Minister: Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten nötig
Die Opposition hält einige der Auflagen für überzogen und wissenschaftlich nicht fundiert. Kritik äußerte die Opposition auch an der aus ihrer Sicht unzureichenden Einbindung der Parlamente in die Entscheidungen. Die Bundesregierung verteidigte ihr Vorgehen und verwies auf den exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, es werde alles getan, um die Bürger vor dem Virus zu schützen. Dazu sei aber eine bittere Medizin in Form von Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten nötig.
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Detlev Spangenberg (AfD)
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Die Kontaktbeschränkungen im Frühjahr hätten gewirkt, nun gehe es darum, die zweite Welle zu brechen. Mit einer nationalen Kraftanstrengung müsse alles getan werden, um die Infektionskurve abzuflachen. Spahn betonte, die Lage sei ernst. Noch könne das Gesundheitssystem mit der Situation umgehen, auf Dauer sei aber die Dynamik zu stark. Er warnte: „Wenn die Intensivstationen einmal überfüllt sind, dann ist es zu spät.“
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Dr. Nüßlein (CDU)
Dr.Nüßlein behauptet, fast jeder kenne inzwischen einen Menschen, der an Covid-19 gestorben sei. Das hat in den Leserkommentaren zu diesem WELTonline-Artikel heftige Gegenreaktionen hervorgerufen. Die meist gelikten Kommentare: Hier klicken
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Der Minister räumte ein, dass die Gesellschaft durch die Einschränkungen in der Corona-Krise im Kern getroffen sei. So fürchteten Unternehmer um ihre Existenz, Kinder hätten auf Schule und Kita verzichten müssen, Eltern litten unter einer Doppelbelastung, Risikogruppen hätten sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen, Pflegebedürftige könnten Angehörige nicht sehen. Spahn betonte, die Pandemie sei eine Mammutaufgabe und der Höhepunkt vermutlich noch nicht erreicht. Zugleich gebe es in der Pandemie einen großen Zusammenhalt, Flexibilität, Kreativität und Besonnenheit. Spahn versicherte: „Wir werden die kommenden Herausforderungen gemeinsam bestehen.“
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Beatrix von Storch (AfD)
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SPD: Wichtig ist ein einheitliches Vorgehen
Bärbel Bas (SPD) sagte, die hohe Zahl der Neuinfektionen zeige den dringenden Handlungsbedarf auf. Es müsse jetzt etwas unternommen werden, um die Infektionen wieder nachverfolgen zu können. Sie räumte ein, über einzelne Beschränkungen könne man durchaus streiten, wichtig sei aber ein einheitliches Vorgehen.
Entscheidend sei in dieser Situation, Kontakte zu reduzieren. Zugleich müsse die Parlamentsbeteiligung gestärkt werden. Die beschlossenen Eingriffe in die Freiheitsrechte müssten besser erklärt und rechtssicher gemacht werden.
FDP: Empfindliche Einschränkungen der Freiheit
FDP-Fraktionschef Christian Lindner sprach von empfindlichen Einschränkungen der Freiheit. Die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen werde mit Skepsis gesehen. Zudem sei unklar, wie es langfristig weitergehen solle. Womöglich drohe ein Jojo-Effekt. Die Rechtsgrundlagen nannte Lindner „wackelig“, sie bedürften dringend der gesetzlichen Ordnung. Es gebe keinen Grund, immer noch im Notfallmodus an der Verordnungspraxis festzuhalten.
Den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wertete Lindner als unzureichend. „Sie legen ein rechtspolitisches Feigenblatt vor, um Entscheidungen nachträglich zu legitimieren. Das geht hart an die Grenze der Missachtung des Parlaments.“ Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite müsse befristet werden, damit der Bundestag die Lage regelmäßig neu bewerten könne. Nötig seien außerdem parlamentarische Erlassvorbehalte und eine Unterrichtungspflicht der Bundesregierung. Die breite Aufzählung von Freiheitseinschränkungen bringe auch keine Rechtssicherheit, der Entwurf sei eine Enttäuschung.
AfD: Maßnahmen sind unverhältnismäßig
Auch die AfD-Fraktion zweifelt am Sinn und Nutzen der jüngst verfügten Einschränkungen. Detlev Spangenberg (AfD) sagte, zum Wesen einer Demokratie gehöre, die Bürger bei Entscheidungen mitzunehmen. Er kritisierte die aus seiner Sicht beispiellosen Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Nicht einmal die Geborgenheit in der eigenen Wohnung sei künftig noch gesichert. Folgen der Beschränkungen seien eine psychische Belastung der Bevölkerung, Vereinsamung und berufliche Sorgen.
Es wäre besser, die besonders Gefährdeten zu schützen, sagte Spangenberg. Er warnte, das Land dürfe nicht in den Ruin getrieben werden. Die Gesundheitsgefahr durch Corona sei nicht größer als die durch andere Viruserkrankungen. Die politischen Maßnahmen seien unverhältnismäßig.
Linke: Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet
Susanne Ferschl (Die Linke) rügte, es werde in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen ohne erkennbare Strategie. Damit schwinde die Akzeptanz in der Bevölkerung. Derart weitreichende Einschränkungen müssten im Parlament beraten und beschlossen werden. „Die Krise ist nicht die Stunde der Exekutive, sie ist die Stunde der Parlamente.“
Zudem seien schon vor der Corona-Krise wichtige Weichenstellungen verpasst worden, monierte Ferschl und nannte als Beispiele den Pflegenotstand, den Lehrermangel, den unzureichenden öffentlichen Personennahverkehr und die mangelhafte Belüftung von Klassenzimmern. Die Menschen hätten die Pflicht, Abstand zu halten, aber keine Möglichkeit dazu in engen Bussen oder Klassenzimmern.
Grüne wollen mehr Transparenz und rechtliche Klarheit
Die Grünen tragen die jüngsten Beschränkungen im Grundsatz mit, fordern aber auch mehr Transparenz und rechtliche Klarheit. Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es komme in dieser Lage auf schnelle Reaktionen an. Die drastische Reduktion der Kontakte werde nicht in Zweifel gezogen, allerdings seien die Verordnungsermächtigungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht ausreichend, um Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen.
Es seien viele Chancen verpasst worden, eine solide gesetzliche Grundlage zu schaffen, beklagte Rottmann. Einwände seien abgelehnt oder überhört worden. Es reiche auch nicht aus, denkbare Maßnahmen im Gesetz nur zu erwähnen, die Grenzen und Voraussetzungen müssten definiert werden. Es werde eine für die Gerichte nachvollziehbare gesetzliche Verknüpfung zwischen Infektionsgeschehen und Rechtsfolgen benötigt. Die Regeln müssten hinreichend bestimmt, gerichtsfest und flexibel sein.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Zur Bewältigung der Corona-Krise soll im Bundestag ein drittes Bevölkerungsschutzpaket verabschiedet werden. Die Regelungen berücksichtigen neue Erkenntnisse über das Coronavirus und setzen einen Rahmen für künftige Impfprogramme. Zugleich beinhaltet der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von Union und SPD (19/23944) eine gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Eingriffe in grundrechtliche Freiheiten.
Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts angesichts der länger andauernden Pandemielage zu entsprechen, sei eine gesetzliche Präzisierung im Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität möglicher Maßnahmen angezeigt, heißt es in dem Gesetzentwurf. Und weiter: Mit der Benennung nicht abschließender Regelbeispiele etwaiger Schutzmaßnahmen gebe der Gesetzgeber in Ausübung seiner Beobachtungs- und Korrekturpflicht Reichweite und Grenzen exekutiven Handelns vor.
Vorbereitung künftiger Impfprogramme
Mit der Novelle werden auch kommende Impfprogramme vorbereitet. So sollen nicht nur Versicherte einen Anspruch auf Schutzimpfungen und Testungen haben können, sondern auch Nichtversicherte. Die zugrunde liegende Rechtsverordnung kann Regelungen zur Vergütung und Abrechnung vorsehen. Zur besseren Kontaktnachverfolgung im Reiseverkehr kann künftig eine digitale Einreiseanmeldung nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet verordnet werden. Zugleich erhält der Begriff des Risikogebiets eine Legaldefinition.
Das Paket sieht außerdem Hilfe für berufstätige Eltern vor. Die im März 2020 geschaffene Entschädigungsregelung für Eltern soll fortgeführt werden, wenn die Betreuung der Kinder nach einer behördlichen Schließung von Einrichtungen nicht mehr möglich ist. Bei einem unter Quarantäne gestellten Kind soll künftig auch eine Entschädigungszahlung möglich sein. Eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls wird hingegen ausgeschlossen, wenn die betreffende Person eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet unternommen hat.
Ausweitung der Laborkapazitäten für Corona-Tests
Die Laborkapazitäten für Corona-Tests sollen ferner ausgeweitet werden. Dazu soll der sogenannte Arztvorbehalt modifiziert werden. Bei Bedarf sollen auch Kapazitäten der veterinärmedizinischen Labore abgerufen werden können.
Beim Robert-Koch-Institut (RKI) sollen neuartige Überwachungs-Instrumente (Surveillance) geschaffen werden, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlauf der Pandemie zu gewinnen. Das Bevölkerungsschutzgesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.
Antrag der AfD
Die AfD will mit in ihrem Antrag (19/23950) durchsetzen, dass die gegenwärtig geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie durch andere ersetzt werden. Statt „Ausgangsverboten und Schließungen“ fordern die Abgeordneten etwa die bundesweite Förderung und Evaluierung von Hygienekonzepten.
Außerdem gelte es, den Schutz von Risikogruppen in den Mittelpunkt zu stellen, schreiben die Abgeordneten. So sollten Besuchern von Seniorenheimen, Pflegeheimen und Krankenhäusern etwa Antigen-Schnelltests zur Verfügung gestellt werden. Zugleich solle eine Hilfe für zuhause lebende Mitglieder von Risikogruppen etabliert werden.
Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung unter anderem auf (19/23942), dem Bundestag eine Strategie zur Beschlussfassung vorzulegen, die unterschiedliche Szenarien der epidemischen Entwicklung beinhaltet und klare epidemiologische Zielwerte als Maßgabe für Verordnungen für Bundes- und Landesregierungen definiert. Das betreffe vor allem grundrechtlich eingreifende Maßnahmen, die Festlegung von möglichst bundeseinheitlichen Zielparametern in der Pandemiebekämpfung und die Bedingungen für das Inkraft- und das Außerkrafttreten von Maßnahmen.
Zugleich solle die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Verordnungsermächtigungen des Gesundheitsministeriums aufgrund der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ so reduziert, dass keine Abweichungen und Ausnahmen von Gesetzen mehr möglich sind. Auch müsse sichergestellt werden, dass Verordnungen mit besonderer Eingriffstiefe die gegebenenfalls auch nachträgliche Bestätigung des Bundestages benötigen. In den Absprachen mit den Regierungen der Länder solle die Bundesregierung auf entsprechende Regelungen in den Ländern hinwirken. So ermögliche Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes den Ländern, einer bundesrechtlichen Verordnungsermächtigung auch durch Landesgesetz nachzukommen.
Antrag der Grünen
Die Grünen halten in ihrem Antrag (19/23980) fest, dass das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratiegebot und das Ziel der Eindämmung der Pandemie eine stärkere Einbindung der Parlamente und die Beseitigung bestehender gesetzlicher Defizite bedürfe. Sie fordern deshalb eine tiefgreifende Modernisierung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Dies würde zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, dennoch solle der Bundestag schon jetzt bestimmte Problembereiche gesetzlich bearbeiten, schreiben die Abgeordneten. Dazu gehöre unter anderem eine Konkretisierung im Infektionsschutzgesetz, unter welchen Voraussetzungen die Länder bestimmte Grundrechtseingriffe zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie per Verordnung erlassen dürfen. (pk/06.11.2020)
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