Anhänger der deutschen Energiewende…
… verweisen gerne auf die niedrigen Preise, zu denen Strom mit Wind- oder Solaranlagen erzeugt werden kann. Doch die versteckten Kosten sind hoch – und mehr erneuerbare Energien sind nicht immer besser.
Sind erneuerbare Energien wettbewerbsfähig? Wir hören permanent, dass Wind- und Solarenergie die Welt erobern. Sie seien kostenlos und – so sagt man uns – billiger als fossile Brennstoffe. Aber warum gibt Deutschland dann in diesem Jahr 18 Milliarden Euro für die Subventionierung von Solar- und Windenergie aus? In der aktuellen Diskussion über erneuerbare Energien ist in Wirklichkeit ein bisschen wahr und vieles irreführend.
Technisch gesehen stimmt es, dass eine zusätzliche Kilowattstunde Strom, die mit den günstigsten und effektivsten neuen Wind- und Solaranlagen erzeugt wird, billiger ist als fossile Brennstoffe. In Deutschland wird nach Angaben des Fraunhofer-Instituts im Durchschnitt mit diesen Best-Case-Technologien eine Kilowattstunde Strom für 5,2 Cent für Solar- und 6,1 Cent für Windenergie erzeugt. Verglichen mit dem durchschnittlichen Preis eines neuen Braunkohlekraftwerks, das eine Kilowattstunde für 6,3 Cent produziert, scheint es absolut logisch, immer mehr Wind- und Solaranlagen zu bauen.
Aber nur wenn die Sonne scheint, wird Solarstrom erzeugt, Windkraft nur, wenn der Wind weht. Keine Sonne, kein Wind, kein Strom. Wenn es dunkel und windstill ist, steigt der Preis für Wind- und Solarstrom ins Unermessliche.
In Wirklichkeit sind die Windturbine und das Solarpanel nur der sichtbare Teil der Kosten für erneuerbare Energien. Wir müssen aber auch den gesamten Rest des Energiesystems bezahlen, um die nur zeitweise verfügbare Solar- und Windenergie auszugleichen.
Das funktioniert auf verschiedene Weise. Um die zusätzliche Unsicherheit zu kompensieren, muss die Gesellschaft Kosten tragen, die die Solar- und Windenergie etwas teurer machen, wahrscheinlich um weniger als einen halben Cent pro Kilowattstunde.
Die Einspeisung ist dabei ein bekanntes Problem: Der größte Teil der Windenergie kommt aus dem Norden Deutschlands, der größte Teil der Solarenergie aus dem Süden. Das macht große Übertragungsleitungen erforderlich, die Solar- und Windenergie wiederum etwas teurer machen, vielleicht um einen halben bis einen Cent pro kWh.
Solaranlagen überschwemmen den Markt
Die höchsten Kosten ergeben sich jedoch aus der Tatsache, dass der gesamte Solar- und Windstrom meist zur gleichen Zeit ankommt, was ihn weitaus weniger wertvoll macht. Es ist nicht überraschend, dass Photovoltaikanlagen nur während des Tages Strom liefern, am meisten gegen Mittag.
Es ist gut, wenn man ein paar Prozent des Stroms aus Solarenergie bekommt, denn so wird Extrastrom zu Spitzenverbrauchszeiten geliefert. Tatsächlich erzeugten die wenigen deutschen Solarmodule Anfang der 2000er-Jahre wertvollen Mittagsstrom, der im Vergleich zum durchschnittlichen Strompreis aus hauptsächlich Kohle, Gas und Atomkraft 30 Prozent höhere Preise pro Kilowattstunde erzielte.
Da aber immer mehr Solaranlagen gebaut werden, wird der Markt mit immer wertloserer Solarenergie überschwemmt. Verglichen mit dem durchschnittlichen Strompreis verkaufen deutsche Solaranlagen seit 2013 ihren Strom mit immer größeren Verlusten. Studien zeigen, dass der Wert der Solarenergie, wenn sie 15 Prozent des gesamten Stroms in Deutschland produziert, die Hälfte des durchschnittlichen Strompreises ausmacht.
In ähnlicher Weise wird Windkraft in der Regel zur gleichen Zeit erzeugt und kommt oft nachts an, wenn sie wenig Wert hat. Spätestens seit 2001 verkaufen deutsche Windkrafterzeuger ihren Strom unter dem durchschnittlichen Strompreis, und der Verlust nimmt immer mehr zu.
Wenn die Windkraft einen Marktanteil von 30 Prozent erreicht, wird ein Großteil des Stroms wenig oder gar keinen Wert haben. Verglichen mit dem durchschnittlichen Strompreis sinkt der Wert um ein Drittel und verliert zwei Cent pro Kilowattstunde.
Windenergie benötigt daher eine Subventionierung um zusätzliche zwei Cent pro kWh im Vergleich zum durchschnittlichen Strompreis für Kohle, Gas und Kernenergie, nur um auszugleichen, dass sie zur selben Zeit und oft dann produziert wird, wenn sie wenig Nutzen hat.
Warum der Rest der Energieversorgung teurer wird
Man könnte nun glauben, dass es großartig für die Gesellschaft ist, wenn die Strompreise fallen – allerdings ist dabei zu bedenken, dass diese Senkung nur für Solar- und Windenergie gilt, weil ein Großteil davon produziert wird, wenn er nicht benötigt wird.
Ironischerweise führt das dazu, dass der Rest des Elektrizitätssystems teurer wird. Ein Kohlekraftwerk, das das ganze Jahr über hätte laufen können, wird jetzt oft abgeschaltet und muss ineffizient hoch- und heruntergefahren werden, um Solar- und Windenergie zu nutzen.
Das bedeutet höhere Strompreise, wenn das Kraftwerk läuft. Die Stromproduktion wird auf flexiblere Gaskraftwerke verlagert, die allerdings auch teurer sind. Während Kraftwerke rund um die Uhr Strom für etwa sechs Cent/kWh produzieren können, kann die Spitzenproduktion am Ende 400 Cent/kWh kosten.
Es ist, als würde man uns erklären, dass wir günstige, selbst fahrende Solartaxis für ganz Deutschland bekommen können. Das einzige Problem: Sie funktionieren leider nur an sonnigen Tagen zwischen neun und 15 Uhr effektiv.
Die übrige Zeit müssen immer noch die alten Taxis fahren. Obwohl die neuen Taxis billiger sind, müssen wir jetzt zwei Taxiunternehmen bezahlen. Und die normalen Fahrer müssen ihre Preise erhöhen, weil sie in weniger Stunden ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.
Das ist der Grund, warum Solar- und Windenergie nur scheinbar billiger sind. Die Solarenergie ist zwar technisch in der Lage, eine neue Kilowattstunde für 5,2 Cent zu produzieren, aber das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Deutsche Haushalte zahlen die höchsten Strompreise der Welt
Es kostet extra, um Variabilität und Einspeisung in den Griff zu bekommen. Und weil der Strom gleichzeitig ankommt, braucht er im Wesentlichen eine Zwei-Cent-Subvention, nur um mit Kohle, Gas und Atomkraft vergleichbar zu sein.
Aus diesem Grund zeigen Studien, dass die gesamten versteckten Kosten bei signifikanter Erzeugung von Solar- und Windenergie 2,5 bis 3,5 Cent/kWh betragen. Tatsächlich dürften neue Solar- und Windkraftanlagen nur etwa die Hälfte ihres derzeitigen besten Preises kosten, bevor sie tatsächlich günstiger als fossile Brennstoffe sind.
Es ist großartig, dass erneuerbare Technologien preiswerter werden, aber sie sind noch lange nicht günstig genug. Die Strompreise sind im letzten Jahrhundert, als die Technologien immer effektiver wurden, dramatisch gesunken.
Aber in diesem Jahrhundert haben wir die Kosten in die Höhe getrieben, da wir zunehmend auf die Nutzung teurer und wetterabhängiger erneuerbarer Energien bestehen. Aus diesem Grund sind in ganz Europa die Stromkosten für Haushalte umso höher, je höher der Anteil von Wind- und Solarenergie ist. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 zahlen die deutschen Haushalte wieder die höchsten Strompreise der Welt. Und die deutschen Großhandelsstrompreise könnten sich bis 2030 wieder vervierfachen.
Um die erneuerbaren Energien voranzutreiben, erhöhen Politiker auf der ganzen Welt ungeduldig die Subventionen. Deutschland wird in diesem Jahr über das EEG 24 Milliarden Euro für die Förderung aufwenden, nachdem es allein durch die EEG-Umlage seit 2000 rund 200 Milliarden Euro ausgegeben hat.
Deutsche Energiewende kostet 520 Milliarden Euro bis 2025
Eine Schätzung beziffert die Gesamtkosten der Energiewende für das erste Quartal dieses Jahrhunderts auf 520 Milliarden Euro. Durch die Energiewende liegt das verfügbare durchschnittliche deutsche Einkommen jedes Jahr um fast zwei Prozent niedriger, als es ohne sie gewesen wäre.
In der gesamten EU beliefen sich die Mehrkosten für Solar- und Windenergie im Jahr 2018 auf erstaunliche 55 Milliarden Euro. Weltweit schätzt die Internationale Energieagentur, dass die Subventionen für Solar- und Windenergie von 2007 bis 2040 mehr als 5000 Milliarden Dollar betragen werden. Obwohl die Energiewende eine breite öffentliche Unterstützung hat, halten drei Viertel der Bevölkerung sie für teuer.
Für Deutschland stellt die EU fest, dass die Ausgaben für erneuerbare Energien dramatisch zugenommen haben. Insgesamt ist das allerdings ein schrecklicher Deal. In den letzten acht Jahren haben die billigeren erneuerbaren Energien die deutschen Stromkosten um etwa 0,4 Cent pro kWh gesenkt. Leider haben die Subventionen gleichzeitig die Stromkosten für den Durchschnittsverbraucher um 6,4 Cent pro kWh erhöht.
Viele glauben, eine Lösung sei die Stromspeicherung. Aber das löst nur einen Teil des Problems für die wenigen Länder, die über viel Wasserkraft verfügen, wie z. B. Schweden. Sie können Wasserkraft als Batterie nutzen, um die zusätzlichen Kosten für erneuerbare Energien zu senken – indem sie Wasser hinter Dämmen stauen, während sie Wind- und Solarenergie nutzen, und die gespeicherte Wasserenergie durch Generatoren freisetzen, wenn Sonne und Wind schwach sind.
Heutige Batterien sind viel zu klein und zu teuer. Derzeit könnte der gesamte Batteriespeicher in Deutschland den durchschnittlichen deutschen Stromverbrauch 89 Sekunden lang decken. Eine sinnvolle Ergänzung der Solarspeicherung verdreifacht die Kosten im Idealfall, kann allerdings auch das Zehnfache der Kosten übersteigen.
Aber verringern die erneuerbaren Energien wenigstens den CO₂-Ausstoß? Ja, die massiven Investitionen in Solar- und Windenergie haben die deutschen Emissionen von CO₂ im Jahr 2019 um 118 Millionen Tonnen reduziert. Doch allein diese Einschnitte werden die globalen Temperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts um weniger als die Hälfte eines Zehntausendstel Grades senken – zum Preis von 18 Milliarden Euro.
Die Krux mit dem Emissionshandel
Selbst wenn man das in den nächsten dreißig Jahren für mehr als eine halbe Billion Euro fortsetzen würde, würden die Temperaturen so um etwas mehr als ein Tausendstel Grad sinken. Jeder Euro ist schlecht investiert, weil dafür nur der Gegenwert von 19 Cent in langfristigen, globalen Klimaschäden vermieden wird.
Darüber hinaus ignoriert der deutsche Versuch, CO₂ bei der Stromerzeugung zu reduzieren, das EU-Handelssystem, das bereits feste Ziele hat. Zusätzliche Einsparungen von Deutschland führen lediglich dazu, dass mehr Zertifikate für andere Länder übrig bleiben, ohne die Gesamtmenge an CO₂ zu reduzieren. Der einzige wirkliche Vorteil der deutschen Einsparungen sind niedrigere klimapolitische Kosten für andere Länder. Die Auswirkung aufs Klima ist eigentlich gleich null.
Die Energiewende wird oft als beispielhaft für die Welt angeführt. Offensichtlich kann Deutschland den Klimawandel nicht allein beheben, aber wenn diese Politik andere dazu inspirieren könnte, klug zu handeln, könnte sie immens viel Gutes bewirken.
Doch wenn überhaupt, dann war Deutschland bisher kein Vorbild, dem man folgen sollte, sondern eher eine Warnung: Nachdem das Land Hunderte von Milliarden ausgegeben hat, bezieht es immer noch weniger als fünf Prozent der Gesamtenergie (nicht nur Strom) aus Sonne und Wind. Das ist nicht nachhaltig. Das liegt im Wesentlichen daran, dass bei der Energiewende hauptsächlich in Technologie von gestern investiert wurde. Technik, von der wir wissen, dass sie längst noch nicht kosteneffizient ist. Damit wird man niemanden überzeugen, vor allem nicht in den ärmeren Teilen der Welt. Was wir brauchen, sind bessere Technologien, um zukünftige grüne Energie billiger als mit fossilen Brennstoffen zu produzieren. Wir brauchen beispielsweise Wind- und Solarenergie, die erheblich günstiger ist als heute (um die versteckten Kosten zu decken), sagenhaft günstigere Energiespeicher, viel preiswertere Kernenergie oder enorm billige CO₂-Abscheidung.
Bill Gates: Für den Klimawandel „fehlen uns zwei Dutzend großartiger Innovationen“
Oder eine andere erstaunliche grüne Technologie. Wir sind weit davon entfernt, diese Durchbrüche zu erreichen. Und weil es viele Stimmen gibt, die behaupten, dass wir bald soweit sind, werden momentan auf der Welt Billionen verschwendet. Wie Bill Gates sagt: Um den Klimawandel zu beheben, „fehlen uns etwa zwei Dutzend großartige Innovationen“.
Deutschland sollte eine Vorreiterrolle übernehmen, nicht durch verschwenderische Ausgaben für ineffektiven Technologien von gestern, sondern durch innovative Lösungen für morgen: Investitionen in Forschung und Entwicklung, um zukünftige grüne Energietechnologien günstiger als fossile Brennstoffe zu machen.
Das wird nicht nur weniger kosten, es wird auch besser funktionieren und tatsächlich dazu beitragen, alle in China, Indien und Afrika davon zu überzeugen, schließlich auch umzusteigen.
Dr. Björn Lomborg ist Präsident des Copenhagen Consensus Centers und Visiting Fellow an der Hoover Institution, Stanford University. Sein neues Buch ist „False Alarm: How Climate Change Panic Costs Us Trillions, Hurts the Poor, and Fails to Fix the Planet“.
Dieser Artikel ist der erste in einer sechsteiligen Serie, die Lomborg exklusiv für WELT zur deutschen Energie-, Klima- und Umweltpolitik schreibt.
Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Böll.
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*Weil der Artikel außerordentlich wichtig für die Klimadebatte ist, zitieren wir den Text. Verweise und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren.
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