Kalifornien ist auf Dieselgeneratoren angewiesen
Immer wieder knapp wird der Strom auch in Kalifornien. Der US-Bundesstaat hat in den letzten Jahren zahlreiche Gaskraftwerke abgeschaltet und durch unzuverlässige Windräder und Solarpanels ersetzt. Im Juni musste Kalifornien zweimal einen sogenannten «FlexAlert» ausrufen und die Bevölkerung auffordern, Elektrofahrzeuge und digitale Geräte nicht in den Abendstunden zu laden, wenn Stromknappheit drohte. Mit preislichen Anreizen versuchten die Behörden, die Strombezüger dazu zu bringen, nicht zu den heiklen Zeiten ihr Geschirr zu spülen und ihre Wäsche zu waschen. Mittlerweile sieht Kalifornien sogar den Einsatz von Dieselgeneratoren vor, um Blackouts zu verhindern (siehe hier)
Und wie ist es in der Schweiz? Das Land hat noch immer eine vergleichsweise stabile Stromversorgung, denn vorläufig sind vier von ursprünglich fünf Atomkraftwerken noch am Netz. Zudem spielen Wind- und Sonnenenergie erst eine untergeordnete Rolle. Aber auch in der Schweiz ist in den nächsten Jahren mit einer steigenden Stromnachfrage zu rechnen.
4,2 Prozent aller Neuwagen sind elektrisch
Vor allem die Elektrifizierung des Verkehrs führt zu einem höheren Bedarf. 2019 waren auf den Schweizer Strassen 0,93 Prozent aller Autos mit Strom unterwegs. 2015 hatte dieser Anteil erst 0,17 Prozent betragen. Bei den Neuzulassungen machten die E-Mobile im letzten Jahr bereits 4,2 Prozent aller Neuwagen aus. Wenn aber viele Leute gleichzeitig ihre elektrischen Fahrzeugen laden wollen, zum Beispiel in den Abendstunden, kann das die Kapazitäten des Stromnetzes überfordern. Denn ein Elektrofahrzeug braucht viel Energie, wenn es am Netz hängt. …
____________________
«Wir müssen eingreifen, damit es keinen Blackout gibt.»
Patrick Bader, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen
____________________
… Offenbar sind die Probleme in der Schweiz schon so gross, dass sich die Netzbetreiber und Stromproduzenten zu Massnahmen gezwungen sehen. Konkret soll der Bezug von Strom zum Laden von Elektrofahrzeugen zu bestimmten Zeiten eingeschränkt werden. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) hat sich mit seinen Partnerverbänden in Deutschland, Österreich und Tschechien abgesprochen, um die technischen Voraussetzungen für eine Beschränkung zu schaffen. «Wir müssen eingreifen, damit es keinen Blackout gibt», begründete Patrick Bader vom VSE den Schritt gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin «Focus».
Absprache mit anderen europäischen Ländern
Claudia Egli, Sprecherin des VSE, versucht, den Ball falsch zu halten. Es gehe nicht um die Rationierung von Strom, «sondern darum, in seltenen Konstellationen eine Netzüberlastung verhindern zu können», schreibt sie. Erstes Ziel sei es, die Verbraucher wenn immer möglich mit Tarifanreizen zu einer optimalen Nutzung der Netze zu bewegen. «Wenn aber der sehr seltene Fall eintritt, dass eine Überlastung droht, muss der Netzbetreiber ausnahmsweise direkt eingreifen können und beispielsweise sämtliche Ladestationen in einem Netzgebiet temporär um 50 Prozent drosseln», so Egli.
Künftig müssen sich E-Mobil-Besitzer unter Umständen also gedulden, wenn sie ihr Fahrzeug laden wollen. Der VSE hat zusammen mit seinen Partnerorganisationen in den erwähnten Ländern eine technische Schnittstelle definiert, über die Ladestationen künftig verfügen müssen, um eine× Zulassung zu erhalten. «Über diese Schnittstelle kann der Netzbetreiber der Ladestation mitteilen, dass sie den Ladestrom innert einer bestimmten Zeit reduzieren muss», schreibt Claudia Egli. Das angeschlossene Fahrzeug könne den Ladevorgang dann kontrolliert herunterfahren und diesen später neu starten. Verpflichtend soll die neue Schnittstelle ab Anfang 2022 sein.
Laststeuerung gegen lokale Überlastung
Der Bund bestätigt die Massnahmen. Marianne Zünd, Geschäftsleitungsmitglied beim Bundesamt für Energie, schreibt von «temporärer Leistungsbegrenzungen zur Netzentlastung». Bei dieser «Laststeuerung» gehe es um das Verhindern einer lokalen Überlastung, nicht eines flächendeckenden Blackouts. «In Tiefgaragen kann ein Lastmanagement sicherstellen, dass die Hausanschlüsse nicht überlastet werden», so Zünd.
Sie weist darauf hin, dass Laststeuerung in der Schweiz nichts Neues sei. So könne schon heute über Rundsteuersignale sichergestellt werden, dass zur Mittagszeit, wenn alle am Kochen sind, die Waschmaschinen nicht laufen. «Ähnlich können auch Wärmepumpen oder Boiler gesteuert werden.»
Wie auch immer: Die Schweizer Stromkonsumenten müssen sich in Zukunft vermehrt auf Momente einstellen, in denen es keinen «Pfuus» gibt, wenn sie «Pfuus» haben wollen.
Der Beitrag erschien zuerst im Schweizer Nebelspalter hier