Der Bundestag hat sich am Freitag, 12. Februar 2021, in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen“ (19/26545) befasst. Der Entwurf wird nun im federführenden Gesundheitsausschuss weiterberaten.
CDU/CSU: Der Bundestag regelt das Wesentliche
Bei dem Gesetzentwurf handle es sich um eine Parlamentsinitiative, betonte zu Beginn der Debatte Karin Maag (CDU/CSU). „Wir Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen bringen den Entwurf ein. Wir Abgeordnete wollen und werden, falls es weiterhin notwendig sein sollte, alle drei Monate hier im Parlament über das Fortbestehen der epidemischen Lage entscheiden“, sagte sie. Alle für den Pandemiefall notwendigen Regelungen müssten ausschließlich an diesen Beschluss geknüpft werden. Sollte nach drei Monaten – also im Juni – die epidemische Lage nicht mehr festgestellt werden, müssten alle für die Pandemie relevanten Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen aufgehoben werden, betonte Maag. Die jetzt existierenden starren Fristen würden bei Annahme des Gesetzentwurfes gestrichen.
Maag machte zudem deutlich, das Regelungen, die zwischen Bundesregierung und Ministerpräsidenten getroffen werden, nur auf der Grundlage eines Bundestagsbeschlusses über das Fortgelten der pandemischen Lage überhaupt Rechtswirksamkeit entfalten könnten. „Wir regeln das Wesentliche – die Details setzen die Regierungen fest“, sagte die CDU-Abgeordnete.
AfD: Lockdown sofort beenden
Mit dem Gesetzentwurf sei der Zusammenbruch der ambulanten Gesundheitsversorgung vorprogrammiert, befand hingegen Dr. Robby Schlund (AfD). Es fehle an Schutzmaßnahmen für die niedergelassen Praxen. „Wir geben Ihnen jetzt schon die Schuld an der Enteignung der Vertragsärzte und dem Verlust der freien und unabhängigen Beruflichkeit“, sagte er. Es sei nicht hinnehmbar, dass Ermächtigungen und Grundrechtseinschränkungen „weiter unsere Landschaft beherrschen“. Eine Lösung hätte aus seiner Sicht das AfD-Rastermanagement sein können, das seine Fraktion vor einem Jahr vorgeschlagen habe.
Unter Bezugnahme auf Daten der Johns-Hopkins-Universität sagte Schlund, Länder mit einem weniger starken Lockdown als Deutschland hätten eine geringere Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtbevölkerung. Es sei an der Zeit, Fehler einzugestehen, so der AfD-Abgeordnete an Koalition und Regierung gewandt. „Der Lockdown ist sofort zu beenden. Die pandemische Lage ist sofort aufzuheben“, sagte Schlund.
SPD: Die Zahlen sinken und die Maßnahmen greifen
Sie gehe „mit Zuversicht, aber auch mit Vorsicht“ in die Debatte, sagte Hilde Mattheis (SPD). Mit Zuversicht, weil die Zahlen sinken und die Maßnahmen greifen würden. Mit Vorsicht, „weil uns das nicht ausreicht“. Es gelte, die Bevölkerung zu schützen. Die Akzeptanz dafür sei vorhanden. Das Parlament habe nun die Aufgabe, die pandemische Lage weiterhin festzustellen. „Lasst uns noch drei Monate alle Rechtsverordnungen weitergelten lassen und dann hier im Parlament die aktuelle Situation wieder diskutieren und schauen, ob weitere Lockerungen greifen können“, sagte Mattheis.
Das Parlament sei sich seiner Verantwortung bewusst. Es reiche nicht, die Maßnahmen fortzuführen – sie müssten auch konkretisiert und fortentwickelt werden, wie etwa mit der Impfstrategie. Damit würden auch Forderungen nach mehr Rechtssicherheit aufgegriffen. Die geplante Evaluierung, so die SPD-Abgeordnete, sei ein ganz wichtiger Punkt für ihre Fraktion. Gleichwohl seien ihr die diesbezüglichen Regelungen nicht weitgehend genug. „Wir hätten das Infektionsschutzgesetz gerne befristet“, sagte Mattheis.
FDP: Verfassungswidrigen Zustand beenden
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) begrüßte es, das in dem Gesetzentwurf Impfziele festgelegt werden. Gut sei auch, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite künftig alle drei Monate durch den Bundestag festgestellt werden muss. Beides seien Forderungen ihrer Fraktion gewesen, sagte die FDP-Abgeordnete. Nicht nachvollziehbar ist es aber aus ihrer Sicht, warum die Koalition sich weigere, „bei der Impfpriorisierung per Verordnung die Zustimmung des Bundestages einzuholen“. Das sei notwendig, „denn bei der Verteilung des Impfstoffes handelt es sich doch zweifelsfrei um einen ganz tiefen Grundrechtseingriff“.
Es sei daher die Pflicht des Bundestages, diese wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Sie hoffe hier auf Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren, „um diesen verfassungswidrigen Zustand zu beenden“, sagte Aschenberg-Dugnus. Blanko-Vollmachten für die Bundesregierung – auch wenn es nur drei Monate sind – wolle ihre Fraktion nicht. Erst recht könne es aber nicht sein, das die Ministerpräsidenten der Länder versuchen, die Impfpriorisierungen zu ändern. Das gehöre in die Zuständigkeit des Bundestages.
Linke vermisst eine langfristige Strategie
Dr. Achim Kessler (Die Linke) kritisierte den Gesetzentwurf, durch den der Bundestag erneut Regelungskompetenzen an die Bundesregierung abgebe. Die wesentlichen Entscheidungen müssten aber durch das Parlament getroffen werden, sagte Kessler und bezog sich dabei auf eine Aussage des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Stephan Harbarth. „Je länger die Pandemie dauert, desto mehr verletzen Sie das Demokratieprinzip“, warf Kessler Union und SPD vor. „Beenden Sie diese zerstörerische Politik, die das Vertrauen in unseren Staat untergräbt“, forderte der Linken-Abgeordnete.
Die Bundesregierung kritisierte er dafür, nur auf Sicht zu fahren, obwohl eine langfriste Strategie benötigt werde. Mit Blick auf die Mutationen des Virus forderte er, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Produktion von Impfstoffen auszuweiten. Um diesen weltweit herstellen zu können, müssten die Patente für die Impfstoffe freigegeben werden, verlangte Kessler. Die rechtlichen Möglichkeiten dazu habe der Bundesgesundheitsminister, „und die ethische Verantwortung erst recht“.
Grüne: Wir sind noch nicht über den Berg
Die Menschen sehnten sich nach Normalität und einer Perspektive für den Weg aus der Krise, sagte Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen). Aber: „Wir sind noch nicht über den Berg.“ Daher sei eine Fortschreibung der epidemischen Lage notwendig. Sie begrüßte es ausdrücklich, dass die Koalitionsfraktionen – und nicht die Bundesregierung – dabei die Initiative übernommen haben. Inhaltlich allerdings sei der Gesetzentwurf unzureichend, urteilte Schulz-Asche. „Sie sind nicht bereit oder nicht in der Lage dazu, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen“, warf sie Unions- und SPD-Fraktion vor.
Einschränkungen der Freiheitrechte müssten in einer Demokratie, „gerade während einer Pandemie“, begründet werden. Hier müsse dringend nachgebessert werden. Benötigt werde auch ein nachvollziehbares Krisenmanagement. Stattdessen gebe es aber von der Bundesregierung im Dreiwochenrhythmus autoritäre Ansagen. Die Grünen-Abgeordnete plädierte für einen Stufenplan als einen Weg aus der Pandemie „mit bundesweiter Einheitlichkeit von Regeln und Anpassungen an das jeweilige Infektionsgeschehen regional“.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Die Koalitionsfraktionen beabsichtigen mit ihrem Gesetzentwurf, dass die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite eingeführten Regelungen länger gelten. Angesichts der weiterhin dynamischen Infektionslage, auch bedingt durch Mutationen, sei es nötig, die Geltung der gegenwärtigen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit über den 31. März 2021 hinaus zu verlängern und zugleich für künftige pandemische Lagen die rechtlichen Grundlagen zu erhalten.
Der Bundestag hatte am 25. März 2020 nach Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite und am 18. November 2020 deren Fortbestehen festgestellt. Die an die Feststellung anknüpfenden Regelungen sind bis Ende März 2021 befristet.
Die zugrunde liegende Norm nach Paragraf 5 Absatz 1 des IfSG sowie die Regelungen zu Anordnungen und zum Erlass von Rechtsverordnungen in den Absätzen zwei bis fünf des Paragrafen 5 des IfSG sollen dem Entwurf zufolge nicht aufgehoben werden. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite soll jedoch als aufgehoben gelten, sofern der Bundestag nicht spätestens drei Monate danach das Fortbestehen feststellt.
Pandemie-Recht soll an epidemische Lage anknüpfen
Pandemiebedingte Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen sollen nur noch an die Feststellung der epidemischen Lage anknüpfen. Sie sollen nicht mehr Ende März 2021 oder im Fall einer Verordnung nach Paragraf 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 10 des IfSG (Gesundheitsberufe) Ende März 2022 außer Kraft treten.
Die Regelung in Paragraf 56 Absatz 1a des IfSG (Entschädigungsregelung für erwerbstätige Eltern) soll ebenfalls an die Feststellung der epidemischen Lage geknüpft und die Befristung zum 31. März 2021 aufgehoben werden.
Impfziele sollen festgelegt werden
Festgelegt werden in einem neuen Abschnitt, in Paragraf 20 Absatz 2a des IfSG, die Impfziele. Damit werde der rechtliche Rahmen für die Prioritäten beim Impfen gestärkt. In der Rechtsverordnung nach Paragraf 20i Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) soll die Priorisierung nach Personengruppen festgelegt werden können, wenn darin ein Anspruch auf Schutzimpfung gegen Sars-CoV-2 festgelegt wird.
In Paragraf 87b Absatz 2a des SGB V (Krankenversicherung) soll geregelt werden, dass durch die Pandemie gefährdete vertragsärztliche Leistungserbringer ihren Versorgungsauftrag trotz Rückgangs der Fallzahlen fortsetzen können.
Sonderregelungen im Bereich Pflege sollen verlängert werden
Ferner sollen die Sonderregelungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) zugunsten von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen, zugelassenen Pflegeeinrichtungen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag um weitere drei Monate verlängert werden. Um die Mehrausgaben zu decken, soll mittels einer Rechtsverordnung die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung einen Bundeszuschuss erhält.
Schließlich soll das Bundesgesundheitsministerium eine externe wissenschaftliche Evaluation der gesamten Regelungen zur epidemischen Lage in Auftrag geben. Das Ergebnis soll bis Ende 2021 vorgelegt werden. (pk/eis/12.02.2021)
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