… weist nach, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden:
[…] Während Dänemark seine Corona-Maßnahmen abgeschafft hat, wird bei uns über Schikanen wie 2G diskutiert. Begründung: Unsere Impfquote sei ja niedriger. Doch das Argument ist falsch. Der entscheidende Unterschied zwischen deutscher und dänischer Pandemiepolitik liegt woanders.
MehrLeider sind wir noch nicht so weit wie Dänemark! Dort sind am 10. September alle Corona-Maßnahmen gefallen, die Pandemie ist vorbei. Allerdings nur, so reden sich die Deutschen ein, weil schon 76 Prozent der Dänen geimpft sind. Bei uns hingegen sind es, zumindest laut offizieller und also unzuverlässiger Zählung, nur 66 Prozent. Tja, Pech gehabt! Oder wie Jens Spahn es, auf Dänemark angesprochen, in einer Talkshow sagte: „,Freedom Day‘ ist, wenn wir noch mehr Impfungen haben.“
Wer’s glaubt, wird selig – wie schon jene, die Kanzleramtschef Helge Braun beim Wort nahmen, als er im März sagte: „Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren.“ Es wäre zu schön, wenn nur zehn Prozentpunkte bei der Impfquote den Unterschied ausmachten zwischen einem Land, in dem selbst Grundschulkinder Masken tragen müssen, und einer freien Gesellschaft. Aber diese Schlussfolgerung ist falsch – und sie basiert auf grober Unkenntnis über unser nordisches Nachbarland.
Normalität in Dänemark – Wann ist Deutschland so weit?
Denn Dänemark hat zwar jetzt eine Impfquote von 76 Prozent. Die meisten Corona-Schutzmaßnahmen, die bei uns als selbstverständlich gelten, wurden dort aber schon vor Monaten abgeschafft. So fiel am 14. Juni die Maskenpflicht in Schulen und Geschäften, allein für Busse und Bahnen blieb sie noch eine Weile bestehen – damals waren nur 48 Prozent der dänischen Bevölkerung geimpft.
Auf den Gedanken, die Dänen hätten sich ihre Freiheit lediglich durch das tüchtige Erreichen einer vorgegebenen Impfquote „verdient“, kann man nur in einem Land kommen, dessen Rechtsauffassung sich in anderthalb Jahren depressiver Notstandspolitik bedenklich verfinstert hat – und das die Realität in anderen Ländern nur noch wie durch einen Filter wahrnimmt.
Die dänische Regierung hatte damals, während Deutschland sich in einem Akt der Selbsthypnose auf die „Bundesnotbremse“ samt Ausgangssperren einstimmte, einen Öffnungsplan vorgelegt – und zugleich die Perspektive ausgegeben, dass man schnellstmöglich zur Normalität zurückkehren will, sobald alle Bürger über 50 die Möglichkeit zur Erstimpfung bekommen haben. Dänemark hat diesen Weg konsequent verfolgt und die Beschränkungen im Frühling und Sommer nach und nach aufgehoben. Der „Freedom Day“ am 10. September war nur das Finale, der allerletzte Schritt in die Eigenverantwortung.
Lauterbach wäre der langfristigen Gesundheit der Menschen viel gerechter geworden, hätte er im März vor dem deutschen Weg gewarnt. Denn Dänemark steht heute in jeder Hinsicht besser da als Deutschland. Insbesondere die Alten, im Gegensatz zu Kindern und Jugendlichen ernsthaft gefährdet, sind fast vollständig geimpft.
Ein Staat, der seinen Bürgern vertraut, genießt halt auch im Gegenzug mehr Vertrauen als einer, der die „Impfunwilligen“ durch 2G-Schikanen und Stimmungsmache zu ihrem Glück zu zwingen versucht. Höchste Zeit, von Dänemark zu lernen.
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*Weil die Meinung außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Corona-Wie gehts weiter?“ ist, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.
Dänemark steht nicht so gut da, weil fast 80% der Dänen geimpft sind. Dänemark (und jetzt auch Schweden) stehen gut da, weil die Bürger sich überwiegend verantwortungsvoll benehmen. Weil nicht überbordend Festivitäten mit massenhaft Teilnehmern gefeiert wurden, weil es nicht so viele Grossfamilien mit Massenhochzeiten gibt, usw..
Das Impfen hat insofern eine Rolle gespielt, als die RISIKOGRUPPEN geschützt wurden. Sind die Alten und die Menschen mit den coronarelevanten Vor-Erkrankungen erst einmal aus der Schusslinie genommen, spielt es praktisch nur noch eine untergeordnete Rolle, wie viele Impfungen MEHR es dann in einer Gesellschaft dann noch gibt.
DER STRASSENVERKEHR WÜRDE JA AUCH NICHT DADURCH SICHERER, WENN MAN AUCH FUSSGÄNGER VERPFLICHTETE, SICHERHEITSGURTE ANZULEGEN.
Hier einige (teils gerundete) Zahlen zur kumulierten Totenzahl aufgrund von Corona im internationalen Vergleich (ich weiss, diese Zahlen sind teilweise mit Vorsicht zu geniessen):
Österreich: 1200 Coronatote pro Million Einwohner; Brasilien: 2760; Belgien: 2200;
Kroatien: 2085; Frankreich: 1730; Deutschland: 1110; Griechenland: 1400; Indien: 320;
Italien: 2160; Norwegen: 154; Schweden: 1454; Schweiz: 1264; Serbien: 1150; Dänemark: 450.
Bemerkenswert ist an diesem Vergleich, dass die Totenzahlen und die Inzidenz bei ausreichender Impfbasis komplett auseinanderlaufen; so hat Serbien etwa momentan eine Inzidenz von um die 700, die Schweiz liegt um 170, vor kurzem noch über 200 (die Hospitäler sind trotzdem alles andere als voll).
Des weiteren fällt auf, dass Strenge der Anti-Coronamassnahmen und Todeszahlen offenbar wenig bis gar nicht korreliert sind. Frankreich hatte extrem strenge Massnahmen, aber die Todeszahlen sind nicht niedriger als im „lockeren“ Schweden, im Gegenteil. Die Schweiz steht, was die Strenge der Corona-Massnahmen angeht, etwa zwischen Deutschland und Schweden, auch hier sind die Todeszahlen keineswegs exorbitant.
Die Strenge der Coronamassnahmen ist offenbar korreliert mit anderen Gründen, die in der politischen Kultur der einzelnen Länder liegen. In Deutschland, das hat sich jetzt wieder einmal in erschreckender Weise gezeigt, ist die demokratische Kultur nur schwach, das obrigkeitsstaatliche Denken hingegen sehr stark verwurzelt. Deutsche Politiker (ebenso französische) regeln eben gerne.
Schweizer würden sich das einfach nicht bieten lassen.
Das hat der dort verantwortliche Politiker, Alain Berset, sehr früh erkannt. Die Wahrnehmung und die Haltung der Bevölkerung müsse berücksichtigt werden, wenn man Massnahmen ergreife, erkannte Berset; gegen das Volk sei eine Anti-Coronapolitik in der Schweiz nicht zu machen.
Das ist eben der wesentliche Unterschied zwischen Deutschen und Schweizern: Deutsche lassen alles mit sich machen – Schweizer nicht.
Ergänzung/Korrektur: In Serbien steigen momentan auch die Todeszahlen wieder stark. In der Schweiz (wie auch in anderen Ländern mit relativ hohen Inzidenzen, aber gutem Impfstatus) hingegen nicht. – Alle Daten aus ‚Our World in Data‘.