Ob Masken, Impfstoff oder der Umgang mit Geimpften:
In der Corona-Pandemie reagiert die Regierung erst spät auf voraussehbare Szenarien. WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust erkennt darin ein Muster. Wie bei vielen Krisen zählen die Jüngeren für ihn zu den größten Verlierern.
MehrWELT AM SONNTAG: Dass es schon bald mehr Geimpfte als Ungeimpfte geben wird, war ja schon länger abzusehen. Irritiert es Sie, dass sich die Politik erst jetzt damit beschäftigt, wie es weitergehen soll?
Stefan Aust: Das hätte mich vielleicht früher mal irritiert, aber nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres nimmt man das doch schon fast gleichgültig hin. Jeder gute Manager würde sich frühzeitiger und pragmatischer mit diesen Szenarien auseinandersetzen und dann pragmatisch handeln oder aber sicher Hilfe von außen holen, wenn es zum Beispiel um die Lösung technischer Probleme geht wie bei einem digitalen Impfpass. Mich hat ein Unternehmer angeschrieben, dessen Firma schon lange im Bereich der digitalen Dokumenten-Sicherheit tätig ist und der sich mit seinem Vorschlag an das Bundesgesundheitsministerium gewandt hatte. Er bekam nicht einmal die Chance, sich weiter vorzustellen, weil die Ausschreibung für das Projekt Impfpass angeblich abgelaufen war – aber erst unmittelbar zuvor.
WELT AM SONNTAG: Ist diese fehlende Szenarien-Vorplanung nicht ohnehin ein wiederkehrendes Muster in der Pandemiebekämpfung?
Aust: Sicher, das ging schon mit der Maskenbeschaffung los und zog sich dann im Grunde über alle Etappen, denken wir nur an den Impfstoff-Bezug. Natürlich war die Lage vor einem Jahr neu und fraglos sehr schwierig, aber in vielen Fällen war es dennoch keine Geheimwissenschaft, Lösungen zu finden. Es klingt sicher hart, aber ich halte diese Regierung für die inkompetenteste der vergangenen Jahrzehnte.
WELT AM SONNTAG: Die Jüngeren müssen am längsten warten, bis sie geimpft werden. Ist diese Altersgruppe die größte Verliererin?
Aust: Bei vielen tiefen Krisen sind die Jüngeren die größten Verlierer, weil sie die Suppe auslöffeln müssen. Jetzt eilig für sie aufgesetzte Programme sollen da die Wogen etwas glätten, aber das sind nur Schein-Aktivitäten, deren Wirkung niemals jemand überprüfen wird.
Stefan Aust ist Herausgeber der WELT AM SONNTAG. Die Fragen stellte Jörn Lauterbach.
*Weil der Artikel und die Meinung außerordentlich wichtig für die Debatte „Klimaschutz“ sind, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.