Lesen Sie das Interview und fragen Sie sich, ob eine Impfung sinnvoll ist!
Nicht jeder Mensch …
Mehr… reagiert gleich auf die Covid-19-Impfung: Der eine bildet weniger Antikörper, der andere hat mehr Nebenwirkungen. Eine Immunologin erklärt, wann und unter welchen Umständen die Vakzine trotzdem gegen die Delta-Variante schützen. …
… Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, [Prof.] Dr. Christine Falk, ist Expertin für Immunschutz. Sie zeigt sich wenig besorgt darüber, dass sich bereits Geimpfte doch noch mit dem Coronavirus infizieren können. Im Interview mit der WELT erklärt sie, warum sowohl sogenannte High-Responder als auch Low-Responder relativ gut geschützt sind – und sich wenig Sorgen um ihre Antikörperwerte machen sollten. Und sie erklärt, welche Personen trotzdem besonders auf sich achten sollten.
WELT: Frau Dr. Falk, rund 60 Prozent der Deutschen haben inzwischen mindestens eine Corona-Impfung bekommen. Das heißt aber nicht, dass bei diesen Menschen der Immunschutz aktiviert und ausreichend stark ist. Warum fällt bei einigen die Immunantwort nach einer Corona-Impfung zu schwach aus?
Christine Falk: Bei den „Normalpersonen“, wie wir sie in der Immunologie nennen, bleibt die Immunantwort nicht aus. „Normalpersonen“ sind diejenigen, die nicht regelmäßig Medikamente einnehmen, und in der Regel gesund sind. Seit wir Immunreaktionen messen, wissen wir, dass es sogenannte High-Responder und Low-Responder gibt. Es treten also graduelle Unterschiede auf, und das Immunsystem verfügt über eine Art natürliche „Laune“, sodass es unterschiedlich stark auf eine Impfung reagiert.
Diejenigen, die wirklich gute Immunantworten haben – und zwar bei allen Impfstoff-Typen – sind bei der aktuellen Covid-Impfung die Regel und nicht die Ausnahme. Auch Personen, die erst eine einzige Impfung erhalten haben, fangen bereits an, eine gute T-Zell- und Antikörperantwort zu bilden. Bei der zweiten Impfung verbessern sich dann die Antikörper noch einmal deutlich. Und es wird ein immunologisches Gedächtnis bei den T-Zellen und B-Zellen erstellt, also den Abwehrzellen, die für die Bildung der Antikörper zuständig sind.
WELT: Welche Personengruppen neigen am ehesten dazu, keinen beziehungsweise einen schlechten Immunschutz aufzubauen?
Falk: Es gibt drei Gruppen, die generell eine schlechtere Immunantwort hervorbringen. In der Regel, weil sie medikamentös behandelt werden. Betroffen sind zum Beispiel Krebspatienten, die eine Therapie bekommen, in der die B-Zellen aus dem Blut entfernt werden. Das ist etwa der Fall, wenn jemand einen Tumor aus der B-Zell-Reihe hat. Es ist wie ‚Keine Arme, keine Schokolade‘: Ohne B-Zellen keine Antikörper.
Dann gibt es Menschen mit Autoimmunerkrankungen, bei denen ebenfalls die B-Zellen entfernt wurden. Diese immunsupprimierten Patienten können zwar keine Antikörper, aber trotzdem noch eine T-Zellen-Antwort bilden.
Transplantationspatienten haben ebenfalls ein unterdrücktes Immunsystem. Auch sie können deshalb keine guten Immunantworten erzeugen. Bei diesen Menschen wirkt das normale Impf-Schema nicht und um die müssen wir uns natürlich kümmern.
Gesunde müssen sich um ihren Schutz keine Sorgen machen
WELT: Bedeutet das, dass alle, die nicht in diese drei Gruppen fallen, sich keine Sorgen um ihre Immunantwort machen müssen?
Falk: Im Grunde genommen ja. Alle anderen können alle spezifische Antikörper und T-Zellen bilden, aber wie gesagt mit graduellen Unterschieden. Das Spike-Protein, gegen das sich die Impfstoffe in der Regel richten, ist ziemlich groß, an ihm haben viele Antikörper Platz.
Ich vergleiche das Spike-Protein gerne mit einem Schnappschlüssel, wie wir ihn von alten Autos kennen. Es hat einen kleinen Abschnitt, den es ausklappt. In diesem Zustand kann dann das Virus mit dem Protein an die Zellen im Nasen-Rachenraum andocken und in sie eindringen. Wenn man nun viele Antikörper hat, ist es etwa so, als würde man den Autoschlüssel mit einem Kaugummi umkleben. Dann passt der Schlüssel nicht mehr ins Schloss.
Das ist auch das Prinzip bei der Immunantwort: Die Antikörper kleben sich außen um das Spike-Protein und schützen den Menschen dadurch vor einer Virusinfektion. Bei der Delta-Variante binden aber manche Antikörper nicht mehr so richtig gut. Bei High-Respondern binden beispielsweise nur noch 80 Prozent der Antikörper, aber immerhin.
Bei einem Low-Responder, der vielleicht von vornherein weniger Antikörper hatte, binden dann nur noch 30 Prozent der Antikörper – dieser Mensch wäre dann nicht so gut geschützt. Das bedeutet, dass sich auch Geimpfte anstecken können. Aber die Infektion nimmt bei ihnen in der Regel einen leichten Verlauf, weil ihre T-Zellen immer aktiv sind. Diese Personen müssen auch normalerweise nicht ins Krankenhaus. Darum beunruhigt es mich gar nicht, dass sich auch Geimpfte infizieren können.
WELT: Wenn nach der Impfung die Nebenwirkungen ausbleiben, jemand also nicht Symptome wie Kopfweh, Müdigkeit oder etwas Ähnliches verspürt: Sind das valide Anzeichen dafür, dass das Immunsystem bei ihm nicht anspringt?
Falk: Das fragen sich viele Menschen. Die Nebenwirkungen sind ganz individuell und sagen nichts darüber aus, wie stark die Wirkung der Impfung ausfällt. Es gibt Menschen, bei denen arbeitet das Immunsystem total unauffällig und sie sind dennoch bestens geschützt. Man muss sich also keine Sorgen machen. Andere wiederum haben heftige Reaktionen mit Schüttelfrost oder Kopfweh und haben dennoch insgesamt eine schwächere Immunantwort. Aber sie haben eine.
WELT: Wie kann jemand testen, wie stark die eigene Immunantwort ist?
Falk: Die Personen aus den drei Patientengruppen, die ich genannt habe, wissen, dass sie auf sich aufpassen müssen. Auch ohne Antikörper haben sie immer noch die T-Zellen. Für diese Gruppen gibt es die Empfehlung, dass ihre Antikörper-Werte getestet werden sollten. In unseren Transplant-Zentren schauen wir uns zum Beispiel die Werte bei den Transplantationspatienten genau an. Auch die anderen Patienten befinden sich meist in enger Betreuung. Für Menschen, die nicht in diese Gruppen fallen, benötigen wir keine Tests. Selbst wenn ihre Immunantwort unterschiedlich stark ist, funktioniert sie in der Regel sehr gut.
WELT: Warum benötigt man keine Tests? Diesen Low-Respondern könnten doch Tests anzeigen, dass sie vorsichtiger sein sollten.
Falk: Man möchte die Leute aber auch nicht verrückt machen. Es muss jetzt nicht jeder nochmal nachschauen lassen, ob er oder sie hohe Antikörpertiter besitzt. In Spezialfällen kann man natürlich den Hausarzt um einen routinemäßigen Antikörpertest gegen das bitten. Aber Sie dürfen auch nicht vergessen: Die Tests sind je nach ausführendem Labor sehr unterschiedlich. Manche geben nur eine Ja-Nein-Antwort. Das „Nein“ entspricht oft dem „ein bisschen was ist doch da“, nur wird ein festgelegter Schwellenwert nicht mehr erreicht. Und wenn ein „Ja“ auf dem Testbericht steht, wissen Sie immer noch nicht, ob Sie ein High- oder Low-Responder sind.
WELT: Wie häufig kommt es vor, dass jemand keinen ausreichenden Schutz hat? Gibt es Zahlen?
Falk: Es ist sehr schwer, welche anzugeben. Die Transplantationspatienten sind keine große Gruppe in Deutschland. Bei den onkologischen Patienten hängt viel von der Art der Behandlung ab, also wie immunsuppressiv die Therapie ist. Nicht alle Krebspatienten sind also gleich einzustufen. Bei Personen über 70 können die Antikörper auch von Natur aus niedriger sein, irgendwann lässt der Immunschutz mit dem Alter leicht nach. Hier müssen wir also am ehesten über weitere Impfungen nachdenken, gerade auch wegen der Delta-Variante.
Normalpersonen brauchen noch keine Auffrisch-Impfung
WELT: Welche Rolle spielen die Antikörperwerte für mögliche Auffrisch-Impfungen?
Falk: Bei „Normalpersonen“ muss jetzt noch nicht nachgeimpft werden. Bei ihnen sind die Immunantworten sehr effektiv und man kann davon ausgehen, dass sie länger als ein halbes Jahr halten. Wir müssen aber auf das Infektionsgeschehen achten: Ich plädiere dafür, dass wir die Inzidenzen als Messkriterium beibehalten, um den Verlauf der Pandemie einzuschätzen. Sie sagen uns, ob und wo das Virus zirkuliert.
Das wird gerade in Hinblick auf mögliche neue Mutationen interessant. Und dieses Kriterium ließe sich auch nutzen, um zum Beispiel in bestimmten Regionen Auffrisch-Impfungen in Betracht zu ziehen. Das halte ich zwar derzeit noch nicht für notwendig, aber wir dürfen dem Virus nicht über den Weg trauen.
Mir ist es hier auch wichtig, einer Argumentation zu widersprechen, die häufig zu hören ist: Es wird manchmal so dargestellt, als könnten aggressivere Mutationen hochkommen, wenn wir zu viel impfen. Das glaube ich nicht. Das Spike-Protein ist wie gesagt so groß, dass sich unterschiedliche Antikörper daran binden können, sie können sogar an verschiedene Stellen binden.
Und das Virus kann es aus meiner Sicht auch gar nicht so stark verändern, dass es von unserer Impfantwort überhaupt nicht mehr erkannt wird. Denn dann würde es automatisch für das Eindringen in die Zelle unbrauchbar werden. Dem Menschen könnte gar nichts Besseres passieren, weil der Erreger dann seine Infektiösität verlieren würde. Aber diesen Gefallen wird uns das Coronavirus nicht tun.
Ich denke überhaupt nicht daran, mich impfen zu lassen!
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*Weil das Interview und die Meinung außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Corona-Impfung?“ sind, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.