Dass detailliertere Daten …
… über den Strom- und Heizkostenverbrauch den Bewohnern helfen, ihre Kosten zu senken, bezweifeln indes Experten. „In Singlehaushalten und bei Paaren, bei denen beide Partner berufstätig sind, gibt es kaum Möglichkeiten zum Energiesparen“, sagt Kodim. „Gekocht, gewaschen und gesaugt wird am Abend nach der Arbeit.“
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[…] eine Erfindung des 1897 in Turin …
Mehr… verstorbenen Wissenschaftlers [Gallileo Ferraris] ist heute noch in fast jedem Haushalt zu finden: der mechanische Stromzähler, der mit seiner drehbar gelagerten Aluminiumscheibe misst, wie viel elektrische Energie Lampen, Fernseher, Waschmaschine, Trockner, Staubsauger und Computer im Jahr verbrauchen.
Erst jetzt, 134 Jahre nach seiner Entwicklung im Jahr 1885 schlägt dem Ferraris-Zähler langsam die Stunde. Nach dem von der Bundesregierung verabschiedeten Messstellenbetriebsgesetz sollen bis 2032 alle mechanischen Zähler gegen sogenannte digitale Smart Meter (deutsch: intelligente Messgeräte) ausgetauscht werden. Bereits vom Herbst kommenden Jahres an müssen zudem in neuen Gebäuden intelligente Heizkostenzähler installiert werden.
Das hehre Ziel dahinter: der Klimaschutz. „Beide Gesetze sollen dafür sorgen, dass Haushalte detailliert über ihren Strom- und Heizkostenverbrauch informiert werden und so Einsparmöglichkeiten erkennen und nutzen“, sagt Corinna Kodim, Geschäftsführerin Energie, Umwelt und Technik beim Eigentümerverband Haus & Grund. Dadurch soll der Energieverbrauch gesenkt und das bei der Verfeuerung fossiler Brennstoff wie Erdöl, Gas und Kohle entstehende Kohlendioxid reduziert werden, um eine weitere Aufwärmung der Erdatmosphäre zu verhindern.
Experten kritisieren jedoch, dass diese Absicht mit den Regelungen nicht erreicht wird. „Die Gesetze belasten Mieter und Eigennutzer mit zusätzlichen Kosten, tragen aber nicht dazu bei, den Energieverbrauch zu reduzieren“, sagt Kodim. „Für die privaten Stromkonsumenten verdoppeln sich die jährlichen Wartungsgebühren für die Messgeräte, ohne dass sie einen erkennbaren Mehrwert erhalten“, sagt Christian Bogatu, Geschäftsführer von Fresh Energy, einem auf die Lieferung von Ökostrom spezialisierten Berliner Energiedienstleister.
Trianel, ein Verbund von mehr als 100 Stadtwerken aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, hat bereits seit 2012 versucht, den Einsatz intelligenter Messgeräte voranzutreiben. Jetzt aber hat die Kooperation entnervt das Handtuch geworfen und sich entschlossen, ihren Geschäftsbereich Smart Metering einzustellen.
„Angesichts der schleppenden Marktentwicklung durch immer neue regulatorische Hemmnisse und unzureichender Skaleneffekte haben wir diese rein unternehmerische Entscheidung in enger Abstimmung mit unseren Kunden getroffen“, sagt Sven Becker, Sprecher der Trianel-Geschäftsführung.
Einer der Gründe dafür: Obwohl Smart Meter theoretisch bereits seit 2017 hätten installiert werden können, gibt es bislang nur ein einziges intelligentes Messgerät für die Funkübertragung der Verbrauchsdaten, das eine Zertifizierung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erhalten hat.
Verpflichtend ist die Einführung der Smart Meter jedoch erst, wenn mindestens drei Geräte eine Zertifizierung erhalten haben. Diese Zertifizierung bestätigt zum einen, dass die übertragenen Daten nicht von Unbefugten ausgespäht werden können. Zum anderen wird bei der Zertifizierung geprüft, ob die Datenübertragungsgeräte an den Messeinrichtungen, Smart Meter Gateways genannt, auch effektiv gegen Hackerangriffe aus Mobilfunknetz und Internet geschützt sind. „Nur durch entsprechende Sicherheitsstandards können wir gewährleisten, dass die Anwender von den Vorzügen dieser innovativen Technologien profitieren können“, sagt BSI-Präsident Arne Schönbohm.
Die bislang verwendeten Ferraris-Geräte arbeiten zwar sehr exakt. Sie addieren jedoch nur fortwährend den Energieverbrauch. Deshalb muss in Millionen von Familien in der ganzen Republik jedes Jahr jemand einen Tag Urlaub nehmen, um einem Mitarbeiter ihres Energieversorgers die Tür zu öffnen, damit dieser den Zählerstand ablesen kann.
Häufig muss noch ein zweiter Urlaubstag genommen werden, damit Warmwasser- oder Gasverbrauch abgelesen werden kann – abgesehen von weiteren zeitraubenden Terminen durch den fortwährenden Austausch der Messzähler. Einige Energieversorger bieten immerhin an, dass Kunden den Stromzähler selbst ablesen und die Daten per Brief oder E-Mail einsenden.
„Bei intelligenten Messsystemen ist dies nicht nötig, weil sie die Daten per Funk übertragen“, sagt Trianel-Sprecherin Nadja Thomas. Bei der Heizkostenabrechnung macht dies den Besuch des Ablesedienstes überflüssig. Bei der Stromversorgung sollen die fortwährend übertragenen Daten zudem den Energielieferanten helfen, exakte Vorhersagen über den Energieverbrauch zu jeder Stunde in einzelnen Regionen Deutschlands anzustellen – von Großstädten bis hinunter zu kleinen Kommunen auf dem flachen Land.
Lastprofile aus den 60er Jahren
„Je genauer der zu erwartende Stromverbrauch prognostiziert werden kann, desto weniger Gas- und Kohlekraftwerke müssen die Versorger am Laufen halten, um Spitzenlasten auszugleichen, die nicht durch Solar- und Windkraftwerke gedeckt werden können“, sagt Thomas. Da bislang keine exakten Daten über den stündlich anfallenden Stromverbrauch zu bekommen sind, würden die Energieversorger heute bei der Bereitstellung hoher Stromreserven noch immer mit Lastprofilen aus den 1960er-Jahren arbeiten, sagt Thomas. „Die damals zu bestimmten Tageszeiten üblichen Spitzenverbräuche treffen jedoch heute so nicht mehr auf, weil sich das Verhalten der Menschen durch gesellschaftliche Umwälzungen verändert hat.“
So seien in den 60er-Jahren Lastspitzen zur Mittagszeit üblich gewesen, weil Hausfrauen dann gekocht haben. „Doch heute sind die meisten Frauen berufstätig, sodass in vielen Haushalten erst am Abend gekocht, gewaschen und gesaugt wird“, sagt Thomas. Allerdings werden in den meisten Haushalten die Ferraris-Zähler gar nicht gegen intelligente Messsysteme ausgetauscht werden, kritisieren Experten. Denn das Gesetz sieht vor, dass nur Anschlüsse mit einem Jahresstromverbrauch von mindestens 6000 Kilowattstunden (kWh) einen Smart Meter bekommen müssen, der fortwährend den Stromverbrauch an die Energieversorger funkt. Der durchschnittliche Stromverbrauch eines dreiköpfigen Haushalts beträgt jedoch pro Jahr nur 2500 kWh. Auf einen Verbrauch von mindestens 6000 Kilowattstunden kommen erst Handwerksbetriebe.
Bei einem geringeren Jahresstromverbrauch verlangt das Gesetz nur die Installation einer sogenannten „modernen Messeinrichtung“. Diese zeichnet zwar digital auf, zu welcher Stunde wie viel Energie verwendet wird, funkt diese aber nicht an die Stromversorger. „Damit bringen diese Messgeräte keinen Mehrwert gegenüber den bisherigen Ferraris-Zählern“, sagt Haus & Grund-Expertin Kodim. „Auch künftig muss vor der Zustellung der Jahresabrechnung der Ableser ins Haus kommen oder die Kunden müssen die Zählerstände selbst ablesen und übermitteln“, sagt Fresh-Energie-Chef Bogatu.
Die Stromversorger oder von ihnen beauftragte Messdienstleister dürften bei den meisten Eigenheimen und Wohnungen nur eine „moderne Messeinrichtung“ und keinen Smart Meter installieren, um Kosten zu sparen. „Die Herstell- und Einbaukosten für eine ‚moderne Messeinrichtung‘ betragen pro Stück 120 Euro bis 130 Euro“, sagt Bogatu. Bei Smart Meter hingegen sind es mehrere hundert Euro.
Zwar besteht bei „modernen Messgeräte“ theoretisch die Möglichkeit, diese irgendwann mit einem Funksender nachzurüsten. Vorgesehen ist dies im Gesetz aber nicht. Obwohl sie damit keinen Vorteil gegenüber den Ferraris-Zählern bieten, müssen die Verbraucher für sie tiefer in die Tasche greifen. „Die von den Stromkunden zu zahlende jährliche Wartungsgebühr für ein modernes Messgerät beträgt 20 Euro und verdoppelt damit die bisherige Durchschnittsgebühr von zehn Euro für die Ferraris-Zähler“, sagt Bogatu.
Mietern drohen erneut höhere Kosten
Für Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, ist das keine Überraschung. Er verweist auf die Erfahrungen, die in der Vergangenheit bei der Einführung neuer Messtechniken bei der Wärmeversorgung gemacht wurden. „Jedes neue Ablesesystem hat zwar dazu geführt, dass Messdienstleister wie Ista, Techem und Co. Personalkosten einsparen konnten, dennoch wurden die Kosten für die Mieter nicht gesenkt, sondern angehoben, weil die jeweils neue Technik angeblich sehr viel teurer ist.“
Dies könnte sich nun bei der Einführung von Smart Metern zur Ermittlung des Heizungs- und Warmwasserverbrauchs wiederholen. Nach der EU-Energieeffizienzrichtlinie müssen vom 25. Oktober 2020 an alle neuen Gebäude mit intelligenten Heizkostenzählern ausgestattet sein, die die Verbrauchsdaten an den Messdienstleister funken. Bestandsobjekte müssen bis Ende 2026 mit fernablesbaren Zählern nachgerüstet werden.
Der börsennotierte Immobilienkonzern Deutsche Wohnen hat deshalb mit Comgy, einem Berliner Anbieter digitaler Messdienste, eine Partnerschaft geschlossen. In einem ersten Schritt wurden rund 1700 Wohnungen in Berlin mit intelligenter Messtechnik zur Heizkostenabrechnung ausgestattet.
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