Deutschland droht sein Klimaziel für 2030 zu verpassen, …
…allen Mühen zum Trotz. Der Ausstieg aus der Atomkraft wird die Kohlenstoff-Emissionen nur noch weiter erhöhen. Das muss verhindert werden. Offener Brief führender internationaler Umweltschützer an alle Deutschen. …
Mehr… Während des jüngsten Wahlkampfes war von der Enttäuschung junger Deutscher über alle politischen Parteien die Rede, weil diese nicht entschlossen genug für den Klimaschutz eintreten. Die jungen Leute sind zu Recht beunruhigt.
Ein Entwurf des Regierungsberichts vom Sommer dieses Jahres prognostiziert, dass Ihr Land auf der Grundlage der Politik vom August 2020 sein Klimaziel für 2030, die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken, um 16 Prozentpunkte weitgehend verfehlen und nur 49 Prozent erreichen wird. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass die seither beschlossenen Maßnahmen diese Lücke vollständig schließen werden.
Deutschland schöpft jedoch nicht alle Möglichkeiten aus, die dem Land zur Verfügung stehen. Der Elefant im Raum ist, dass Deutschland die Kohlenstoffemissionen seines Energiesystems dadurch erhöht, indem es aus der Kernenergie aussteigt. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Dekarbonisierung der Elektrizitätswirtschaft die Hauptstrategie ist, um effektiv zu einem Energiesystem mit null Nettoemissionen zu kommen.
Ende 2021 sollen drei der verbleibenden sechs Kernreaktoren, Gundremmingen-C, Grohnde und Brokdorf, endgültig abgeschaltet werden. Ein Jahr später werden die letzten drei, Neckarwestheim-2, Emsland und Isar-2, geschlossen. Dieser um zwei Jahrzehnte vorgezogene Verlust kohlenstoffarmer Stromerzeugung mit einer installierten Leistung von acht Gigawatt, die derzeit für zwölf Prozent der deutschen Jahresstromproduktion sorgt, wird unweigerlich zu rund 60 Millionen Tonnen zusätzlicher Kohlenstoffemissionen pro Jahr führen. Denn es müssen mehr fossile Brennstoffe verbrannt werden, um die erforderliche Ersatzleistung zu erbringen. Dies wird die nationalen Emissionen im Vergleich zum Bezugsjahr 1990 um 5 Prozent erhöhen.
Ihr Land kann sich einen solchen unnötigen Rückschlag zu einem Zeitpunkt nicht leisten, an dem seine Emissionen nach der Pandemie bereits wieder stark ansteigen: Im Jahr 2021 werden sie voraussichtlich nur 37 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen und damit immer noch 3 Prozentpunkte über dem für 2020 angestrebten Ziel einer 40-prozentigen Senkung (das effektiv verfehlt wurde). Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Bau von Nord-Süd-Übertragungsleitungen verzögern sich derzeit, während der jüngste steile Anstieg der Erdgaspreise die Verbrennung von Kohle begünstigt.
Sie könnten Ihr Klimaziel für 2030 noch erreichen. Sie könnten immer noch einen Kurswechsel vornehmen und Ihre Prioritäten so ändern, dass der Kohleausstieg vor dem Atomausstieg erfolgt. Alles, was es dazu benötigt, ist eine Klima-Notstandsverordnung mit Änderung des Atomgesetzes, welche die 2010 vereinbarten Laufzeitverlängerungen für die Kraftwerke auf 2030 bis 2036 wieder in Kraft setzt.
Sind Ihre Politiker mutig genug, diese konkrete Änderung, die sich eindeutig positiv auf die Emissionen auswirken würde, in Ihrem Namen zu einem kritischen Zeitpunkt in der Klimakrise umzusetzen? Diese Notfallmaßnahme – eine einfache Verschiebung des Atomausstiegs – würde zu Recht den Respekt der jungen Generation und der kommenden Generationen verdienen.
Unterzeichner:
Prof. Wade Allison – Physiker, University of Oxford, Großbritannien; Dr. Simon Friederich – Vorsitzender, Ökomoderne, Deutschland; Prof. Joshua Goldstein – Politikwissenschaftler, American University, USA; Malcolm Grimston – Energieanalytiker, Imperial College London, Großbritannien; Johannes Güntert – Stellvertrender Aufsichtsratsvorsitzender, Bürger-Energie Südbaden, Deutschland; Dr. James Hansen – Klimaforscher, Columbia University, USA; Prof. Rafaela Hillerbrand – Wissenschaftsphilosophin, Karlsruher Institut für Technologie, Deutschland; Rainer Klute – Vorsitzender, Nuklearia, Deutschland; Dr. John Law – Gründer, Clean Energy Revolution, Großbritannien; Mark Lynas – Umweltschützer und Autor, Großbritannien; George Monbiot – Umweltschützer und Autor, Großbritannien; Prof. Kalypso Nicolaidis – Politikwissenschaftlerin, Europäisches Hochschulinstitut, Italien; Rauli Partanen – Gründer, Think Atom, Finnland; Prof. Steven Pinker – Kognitionswissenschaftler, Harvard University, USA; Iida Ruishalme – Biodiversitäts-Analystin und Bloggerin, Schweiz; Amardeo Sarma – Vizevorsitzender, Ökomoderne, Deutschland; Theo Sommer – ehemaliger Chefredakteur, Die Zeit, Deutschland; Robert Stone – Dokumentarfilmemacher, USA; Prof. Geraldine Thomas – Molekularbiologin und Direktorin der Tschernobyl-Gewebebank, Imperial College London, Großbritannien; Tea Törmänen – Leiterin für internationale Angelegenheiten, Ekomodernistit, Finnland; Liza Tóth – Mitgründerin, Saving Our Planet, Frankreich; Myrto Tripathi – Gründerin, Voix du Nucléaire, Frankreich; Dr. Anna Veronika Wendland – Historikerin und Autorin, Deutschland; Dr. Ludger Wess – Journalist und Wissenschaftsautor, Deutschland; Julie Wornan – Mitgründerin, Saving Our Planet, Frankreich.