Der Kommentar von Joachim Zinsen, …
… Politikredakteur bei den Aachener Nachrichten (AN) ist bemerkenswert. Ich stimme Herrn Zinsen weitgehend zu:
MehrRiskante Nebenwirkungen
Rund 120.000 Menschen haben sich in Deutschland während der vergangenen Wochen mit der Krankheit infiziert. Mehr als 200 sind an ihr bereits gestorben. Meist waren es ältere Menschen. Opfer des Corona-Virus? Nein, es ist eine Zwischenbilanz der aktuellen Grippewelle. Dabei verläuft sie in diesem Jahr sogar relativ glimpflich. In der Influenza-Saison 2017/18 kostete die Krankheit hierzulande mindestens 25.000 Menschen das Leben.
Die Opfer-Zahlen der Corona-Pandemie liegen weit darunter. Noch. Ist also einiges, was derzeit an Vorsichtsmaßnahmen verordnet wird, unverhältnismäßig und übertrieben? Ist Covid-19 tatsächlich so viel bedrohlicher als die gewöhnliche Grippe? Rechtfertigt der Kampf gegen die Krankheit Beschlüsse, die möglicherweise die materielle Existenzgrundlage von unzähligen Menschen gefährden? Kein Politiker kann die Fragen abschließend beantworten, erst recht kein Journalist. Hören wir also auf Fachleute, auf Mediziner. Doch auf welche? Auf Virologen, denen die Einschränkungen – vielleicht sogar zu Recht – immer noch nicht weit genug gehen? Oder auf Ärzte, die zu etwas mehr Gelassenheit mahnen?
Die Angst der Politik
Die Antwort ist inzwischen gegeben. Die politischen Verantwortungsträger haben Deutschland, haben nahezu ganz Europa in einen Ausnahmezustand versetzt. Unter ihnen grassiert offenbar die Angst. Die Angst, ein Problem völlig zu unterschätzen. Die Angst, möglicherweise für Tausende Tote mitverantwortlich zu sein. Die Angst, sich deshalb später Vorwürfe zu machen oder machen lassen zu müssen. Entsprechend hoch ist der Druck, der auf ihnen lastet. Jeder scheint auf den Nachbarn zu schauen. Rigorose Verordnungen der einen Seite, ziehen rigorose Verordnungen der anderen Seite nach sich. Auf nationaler, wie auf zwischenstaatlicher Ebene.
Menschlich ist das verständlich. Doch Vorsicht: Wir befinden uns mittlerweile in einer sich selbst beschleunigenden, sich immer schneller drehenden politischen Spirale der Verunsicherung, der Angst und des Zwangs, Handlungsfähigkeit beweisen zu müssen.
Krisennationalismus
Angst und Verunsicherung können allerdings schnell zu Überreaktionen, zu einem mit gefährlichen Nebenwirkungen behafteten Aktionismus führen. Erschreckend ist es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit einige EU-Staaten im Zuge der Corona-Krise ihre Grenzbarrieren wieder hochziehen. Statt mit Hochdruck an einer gemeinsamen, europäischen Strategie gegen die Ausbreitung des Virus zu arbeiten, setzen sie auf einen Krisennationalismus. Zunehmend auch Deutschland. Doch wenn das Tempo, mit dem sich der Covit-19-Erreger verbreitet, überhaupt durch Kontrollen verlangsamt werden kann, dann nicht an Landesgrenzen, sondern allenfalls durch Maßnahmen rund um ein Hochrisikogebiet wie etwa dem Kreis Heinsberg. So aber wird unwillkürlich suggeriert, Menschen aus dem Ausland seien Krisenverstärker, nationale Abschottung biete mehr Sicherheit.
Die Gefahr besteht, dass sich diese Vorstellung in den Köpfen vieler Menschen weiter festsetzt und auch bestehen bleiben wird – selbst nach Ende der Pandemie. Die in den vergangenen Jahren geschwächte Europäische Union würde dadurch noch fragiler. Zumindest eines steht deshalb bereits fest: Politisch ist das Coronavirus deutlich bedrohlicher als die gewöhnliche Grippe.
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Ebenfalls bemerkenswert sind die Lesermeinungen, welche die AN am 18.3.2020 veröffentlicht hat: Hier klicken
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