Vorab: Putin und die Gaspreise
Langfristige Gaslieferverträge mit Russland/Gazprom sind ausgelaufen. Die EU wollte diese nicht neu gestalten, verlängern, sondern lieber da benötigte Gas an der Börse kaufen. Da steigen auch n. a. genau deshalb die Preis Dumm gelaufen. Russland, Putin, Gazprom liefern – wie seit Jahrzehnten – genau die Menge Gas, die vereinbart wurde.
Die Deutsche Welle dazu:
[…] Schon seit Wochen sendet Moskau ein unmissverständliches Signal nach Europa: Schließt mit Gazprom und somit mit Russland langfristige Verträge über Erdgaslieferungen ab – und ihr werdet euch nicht um Strom oder Wärme sorgen müssen. Dies geschah vor dem Hintergrund einer beispiellosen Gaskrise auf dem europäischen Markt. In den letzten Monaten hat sich der Preis vervielfacht, Anfang Oktober betrug er sogar das Zehnfache des Durchschnittpreises von 2020. In billigeren Zeiten hatten sich viele westeuropäischen Versorger am Spotmarkt eingedeckt, zu kurzfristig niedrigeren Preisen. […]
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- Warum steigen die Energiepreise derzeit?
- Wie reagieren die EU-Mitgliedsstaaten – und die EU?
- Wie schätzen Experten die aktuelle Lage ein?
Warum steigen die Energiepreise derzeit?
Die Gründe für die hohen Preise liegen zum einen in der wirtschaftlichen Erholung der Staaten nach der Corona-Krise. Die starke Nachfrage treibt die Rohöl- und Gaspreise in die Höhe. Zudem hat der kalte zurückliegende Winter Lagerbestände geleert. Außerdem sind in Deutschland seit Januar durch die Einführung der CO2-Bepreisung 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.
Es gibt auch Stimmen, die Russland mitverantwortlich machen, da es kaum zusätzliches Erdgas liefere. Etwa bei den Grünen in Deutschland nährt dies den Verdacht, damit wolle das Land Druck auf eine schnelle Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nordstream 2 machen. Die russische Regierung betont indes, man liefere nach den bestehenden Verträgen das Maximum. Mehr sei nur nach Aushandlung neuer Abkommen möglich.
Im September 2021 wird die Inflation voraussichtlich 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat erreichen, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Damit haben die Verbraucherpreise in Deutschland den Höchststand seit 28 Jahren erreicht.
In Deutschland treffen die hohen Energiepreise auf die Gespräche zur Regierungsbildung und die Bemühungen, die Klimaschutzziele zu erreichen. Unter anderem der Preis auf den CO2-Ausstoß verteuert fossile Brennstoffe weiter. Die noch amtierende Bundesregierung plant bisher keine weiteren Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise. Es seien bereits Entlastungen wie eine Erhöhung der Pendlerpauschale beschlossen worden.
Mit dem Anfang 2021 eingeführten CO2-Preis sollen Anreize zu umweltfreundlicherem Handeln geschaffen werden. Aber was planen die Parteien mit dem CO2-Preis?
Wie reagieren die EU-Mitgliedsstaaten – und die EU?
Momentan gehen die EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich mit den hohen Energiepreisen um. 20 EU-Staaten haben unter anderem mit Steuer-Senkungen oder Hilfen für Ärmere reagiert. In Spanien hat es bereits im Sommer Demonstrationen wegen der hohen Strompreise gegeben. Mittlerweile hat die Regierung die Mehrwertsteuer auf Strom vorübergehend gesenkt. Daneben fordert Spanien gemeinsame Maßnahmen auf europäischer Ebene – unter anderem den Aufbau einer strategischen Gasreserve. Damit könnten die Staaten ähnlich wie bei der Beschaffung von Covid-Impfstoffen gemeinsame Lieferverträge abschließen. Die EU könnte dadurch in den Verhandlungen mit den Energielieferanten mit einer Stimme sprechen, so die Position der spanischen Regierung.
Vor Energiedemonstranten fürchtet sich auch die französische Regierung. Die Proteste der Gelbwesten sind dort nicht vergessen. Paris hat angekündigt, die Strom- und Gaspreise zu deckeln und will ärmeren Haushalten je 100 Euro zahlen. Um Preisanstiege zu dämpfen, will Frankreich zudem den Gasmarkt stärker regulieren und den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kritisiert, der steigende CO2-Preis sei verantwortlich für die rasant steigenden Energiepreise.
Angesichts stark gestiegener Energiepreise will die EU-Kommission einen gemeinsamen Gas-Einkauf der Staaten prüfen. Man werde untersuchen, ob so ein Vorgehen den Ländern Vorteile bringe, erklärte die Kommission am Mittwoch (13.10.2021) in Brüssel. „Die aktuelle Lage ist außergewöhnlich, der Energie-Binnenmarkt hat uns aber 20 Jahre genutzt“, sagte Energie-Kommissarin Kadri Simson. Sie stellte eine sogenannte Toolbox mit Werkzeugen vor, die EU-Länder anwenden können, ohne gegen die europäischen Wettbewerbsregeln zu verstoßen.
Unter anderem schlägt die Kommission direkte Zahlungen, Steuererleichterungen und Subventionen für kleine Unternehmen vor. Sie erwägt aber auch mittelfristige Reformen, um den europäischen Energiemarkt auf lange Sicht robuster zu machen. Auch soll die Konstruktion des europäischen Energiemarktes unter die Lupe genommen werden. Die mittelfristigen Maßnahmen der „Toolbox“ sollen bei einem EU-Gipfel noch im Oktober besprochen werden. Langfristig sollen Investitionen in erneuerbare Energien für stabile Preise und mehr Unabhängigkeit sorgen.
Für die EU ist die Begrenzung der Erderwärmung eines der Top-Themen. Ein sogenannter Green Deal soll dazu beitragen, dass Europa im Jahr 2050 erster klimaneutraler Kontinent wird. Um das zu schaffen, müssen bisherige Klimaziele verschärft werden.
Die Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßt die geplanten Maßnahmen der EU-Kommission [AUDIO]. Sie sieht die steigenden Preise als „allerhöchstes Zeichen, die Energiewende voranzubringen“. Wenn wir abhängig bleiben von fossilen Energieträgern, werden wir von einer Krise in die nächste stolpern.
In Deutschland müsse man sich zunächst einen Überblick verschaffen, wie stark die Preise tatsächlich steigen – und dann für Härtefälle Abmilderung schaffen. Von der jetzigen Verteuerung der Energiepreise profitiere der Staat nicht, anders als bei einer CO2-Besteuerung. Einnahmen daraus könnten an Bürger zurückverteilt werden, etwa über die Pro-Kopf-Umlage. Verbraucher müssen dazu beitragen können, dass die Energiewende vorangeht. So müssten Niederstrommodelle verbessert werden, damit Solarstrom vom Dach direkt genutzt werden könne, forderte die Grüne.
Wie schätzen Experten die Lage ein?
Die Politik könne Preise drosseln, die Frage sei aber, ob sie das sollte, sagte Götz Reichert, Wirtschafts- und Energieexperte am Centrum für Europäische Politik [AUDIO] am 13.10.2021 im Dlf. „Die Politik sollte kurzfristige Härten abfedern – insbesondere für einkommensschwache Haushalte.“ Seiner Ansicht nach aber wäre es „gefährlich“, ständig an der Preisschraube zu drehen. Es gebe ein Spannungsfeld zur Klimapolitik, die ja eben auf steigende Preise für fossile Energien setze. „Und das ist ja auch politisch so gewollt“, sagte Reichert. Dieser Lenkungseffekt über lange Zeit sei von den politisch Verantwortlichen in Deutschland und in Europa beabsichtigt, um mehr für den Klimaschutz zu tun. Europa solle aber gemeinsam Gas einkaufen, um als Block einen günstigeren Preis zu zahlen. Finanzwissenschaftler Aloys Prinz von der Universität Münster [AUDIO] erwartet für 2020 und 2021 steigende Energiepreise. Prinz machte am 5.10.2021 im Deutschlandfunk die Nullzinspolitik der EZB für die Lage mitverantwortlich. Es zeigten sich jetzt die wahren Folgen dieser Politik.
Der Ökonom Jens Südekum [AUDIO] sieht in der hohen Inflation im Energiebereich ein „temporäres Phänomen“, verursacht durch Sondereffekte, u.a. die temporäre Mehrwertsteuersenkung, die nun zurückgenommen wurde. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) gehe derzeit davon aus, dass die Inflationsrate wieder zum Vor-Pandemie-Niveau von unter zwei Prozent zurückkehren werde. Südekum sprach von „deutlich entspannten Inflationsraten“ ab Mitte 2022.
Er warnte zudem vor Panikreaktionen – verfrühte geldpolitische Maßnahmen wie Zinserhöhungen durch die EZB seien vorerst nicht nötig. Das würde die Situation nur verschlimmern.
Südekum schlug vor, eine „große Rücklage“ in Deutschland einzurichten, solange die Schuldenbremse noch außer Kraft gesetzt sei. Eine solche Rücklage könne „für alles Mögliche“ verwendet werden. Unter anderem ließe sich damit der zusätzliche Ausgabenbedarf in Deutschland von rund 75 Milliarden pro Jahr für Investitionen und die Klimawende auffangen. Denn auch die Mehreinnahmen durch eine globale Mindeststeuer reichten dafür nicht aus. Im Folgejahr könnte die „große Rücklage“ dann aufgelöst werden.
(Quellen: Carolin Born, dpa, Reuters, tei)
Die EU-Kommission soll ermächtigt werden, alle Unternehmen in der EU direkt zu kontrollieren
24. 09. 2022 | Mit Ihrem Gesetzentwurf für ein „Notfallinstrument für den Binnenmarkt“ plant die EU-Kommission im nicht näher definierten Krisenfall zur obersten Wirtschaftskontrollbehörde der Unternehmen in allen Mitgliedsländern zu werden. Sie will Unternehmen, die sie für krisenrelevant erklärt, vorschreiben können, was sie produzieren und an wen sie es zu liefern haben. Der Demokratie und der Marktwirtschaft in Europa geht das an die Substanz.
Selbstverständlich gibt es gute Gründe, in Krisensituationen mehr Kooperation zu pflegen. Vieles, was die EU-Kommission in ihren Entwurf für ein „Notfallinstrument für den Binnenmarkt“ geschrieben hat, ist in diesem Lichte sinnvoll, wenn und solange man die Abwesenheit von Missbrauchswillen unterstellt, auch Jahrzehnte in die Zukunft.
Das Notfallinstrument ist ein Notstandsgesetz. Und bei Notstandsgesetzen ist zentral, wer darüber entscheidet und wie leicht es ist, einen Notstand auszurufen und die entsprechenden Befugnisse zu aktivieren. Denn wer mehr oder weniger nach Belieben den Notstand erklären kann, hat große Macht, die er missbrauchen kann. Das geplante, nach dem englischen Namen Single Market Emergency Instrument als SMEI abgekürzte EU-Gesetz gibt in dieser Hinsicht mehr als genug Anlass zur Besorgnis.
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