der Kolumne „Woher kommt der Strom?“ 8. Woche …
Sogar bei den Öffentlich-Rechtlichen.
Damit am Ende niemand sagen kann:
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… über zwei vom Deutschen Institut für Menschenrechte als Unterrichtung vorgelegte Berichte beraten, den Jahresbericht 2019 (19/24970) sowie den Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 (19/24971). Anschließend wurden beide Reports zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen.
MehrDie Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention waren zwei Arbeitsschwerpunkte des Deutschen Instituts für Menschenrechte im vergangenen Jahr. Das geht aus dem Jahresbericht 2019 hervor, der nun als Unterrichtung vorliegt (19/24970).
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Jürgen Braun, AfD, „Typischer ´Nazi`, allein der Name!„
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… Weitere Schwerpunkte der Forschungs- und Beratungsarbeit des Instituts lagen bei den Themen kommunale Unterbringung wohnungsloser Menschen sowie die Begleitung der Verhandlungen über ein internationales Abkommen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte. Der Bericht enthält zudem eine Übersicht zur Jahresrechnung des Instituts: Demnach hatte es 2019 Einnahmen in Höhe von rund 6,01 Millionen Euro, davon rund 3,07 Millionen Euro als Zuwendungen des Bundes, rund 1,27 Millionen Euro aus vermischten Einnahmen sowie rund 1,67 Millionen Euro aus Drittmitteln des Bundes und der Länder.
Zu den größeren Ausgabeposten gehörten dem Bericht zufolge „Aufträge Dritter/Drittmittelprojekte Internationale Menschenrechtspolitik“ (0,88 Millionen Euro), „Menschenrechtspolitik Inland/Europa“ (0,57 Millionen Euro) sowie Aufträge Dritter/Drittmittelprojekte Abteilung Menschenrechtspolitik Inland / Europa„ (0,44 Millionen Euro). Für die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention wurden Ausgaben von 0,38 Millionen Euro getätigt, für die Monitoring-Stelle zur UN-Kinderrechtskonvention 0,44 Millionen Euro und die Verwaltungskosten/Gemeinkosten für das Institut schlugen mit rund 1,15 Millionen Euro zu Buche.
Krankheit und Abschiebung ist eines der Schwerpunktthemen des vom Deutschen Institut für Menschenrechte für den Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 erarbeiteten Berichts, der nun als Unterrichtung vorliegt (19/24971).
“Auch wenn der Umgang mit der Corona-Pandemie zu Recht große politische und öffentliche Aufmerksamkeit genießt, bleiben menschenrechtliche Herausforderungen in anderen Politikfeldern bestehen„, heißt es im aktuellen Bericht. So dürften erkrankte Menschen in Deutschland nicht abgeschoben werden, wenn sich dadurch ihr Gesundheitszustand gravierend verschlechtere oder ihr Leben gefährde. Jedoch: Eine solche Erkrankung nachzuweisen, sei in erster Linie Aufgabe der betroffenen Personen – und damit eine Pflicht, der diese in vielen Fällen nicht nachkommen könnten, kritisiert das Menschenrechtsinstitut. Grund seien beschleunigte Asylverfahren, mangelnder Zugang zu Informationen, Sprachmittlung und Fachärzte sowie bürokratische oder finanzielle Hürden. “Umso wichtiger ist es, dass auch der Staat gründlich prüft, ob ein sogenanntes krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt„, heißt es weiter im Bericht.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt das Menschenrechtsinstitut beim Thema berufliche Bildung von behinderten Menschen: Junge Menschen mit Behinderungen sollten – wie alle Jugendlichen – nach Abschluss der Schule die Möglichkeit haben, eine Ausbildung in einem regulären Ausbildungsberuf zu beginnen. Tatsächlich aber absolvierten sie ihre Berufsausbildung mehrheitlich in “Sonderformen„, konstatiert das Menschenrechtsinstitut. Folge sei, dass die Jugendlichen nach einer solchen Ausbildung nicht den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt schafften. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichte den Staat, auf diese Situation zu reagieren und einen diskriminierungsfreien Zugang zu beruflicher Bildung für alle Menschen zu gewährleisten, mahnt das Deutsche Institut für Menschenrechte. (sas/04.03.2021)
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… den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen“ (19/26545) in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (19/27291) beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 367 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 293 dagegen, drei enthielten sich. Zur Abstimmung lag auch ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (19/27292) vor. …
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Stephan, Brandner, AfD
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In zweiter Lesung hatten die Koalitionsfraktionen dafür und die Oppositionsfraktionen dagegen gestimmt, nachdem ein Änderungsantrag der FDP-Fraktion (19/27301), der die Verteilung von Impfstoff gesetzlich regeln wollte, abgelehnt worden war. Die AfD hatte den Änderungsantrag unterstützt, Linke und Grüne enthielten sich, die Koalitionsfraktionen lehnten ihn ab. In dritter Beratung lehnte der Bundestag zudem Entschließungsanträge der Linken (19/27302) und Grünen (19/27303) ab. Die Linke forderte ein soziales Sicherungsprogramm für pflegende Angehörige, die Grünen unter anderem, die Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests massiv zu erhöhen.
Mit der Annahme des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen gelten die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite eingeführten Regelungen länger. Angesichts der weiterhin dynamischen Infektionslage, auch bedingt durch Mutationen, sei es nötig, die Geltung der gegenwärtigen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit über den 31. März 2021 hinaus zu verlängern und zugleich für künftige pandemische Lagen die rechtlichen Grundlagen zu erhalten, heißt es zur Begründung.
Der Bundestag hatte am 25. März 2020 nach Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite und am 18. November 2020 deren Fortbestehen festgestellt. Die an die Feststellung anknüpfenden Regelungen waren bisher bis Ende März 2021 befristet.
Die zugrunde liegende Norm nach Paragraf 5 Absatz 1 des IfSG sowie die Regelungen zu Anordnungen und zum Erlass von Rechtsverordnungen in den Absätzen zwei bis fünf des Paragrafen 5 des IfSG wurden nicht aufgehoben. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt als aufgehoben, wenn der Bundestag nicht spätestens drei Monate danach das Fortbestehen feststellt.
Pandemiebedingte Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen knüpfen nur noch an die Feststellung der epidemischen Lage an. Sie treten nicht mehr Ende März 2021 oder im Fall einer Verordnung nach Paragraf 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 10 des IfSG (Gesundheitsberufe) Ende März 2022 außer Kraft.
Die Regelung in Paragrafen 56 Absatz 1a des IfSG (Entschädigungsregelung für erwerbstätige Eltern) wurde ebenfalls an die Feststellung der epidemischen Lage geknüpft und die Befristung zum 31. März 2021 aufgehoben.
Festgelegt werden in einem neuen Abschnitt, in Paragraf 20 Absatz 2a des IfSG, die Impfziele. Damit werde der rechtliche Rahmen für die Prioritäten beim Impfen gestärkt, schreiben die Koalitionsfraktionen. In der Rechtsverordnung nach Paragraf 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) kann die Priorisierung nach Personengruppen festgelegt werden, wenn darin ein Anspruch auf Schutzimpfung gegen Sars-CoV-2 festgelegt wird. Ermöglicht werden auch Regelungen, die für den Fall beschränkter Verfügbarkeit von Arzneimitteln einschließlich Impfstoffen die priorisierte Abgabe und Anwendung der Arzneimittel oder die priorisierte Nutzung dieser durch den Bund und die Länder zugunsten bestimmter Personengruppen vorsehen.
In Paragraf 87b Absatz 2a des SGB V (Krankenversicherung) wurde geregelt, dass durch die Pandemie gefährdete vertragsärztliche Leistungserbringer ihren Versorgungsauftrag trotz Rückgangs der Fallzahlen fortsetzen können.
Ferner verlängerte der Bundestag die Sonderregelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) zugunsten von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen, zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag um weitere drei Monate. Um die Mehrausgaben zu decken, wird mittels einer Rechtsverordnung die Möglichkeit geschaffen, dass der Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung einen Bundeszuschuss erhält.
Schließlich soll das Bundesgesundheitsministerium eine externe wissenschaftliche Evaluation der gesamten Regelungen zur epidemischen Lage in Auftrag geben. Das Ergebnis soll bis Ende 2021 vorliegen.
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen nahm der Bundestag zudem einen Antrag von CDU/CSU und SPD (19/27196) an, das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festzustellen. Die AfD stimmte dagegen, die FDP enthielt sich. Mit der Annahme des Antrags stellte der Bundestag das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite fest. Die Gefahr durch das Coronavirus bestehe fort, heißt es zur Begründung.
Die aktuelle Lage werde noch verschärft durch das Auftreten von neuen Virusvarianten, die Grund zur Besorgnis gäben. Es handele sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Nach wie vor bestehe das vorrangige Ziel darin, die Gefahr für die öffentliche Gesundheit zu reduzieren, indem mit Schutzvorkehrungen die Ausbreitung der Pandemie bekämpft werde. Das Ziel sei auch, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Der Bundestag hatte erstmals am 25. März 2020 nach Paragraf 5 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Am 18. November 2020 beschloss das Parlament deren Fortbestehen.
In der Schlussberatung über den Gesetzentwurf rügten Redner der Opposition die gesetzliche Neuerung als unzureichend. Mit Blick auf die Bund-Länder-Beschlüsse vom 3. März zur Corona-Pandemie warfen Oppositionspolitiker der Bundesregierung mangelnde Transparenz, fehlende Strategien und ein schlechtes Krisenmanagement vor. Redner der Koalition sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wiesen die Vorhaltungen zurück und warben dafür, in der Pandemie weiter mit Vorsicht und Rücksicht vorzugehen.
Spahn räumte ein, alle Bürger sehnten inzwischen das Ende der Pandemie herbei. Niemand wolle die Einschränkungen einen Tag länger als nötig. „Aber wir sind noch in einer besonderen Lage.“ Die zeige sich bei der Zahl der Intensivpatienten, den Infektionszahlen und auch mit Blick in die Nachbarländer. Die epidemische Lage dauere an und sei wegen der Virusmutationen dynamisch. „Die flexible Anpassung bleibt daher notwendige Strategie“, sagte Spahn in Anspielung auf die umstrittene gesetzliche Grundlage.
Ziel sei es, die Pandemie unter Kontrolle zu halten und einen Interessenausgleich zu erzielen. Die zehn Stunden lange Sitzung von Bund und Ländern am Mittwoch habe deutlich gemacht, dass es um viel gehe, nämlich die richtige Balance zwischen Gesundheitsschutz, wirtschaftlichen Folgen und sozialen Härten. Spahn fügte hinzu, mit der gesetzlichen Neuregelung werde die Pandemiegesetzgebung in Deutschland erstmals fest verankert. „Das ist eine neue Qualität, ein großer Schritt.“
Auch Rudolf Henke (CDU/CSU) forderte, in der Pandemie weiter vorsichtig zu agieren und die „diffuse Zirkulation“ der Viren zu unterbrechen. Ein Wiederanstieg der Fallzahlen müsse vermieden werden. Die britische Corona-Mutation erreiche inzwischen in Deutschland einen Anteil von 46 Prozent. Um das Virus effektiv bekämpfen zu können, sei neben der Hygiene, Testung und Kontaktnachverfolgung ein „umfassender Einsatz der Impfprävention“ nötig. Dass die Impfungen wirkten, zeige sich schon in den Alten- und Pflegeheimen, wo die Zahl der Infizierten deutlich zurückgegangen sei.
Henke wies Vorwürfe der Opposition zurück, wonach das Parlament im Kampf gegen die Pandemie nicht ausreichend beteiligt sei. Aus den kritischen Debatten seien Konsequenzen gezogen worden. So werde die Rechtsgrundlage für die Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums neu gefasst. Im Gesetz würden neben der Inzidenz künftig weitere Kriterien für Beschränkungen wie der Reproduktionswert (R-Wert), die Impflage oder die Belastungslage im Gesundheitswesen festgeschrieben. Die Sonderkompetenzen des Gesundheitsministeriums würden konkretisiert. Die Rolle des Parlaments werde somit durch die Novelle gestärkt.
Sabine Dittmar (SPD) sprach von einem gelungenen Gesetz, das im parlamentarischen Verfahren noch deutlich verbessert worden sei. Sie erinnerte daran, dass Deutschland bereits vor einem Jahr wichtige gesetzliche Regelungen getroffen habe, um flexibel auf die Pandemie reagieren zu können. Die Regelungen seien damals auf ein Jahr befristet worden, die Pandemie halte die Welt jedoch weiterhin in Atem. Auch in Deutschland gebe es keine Entwarnung. Die Virusmutanten erforderten ein konsequentes Handeln.
Somit sei die Fortgeltung der epidemischen Lage richtig. Diese werde jedoch mit dem neuen Gesetz auf drei Monate befristet, dann müsse neu entschieden werden. Dittmar betonte, der Wunsch nach Lockerungen sei verständlich, die Abwägung zwischen dem Infektionsgeschehen und Lockerung bleibe jedoch eine Gratwanderung. Mit Tests und Impfungen gebe es nun gleichwohl mehr Zuversicht. Es sei gut, dass Bund und Länder auch über Impf- und Teststrategien beraten hätten, denn es sei inakzeptabel, wenn große Mengen an Impfstoffen auf Halde lägen.
Nach Ansicht der AfD-Fraktion hat die Bundesregierung in der Corona-Krise komplett versagt. Dr. Robby Schlund (AfD) zeichnete ein düsteres Bild der Lage. So stelle sich für viele Mittelständler die Existenzfrage, psychische Krankheiten stiegen durch den Dauerlockdown exorbitant. „Die Corona-Pandemie ist längst nicht mehr nur ein gesundheitspolitisches, sondern mittlerweile auch ein gesamtgesellschaftliches Problem.“
Umso unverständlicher sei das „chaotische Krisenmanagement“ mit fehlenden Öffnungs- und Unterstützungsperspektiven und Einschränkungen der Grundrechte. Ein Gesetz zur Fortsetzung der epidemischen Lage werde nicht gebraucht, sinnvoller wäre ein Rastermanagement, mit dem Risikogruppen gezielt geschützt würden, ohne die Wirtschaft und das öffentliche Leben herunterzufahren. Russland zeige, dass diese Strategie besser funktioniere.
Heftige Kritik an der gesetzlichen Grundlage für die Entscheidungen in der Pandemie kam von der FDP. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sagte, positiv sei, dass der Bundestag künftig alle drei Monate über die Fortgeltung der epidemischen Lage entscheiden müsse und die Impfziele im Gesetz konkret aufgeführt würden. Auch die Verlängerung der Schutzschirme sei zu befürworten. Allerdings würden die verfassungsrechtlichen Verstöße in der Gesetzgebung nicht behoben.
So eröffne die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite dem Bundesgesundheitsministerium nach wie vor die Option für Verordnungen ohne Zustimmung des Bundestages. „Eine solche Dauergenehmigung ist verfassungswidrig.“ Damit werde der Parlamentsvorbehalt umgangen. Die Nennung von Impfzielen für die Priorisierung sei ebenfalls nicht ausreichend, dies müsse gesetzlich normiert sein, alles andere sei verfassungswidrig. Die FDP-Politikerin beklagte überdies das aus ihrer Sicht mangelhafte Impfmanagement, das Deutschlands einen schweren Imageschaden zugefügt habe: „Das ist eine Schande.“
Auch Sicht der Linksfraktion ist die Fortgeltung der epidemischen Lage sinnvoll. Susanne Ferschl (Die Linke) beklagte jedoch „Chaos und Planlosigkeit“ sowie einen Mangel an Transparenz, Strategie und Beteiligung des Parlaments. Die Bund-Länder-Runde bezeichnete sie als „stundenlanges Spektakel im Kanzleramt“ und forderte: „Die Debatte gehört raus aus dem Kanzleramt und rein in das Parlament.“
Die in der Bund-Länder-Runde getroffenen Entscheidungen seien teilweise nicht nachvollziehbar. „Die Inzidenzwerte schwanken im Stundentakt zwischen 35, 50 und 100.“ Die Öffnungsschritte muteten seltsam an. „Das ist alles nicht logisch, das ist Willkür und keine Strategie.“ Ferschl kritisiere auch die Gesetzesnovelle, die weiterhin vorsehe, per Verordnung zu regieren. Nach einem Jahr Pandemie könnten die Bürger erwarten, dass die Regierung „Ordnung in dieses Chaos“ bringe.
Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink sprach mit Blick auf die aktuelle Lage von einer „ausgesprochen gefährlichen Situation“. Die Menschen hätten große Sehnsucht nach Kontakt und Gemeinsamkeit, aber die Virusvarianten seien auf dem Vormarsch. „Wir wissen, dass das eine gefährliche Entwicklung ist.“ Wichtig sei daher ein besonnenes Vorgehen. Genau das biete die neue Gesetzgebung jedoch nicht.
Im IfSG sei weiterhin nicht nachvollziehbar, was die Regierung in welcher Lage tun werde. Notwendig sei ein Stufenplan, der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit schaffen könne. Die Bund-Länder-Runde beschließe neue, relevante Inzidenzwerte, die im Gesetz gar nicht vorkämen. Die Regierung habe es verschlafen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klar und rechtssicher sei und den Menschen Orientierung biete.
Der Bundestag lehnte einen gemeinsamen Antrag der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Sichere Bildung in der Krise – Schnellteststrategie für Kitas und Schulen einführen“ (19/27195) ab. Die Antragsteller stimmten dafür, die Koalitionsfraktionen und Teile der AfD-Fraktion dagegen. Die FDP und weitere Teile der AfD enthielten sich.
Keine Mehrheit fanden auch zwei Anträge der AfD-Fraktion, die zum einen die Einrichtung einer ständigen Epidemiekommission forderte (19/26899), zum anderen auf die sofortige Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Lage drang (19/26903). Alle übrigen Fraktionen lehnten die Vorlagen ab, zu denen der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (19/27291) abgegeben hatte.
Von der Tagesordnung abgesetzt hat der Bundestag die erste Beratung eines von der AfD-Fraktion angekündigten Antrags mit dem Titel „Die Fortführung der epidemischen Notlage ist wissenschaftlich fragwürdig“.
Die AfD-Fraktion forderte die Einrichtung einer ständigen Epidemiekommission. Für Grundrechtseinschränkungen beim Seuchenschutz bedürfe es einer eindeutigen wissenschaftlichen Fundierung, hieß es im ersten abgelehnten Antrag der Fraktion (19/26899).
Die Epidemiekommission sollte anhand objektiver Kriterien Empfehlungen festlegen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, aufgrund derer der Bundestag von einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ausgehen und diese beschließen sollte.
Die sofortige Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, forderte die AfD in ihrem zweiten abgelehnten Antrag (19/26903). Die zur Begründung der epidemischen Lage herangezogenen Daten, der R-Wert, die Sieben-Tage-Inzidenz und die Auslastung der Intensivbetten, seien seit Wochen rückläufig.
Der Bundestag sollte daher die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufheben und sämtliche Grundrechtseingriffe und Ermächtigungen gegenüber Bürgern außer Kraft setzen. Die Bundesregierung müsse ein Konzept entwickeln, wie ein erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens verhindert werden könne.
In ihrem abgelehnten gemeinsamen Antrag (19/27195) drangen die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen darauf, Schulen und Kitas durch „ein Sofortausstattungsprogramm für Antigen-Schnelltests zur Eigenanwendung in Höhe von einer Milliarde Euro“ zu unterstützen. So sollten Kinder, Lehrkräfte und Kita-Personal im Präsenzbetrieb und der Notbetreuung geschützt werden.
Die Teststrategie müsse zwei bis drei kostenlose Tests pro Person und Woche umfassen, hieß es weiter. Schulen und Kitas gelte es mit Blick auf Öffnungen innerhalb des Lockdowns stets zu priorisieren, schrieben die Abgeordneten. (pk/eis/sas/ste/04.03.2021)
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… erstmals über einen Antrag der AfD-Fraktion gegen die Einführung einer „Corona-Impfpflicht durch die Hintertür“ (19/27197). debattiert. Nach halbstündiger Aussprache wurde die Vorlage zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. Die AfD hatte die Federführung beim Ausschuss Digitale Agenda beantragt, konnte sich damit gegen die Mehrheit der übrigen Fraktionen aber nicht durchsetzen.
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… Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag unter anderem, die Einführung des digitalen Corona-Impfpasses zu stoppen und ein entsprechend hierfür in die Wege geleitetes Dringlichkeitsvergabeverfahren des Bundesgesundheitsministeriums auszusetzen. Der Impfstatus dürfe nicht über die Reisefreiheit der Bundesbürger entscheiden, heißt es in dem Antrag der Fraktion.
ie bisher, so die AfD, solle der Internationale Impfausweis für eine „gegebenenfalls erforderliche Prüfung für den Grenzübertritt“ ausreichen, wenn es darum gehe Geschäfts- und Urlaubsreisen zu ermöglichen. (eis/ste/03.03.2021)
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… immer brutaler gegen Vertreter des Staats und politische Gegner vor. Die Extremisten bekommen dabei Unterstützung von denen, die eigentlich den Rechtsstaat verteidigen sollten. Eine Recherche.
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An einem Herbstabend fliegt in Leipzig-Connewitz die Tür einer Altbauwohnung auf. Beamte der Mobilen Einsatzgruppe des LKA Sachsen stürmen die Wohngemeinschaft dreier junger Männer in der Brandstraße. Sie sind hier wegen einem von ihnen, Janis R. – der 35-Jährige steht unter Verdacht, einer kriminellen linksextremen Vereinigung anzugehören. Gezielt und brutal sollen deren Angehörige mehrere politische Gegner angegriffen haben. Die schriftliche Zusammenfassung des Einsatzes liegt WELT AM SONNTAG vor.
Rund zehn Minuten lang durchkämmen die Beamten an diesem 5. November 2020 die Wohnung. Dann taucht im Treppenaufgang eine Person auf. Um 18:20 Uhr, 10 Minuten, nachdem der Einsatz begonnen hat, das notieren Polizisten später, trifft „Frau Juliane Nagel“ ein. Nagel ist Abgeordnete der Linken im Sächsischen Landtag und Stadträtin in Leipzig.
Der 42-Jährigen eilt der Ruf voraus, bestens in der linksradikalen Szene der Stadt vernetzt zu sein. Nagel diskutiert im Treppenhaus kurz mit zwei Polizisten, spricht rund fünf Minuten mit einem der Mitbewohner des Beschuldigten. Dann verlässt sie das Gebäude wieder. Um 18:49 Uhr setzt sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter einen Tweet über die Hausdurchsuchung ab. Kurz darauf fliegen Steine auf die Beamten.
Die Polizei protokollierte: „Circa 1 Stunde später wird das vor dem Haus geparkte Einsatzfahrzeug der beiden Kollegen (…) angegriffen.“ Die mutmaßlichen Täter selbst beschreiben ihre Attacke auf der linksradikalen Online-Plattform „Indymedia“ plastischer. Sie hätten den Dienstwagen der „durchsuchenden Bullen“ mit Steinen beworfen, steht dort. Und: „Als ein vermummter Bulle in Zivil mit einer schusssicheren Schutzweste im Hauseingang seinem Auto zu Hilfe eilen wollte, schmissen wir kurzerhand die restlichen Steine durch die verglaste Haustür auf ihn.“
Das, was vor wenigen Monaten in Leipzig passierte, war mehr als nur eine einzelne Durchsuchung, es war eine konzertierte Aktion an insgesamt drei Orten. Ein solches Durchgreifen bei Linksextremen hat es seit Jahren nicht gegeben. Es kam zu einer Festnahme. Der Vorfall um Juliane Nagel war dabei nur eine Randnotiz. Doch er gibt einen Hinweis darauf, dass es mitunter Kontakte zwischen Linksextremisten und Parlamentariern gibt, die weder oberflächlich noch folgenlos sind.
Nicht nur in Leipzig, sondern bundesweit gibt es Verbindungen zwischen Politik und Radikalen, teilweise gehören sie der gleichen Szene an; Mandatsträger agieren als verlängerter Arm von Aktivisten, die den demokratischen Rechtsstaat abschaffen wollen, und bieten ihnen konkrete politische Unterstützung. Die Brücken, die so entstehen, reichen hinein in Bezirksämter und den Bundestag.
Besonders eine Entwicklung alarmiert den Verfassungsschutz: Grenzen, die vor Kurzem noch existierten, würden heute nicht mehr gelten. „Wir sehen aktuell, dass die Gewalt sich hemmungslos gegen die Staatsmacht, aber auch gegen politische Gegner richtet“, sagt Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), WELT AM SONNTAG. Täter nähmen hierbei schwere körperliche Verletzungen bis hin zum „möglichen Tod von Menschen“ billigend in Kauf.
Es hätten sich klandestine Gruppierungen herausgebildet. Ihre Militanz gehe einen entscheidenden Schritt über relativ spontane Aktionen etwa am Rande legaler Demonstrationen hinaus. „Wir müssen im Blick behalten“, so Haldenwang, „ob diese Radikalisierung sich zu terroristischen Strukturen hin entwickelt.“
Eine Sonderrolle bei den Verbindungen zwischen denen, die durch demokratische Wahlen legitimiert wurden, und den Vertretern der Radikalen spielen dabei Splittergruppen der Partei Die Linke. Sie heißen Antikapitalistische Linke, Sozialistische Linke oder Marx21. Viele dieser Gruppierungen wurden nach der Jahrtausendwende mit dem Ziel gegründet, radikale Ideen innerhalb der Linkspartei voranzutreiben.
Von den rund 60.000 Linken-Mitgliedern rechnen sich nur wenige Tausende derartigen Verbänden zu. Das scheint verschwindend gering. Doch ihr politischer Einfluss auf den Kurs der Partei ist groß, vor allem weil mindestens 15 von den 69 Bundestagsabgeordneten der Linken Mitglied einer oder mehrerer dieser Gruppierungen sind.
Wie groß die Akzeptanz für radikale Haltungen bisweilen ist, zeigte im vergangenen Jahr der Fall von Barbara Borchardt. Die Juristin ist Mitglied der Linken und auch der vom Verfassungsschutz beobachteten Antikapitalistischen Linken. Unter anderem mit Stimmen von CDU und SPD wurde sie zur Richterin am Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. BfV-Präsident Haldenwang nannte den Vorgang „unerträglich“.
Es sind heute oft Themen der bürgerlichen Mitte, bei denen es zum Schulterschluss mit Radikalen kommt: Umweltschutz, Wohnungsnot, die Folgen der Globalisierung. Beim G-20-Gipfel 2017 in Hamburg gingen Zehntausende auf die Straße, darunter Gewerkschafter und Kirchenvertreter. In Erinnerung blieben Bilder von Vermummten, die Autos anzündeten und Polizisten mit Betonplatten bewarfen.
Auch die Proteste im Hambacher Forst gingen einst von Anwohnern aus, bevor Radikale die Bäume besetzten und Beamte mit Böllern oder Kot bewarfen. Das Radikalisierungskonzept ist oft ähnlich: Eine Protestbewegung wird besetzt, um dann aus ihr zu rekrutieren.
Die wichtigsten Rückzugsräume der gewaltbereiten Linken lassen sich klar verorten: Leipzig, Berlin, Hamburg. Dort gibt es ganze Wohnviertel, die eine hohe Symbolkraft haben, auf ihre jeweils eigene Weise.
Berlin: die alte Dame der Szene, wo der Kampf um die letzten besetzten Häuser eingesetzt hat. Und wo die Sympathisanten der Szene längst auf wichtigen politischen Posten sitzen.
Hamburg: wo vor wenigen Jahren erst ganze Straßenzüge zum Schauplatz von Kämpfen mit der Polizei wurden. Die G20-Proteste waren wie ein Brandbeschleuniger für die Szene, die jetzt offensiv Politiker angreift.
Leipzig: die Stadt im Osten, noch immer schroff, extrem in vielerlei Hinsicht, wo in Connewitz Linksextremisten ihr Viertel ausgemacht haben. Wer herkommt und nicht erwünscht ist, der wird vertrieben, auch mit Gewalt.
Alle drei Städte bieten den Radikalen laut Verfassungsschutz „ein breites sympathisierendes und anlassbezogen mobilisierbares Szeneumfeld“. Sprich: Bürger und Politiker, die ihnen etwa bei Demonstrationen zur Seite stehen.
Wie es inzwischen aussieht, wenn die radikale Linke in Leipzig einen Aufmarsch ankündigt, zeigte sich am 12. September 2020. Mehr als 1000 Beamte riegeln das Zentrum ab, in den Seitengassen stehen Wasserwerfer, am Himmel kreisen Helikopter. Sachsens Polizei will Stärke demonstrieren, sich nicht wieder überrumpeln lassen.
Eine Woche zuvor war es bei einer Spontandemo in Connewitz zu Ausschreitungen gekommen. Aus einem Pulk von mehr als 200 Vermummten flogen Feuerwerkskörper auf den Balkon einer Neubauwohnung. Fotografen dokumentierten Jagdszenen zwischen Beamten und Randalierern.
Leipzig-Connewitz gilt seit ein paar Jahren als Symbol für den deutschen Linksradikalismus. Auch die Hausdurchsuchung bei Janis R. fand hier statt. Die Gruppe, der er angehören soll, führte mutmaßlich die 26-jährige Studentin Lina E. an. Zusammen, so der Vorwurf, prügelten sie Personen aus dem radikal rechten Spektrum krankenhausreif. Mit Fäusten, Hämmern, Eisenstangen.
In einem von der Polizei abgehörten Gespräch soll ein Mitglied der Gruppe mit einem Mitstreiter darüber gesprochen haben, noch einen Schritt weiter zu gehen. Sollten sich die politischen Ideen der AfD weiter verbreiten, könne es dazu kommen, dass er bei einer rechten Kundgebung Personen erschieße.
Spricht man Polizeibeamte auf die radikale Szene in Leipzig an, dauert es nicht lange, bis der Name Juliane Nagel fällt – gefolgt von einem Augenrollen. Die Politikerin gilt als Dreh- und Angelpunkt der Szene. Sie meldet Demonstrationen an, die dann häufig eskalieren, und agitiert in den sozialen Medien gegen die Polizei. Als Linksradikale in Connewitz an Silvester 2019 Polizisten mit Pyrotechnik angriffen, schrieb Nagel noch in der Nacht bei Twitter, es habe „ekelhafte Polizeigewalt“ gegeben und „kalkulierte Provokationen“ durch die Beamten.
Ein hoher Polizist ist überzeugt: „Zwischen Nagel selbst und den Gewalttätern liegt höchstens eine Ebene.“ Soll heißen: Die Linken-Politikerin kenne zumindest Leute, die gewaltbereiten Extremisten nahestehen. Nagel, das nehmen die Behörden an, besitzt in Leipzig eine zentrale Brückenfunktion zwischen Parlament und Straße.
Nach der Festnahme von Lina E. seien Menschen in ihr Büro gekommen und hätten sie gefragt, wie sie der Verdächtigen helfen könnten, so schilderte die Linken-Politikerin selbst es der „Leipziger Volkszeitung“. Auf Nachfrage von WELT AM SONNTAG sagte Nagel, dies sei gängige Praxis. In ihrem Büro bekämen Menschen, die von Repression betroffen seien, Empfehlungen für juristische Unterstützung. Lina E. kenne sie selbst „flüchtig vom Sehen“.
Was für Leipzigs Linksradikale Connewitz symbolisiert, ist für Berlins Szene heute der Kiez rund um die Rigaer Straße. Hier, im Stadtteil Friedrichshain, zwischen Kitas und Bäckereien, haben Autonome ihre Parolen an Fassaden besetzter Häuser gesprüht. „Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jede Autorität.“ Direkt darüber: „Das ganze Haus hasst die Polizei“. Ihr Revier, ihre Regeln. So sehen sie das.
An einem Julimorgen im vergangenen Jahr besuchte der Rechtsanwalt Markus Bernau die Rigaer Straße. Als Jurist vertritt er den Eigentümer eines Hauses, das zum Szeneobjekt wurde: „Rigaer 94“, teilbesetzte Festung der radikalen Linken.
Mit dem Hausverwalter wollte er sich drinnen ein Bild des Zustands machen. Doch an der Pforte wurden sie abgewiesen. Kurz danach stürmte ein Pulk Vermummter auf sie zu. Die Angreifer, erinnert sich Bernau, hätten ihnen Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, einer habe mit einer Eisenstange losgeprügelt. Dann heulten Polizeisirenen auf. Die Vermummten flüchteten in das Haus. Es ist laut Verfassungsschutz „Ausgangspunkt und Rückzugsort von bzw. nach militanten Aktionen“.
Anwalt Bernau setzt sich im Auftrag des Eigentümers – der Firma Lafone Investments Limited mit Sitz in Großbritannien – für eine Räumung des Hauses ein. Bereits vor fünf Jahren brachen Unbekannte in sein Büro ein, stahlen Bilder seiner Kinder und vertrauliche Akten, die seither im Internet stehen. Seit Jahren häufen sich solche Attacken und Todesdrohungen gegen Eigentümer umkämpfter Häuser und ihre Vertreter. Einige stehen unter Polizeischutz.
Berlins Besetzerszene hat eine lange Vorgeschichte. Bereits Anfang der 70er-Jahre wurden erste Häuser eingenommen. Damals ging es vor allem um Wohnraum, der trotz Leerstands in der Stadt knapp war. Nach dem Fall der Mauer kam es zu einer zweiten Hochzeit an Besetzungen. Es gab regelrechte Häuserkämpfe zwischen Beamten und Radikalen. Viele der Objekte wurden im Rahmen von massiven Polizeieinsätzen geräumt oder in legale Mietverhältnisse überführt. Die „Rigaer94“ steht noch immer. Ihre Unterstützer sitzen auch in Parlamenten und Behörden, das zeigen interne Unterlagen.
Bei einer Hausbegehung 2016 stellten Polizisten in der „Rigaer94“ erhebliche Mängel fest, die im Brandfall zu einer „Gefahrenlage“ führen würden. Die Polizei drängte in einem Schreiben an den Bezirk, dass er handeln müsse.
Trotz weiterer Gefahrenwarnungen auch durch die Berliner Feuerwehr erklärte die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann das Thema per Schreiben an Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Juni 2017 für beendet: „Eine Brandschutzgefährdung kann (…) unsererseits nicht gesehen und festgestellt werden.“ Der Bezirk lässt das Haus der Radikalen unberührt. Bekannt wurde dies erst drei Jahre später, als das ARD-Magazin „Kontraste“ erstmals darüber berichteten.
Juliane Nagel sitzt in ihrem Connewitzer Abgeordneten-Büro „Linxxnet“ und schenkt Kaffee ein. Hinter ihr an der Tür klebt ein Plakat, das unter anderen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und seinen Innenminister Roland Wöller (beide CDU) zeigt. „Sächstremisten“ steht darüber. Das sei ein Geschenk der Linksjugend gewesen, sagt Nagel, finde sie lustig.
Nur wenige Häuser von ihrem Büro entfernt fand Anfang November die Razzia zur mutmaßlichen Zelle um Lina E. und Janis R. statt. Vorwürfe, sie trage Mitschuld an Ausschreitungen, streitet Nagel ab – und zwar schon seit Jahren. Es gebe Teile der Szene, die nicht von Politikern repräsentiert werden wollten. Selbst von ihr nicht.
Ganz so wichtig scheint diese Distanz aber dann doch nicht zu sein. Nagel stellt ihr Büro regelmäßig dem Verein Rote Hilfe zur Verfügung. Jeden Freitag um 17:30 Uhr hält dieser dort seine Sprechstunde ab. Selbst bezeichnet sich der Verein als „Solidaritätsorganisation“.
Die Bundesregierung hingegen spricht von einer Vereinigung, die „linksmotivierten Straf- und Gewalttätern politische und finanzielle Unterstützung“ biete. Konkret kommt die Rote Hilfe immer dann ins Spiel, wenn Personen aus der Szene mit dem Gesetz in Konflikt geraten; sie organisiert Rechtsbeistand, Spendenkonten, ruft öffentlich zu Solidarität auf.
Auch im Fall Lina E. nimmt die Rote Hilfe Spenden für Prozesskosten entgegen, Verwendungszweck: „unverzagt“. Bereits im Sommer 2020 sollen Mitglieder der mutmaßlichen Gruppierung um E. untereinander über eine mögliche Mobilisierungskampagne für den Fall drohender Festnahmen gesprochen haben. Es gehe darum, die Ermittlungen der Polizei als Repression gegen Antifaschisten darzustellen, um in der Szene Unterstützung zu generieren.
Der Politikwissenschaftler Tom Mannewitz von der TU Chemnitz sieht genau hier ein Betätigungsfeld der Roten Hilfe. Es gehe dieser zwar zum einen um den legitimen Einsatz für die Rechte von Angeklagten. Zum anderen sei der Verein aber auch eine politische Organisation, die immer wieder versuche, den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren – etwa, wenn tatsächlich Militante als „politische Gefangene“ bezeichnet würden.
Eine klare Abgrenzung fehlt. 2016 solidarisierte die Rote Hilfe sich mit noch flüchtigen langjährigen RAF-Terroristen: „Lasst euch nicht erwischen!“
Auch in Darmstadt und München stellt die Partei Die Linke der Roten Hilfe Bürofläche zur Verfügung. In Dortmund teilt mit Ulla Jelpke sogar die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion ihre Räumlichkeiten mit dem Verein. Sie erklärt auf Anfrage, es sei ihr unbegreiflich, wie das BfV die Arbeit der Roten Hilfe verfassungsfeindlich nennen könne. Aber ein „von alten Nazis aufgebauter Geheimdienst“ sei für sie auch keine Referenz.
Andere Linken-Bundestagsabgeordnete wie Norbert Müller und Kathrin Vogler bekennen sich öffentlich zu Spenden an die Rote Hilfe. Der Verein hat mehr als 10.000 Mitglieder – Tendenz zuletzt stark steigend. Online ist von einem Mitgliedsbeitrag von 90 Euro im Jahr die Rede. Wer Solidarität beweisen möchte, kann mehr zahlen. Hochgerechnet würden so mindestens 900.000 Euro im Jahr zusammenkommen – mutmaßlich deutlich mehr. Auf Nachfrage teilt die Rote Hilfe mit, im vergangenen Jahr 656.619 Euro für die juristische Verteidigung von Angeklagten, Kampagnen und andere Dinge ausgegeben zu haben.
Sicherheitsbehörden tun sich schwer, solche Finanzierungsströme nachzuverfolgen. Häufig sind es Gelder, die für demokratiebildende Projekte gedacht waren, die dann über Umwege auch bei einer radikalen Klientel landen. Extremismusforscher Rudolf van Hüllen warnte vor einigen Jahren vor einer gesellschaftlichen Normalisierung des Linksextremismus, die Radikalen auch den Zugang zu öffentlichen Geldern ermögliche. Die Finanztöpfe seien reichlich gefüllt, die gesellschaftliche Stimmung günstig.
Zumindest schlaglichtartig lässt sich sehen, wie öffentliche Gelder an Vertreter des linksextremen Randes fließen. In mehreren Städten finanzieren Kommunen zum Beispiel Szenetreffpunkte. In Freiburg erlässt die Stadt dem Kulturtreff „KTS“ jährlich mehr als 180.000 Euro Miete. „Gegen Nazis, Bullen, Justiz und Kapitalismus“, prangt an der Fassade des mehrstöckigen Gebäudes, in dem unter anderem „Solikonzerte“ und Vorträge über die „Repressionsbehörden“ stattfinden.
Der Verfassungsschutz hat mehrfach Bezugspunkte zu Linksextremisten festgestellt. Bei einer Razzia in dem Jugendtreff beschlagnahmten Beamte 2017 auch Waffen.
An zahlreichen großen deutschen Universitäten fließen Teile der Studiengebühren in Projekte mit Anknüpfungspunkten in die linksradikale Szene. An der Universität Köln etwa bezuschussen alle Studenten mit ihrem Semesterbeitrag den „Antifa Arbeitskreis“. So hat es der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta) beschlossen. Der Arbeitskreis wird vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuft und beobachtet.
An der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat der Asta ein „Antifaschismus-Antirassismus-Antidiskriminierungs-Referat“ eingerichtet. Die Facebookseite der Gruppe schmückt das Foto zweier russischer Soldatinnen der Roten Armee. In Thüringen landeten Steuergelder im Jahr 2018 über Umwege bei der Roten Hilfe. Heike Werner, die linke Sozialministerin des Landes, hatte die mit dem Verein verbundene Initiative „Antirassistischer Ratschlag Thüringen“ mit dem Demokratiepreis des Freistaats Thüringen ausgezeichnet.
Der Sprecher der linksextremen Gruppierung Antikapitalistische Linke, Tim Fürup, sprach im März 2020 auf einer Strategiekonferenz der Linken eine Strategie der Szene offen aus. Man wolle „Staatsknete im Parlament“ und „Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen“, um sie der „außerparlamentarischen Bewegung“ zuzuspielen. Fürup verlor seine Anstellung bei Bundestagsabgeordneten der Linken, nachdem ein Video seiner Rede den Weg ins Internet fand.
In Berlin Kreuzberg, ein paar Kilometer von der Rigaer Straße entfernt, hat ein Mann sein Büro, der als „Mini-Robin-Hood“ bundesweit Schlagzeilen macht. Florian Schmidt, grüner Baustadtrat, hat den Immobiliengesellschaften dieser Welt den Kampf angesagt. Über das Vorkaufsrecht des Bezirks möchte er Häuser zurückkaufen und Spekulanten vertreiben. „Wir haben der Welt gezeigt, dass Dinge bei uns anders laufen“, sagte der 46-Jährige kürzlich in einem Podcast.
Ähnlich radikal hat sich Schmidt über Jahre für Hausbesetzer in Friedrichshain eingesetzt. 2017 eskalierte der Konflikt um die „Rigaer94“ und die Baumängel, bei der sich schon die Bezirksbürgermeisterin Herrmann Einmischung verbeten hatte. Im Bezirksamt regte sich Widerstand gegen den damals neuen Baustadtrat Schmidt, der ebenfalls nicht einschreiten wollte.
Die Bau- und Wohnungsaufsicht wollte den Eigentümer mit der Beseitigung der Brandschutzmängel beauftragen. Doch Schmidt intervenierte: Per Anweisung verbot er, ein entsprechendes Schreiben abzusenden.
Der Leiter der Bauaufsicht sah sich zu einem Schritt gezwungen, den ein Beamter sehr selten geht: Er verfasste eine Beschwerde, im Behördendeutsch: Remonstration. Sie ist die Ultima Ratio, das Notsignal von Beamten, um mutmaßlich unrechtmäßige Entscheidungen von Vorgesetzten zu melden. Unbeeindruckt von der Beschwerde verbot Schmidt Mitte November 2018 erneut, von Amts wegen gegen bauliche Missstände vorzugehen.
„Dies ist eine politische Entscheidung des Bezirks“, heißt es in einem Vermerk. Ein Jahr später, im November 2019, bekräftigte Schmidt diese Anweisung in einem Schreiben an das Stadtentwicklungsamt. Das Bezirksamt, so Schmidt, setze lieber auf Gespräche und das „erfolgreiche Prinzip der Deeskalation“.
Schmidt, gebürtiger Kölner, trat 2006 den Grünen bei. Schon bevor er 2016 zum Baustadtrat aufstieg, engagierte er sich für bezahlbaren Kultur- und Wohnraum, als Aktivist. Er nennt sich auf Twitter noch heute so.
Er fiel nicht nur bei dem Konflikt um die Rigaer Straße auf. Der Berliner Rechnungshof rügte ihn dafür, dass im Zusammenhang mit der für den Rückkauf von Immobilien über das Vorkaufsrecht des Bezirks gegründeten „Diese eG“ erheblicher finanzieller Schaden entstanden war. Anfang 2020 wurde dem Baustadtrat vorgeworfen, Abgeordneten bei der Aufarbeitung unvollständige Akten vorlegt zu haben. Er räumte formale Fehler ein, wies ein Manipulation aber von sich. Mittlerweile untersucht ein Untersuchungsausschuss den Skandal.
„Schmidt hat ein veritables Demokratieproblem“, sagt Harald Georgii (SPD). Marlene Heihsel (FDP), Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung, hält das Untätigbleiben für Strategie: „Linksextreme gehören zur Folklore von Schmidts Bezirk, weil es in seine Erzählung passt: ‚Wir gegen den Rest der Welt!‘“
Im Gegensatz zu Schmidt ist die Leipzigerin Nagel Oppositionspolitikerin und hat damit keine direkte politische Macht. Aber sie hat Möglichkeiten, um Druck auf die Regierung auszuüben. Die parlamentarische Anfrage ist eines der Instrumente der Opposition, um an Informationen über das Handeln der Regierung zu gelangen. Das entspricht demokratischen Prinzipien. Doch eine Vielzahl von Anfragen kann die Exekutive auch blockieren.
Es ist die gleiche Strategie, mit der auch AfD-Politiker am rechten Rand auffallen. Nagel hat allein im vergangenen Jahr rund 350 solcher Anfragen gestellt. Vor allem zu Abschiebungen von Migranten und Polizeieinsätzen bei Demos. „Die will uns lahmlegen“, klagt ein Beamter. Die Beantwortung nehme viel Zeit in Anspruch. Die Zeit fehle für Ermittlungen.
Der zweite Akteur, der neben Nagel immer wieder auffällt, wenn es um Brücken in die linksextreme Szene der Stadt geht, ist Jürgen Kasek. Der 40-Jährige sitzt für die Grünen im Leipziger Stadtrat. Für junge Linke ist er eine Identifikationsfigur.
Manchmal kokettiert Kasek mit seinem Ruf. Bei Instagram postete er zuletzt ein Foto, das ihn mit einem Baseballschläger über der Schulter zeigt. Auf seinem schwarzen Pullover steht „Antifaschist“. Als er beim G-20-Gipfel 2017 in Hamburg an der „Welcome to Hell“-Demo teilnahm, tauchte ein Video des Grünen-Politikers in einem mehrheitlich schwarz gekleideten Pulk auf – Auge in Auge mit Polizisten in Kampfmontur. Während sich viele seiner Parteikollegen von der Gewalt der Demonstranten distanzierten, twitterte Kasek: „Die Eskalation bei der Demo ging von der Polizei aus. Das war völlig überzogen.“
So wie Kasek reisten im Juli 2017 Tausende Linksradikale aus ganz Europa an, um gegen das G-20-Treffen der führenden Industrienationen zu protestieren. Die Lage eskalierte, als die autonome „Welcome to Hell“-Demo aufgelöst wurde. Es kam zu Hunderten Verletzten auf beiden Seiten, Polizei und Demonstranten.
Einen Tag später, gegen 6.30 Uhr, bog ein schwarzer Pulk auf die Straße Rondenbarg ein. In dem Gewerbegebiet, vier Kilometer vom Schanzenviertel entfernt, trafen etwa 150 Vermummte auf die Festnahmeeinheit „Blumberg“ der Bundespolizei. Es dauerte keine Minute, bis die Situation außer Kontrolle geriet. Aus dem schwarzen Block flogen faustgroße Steine, Nebeltöpfe und Böller. Die Polizei stellte bei den Angreifern sechs Handfackeln, drei Stahlseile und Hämmer fest.
Anfang Dezember 2020 hat das Aufeinandertreffen ein Nachspiel vor Gericht. In Hamburg sind im „Rondenbarg-Verfahren“ drei junge Männer und zwei junge Frauen angeklagt. Sie sollen Teil der vermummten Gruppierung gewesen sein. Es ist der Auftakt einer großen juristischen Aufarbeitung. In zehn Verfahren stehen insgesamt 76 Personen vor Gericht. In weiteren G-20-Verfahren sprachen Richter bereits Dutzende Urteile.
Ein Mann, der bei den G-20-Protesten mitmarschierte, ist der damalige Linken-Abgeordnete Martin Dolzer. Offiziell, so sagt er, als Beobachter. Am Rande der Ausschreitungen gab der 53-Jährige damals dem russischen Propagandasender RT Deutsch ein Interview. Der Polizei warf er darin „militärische“ Manöver vor. Beamte hätten die Protestierenden angegriffen, nicht andersherum. Auch danach ergriff er Initiative für die Szene.
Mal forderte Dolzer vom Senat umfangreiche Antworten zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch Beamte. Mal kritisierte er die Auflösung eines Protestcamps in Entenwerder. Dieses war laut des Landesamtes für Verfassungsschutz von Akteuren aus dem „gewaltbereiten autonomen Spektrum“ rund um den Szenetreff „Rote Flora“ organisiert worden.
Wie weit der Einfluss von Linksextremisten in der Hansestadt reicht, offenbart auch die Rolle der Gruppierung „Roter Aufbau Hamburg“ (RAH). Drei Beschuldigte im „Rondenbarg-Verfahren“ werden dieser gewaltbereiten Vereinigung zugerechnet. Zum 40. Todestag der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof schrieb RAH 2016 auf Facebook: „Wir verneigen uns vor einer Intellektuellen …“
Für ihre Bündnispartner ist das offenbar in Ordnung. Bei einer Demonstration gegen die Verschärfung der Sicherheitsgesetze in Hamburg trat RAH offiziell als Mitinitiator auf – neben dem Landesverband der Partei „Die Linke“, der Grünen Jugend und der Hamburger Studentenvertretung Asta. Auch bei einem Aufzug gegen hohe Mieten 2018 kam es zum Schulterschluss. Damals gingen mit RAH laut dem Aufruf der Initiatoren unter anderem Ver.di Hamburg, Attac und die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann auf die Straße.
Verfassungsschützer interessieren sich in letzter Zeit auch für Bestrebungen der Grünen Jugend Hamburg. Mindestens an zehn Veranstaltungen nahmen Mitglieder der Jugendorganisation seit 2018 teil, bei denen als linksextremistisch eingestufte Gruppierungen wie die Interventionistische Linke (IL) mitmischten. Das bundesweite Netzwerk von geschätzt 1000 radikalen Linken strebt laut BfV einen „revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus“ an.
Der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU) beobachtet, wie Trennlinien zwischen friedlichen und militanten Linksextremen in seiner Heimatstadt verschwimmen: „In Hamburg sind Linksextreme so hemmungslos, dass sie Politiker auf dem Weg zur Kita trotz Polizeischutz angreifen.“ Gemeint ist Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), der Ende 2019 attackiert wurde.
Als sein Dienstwagen an einer Kreuzung stoppte, warfen maskierte Täter Steine und Farbflaschen auf das Auto. Auf dem Kindersitz saß sein dreijähriger Sohn. Die Polizei ging früh von einem politisch motivierten Anschlag aus. Denn Grote steht wegen seiner Haltung zu den G-20-Krawallen im Visier von Linksradikalen. Er hatte die Randalierer in die Nähe von Terroristen gerückt.
Ende Januar im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, achter Stock. Florian Schmidt kommt aus seinem Büro. Wie erklärt der Baustadtrat seine Politik? Was sagt er zu den Vorwürfen gegen seine Person? Aber bis zum Formulieren dieser Fragen kommt es erst gar nicht. Als Schmidt „Rigaer94“ hört, verweist er auf die Pressestelle und ergreift mit schnellen Schritten die Flucht. Eine Nachfrage, warum er vor einem Gespräch davonrenne, lässt er im Flur unbeantwortet.
Über fünf Monate hatte WELT AM SONNTAG zuvor versucht, mit dem Grünen ins Gespräch zu kommen. Mehrere schriftliche Anfragen ließ er unbeantwortet. Die Pressestelle schickte Anfang 2021 eine Ein-Satz-Absage: „Florian Schmidt steht nicht für ein Interview zur Verfügung.“ Eine Begründung konnte die Sprecherin auf Nachfrage nicht nennen.
Im Gegensatz zu Schmidt gibt es Abgeordnete wie Niklas Schrader (Die Linke), die offen über ihre Unterstützung sprechen. Schrader, 39, kämpfte lange um den Erhalt des besetzten Hauses „Liebig34“, das im Oktober 2020 geräumt wurde. Noch heute setzt er sich für die „Rigaer94“ ein. „Ich sehe es als eine wichtige Aufgabe an, das Absterben linksalternativer Räume in Berlin zu stoppen“, sagt er.
Seine Rolle bestehe darin, „staatliches, repressives Handeln“ zu kontrollieren. Auch er macht dies unter anderem durch parlamentarische Anfragen an die Behörden. Auf Twitter teilt er dann die Antworten, kritisiert „martialische“ oder „respektlose“ Polizeieinsätze.
„WAS ICH HIER ERLEBE, IST BLANKER TERRORISMUS“
ANWALT FERDINAND WROBEL
Auffällig still wird es auf Schraders Profil, wenn es um Gewalt aus dem Umfeld der Hausbesetzer geht. Das liegt offenbar auch daran, dass er aus der Szene kaum Gewalttaten wahrnimmt. Schrader sagt, er habe zeitweise in Kontakt zu Besetzern der „Liebig34“ gestanden. Das Militanteste, was er diesen Leuten zuschreiben könne, sei ein Konfettiwurf im Abgeordnetenhaus.
Nur ein Konfettiwurf? Anwalt Ferdinand Wrobel, der den Eigentümer von „Liebig34“ bis zur Räumung vertrat, hat anderes erlebt. Anfang 2020 zündeten Unbekannte Wrobels Seat vor seiner Haustür in Berlin an. Auf den Kindersitz der Tochter kippten die Täter Buttersäure. Rosarot prangte auf der Motorhaube ihre Botschaft: „L34 stays“ – „Liebig34 bleibt“. Davor und danach wurde er im Internet verächtlich gemacht und in einem Beitrag für tot erklärt. „Was ich hier erlebe“, sagt Wrobel, „ist blanker Terrorismus.“
Schrader sagt, dass er Angriffe aus dem Unterstützerkreis der Häuser verurteile. Im teilbesetzten Haus „Rigaer94“ gebe es zwar vereinzelt Linksmilitante, die bereit seien, Gewalt anzuwenden. Das ändere aber nichts an seiner grundsätzlichen Auffassung.
Auch in Leipzig wird der Kampf um bezahlbaren Wohn- und autonomen Freiraum seit Jahren brutaler. 2019, in der Nacht zum Tag der deutschen Einheit, zündeten Unbekannte an der Prager Straße drei Kräne einer Baufirma an. Es entstand ein Millionenschaden. Einen Monat später brannten weitere Baufahrzeuge.
Doch besonders ein Vorfall schockiert die Ermittler: Wenige Wochen später, im November 2019 suchten zwei Maskierte die Prokuristin einer Immobilienfirma, Claudia P., in ihrer Privatwohnung auf und prügelten mit Faustschlägen auf das Gesicht der Frau ein. Mit den Worten „Viele Grüße aus Connewitz“ sollen die Angreifer den Tatort verlassen haben. In einem Bekennerschreiben heißt es, der Angriff sei eine Protestaktion gegen Luxuswohnungen in dem Bezirk. Man wollte die Verantwortliche dort „treffen, wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht“.
Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der Mann mit dem Baseballschläger, klingt nachdenklich, wenn es um die jüngsten Gewaltausbrüche geht. Ihm mache es Sorgen, dass sich Strukturen am linken Rand von der restlichen Szene abkoppeln. Viele hätten das Gefühl, dass die Behörden auf dem rechten Auge blind seien. „Da passieren zwei Dinge: Die einen resignieren. Und die anderen radikalisieren sich.“ Er wolle eine dritte Option aufzeigen. Kreativen Gegenprotest, zivilen Ungehorsam. Dass er damit anecke, damit könne er leben.
Bislang konnten die Täter des Angriffs auf die Immobilienunternehmerin nicht identifiziert werden. Einen Ermittlungserfolg gab es dafür im Fall eines Brandanschlages in Rodewisch. Ende 2020 wurde ein Student festgenommen. Er hatte sich bei Facebook zuvor kritisch über die angegriffene Bautzener Baufirma geäußert. Deren Inhaber sei Großspender der AfD. Nach wenigen Wochen kam der Beschuldigte wieder frei – auch dank der Arbeit seines prominenten Strafverteidigers: Jürgen Kasek.
Politische Unterstützung für Linksradikale hat in Friedrichshain Tradition. Schon Hans-Christian Ströbele, langjähriger grüner Bundestagsabgeordneter für den Bezirk, vertrat als Anwalt RAF-Terroristen und Berliner Hausbesetzer. Ströbeles Rolle nimmt heute in gewisser Weise Canan Bayram ein. Die 54-Jährige, geboren in der Türkei und aufgewachsen am Niederrhein, trat 2009 aus der SPD aus und bei den Grünen ein. Im Bundestagswahlkampf 2017 warb Bayram mit einem Slogan, der in ihrem Bezirk gut ankommt: „Bayram wählen, heißt Spekulant*innen quälen.“
Auch sie ergreift Initiative für Berlins Hausbesetzer. Das zeigte sich im vergangenen Jahr, als die Räumung des Szenehauses „Liebig34“ näherrückte. Bereits Ende 2018 war der zehnjährige Pachtvertrag ausgelaufen. Dennoch sah Bayram die Schuld nicht bei den Besetzern, sondern bei Eigentümer Gijora Padovicz. „Damit eskaliert die Situation auf Ihr Betreiben hin“, warf sie ihm in einem Schreiben vor. Die Grünen-Politikerin säte zudem Zweifel am Gerichtsurteil zur Räumung. Sie sorge sich um das „Ansehen unseres Rechtsstaates“.
Unternehmer Padovicz war da schon längst zum Hassobjekt der Szene geworden, erhielt Morddrohungen. Über Twitter verbreitete sich ein Bild: Vermummte recken ein Plakat in die Höhe: „Padovicz, aus der Traum! Bald liegst Du im Kofferraum.“ Eine Anspielung auf Hanns Martin Schleyer, den Arbeitgeberpräsidenten, der 1977 von der RAF ermordet und dessen Leichnam in einem Kofferraum gefunden wurde.
Reden möchte auch Bayram über ihre Rolle in dem Konflikt nicht. Drei schriftliche Anfragen ließ sie unbeantwortet. Nach mehreren Telefonaten meldeten sich ihre Mitarbeiter nicht mehr zurück.
Es gab eine Zeit, als der Verfassungsschutz Abgeordnete mit radikal linken Ansichten umfangreich beobachtete. Noch im Jahr 2013 stand fast jeder Zweite der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke unter Beobachtung – darunter Größen wie Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht.
Das ist heute anders. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom September 2013 gelten höhere Hürden, um den Eingriff in das freie Mandat zu rechtfertigen. Nach Informationen von WELT AM SONNTAG stehen deutschlandweit nur noch drei Linken-Abgeordnete unter Beobachtung.
Ihnen wird allen eine Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen, die in Deutschland als Terrororganisation gilt. Laut Bundesregierung sei die „Tötung von Menschen“ ein Mittel der PKK, um ihre politischen Ziele durchzusetzen – auch und vor allem auf dem Staatsgebiet der Türkei.
Zwei Politiker aus Hamburg fallen durch eine Nähe zu der Terrororganisation auf: Zum einen Fraktionschefin Cansu Özdemir, 32. Zum anderen Martin Dolzer, der Mann also, der bei den G-20-Protesten der Polizei gezielte Angriffe auf Demonstranten vorgeworfen hatte. Dolzer verglich PKK-Gründer Abdullah Öcalan 2019 mit Südafrikas Friedenskämpfer Nelson Mandela und trat aus Solidarität zum inhaftierten Öcalan in einen mehrtägigen Hungerstreik. Auf eine Anfrage antwortete Dolzer nicht.
Özdemir geriet bereits im Jahr 2011 ins Visier von Verfassungsschützern, nachdem sie einen Kurdischen Frauenrat gegründet hatte. Die Sicherheitsbehörden nahmen an, Özdemir unterhalte Verbindungen ins direkte Umfeld der PKK. Mittlerweile habe das Landesamt ihr mitgeteilt, die Beobachtung sei beendet, sagt Özdemir. Sie bleibt dabei: In ihren Augen sei die PKK keine Terrororganisation.
Der 9. Oktober 2020 zieht herauf. Kampftag an der Rigaer Straße. Die Räumung von „Liebig34“ steht bevor, und die Szene ruft zum Widerstand auf. Im Morgengrauen reihen sich Hunderte Polizisten in Schutzmontur vor dem besetzten Haus auf. Ihnen gegenüber steht ein großer Pulk an Demonstranten. Flaschen und Steine fliegen aus der Menge.
Kurz nach halb acht liefern sich Radikale und Beamte im Tumult Faustkämpfe. Aus Lautsprechern dröhnt: „Liebig34 lebt, Liebig34 bleibt.“ Es hilft nichts. Am Ende dieses Tages ist das Objekt geräumt. Hinter den Mauern offenbart sich ein Bild der Zerstörung. Im vermüllten Innenhof: Stacheldraht, Straßenschilder, eine alte Waschmaschine. Die Seiteneingänge: teilweise mit Metallplatten und dicken Betonschichten verbarrikadiert.
Im Konflikt um den Brandschutz hat die Berliner Senatsinnenverwaltung dem Bezirksamt nach einer eingeleiteten Prüfung die Beseitigung der Mängel auferlegt. Baustadtrat Schmidt musste reagieren. Ende 2020 forderte er den Hauseigentümer zur Erstellung eines Brandschutzgutachtens im Haus auf. Nach einer Klage des Eigentümers ist die Polizei nun dazu verpflichtet, den Gutachter bei einer Inaugenscheinnahme vor Ort zu schützen. Mitte März soll es zum Einsatz an der „Rigaer94“ kommen.
Für Schmidt ist die Situation allemal ungemütlich. Ende Januar drang laut Medienberichten eine Gruppe Vermummter ins Bezirksamt ein, um den Baustadtrat aufzusuchen. Da der Grünen-Politiker nicht vor Ort war, klebten sie eine Botschaft an die Wand, die man auch als Drohung verstehen kann: „Rigaer94 bleibt“.
Nachdem der Baustadtrat über Monate nicht mit dieser Zeitung reden wollte, meldete er sich kurz vor Redaktionsschluss doch noch. Seiner Auffassung nach bestand bis Ende 2020 „keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben“ in der „Rigaer94“. Daher habe man lange auf Deeskalation gesetzt. Vorwürfe, er dulde Linksextremisten, seien „absurd“. Denn das Bezirksamt sei nur für das Gebäude, nicht aber für die Bewohner zuständig.
Im Innenhof des besetzten Hauses prangt bis heute in dunkelroter Schrift eine „deadlist“. Mehrere Namen sind untereinander aufgelistet, Politiker, Polizisten, an fünfter Stelle steht der Name eines der bedrohten Anwälte: „Bernau“.
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*Weil der Text außerordentlich wichtig für die Debatte um Linksterrorismus ist, zitieren wir den Text. Verweise und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren.
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Unter meiner Leitung wurde in der Vergangenheit bei Euroimmun ein äußerst leistungsfähiger Bereich Forschung und Entwicklung aufgebaut, der sich unter anderem mit der Diagnostik von Infektionskrankheiten beschäftigt. Unsere Wissenschaftler gehörten zu den ersten, die Reagenzien für die Erkennung einer Reihe neu aufgetretener Infektionskrankheiten geschaffen haben, oft in Zusammenarbeit mit Spezialisten internationaler Infektions-Forschungseinrichtungen, in Deutschland unter anderen des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg und des Robert-Koch-Instituts in Berlin: Krim-Kongo, West-Nil, Japanische Encephalitis, Usutu, Dengue, Chikungunya, Mayaro, MERS-Corona, Zika, SARS 1, Ebola.
Basierend auf unserer umfassenden Erfahrung in der Reagenzien-Entwicklung zur Diagnostik neuer Viruskrankheiten haben wir schnell und zielsicher ein Antigenkonstrukt geschaffen und rekombinant hergestellt, mit dem sich Antikörper gegen SARS-CoV-2 zuverlässig nachweisen lassen. Es basiert auf der Rezeptor-bindenden Domäne innerhalb der S1-Untereinheit des Spike-Proteins, mit der sich der Virus an Rezeptoren der Zielzellen bindet. Für mich lag es nahe, dass eine Immunisierung mit diesem Protein eine Schutzwirkung vor einer Infektion entfaltet. …
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… Es gibt Impfungen mit einem großen und andere mit einem sehr geringen Gefahrenpotential. Es ist ein Unterschied, ob man einem gesunden Menschen abgeschwächte Viren oder Virus-RNS injiziert, oder ein kleines unscheinbares rekombinantes Protein, das nicht viel im Organismus anrichten kann, außer einer spezifischen Immunstimulation. Jahrzehntelang werden rekombinante, gentechnisch in Kulturzellen hergestellte Antigene bei der Immunisierung gegen die infektiöse Hepatitis A und B eingesetzt. Früher wurde das Immunisierungs-Antigen aus Blutspenden vormals an Hepatitis erkrankter Personen gewonnen, die rekombinanten Antigene kommen dagegen aus der Retorte, sie sind leicht herzustellen und bergen kein Infektionsrisiko – ein großer Fortschritt. Ich selbst habe tausende meiner Mitarbeiter damit immunisiert. Man muss allerdings im ersten Vierteljahr drei Injektionen vornehmen, dann alle fünf bis zehn Jahre den Antikörperspiegel messen und gegebenenfalls eine Auffrisch-Impfung durchführen.
Dieses unkomplizierte und jahrzehntelang bewährte Impfschema mit einem längst verfügbaren Bagatell-Antigen wäre im Falle der Covid-19 das Gebot der Stunde. Dass man hier ganz neue Ansätze verfolgt, etwa Virus-RNA in den Körper der Impflinge einschleust, die das Immunisierungs-Antigen erst im eigenen Organismus synthetisieren sollen, mag sehr wirksam sein, aber viele Leute haben Angst davor, weil sie befürchten, die Virus-RNS werde sich im Körper verselbständigen und unerwarteten Schaden anrichten. Langwierige Impfstudien mussten daher aufgelegt werden, während derer sich der Virus in der Bevölkerung wie eine Lawine ausbreiten konnte. Und der Wirkstoff ist sehr schwer herzustellen, bedarf von der Produktion bis zur Verimpfung einer durchgehenden Tiefkühlkette, viele Menschen reagieren gegen das zur Stabilisierung notwendige Additiv Polyethylenglycol allergisch und die Hälfte der Impflinge meldet sich nach der zweiten Spritze krank. Vor allem aber braucht man für die Herstellung Jahre, bis der Bedarf gedeckt und jeder immunisiert ist. Da können sich Wissenschaftler profilieren und die Patentinhaber mächtig verdienen, währenddessen sterben aber Millionen Menschen, weil sie nicht rechtzeitig geimpft werden können. „Wehe, wehe, wer verstohlen des Mordes schwere Tat vollbracht!“ Wer heftet sich an seine Sohlen?
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