durch Bundeskanzler Helmut Kohl war das Siechtum der neuen Bundesländer, das bis heute anhält.
Im April 2011 trat mit großem Auftritt Axel Weber zurück. Er hatte sich gegen die unbegrenzte Finanzierung der griechischen Defizite gewandt, weil er um den langfristigen Bestand des Euro und das deutsche Vermögen fürchtete. Er sagte mir damals: „Ich will nicht der Präsident der Bundesbank sein, der den Milliarden-Scheck unterzeichnet.“ Mittlerweile haben deutsche Sparer über Null- und Negativzinsen vermutlich an die 500 Milliarden Euro verloren und indirekt in die Subventionierung des Südens gepumpt.
Tatsächlich hat nach Webers Rücktritt die massive Politik der Geldmengenausweitung durch die EZB ihren verhängnisvollen Lauf genommen. Beschleunigt wurde diese durch immer neue Schuldenpapiere Italiens, Frankreichs und anderer meist südeuropäischer Länder. Seither kauft die EZB deren Staatsanleihen gegen frische Euros wieder auf. Die EZB brüstet sich damit, die Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten und den Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Dieses Argument benutzt sie auch seit Beginn der Corona-Krise.
Weidmann warnte immer wieder davor. Als Person ist Weidmann umstritten. Er kann als Merkel-Zögling gelten, war ihr Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt und Sherpa für die G7, G8 und andere Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsnationen. Seine Berufung als Nachfolger des wesentlich härteren Axel Weber war daher umstritten, da er als Geldpolitiker nicht in Erscheinung getreten war. Er ist nicht Mitglied der CDU. Trotzdem hat er im Detail immer wieder gehorsam die oft genug rein parteipolitisch geprägten personalpolitischen Vorgaben von Angela Merkel umgesetzt. Gleichwohl übernahm er den geldpolitischen Kurs der Bundesbank, deren erklärtes Ziel die Bekämpfung der Inflation ist.
Weidmann war immer ein Mann der leisen Töne. Damit allerdings konnte er sich nie durchsetzen. Unter seiner Ägide hat die Deutsche Bundesbank daher ihre Glaubwürdigkeit, Eigenständigkeit und ihren Ruf verloren. Mit leisen Tönen kann man eben keine Politik gegen die Front der Anhänger einer Inflationspolitik machen. Mittlerweile muss der Bundesbankpräsident im entscheidenden Gremium, dem Zentralbankrat, sogar zu geplanten Auszeiten auf der Reservebank ohne Stimmrecht Platz nehmen und ist temporär zu Entscheidungen nicht mehr zugelassen – obwohl Deutschland für rund ein Viertel des Kapitals der EZB verantwortlich zeichnet und damit für ein Viertel der gigantischen Schuldenlast steht. Diese Demütigung hat Weidmann still ertragen. Auch wenn er es vielleicht anders gewollt hätte und nicht konnte – unter seiner Ägide wurde die Bundesbank zu einer Einrichtung, die schmutzige EZB-Geldscheine wäscht und wieder aufbügelt. Aber geldpolitische Entscheidungen fielen ohne oder gegen ihn.
Offensichtlich wachsen ihm jetzt aber trotzdem die Probleme über den Kopf: Eine sich auf Schuldenmacherei programmierende Ampel-Koalition, eine mittlerweile galoppierende Inflation, eine weiterhin unbegrenzte Schuldenmacherei der Südstaaten zulasten des halbwegs noch soliden nördlichen und daher wirtschaftsstarken EU-Kerns.
Auch wenn Weidmann eine schillernde Figur ist: Sein Rücktritt ist eine Art geldpolitischer Katastrophenalarm gegen den Euro als inflationsgeschüttelte Weichwährung, Europa droht eine Stagflation: schrumpfende Wirtschaft und steigende Preise. Sein Nachfolger, vermutlich wird’s aus optischen Gründen eine weniger kompetente, aber weibliche Person, sein Nachfolger wird geldpolitisch weniger entschieden sein und den kommenden Regierenden kaum noch Schwierigkeiten machen. Damit ist der Weg frei für den Euro als Inflationswährung. Das allein ist schlimm genug – ohne Zinsen aber ist dies mörderisch für jeden, der spart oder vorsorgt.
Presseschau des Dlf vom 21.10.2021 (Frau Bas wird BTP, Weidmann, Polen)
Tichys Ausblick: Weidmann geht
- Alexander Wendt: Der letzte seiner Art
- Kommentare gegoogelt
Intelligenzblätter wie die ‚Zeit‘ und die ‚FAZ‘ haben unlängst behauptet, die Niedrigzinspolitik der EZB sei keineswegs eine Beraubung des Sparers (der Fachausdruck für diesen Effekt ist „financial repression“) , sondern ein Segen.
Marcel Fratzscher, Ökonom und Präsident des DIW, führte dazu u.a. zustimmend aus, dass 40% der Deutschen gar kein nennenswertes Sparguthaben hätten und mehr an einem gut geschmierten Arbeitsmarkt interessiert seien als an Sparzinsen. Und die Niedrigzinspolitik der EZB sorge eben für Vollbeschäftigung.
Nun ist von Fratzscher bekannt, dass dem linksgrünen Zeitgeist hinterherhechelt, so weit ihn die Füsse tragen, aber hier hat er doch ein Meisterstück an Dummfaselei geliefert.
Jeder Hobbymathematiker würde sich doch sofort bei F.’s Erwähnung der 40% Deutschen ohne Sparbuch fragen, „und was ist mit den anderen 60%?“. Die scheinen bei F. irgendwie keine Rolle zu spielen.
Und stimmt es wirklich, dass über lange Zeit extrem niedrige Zinsen gut für Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind? Nein, sind sie nicht. Denn wie eigentlich ein studierter Ökonom wissen müsste (und was die meisten auch wissen), sorgen dauerhafte Niedrigzinsen für Verwerfungen in der Wirtschaft. Es werden „Zombiegesellschaften“ durch den künstlichen Zins am Leben gehalten, die eigentlich wirtschaftlich kaum überlebensfähig wären, würden sie nicht immer wieder billig Geld leihen können.
Sobald dann irgendwann die Zinsen erhöht werden, brechen sie zusammen und führen dann natürlich zu einem Sprung in der Arbeitslosenstatistik. Wirtschaftsunternehmen sollten lebensfähig durch Wirtschaftlichkeit sein, nicht durch künstlich niedrige Zinsen.
Ein weiteres „Argument“, das F. anführt, ist, dass natürlich die europäischen Südländer von den Niedrigzinsen zwar viel mehr profitieren würden als z.B. Deutsche, aber wir in Europa hingen doch alle zusammen, und was gut für den einen sei, sei auch gut für alle.
Na fein!
Dann sollte Herr F. mal seine – ganz sicher prall gefüllte – Professorengeldbörse öffnen und den Inhalt an beliebige Europäer auf der Strasse verschenken. Denn nach seiner Logik….
Von der Bundeszentrale für Politische Unbildung (wenigstens sollte sie jetzt so heissen) kommt gar der neunmalkluge Satz, es gebe „kein Menschenrecht auf niedrige Zinsen“.
Wunderbar! Also streichen wir mal alles, was kein Menschenrecht ist. Es gibt kein Menschenrecht auf Urlaub, es gibt kein Menschenrecht auf eine Wohnung, die im Winter vom Vermieter bis zu einer Mindestwärme zu heizen ist, es gibt kein Menschenrecht auf Unterhaltung und Kurzweil, streichen wir also Theater usw., es gibt kein Menschenrecht auf einen Anwalt vor Gericht, und vieles mehr.
Wozu definieren wir eigentlich Rechte in unseren Verfassungen und in anderen Rechtsinstitutionen, wenn das Menschenrecht ausreicht?
Früher wären solche Äusserungen wie die in der ‚Zeit‘, der ‚FAZ, den ‚BPB‘, oder von Fratzscher in einem öffentlichen Gelächter untergegangen. Man hätte sich gefragt, ob die entsprechenden Autoren, die so einen Stuss von sich geben, nicht einen an der Klatsche haben müssen.
Heute nimmt man die ernst. Das sagt alles über dieses Land.