Die Zukunft gehört elektrisch angetriebenen Fahrzeuge.
Davon ist auch der Ingenieur und Journalist Jean Pütz überzeugt. Allerdings hält er Autos mit großen, schweren Batterien für einen Irrweg. Im Interview erklärt er warum.
MehrDer Wissenschaftsjournalist Jean Pütz hat bereits 1969 in seiner TV-Serie „Energie, die treibende Kraft“ auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Anstieg der globalen Temperatur durch effiziente Nutzung von Energie zu begrenzen. Mit den aktuell diskutierten Klimaschutzmaßnahmen ist der studierte Elektroingenieur, der am 21. September 2021 seinen 85. Geburtstag feiert, allerdings nicht glücklich. …
… WELT: Der Klimawandel war noch in keinem Bundestagswahlkampf ein so großes Thema wie derzeit. Freut Sie das?
Jean Pütz: Ganz und gar nicht. Wir erleben da eine unsägliche Fokussierung auf die Elektromobilität. Nicht nur die Grünen fordern den vollständigen Umstieg auf Elektrofahrzeuge und ein Verbot des Verbrennungsmotors. Zunächst einmal lenkt es von den eigentlichen Herausforderungen ab. Hierzulande werden rund 40 Prozent der CO2-Emissionen durch das Heizen und Kühlen von Gebäuden verursacht. Dort müsste man in erster Linie auf klimafreundliche Alternativen setzen. Die Verbrennungsmotoren der privaten Pkws tragen hingegen nur mit maximal sechs Prozent zu den CO2-Emissionen bei. Das Ende von Verbrennungsmotoren zu fordern, ist stümperhaft und populistisch. Es führt in eine Sackgasse.
WELT: Warum das? Man kann doch sowohl das eine tun und das andere nicht lassen. Was wäre falsch daran, diese immerhin sechs Prozent CO2-Emissionen zu vermeiden?
Pütz: Verbrennungsmotoren können uns sogar helfen, die Klimaziele zu erreichen. Denn mit ihrer Hilfe lässt sich der Energieverbrauch von Häusern deutlich reduzieren.
WELT: Das müssen Sie genauer erklären!
Pütz: Wenn man im Keller mit einem kleinen Verbrennungsmotor elektrische Energie erzeugt und dabei die Abwärme zum Heizen und zur Warmwassererzeugung nutzt, dann spart man sehr viel Energie und CO2 ein. Mit dieser Technik könnten zahllose Öl- und Gasheizungen ersetzt werden, die CO2-Schleudern sind. Schließlich kann man ja nicht alle Häuser in Deutschland mit Strom heizen oder mit einer Wärmepumpe ausstatten. Die benötigt ebenfalls Strom oder man nutzt eine Gas-Wärme-Pumpe, die dann wiederum auf einem Verbrennungsmotor basiert. Beide Technologien nutze ich schon lange in meinem Haus. Mein mit Erdgas angetriebenes Kleinheiz-Kraftwerk erzeugt neben Wärme zum Heizen auch 5,5 Kilowatt Strom. Auf dem Dach habe ich außerdem Solarzellen und Systeme zur solaren Warmwassererzeugung. Eine gute Isolierung des Hauses trägt dazu bei, dass ich extrem wenig Energie zum Heizen benötige.
Je schwerer ein Auto, umso größer der Reifenabrieb
WELT: Auch wenn man Verbrennungsmotoren für diese Zwecke nutzt, wäre das für sich noch kein Argument, nicht auf Elektroautos zu setzen.
Pütz: Dem Elektroauto gehört in der Tat die Zukunft, aber nicht dem Elektroauto, wie es heute von Tesla und anderen konzipiert wird. In diesen Fahrzeugen stecken sehr schwere Batterien. Das ist so, als würde man noch sechs weitere Fahrgäste in seinem Auto mitnehmen. Das ist nicht nur energetisch ein Problem. Je schwerer ein Auto ist, umso größer ist auch der Abrieb der Reifen. Da gibt es einen linearen Zusammenhang – also doppeltes Gewicht gleich doppelter Abrieb. In den Reifen steckt aber nicht nur Gummi, sondern auch Plastik. Mit dem Abrieb gelangt Feinstaub in die Umwelt und damit Mikroplastik. Dieser Aspekt wird von den Grünen gerne ignoriert. Ein großer SUV mit schweren Batterien an Bord ist eine Unverschämtheit. Das entscheidende Argument gegen eine flächendeckende Einführung von Elektroautos ist aber, dass man in Deutschland niemals so viel elektrische Energie erzeugen kann, um damit alle Kraftfahrzeuge zu betreiben – und nachhaltig schon gar nicht. Wir importieren heute rund 80 Prozent unserer Primärenergie. Ein von Energieimporten unabhängiges Deutschland ist eine Illusion. Wenn man nur die Hälfte der heutigen Elektroautos gleichzeitig ans Stromnetz hängen würde, bräche es zusammen. Mein Eindruck ist, dass Annalena Baerbock den Unterschied zwischen Primärenergie und elektrischer Energie nicht kennt. Wunschdenken allein reicht nicht.
WELT: Haben Sie eben nicht selbst gesagt, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört?
Pütz: Ja, aber es müssen Elektroautos ohne große Batterien sein. Nichts spricht dagegen, Autos mit Elektromotoren auszustatten. Die haben einen sehr großen Wirkungsgrad. Doch der Strom für diese Motoren sollte an Bord mit Verbrennungsmotoren aus synthetischen Treibstoffen erzeugt werden. Das wäre CO2-neutral, die Autos wären viel leichter und insbesondere viel preiswerter. Der im Moment eingeschlagene Weg zur Elektromobilität ist nicht nur für einkommensschwache Menschen ein Problem. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren würde hierzulande auch hunderttausende Arbeitsplätze gefährden.
WELT:Was sind synthetische Treibstoffe und warum sind sie CO2-neutral?
Pütz:Synthetische Treibstoffe werden aus nachhaltig gewonnenem Strom, grüner Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt. Das später bei der Verbrennung im Auto freigesetzte CO2 wurde also anfangs der Umwelt entzogen und in das Treibstoff-Molekül eingebaut. Das ist also ein klimaneutraler CO2-Kreislauf. Und weil wir in Deutschland die benötigten Mengen an synthetischen Kraftstoffen nicht selbst produzieren können – so viele Windräder und Solaranlagen lassen sich hierzulande gar nicht aufstellen – müssten diese aus Ländern mit sehr viel Sonne und freien Flächen importiert werden. Denkbar sind verschiedene synthetische Kraftstoffe. Ich persönlich setzte da auf Methanol.
Mit einer Tankfüllung 1500 Kilometer fahren
WELT:Warum Methanol?
Pütz: Weil es da schon den Proof of Principle gibt. Eine innovative österreichische Firma hat ein Hyper-Hybrid-Auto entwickelt – kein Plug-in-Hybrid – das mit einem Zwei-Zylinder-Motor einen Wirkungsgrad von 56 Prozent erreicht. Der Verbrauch liegt bei zwei Liter Treibstoff auf 100 Kilometer. Mit einer Tankfüllung von 30 Litern kann man also 1500 Kilometer weit fahren. Und wenn der Tank leer ist, ermöglicht die kleine Batterie weitere 100 Kilometer. Ich habe die Hyper-Hybrid-Technik bereits vor 15 Jahren empfohlen und empfinde es als wunderbar, dass das inzwischen umgesetzt wird. Ein besonders effizienter Verbrennungsmotor in Kombination mit synthetischen Treibstoffen ist die Lösung. Auch, weil diese Autos nicht teurer sind als die bisherigen Verbrenner-Fahrzeuge.
WELT: Was genau ist der Unterschied zwischen einem Hyper-Hybrid-Auto und einem Plug-in-Hybrid?
Pütz: Beim Plug-in-Hybrid gibt es noch parallel einen mechanischen und elektrischen Antrieb. Das halte ich für idiotisch. Das Hyper-Hybrid-Auto ist hingegen ein rein elektrisch angetriebenes Autos, das ganz ohne Mechanik und Getriebe auskommt. …
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Einschub MEDIAGNOSE: Ein hervorragender Artikel zum Hyper-Hybrid-Auto
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… WELT: Was wünschen sie sich von der neuen Bundesregierung?
Pütz: Ich wünsche allen Politikern die Erkenntnis, dass es fundamentale Gesetze der Physik und Chemie gibt, die sich durch keine Ideologie umgehen lassen. Das gilt sowohl für den menschengemachten Klimawandel als auch die technischen Ansätze zum Erreichen von CO2-Neutralität. Ich wünsche mir, dass es keine milliardenschweren staatlichen Subventionen für das Batterie-schwere Elektroauto herkömmlicher Bauart mit schlechter Ökobilanz gibt. Mein großer Traum ist, dass unsere freiheitliche Demokratie noch in der Lage ist, fundamentale Probleme zu lösen ohne Populismus und ohne Zwangswirtschaft.
Zur Person
Jean Pütz wurde am 21. September 1936 in Köln geboren. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zum Elektromechaniker arbeitete er ein Jahr als Betriebselektriker in einem Luxemburger Eisenhüttenwerk. 1955 wechselte er nach einer abgeschlossenen Aufnahmeprüfung für Sonderbegabte auf die damalige staatliche Nikolaus Otto Ingenieurschule (heute TH Köln), an der er 1959 das Studium als Ingenieur der Nachrichtentechnik abschloss. Danach holte er im zweiten Bildungsweg das Abitur nach und studierte Physik und Mathematik für das Lehramt der Sekundarstufe II, welches er 1964 mit dem I. Staatsexamen abschloss. Parallel zur zweijährigen Referendarzeit studierte Pütz noch Soziologie und Volkswirtschaft. Von 1970 bis 2001 war Jean Pütz Redakteur beim WDR, wo er schon bald die Redaktion Naturwissenschaft und Technik leitete. Bekannt wurde er insbesondere mit der Sendereihe „Hobbythek“, die „Wissenschaftsshow“ und den Umweltmagazinen „Dschungel“ und „Globus“. Pütz ist Gründungsmitglied der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) und war von 1990 bis 2003 Vorsitzender des WPK-Vorstandes.