Zentral ist ein AfD-Bashing.
Zentral deshalb, weil es die aktuelle Wahlwerbung der AfD aufgreift, und damit die Wahlen in Sachsen, in Brandenburg, in Thüringen beeinflusst:
[…] Ich gebe zu, ich muss mich hier etwas angestrengt um professionelle Distanz bemühen, denn ich gehörte vor mehr als 30 Jahren selbst zur DDR-Opposition. Und ich finde es – ganz höflich gesagt – anmaßend und unerträglich, wenn ein Björn Höcke, der 1989 noch Schüler am Rhein-Wied-Gymnasium im rheinischen Neuwied war, seinen Anhängern zuruft:
„Es fühlt sich schon wieder so an, wie in der DDR, liebe Freunde. Und dafür haben wir nicht die Friedliche Revolution gemacht, liebe Freunde, das wollen wir nie wieder erleben.“
Björn Höcke war aber noch an keiner Revolution beteiligt. Eine solche Aussage ist bestenfalls peinlich, ärgerlich und lächerlich. Lohnt deshalb die Aufregung?
Es wäre schön, jetzt einfach umstandslos „nein“ sagen zu können. Es wäre ebenfalls schön, das Wissen um die deutsche Zeitgeschichte wäre so verbreitet, dass die Wähler über einen Slogan wie „Vollende die Wende“ kopfschüttelnd lachen und den Machern erklären würden, dass sie damit das 1989er Vokabular des vorletzten SED-Chefs Egon Krenz übernommen haben. Der glaubte zeitweise, einem revolutionären Regime-Sturz noch durch eine von der Partei proklamierte „Wende“ entkommen zu können.
Auch der AfD-Plakat-Slogan „Friedliche Revolution mit dem Stimmzettel“ ist einigermaßen absurd, denn dort, wo sich Regierungen mit dem Stimmzettel stürzen lassen, kann man als Opposition genau daran arbeiten und braucht eben keine Revolution. Es mag sich ja dort, wo eine vormundschaftliche Atmosphäre kultiviert wird oder sich eifrige Meinungsbildner in Volkserziehung versuchen, manches Detail „wie DDR anfühlen“. Aber dass wir im Jahr 2019 in Verhältnissen wie in der SED-Diktatur leben würden, kann ja ernsthaft niemand behaupten.
Konkret reden, nicht in falschen Vergleichen
Muss man den unsinnigen Inhalt von AfD-Wahlwerbung deshalb wirklich so ernst nehmen? Wahlplakate bestechen schließlich parteiübergreifend gern mit äußerster intellektueller Schlichtheit und metaphorischen Missgeschicken. Auch wenn ich – im Unterschied zu vielen der AfD-Kritiker aus den Reihen der alten Oppositionsfreunde – die Stärke dieser Partei für ein Symptom und die Folge politischer Fehlentwicklungen und nicht für deren Ursache halte, sind solche Klarstellungen wichtig.
Denn es geht hierbei nicht allein um die AfD. Solche DDR-Vergleiche werden ja nicht nur von AfD-Wahlkampagnen-Planern in die Welt gesetzt, sondern die Partei konnte eine weiter verbreitete Stimmung aufgreifen. Und die entstand nicht anlasslos. Gerade deshalb ist es aber wichtig, durch gelegentlichen Einspruch dem Etablieren falscher Gleichsetzungen entgegenzuwirken.
Es wäre gut, man würde, statt seinen Unmut in falschen DDR-Vergleichen auszudrücken, konkret darüber sprechen, wie sehr Freiheit und Demokratie in diesem Lande gerade zu erodieren drohen, weil auf einigen elementaren Themenfeldern kaum noch eine offene und differenzierte Debatte stattfindet. Oder es wird mit manchen langjährig in der deutschen Debattenlandschaft heimischen Persönlichkeiten nicht mehr gesprochen, weil sie „falsche“ Ansichten haben und/oder im „falschen“ Umfeld publizieren (siehe beispielsweise der Umgang mit Chaim Noll durch die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung). Auf die – viel zu häufige und leider zunehmende – vormundschaftliche Attitüde, in der mit hochmoralischen Leitsätzen das sachliche Argumentieren für überflüssig erklärt wird, reagiert ein diktaturerfahrener Mensch womöglich sensibler. Es ist selbstverständlich unerlässlich, Alarm zu schlagen, wenn Freiheit und Demokratie gefährdet sind. Doch falsche Diktatur-Gleichnisse helfen nicht weiter. […]
Wie die über 100 Leserkommentare (Unbedingt zumindest quer lesen!) zu diesem Artikel belegen, bekommt Peter Grimm ganz schön Gegenwind. Sie sind im Grunde aussagekräftiger, als der Artikel selber.
Nein, das ist so nicht richtig: Sie ergänzen den Artikel!
So geht, politische Debatte, so geht Demokratie!
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