… aber es erscheint einem so selbstverständlich, als wäre es seit dem Anbeginn der Zeit auf der Welt: perforiertes Toilettenpapier auf einer Rolle. Welch unvergleichlicher Luxus uns da selbstverständlich geworden ist, zeigt sich erst, seitdem es dieses Gut nicht mehr gibt. Zumindest nicht in Bockenheim, nicht in der Frankfurter Innenstadt und auch nicht im Rheingau, in Eltville und Oestrich-Winkel, wo uns die Suche schon hingetrieben hat, weil das Papier seltsamerweise zu den ersten Artikeln gehörte, die mit dem Ausbruch der Corona-Krise Mangelware wurden.
Der Artikel liegt leider hinter der Bezahlschranke.
Frage: Wieso glauben die Menschen, durch den Kauf von Klopapier die Corona-Krise überstehen zu können?
Das ist eine Ersatzhandlung, wie sie gerade in Stress-Situationen auftreten. Menschen tun dies oft, um die Kontrolle über eine vermeintlich gefährliche Situation wiederzubekommen, die sie aber in Wirklichkeit gar nicht kontrollieren können. Man tut dies, um seine Angst an Dingen abzureagieren, die sich leichter kontrollieren lassen. Unter Panikbedingungen wird vernünftiges Handeln stark blockiert. Bei Menschen, die unter Panik stehen, schlägt das Alarmsystem in ihrem Hirn vernünftige Handlungsmodelle aus. Niemand berechnet mehr, ob das Klopapier wirklich gebraucht wird. Es wird einfach vom extremsten Fall ausgegangen, der eintreten könnte. […]
DIE Aussage des Interviews :
[…] Frage:Haben andere Länder in der Krise besser kommuniziert?
Nein, das psychologische Wissen scheint nirgends vorhanden. Das Vorgehen ist von vorgestern. Wieso sitzen bei den Entscheidungsträgern nicht auch Leute am Tisch, die beraten, wie Krisenkommunikation aussehen muss? Stattdessen wird die Kommunikation verheerend versachlicht, es werden nur Zahlen genannt, und jede Differenzierung geht flöten. Das lässt Raum für Ungewissheit, Spekulation und Gerüchte. Und diese Ungewissheit lässt Angst entstehen. Es wird aber gleichzeitig von der Politik und gerade oft von Wissenschaftlern völlig unrealistisch vorausgesetzt, dass das Individuum vernünftig und zielorientiert in der Krise handelt. Aber das geht so nicht. Auch die Politiker, die sachlichen Wissenschaftler und auch große Teile der Medien scheinen unter Panikbedingungen gehandelt zu haben. Überall das Gerede über Dinge, die man nicht weiß, die aber vielleicht eintreten könnten. Auch sie stehen unter einem gewissen Handlungsdruck. Aus Angst, später Verantwortung für nicht getroffene Entscheidungen übernehmen zu müssen, übernehmen sie lieber eine absurde Verantwortung, indem sie einfach so handeln wie die blanke Mehrheit in der Umgebung. Man nennt das schlichtweg „Konformitätsdruck“. Aber gerade Krisenmanager haben die Aufgabe, nicht jeder Erregung und jeder Angst nachzugeben, sondern besonnen zu handeln und alle Alternativen abzuwägen – unabhängig davon, was die Umgebung denkt. Das heißt, Verantwortung zu übernehmen.
… in erster Linie bei alten Menschen (=Risikogruppe – Zu der ich mit 65 Jahren, herzkrank, Asthma, Diabestes auch gehöre) wirkt.
Je älter, je mehr zusätzlich krank, desto größer ist die Gefahr, an den Folgen des Alters, der Vorerkrankungen und einer hinzukommenden Corona-Infektion zu sterben. Es muss übrigens nicht Corona sein, nein, es kann auch jeder andere Infekt sein, der das Lebensfass überlaufen lässt, zum Tod führt. So war es, so wird es auch in Zukunft sein. Sogar Papst Wojityla starb daran: Hier klicken*
Deshalb ist der Gedanke, dass Menschen der Risikogruppe vor Infektionen jeder Art geschützt werden sollten, doch weiß Gott nicht dumm. Dass aber die Infizierung der Restgesellschaft ´verlangsamt` werden muss, und deshalb die komplette Volkswirtschaft vor die Wand gefahren wird, ist vollkommener Unsinn. Denn umso länger dauert es, bis die Immunisierung der Nichtrisikogruppe erfolgt, sie „durchseucht“ ist.
Kranke junge Menschen (Infektursache egal!) sollten in keinem Fall zur Riskogruppe näheren Kontakt haben. Das war aber auch schon vor Corona so.
Allein hierzulande erkranken jährlich 154000 Menschen an einer außer Kontrolle geratenen Infektion. 60000 davon erliegen der Blutvergiftung – das sind im Schnitt täglich 162 Menschen. Damit fordert die Sepsis fast ebenso viele Todesopfer wie der Herzinfarkt.
… und daran soll nicht mal die Pandemie etwas ändern. Immerhin geht es um eine der zentralen Zukunftsfragen Deutschlands der kommenden 15 Jahre. Das wichtige Paket enthält die Empfehlung der Rentenkommission, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingesetzt hat, um ein drängendes Problem zu lösen: Ungefähr von 2025 an, also in fünf Jahren, gehen die geburtenstärksten Jahrgänge Deutschlands in Rente, die Babyboomer. In den Jahren nach 2025 verschiebt sich also das Verhältnis von Rentenzahlern und Rentenempfängern enorm: Heute kommen auf jeden Rentner in Deutschland ungefähr drei Bürger im arbeitsfähigen Alter; 2030 werden es nur noch zwei im arbeitsfähigen Alter sein, die die Rente finanzieren müssen.
Dabei reicht das Geld in der Rentenversicherung heute schon nicht mehr aus, um die Ansprüche zu erfüllen, die an die gesetzliche Rente gestellt werden. 110 Milliarden Euro fließen dieses Jahr aus dem Bundeshaushalt in ihre Kasse, als Ausgleich für versicherungsfremde Sozialleistungen der Rentenkasse und als allgemeiner Zuschuss. 110 Milliarden Euro, das ist fast jeder dritte von der Bundesregierung verplante Euro.
Irgendjemand muss also in Zukunft verzichten. Entweder trifft das die jungen Leute und ihre Arbeitgeber, indem sie mehr in die Rentenversicherung einzahlen, sei es in Form von Beiträgen oder auf dem Umweg über den Staatshaushalt. Konkret bedeutet das: Nimmt man die Rentenversicherung, wie sie jetzt ist, dann steigen die Beiträge von 18,6 auf 22 Prozent. Oder es trifft die alten Leute, die später in Rente gehen oder hinnehmen müssen, dass die Renten langsamer steigen als die Arbeitslöhne – im Rentendeutsch heißt das: Das Rentenniveau sinkt. Die Renten machen heute 48 Prozent des früheren Einkommens aus, in den 30er-Jahren werden es nur noch 44 Prozent sein. Rentenerhöhungen von 3,46 Prozent im Westen und 4,2 Prozent im Osten, wie gerade beschlossen, wird es nicht mehr geben. Beides ist unbefriedigend. Doch irgendjemand muss zahlen.
Heute 11:00 Uhr: Was geschieht mit der Rente, wenn ab 2025 die Masse der Babyboomer in den Ruhestand geht?
Heute, 14:00 Uhr: Die „Phrasendreschmaschine“ / Lernen mit dem Tod umzugehen / „Es gibt bloß eins,was wichtig ist: Dass man sterben muss!“ (Filmzitat Django)
… was aus Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte in Deutschland bekannt ist“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Ziel müsse es sein, die Teilschließung der Wirtschaft zu verkürzen, ohne die Bekämpfung der Epidemie zu beeinträchtigen, so Fuest. Es seien Strategien erforderlich, die es erlaubten, eine Wiederaufnahme der Produktion mit einer weiteren Eindämmung der Epidemie zu verbinden.
[…]
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Der sozial-psychologische Verfall der Gesellschaft wird um ein Vielfaches höher sein.
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, legt der Bundesrat im Sog anderer Regierungen die Schweiz lahm. Die Demokratie wird ausser Kraft gesetzt. Die wirtschaftlichen Verheerungen sind gigantisch, womöglich schlimmer als die Krankheit.
Alle applaudieren, niemand hinterfragt. Der Bundesrat hat die Schweiz zu einer Art Sperrgebiet erklärt. Das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft werden fast auf den Nullpunkt heruntergefahren. Nicht alle werden die Vollnarkose überleben. Die Notmassnahmen sind legal beschlossen worden, auf der Grundlage eines weitreichenden Epidemiengesetzes. Seit dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte keine Schweizer Regierung mehr Macht in ihren Händen. Niemand weiss, wann der Ausnahmezustand enden wird. Nicht einmal die SVP, sonst als nicht besonders regierungsfreundlich bekannt, äussert Kritik.
Selbstmord aus Angst vor dem Sterben
Verantwortungsvolle Politiker müssen immer die Frage nach der Verhältnismässigkeit getroffener Massnahmen stellen. Was ist das Problem? Wie kann es gelöst werden? Zu welchem Preis? Kosten-Nutzen-Analysen sind, wenn es um Gesundheit und ums Leben geht, naturgemäss unerwünscht, aber sie bleiben notwendig. In der herrschenden Corona-Angst scheint man sich dieses Erfordernis gänzlich ersparen zu wollen. Alle Mittel sind der Regierung und den politischen Parteien recht, um die Ausbreitung des Erregers zu verlangsamen. Gleichzeitig beschleicht viele ein ungutes Gefühl. Ist die Schweiz, ist die Welt im Begriff, aus Angst vor Ansteckungen wirtschaftlichen Selbstmord zu begehen?
Wer ein Risiko bekämpfen will, muss es nüchtern analysieren. Die neuartige Corona-«Grippe» wurde letzten Dezember erstmals in China entdeckt. Möglicherweise sprangen die Viren an einem Fischmarkt von Tieren auf den Menschen über. Am Ursprung der Seuche sollen dichtgeballte Schwärme von Fledermäusen stehen. Man vermutet, dass sich das Coronavirus schneller ausbreitet als herkömmliche Grippe-Erreger. Allerdings sind wir bereits hier in der Kampfzone akademischer Auseinandersetzungen. Die einen sagen, ein Corona-Infizierter stecke bis zu dreimal mehr Menschen an als ein Grippekranker. Andere behaupten, die Coronaviren seien weniger ansteckend als Influenza oder Masern.
Alle rennen in die gleiche Richtung
Genaueres ist über die Gefährlichkeit des neuen Erregers im Umlauf. Man weiss, dass die Corona-Erkrankung für den Grossteil der Infizierten nicht besonders gefährlich ist. Wirklich gefährlich ist die Seuche vor allem für alte und gleichzeitig kranke Personen. Unter den Jüngeren können schwerwiegend Vorerkrankte in ernste Not geraten. Neue Hochrechnungen des Imperial College in London befürchten zwar einen grösseren Prozentsatz an Intensivpatienten in der Gruppe 50 plus, aber das sind Szenarien, keine Messungen. Das durchschnittliche Alter der bisherigen Corona-Toten liegt bei rund 80 Jahren für Männer und bei 84 Jahren für Frauen. Männer erkranken häufiger schwer als Frauen.
Das sind die Fakten. Viele Virologen sind der Ansicht, dass wir die Ausbreitung des Virus gar nicht stoppen können. Die Natur bricht sich Bahn. Am Ende dürften sich rund 70 bis 80 Prozent der Menschheit anstecken, die allermeisten voraussichtlich ohne gesundheitliche Probleme. Die Gefahr von Corona-Mutationen in Richtung Killervirus schliessen die von uns befragten Experten aus. Der Erreger werde im Zuge seiner Verbreitung ungefährlicher. Die Menschen bilden Immunkräfte, und neue Viren entstehen. Es ist kein ungewöhnlicher Prozess. Umso dringlicher stellt sich die Frage: Mit welchen Massnahmen soll die Corona-Pandemie vernünftigerweise bekämpft werden? Stimmen Aufwand und Ertrag?
Verblüffend ist, dass genau diese Fragen gegenwärtig keine, aber auch gar keine Rolle zu spielen scheinen. Weil alle in die gleiche Richtung marschieren, marschiert auch die Schweiz, marschieren Bundesrat, Medien, Parteien, ja weite Teile der Öffentlichkeit in gespenstischer Nicht-Distanz einher. Die Amerikaner machen es wie die Chinesen, die Österreicher wie die Amerikaner, die Deutschen und Franzosen wie die Italiener, und alle Staaten scheinen sich eine Art Überbietungswettlauf zu liefern. Wer kann noch einen draufsetzen? Eine unheimliche Entgrenzung ist im Gang. Selbst US-Präsident Trump hat seine abschreckende Wirkung verloren und fällt kaum mehr auf im neuen Mainstream der allgemeinen Selbsterdrosselung.
Anders als die Medien und die Parteien durch ihre einhellige Zustimmung suggerieren, hätte der Bundesrat durchaus Handlungsalternativen. Anstatt die ganze Schweiz lahmzulegen, Schulen und Betriebe zu schliessen, Unternehmer in den Ruin und die Volkswirtschaft in den Kollaps zu treiben, wäre es denkbar, vor allem die Minderheit der speziell Gefährdeten unter strengste Schutzquarantäne zu stellen. Man könnte die akut bedrohten alten Menschen und die Risikopatienten abschirmen, notfalls isolieren, ohne die ganze Wirtschaft in Flammen zu setzen. Natürlich kann man alle einsperren, um wenige zu schützen. Aber ist es nicht unverhältnismässig, die Nicht-Risikogruppen gleich zu behandeln wie die Risikogruppen, denen eine tödliche Gefahr droht?
Differenzieren verboten
Die Schweiz scheint die Fähigkeit zu verlieren, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. In vielen Sphären der Gesellschaft verwischen relevante Unterschiede. Im Klassenzimmer dürfen schwache und stärkere Schüler nicht mehr getrennt werden. Im Flüchtlingswesen hat man aufgehört, zwischen echten und falschen Flüchtlingen, zwischen Migranten, Wirtschaftsflüchtlingen und wirklich an Leib und Leben Verfolgten zu differenzieren. Wer unterscheidet, macht sich angreifbar. Wer alles in einen Topf wirft, geht den bequemen Weg. Deshalb ist die Beschwörung differenzblinder Gleichheit so attraktiv für Politiker. Sie blockt negative Schlagzeilen und sichert Applaus.
«Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.» Nach der berüchtigten Autokratenformel des deutschen Juristen Carl Schmitt verfährt in Zeiten von Corona der Bundesrat. Er schränkt die Freiheitsrechte der Bürger und Betriebe massiv ein. Derweil haben die Konjunkturforscher in der Verwaltung schlaflose Nächte, weil sie erkennen, dass die Regierung mit ihrer Totalquarantäne ein Rezessionsmonster entfesselt ohne die Instrumente, um es wieder einzufangen. Niemand weiss, wann und nach welchen Kriterien der Bundesrat sein Vollmachtenregime wieder aufhebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte es fünf Jahre und eine Volksabstimmung, bis die Volksrechte zurückkehrten. Ab welcher Zahl von Infektionen oder Toten wird der Ausnahmezustand heute aufgehoben? Proportionen geraten aus dem Blick. Im Jahr 2015 starben alleine in der Schweiz 2500 Menschen an Grippe. Die Hongkong-Grippe 1968 forderte global eine Million Tote. Mindestens. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe waren schweizweit rund 20 Corona-Tote aus der bekannten Risikogruppe zu beklagen, Tendenz allerdings steigend.
Selbstsucht im Zeichen der Solidarität
Der Bundesrat beruft sich auf «Zusammenhalt» und «Solidarität». Da fühlen sich alle angesprochen. In der Praxis ereignet sich das Gegenteil. Die Notmassnahmen beflügeln rationale Selbstsucht und Hamsterkäufe. Alle schauen für sich, und jeder ist sich selber der Nächste. Wenn Regierungen den internationalen Notstand erklären und die Wirtschaft abwürgen, muss man sich nicht wundern, wenn die Leute ihre Vorratskammern füllen. Möglicherweise ist die Angst vor dem immer realer werdenden Wirtschaftsinfarkt inzwischen grösser als die Angst vor dem Erreger.
Obschon alle Schulen geschlossen wurden, strömten die Kinder am ersten frühlingshaften Notstands-Wochenende in Scharen auf die Fussballfelder; ohne «Social Distancing». Paare und Passanten flanierten in Küsschendistanz über die städtischen Plätze. Als besonders immun gegen die bundesrätliche Pandemiewarnung erwiesen sich allerdings die gefährdeten Senioren. Man hat dafür sogar Verständnis. Kaum ein über Achtzigjähriger, der die Sonne noch geniessen kann, dürfte sich von der Politik seine kostbare Lebenszeit durch eine Art Isolationsarrest in den eigenen vier Wänden nehmen lassen. Viele der Älteren, zu deren Schutz sich die Schweiz isoliert, möchten sich im Spätherbst ihres Lebens vielleicht gar nicht isolieren lassen. Die bundesrätliche Solidarität empfinden manche, die damit beglückt werden sollen, als Zumutung des Freiheitsentzugs.
Wenn Dämme brechen
Schiesst der Bundesrat mit seinem Notstandspaket massiv übers Ziel hinaus? Gut möglich. Es fängt schon bei den Begriffen an. Bundespräsidentin Sommaruga spricht davon, dass alle gleichermassen von Corona «betroffen» seien. Das stimmt – und ist doch irreführend. Entscheidend ist nicht der Betroffenheits-, sondern der Bedrohungsgrad. Und der liegt nach heutigen Erkenntnissen bei den Risikogruppen deutlich höher.
Die verfälschende Problemverallgemeinerung kann zu falschen Lösungen führen. Anstatt gezielt zu schützen und abzuschirmen, auferlegt der Bundesrat der ganzen Schweiz gigantische Opfer mit unabsehbaren Langzeitfolgen. Die Börsen stürzen ab. Konkurswellen rollen an. Existenzen werden vernichtet. Kein Risiko trägt eigentlich nur die Regierung: Gibt es weniger Tote als erwartet, ist es wegen ihrer Politik. Gibt es mehr Tote als befürchtet, liegt es am Virus. Geht die Wirtschaft unter, bekommen die Bundesräte trotzdem ihren Lohn. Ausbaden müssen es andere.
Die Dämme werden brechen. Schon heute ruft die Wirtschaft nach dem Staat. Die Regierung wird nicht nein sagen können, weil sie mit ihren Massnahmen die Misere selbst hervorrief. Der Bundesrat gerät in Geiselhaft von Unternehmen, Medien und Parteien. Wer bekommt Geld? Wer geht bankrott? Die Allmacht der Politik wird den Staat aufblähen wie im Krieg. Ein neuer Kollektivismus bricht aus. Er könnte die Schweiz auf Dauer verändern. Nicht zum Guten.
Anders macht es Grossbritannien. Mutig schwimmt Premier Boris Johnson gegen den globalen Strom. Statt die Wirtschaft ins terminale Koma zu befördern, setzt er auf gezielten Schutz der «sehr kleinen, aber wichtigen Gruppe» der besonders Gefährdeten. Schulen bleiben offen, das Leben geht weiter. Ob es gelingt? Ob er es durchhält? Keiner weiss es. Niemand hat das Rezept. Alle sind auf einem Blindflug, Bundesrat, Medien, Politik, der Schreibende inbegriffen. Gerade auf einem Blindflug aber ist es nötig, laufend den Kurs zu hinterfragen. Nur die Abgründe, die wir nicht sehen, bringen uns um.
Das soziale Leben in Deutschland ist seit dieser Woche weiter eingeschränkt. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, haben sich Bund und Länder am Wochenende auf weitere Ausgangsbeschränkungen geeinigt. Eine generelle Ausgangssperre gibt es bisher nicht, allerdings dürfen sich ab sofort nicht mehr als zwei Menschen zusammen im Freien aufhalten, es sei denn, sie gehören zur selben Familie. …
… Die Statista-Grafik zeigt, wie Social Distancing die Ausbreitung des Coronavirus aufhalten kann. Steckt eine Person nur 2,5 Personen an, kann dies 30 Tage später 406 Neuinfektionen zu Folge haben. Durch weniger soziale Kontakte kann diese Zahl deutlich reduziert werden. Grundlage für die Grafik ist eine Berechnung von Robert A. J. Signer, Professor für Medizin an der University of California San Diego, die er auf seiner Internetseite Signer Laboratory veröffentlicht.
Verstöße gegen die neuen Kontaktbeschränkungen in Deutschland sollen von den Ordnungsbehörden und der Polizei überwacht werden. Bundesweite Vorgaben zu Strafen gibt es bisher nicht, die Regierung setzt vorerst auf das Verständnis der Bürger.
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Grün-kursives Zitat= die Einleitung zum Interview und komplettes Interview lesen: Hier klicken
Das komplette Interview mit Gerald Echterhoff vom 21.3.2020 im Dlf Kultur hören:
Die Einleitung zum Interview:
Panik oder Party?
Corona bringt uns in ein Dilemma, sagt der Sozialpsychologe Gerald Echterhoff. Denn in der Not rücken wir eigentlich instinktiv zusammen. Doch jetzt ist räumliche Distanz gefordert. Das kostet Kraft und Disziplin. Schaffen wir das?
Die Coronakrise ist eine noch nie dagewesene Situation, sagt der Professor für Sozialpsychologie, Gerald Echterhoff. Sie stelle uns auch psychisch vor völlig neue Herausforderungen. Denn während die Menschen in Notzeiten normalerweise näher zusammenrücken, müssen sie nun räumliche Distanz üben, „was unseren sozial völlig in Fleisch und Blut übergegangenen Verhältensweisen total zuwiderläuft“. Denn der Mensch sei „die ultrasoziale Spezies“.
Um so wichtiger sei es, nur physisch auf Distanz zu gehen, nicht aber emotional, und miteinander in Kontakt zu bleiben. Dabei könne die Krise auch Chancen bieten: „Wollen wir vielleicht Chancen für soziales Experimentieren ergreifen, andere, neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme ausloten?“
„Unser übliches Verhaltensrepertoire gerät ins Schwimmen“
Die Krise bedeute natürlich enormen Stress, für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Es sei wichtig zu akzeptieren, dass „uns unser übliches Verhaltensrepertoire ins Schwimmen gerät.“ Geboten sei Toleranz sich selbst gegenüber und mit den ebenfalls gestressten und überlasteten Mitmenschen.
Dabei gebe es allerdings Grenzen, bei deren Überschreiten Strafen drohen sollten, sagt Echterhoff mit Blick auf die Diskussion über Ausgangssperren. Aus psychologischer Sicht gebe es eine große Trägheit, eingeübte Verhaltensmuster zu ändern. Doch „die Ereignisse rücken uns jetzt auf die Pelle“.
Corona-Partys sieht der Sozialpsychologe als Abwerreaktion gegen Angst und Unsicherheit, auch als eine Form von Trotz gegen Einschränkungen von Freiheiten. Dabei sei auch ein gewisser Zynismus im Spiel.
Eine weitere Art, mit der Unsicherheit umzugehen, sei das Hamstern. Das sei eine Form von Aktionismus, es gebe den Menschen angesichts einer unsichtbaren Gefahr das Gefühl, „einfach mit Handlungen zu reagieren, weil das an anderen Stellen häufig jetzt so ist, dass wir gar nicht mehr wirklich handeln können, sondern dass das Unterlassen von Handlung gerade die Maßgabe in der aktuellen Krisensituation ist“.