Da muss es doch noch etwas geben!
MehrIrgend etwas wird sich dem Trump doch noch an´ Zeug flicken lassen. Das wäre doch gelacht, wenn der Mann nicht weiter diskreditiert werden könnte.
Seit knapp drei Wochen kennen wir die grundlegenden Ergebnisse der Untersuchungen von Robert Mueller. Der Sonderermittler konnte nicht nachweisen, dass Donald Trumps Wahlkampteam oder jemand, der ihm nahestand, sich mit Russland abgesprochen hat, um die Präsidentenwahl 2016 zu beeinflussen. In der Frage, ob Trump sich der Justizbehinderung schuldig gemacht hatte, schrieb Mueller: “Obwohl dieser Bericht nicht zu dem Schluss kommt, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, entlastet er ihn auch nicht.”
Eine Russlandaffäre gabe es nicht. Ein Verbrechen hat Trump nicht begangen. Nur Entlastung brachte der Bericht nicht. Braucht es auch nicht. Schuld muss nachgewiesen werden. Das konnte man nicht: Donald Trump irgend etwas nachweisen. Obwohl doch so tief, so hart gebohrt wurde. Also muss da doch etwas sein.
Ein unschuldiger Donald Trump, das geht nicht, das gibt es nicht, das ist so unmöglich, wie die Sichtbarmachung eines schwarzen Lochs.
Also weiter, immer weiter, …
Mit dem jetzt veröffentlichten Mueller-Bericht, der aus juristischen Gründen an mehreren Stellen geschwärzt ist, kommen neue Details ans Licht.
1. Der Fall einer möglichen Justizbehinderung
In seiner Zusammenfassung, die er zwei Tage nach Übergabe des Berichts veröffentlichte, hatte Justizminister William Barr zwar Muellers Schlüsselsatz (“entlastet ihn auch nicht”) zitiert, aber den entscheidenen Zusatz weggelassen, wie der Sonderermittler den Fall einer möglichen Justizbehinderung durch den Präsidenten sieht, wie sich jetzt herausstellt.
Der gesamte Absatz im Originaldokument (S. 214 in der PDF-Version) lautet übersetzt folgendermaßen:
“Wenn wir nach einer gründlichen Untersuchung der Fakten genug Vertrauen hätten, dass der Präsident offensichtlich keine Justizbehinderung begangen hat, würden wir das so darlegen. Gemessen an den Fakten und entsprechenden juristischen Standards können wir jedoch nicht zu dieser Beurteilung kommen. Die Beweise, die wir rund um das Verhalten und die Absichten des Präsidenten gesammelt haben, stellen schwierige Angelegenheiten dar, die uns daran hindern, abschließend zu ermitteln, dass kein kriminelles Verhalten stattgefunden hat. Obwohl dieser Bericht nicht zu dem Schluss kommt, dass der Präsident ein Verbrechen begangen hat, entlastet er ihn auch nicht.”
Der erste Teil des Absatzes, den Barr in seiner kurzen Zusammenfassung am 24. März unterschlagen hatte, klingt nicht nach dem “kompletten Freispruch”, wie Donald Trump Barrs Einschätzung direkt nach der Veröffentlichung nannte. Es ist bloß ein kleiner sprachlicher Unterschied, aber die Formulierung des Justizministers in dem vierseitigen Brief vom März sagt, dass es nicht genügend Beweise gab, “um zu begründen, dass der Präsident Justizbehinderung begangen haben könnte”. Mueller schreibt dagegen, dass die Beweise nicht den Befund zulassen, dass Trump kein Verbrechen begangen haben könnte.
Die Tatsche, dass Mueller sich nach fast zwei Jahren in diesem Fall nicht im Stande sah, eine gültige juristische Entscheidung zu treffen, legt nahe, dass er mit seinem Nicht-Urteil eine indirekte politische Entscheidung angestrebt haben könnte: “In Bezug auf die Frage, ob ein Präsident schuldig sein kann, als Chef der Exekutive Justizbehinderung begangen zu haben”, schreibt Mueller auf Seite 220, besitze der Kongress die Autorität, den Präsidenten von einer “korrupten Ausführung seiner Autorität” abzuhalten, um die Integrität der Rechtsordnung beizubehalten. Mit anderen Worten: Niemand steht über dem Gesetz. Auch der US-Präsident kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen. Die von Mueller gesammelten Beweise sind für die Untersuchungsausschüsse im Kongress jetzt Gegenstand ihrer Ermittlungen.
2. Die Ernennung des Sonderermittlers
Muellers Bericht nennt Trumps Reaktion auf die Ernennung eines Sonderermittlers als ein mögliches Beweisstück für sein Bemühen, in dem Fall die Justiz zu behindern. Auf Seite 290 heißt es:
“Als [der damalige Justizminister Jeff] Sessions dem Präsidenten mitteilte, dass ein Sonderermittler ernannt worden war, sackte der Präsident zurück in seinen Stuhl und sagte: ‘Oh, mein Gott. Das ist furchtbar. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. I am fucked.’”
I am fucked. Wohlwollend ließe sich dieser Satz wohl mit “Ich bin am Arsch” übersetzen. Die Reaktion des Präsidenten auf die Ermittlungen liest sich wie ein Motiv für Justizbehinderung: “Der Präsident wurde wütend und kritisierte den Justizminister noch einmal scharf für seine Entscheidung, sich von den Ermittlungen aus Gründen der Befangenheit zurückgezogen zu haben. Er sagte: ‘Wie konntest du das bloß zulassen, Jeff? Das ist die schlimmste Sache, die mir jemals passiert ist.’”
3. Trumps Retter
Wohl einer der Gründe, warum Mueller Donald Trump nicht offensichtlich der Justizbehinderung bezichtigte, lässt sich womöglich nur darauf zurückführen, dass Trumps Anwalt und einige seiner engsten Berater sich über die Anweisungen des Präsidenten hinwegsetzten – um den Präsidenten vor den Konsequenzen seiner schlimmsten Instinkte und sich selbst zu schützen. Zusammenfassend schreibt Mueller in seinem Bericht auf Seite 370:
“Die Bemühungen des Präsidenten, die Ermittlungen zu beeinflussen, verliefen zumeist ohne Erfolg, was jedoch größtenteils darauf zurückzuführen ist, dass die Personen, die den Präsidenten umgaben, die Anweisungen ablehnten oder seinen Bitten nicht zustimmten.”
So weigerte sich beispielsweise der damalige FBI-Direktor James Comey, die Ermittlungen gegen Trumps Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn auf Trumps Gesuch hin einzustellen. Trumps Rechtsbeistand im Weißen Haus, Don McGahn, leitete Trumps Nachricht, dass der Sonderermittler entfernt werden solle, einfach nicht an Justizminister Sessions weiter. Auch Corey Lewandowski, Trumps ehemaliger Wahlkampf-Manager und späterer Berater, wandte sich trotz Trumps wiederholte Bitte nicht an Sessions, um ihm mitzuteilen, dass er die Ermittlungen in der Russland-Affäre auf ein Minimum begrenzen solle.
Hätten diese Männer Trumps Anweisungen Folge geleistet, sähe der Fall einer möglichen Justizbehinderung vielleicht ganz anders aus.
4. Ärger mit dem Anwalt
Mueller ermittelte mehr als zehn Episoden, die nahelegen, dass Trump sich auf verschiedene Art und Weise gegen die Ermittlungen des Sonderermittlers stemmte. Ein Augenblick, der dabei heraussticht, ist Don McGahns Konflikt mit dem Präsidenten. Nachdem ein Pressebericht am 14. Juni 2017 enthüllt hatte, dass der Präsident Gegenstand der Ermittlungen sei, feuerte Trump mehrere Tweets ab, die das Justizministerium und den Sonderermittler kritisierten. Am darauffolgenden Samstag, drei Tage später, rief Trump McGahn, seinen Rechtsbeistand im Weißen Haus, zweimal zuhause an (S. 300):
“McCahn erinnerte sich klar daran, dass der Präsident ihn anwies, nicht nur [den stellvertretenden Justizminister Rod] Rosenstein mitzuteilen, dass ein Interessenkonflikt bestehe, sondern auch, dass ‘Mueller gehen muss‘. McGahn sprach zweimal mit dem Präsidenten und verstand dessen Anweisungen beide Male gleich, was es unwahrscheinlich macht, dass er ihn missverstanden oder missinterpretiert haben könnte. Als Reaktion auf diese Anweisung entschied McGahn sich, seinen Dienst zu quittieren, weil er nicht Teil eines Vorfalls sein wollte, den er als eine Art ‚Saturday Night Massacre‘ beschrieb.”
Das Saturday Night Massacre ist im politischen Washington Chiffre für einen der dunkelsten Momente des Watergate-Skandals, als Präsident Nixon an einem Samstag im Oktober 1973 seinen Justizminister anwies, den Sonderermittler Archibald Cox zu feuern. “McGahn rief seinen Anwalt an”, schreibt Mueller weiter in seinem Bericht, “fuhr zum Weißen Haus, räumte sein Büro, bereitete vor, sein Kündigungsschreiben zusammen mit seinem Stabschef abzugeben, erzählte [Trumps Stabschef Reince] Priebus, dass der Präsident ihn angewiesen hätte, ‘verrückte Scheiße zu tun’, und informierte Priebus und Steve Bannon, dass der gehen würde.”
Nach der Rücktrittsandrohung bestand Trump nicht mehr darauf, den Sonderermittler zu feuern. McGahn blieb vorerst im Amt.
5. Nützliche Schützenhilfe aus Russland
Der erste Teil des Berichts beschäftigt sich mit der Frage nach einer möglichen Koordinierung zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland. Obwohl Mueller schreibt, dass die Ermittlungen keine Beweise finden konnten, dass es zwischen beiden Parteien Absprachen gab, um die Wahl im November 2016 zu beeinflussen, bestätigt der Sonderermittler: Russland wollte Trumps Team helfen – und Trumps Team nahm die Hilfe dankbar an, wie es auf Seite 13 heißt.
“Obwohl die Untersuchung den Nachweis erbrachte, dass die russische Regierung eine Trump-Präsidentschaft als förderlich für ihre Zwecke ansah und an diesem Resultat arbeitete, und dass Trumps Team erwartete, von gestohlenen Informationen zu profitieren, konnten wir nicht schlussendlich feststellen, dass Teile von Trumps Wahlkampfteam sich mit der russischen Regierung verschworen oder abgesprochen haben, um den Verlauf der Wahl zu beeinflussen.”
Insgesamt brachten Muellers Ermittlungen vierzehn weitere Untersuchungen krimineller Aktivitäten hervor, die er an verschiedene Ankläger innerhalb des Justizministeriums weiterleitete, weil sie außerhalb seiner Zuständigkeit liegen, unter anderem den Fall um Michael Cohen, Trumps ehemaligen persönlichen Anwalt.
6. Trumps “mangelhafte” Wissenslücken
Über Monate stritten sich Trumps Anwälte im Sommer 2018 mit den Anklägern in Muellers Team um einen Termin mit dem Präsidenten. Trump sollte gegenüber dem Sonderermittler aussagen, um die drängenden Fragen rund um die Ermittlungen zu klären. Stattdessen mauerten die Juristen des Präsidenten, bis die zwei Seiten sich darauf einigten, die Antworten in schriftlicher Form zu liefern.
Die Antworten, die Trump lieferte, empfand Muellers Team als “unzureichend in vielerlei Hinsicht” (S. 417):
“Wir vermerken, dass der Präsident in mehr als 30 Gelegenheiten sich ‘nicht erinnern’ oder ‘entsinnen’ kann oder ‘keine Erinnerung’ hat. Andere Antworten waren ‘unvollständig oder unpräzise’. Die schriftlichen Antworten, informierten wir seinen Rechtsbeistand, demonstrieren die mangelhafte Erkenntnis des schriftlichen Formats, da wir keine Nachfragen stellen können, um vollständige Antworten zu bekommen.”
Nach interner Beratung beschloss Muellers Team, den Präsidenten keine Vorladung für ein persönliches Interview zukommen zu lassen, weil ein potentieller Rechtsstreit eine “erhebliche Verzögerung” der Ermittlungen bedeutet hätte. Am Ende entschied Mueller, dass die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt “genügend Beweise” gesammelt hätte, um “maßgebliche Ergebnisse zu verstehen und gewisse Einschätzungen treffen zu können, auch ohne die Aussage des Präsidenten.”
7. Was nicht in dem Bericht zu lesen ist
Die meiste Aufmerksamkeit hat natürlich der Inhalt des Berichts bekommen. Nicht weniger interessant dürften aber auch die Stellen sein, die auf den 448 Seiten nicht zu entziffern sind. Justizminister Barr hatte am Morgen der Veröffentlichung von “eingeschränkten” Kurzungen gesprochen. Mehr als ein Dutzend Seiten sind fast vollständig geschwärzt, andere Seiten haben einzelne Stellen im Text oder ganze Absätze, die unleserlich gemacht wurden.
Grob kann man diese Stellen in vier Kategorien einteilen: Sie betreffen Beweise oder Aussagen vor der Grand Jury; als klassifiziert eingestufte Geheimdienst-Angelegenheiten; Beweise und Informationen, die andauernde Ermittlungen betreffen: sowie Details, die den Ruf oder die Privatsphäre von Drittpersonen betreffen, die durch Umstände in die Ermittlungen reingeraten sind.
Den meisten Spaß hatte das Internet mit der Klassifizierung “Harm To Ongoing Matter”, die über einem Großteil der Schwärzungen geschrieben steht.
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