Eines vorab:
Der Brexit wird solange verschoben, bis man vergessen hat, dass es einen Brexit gegeben hat. An den Wahlen zu EU-Parlament darf Großbritannien teilnehmen, zahlen darf es auch, nur zu sagen hat es nichts mehr. Als britischer Bürger würde ich mich komplett verarscht vorkommen. Bei einer sicherlich kommenden „Neuabstimmung“ würde ich in jedem Fall für den Austritt stimmen. Aber mich fragt ja keiner.
MehrDeutschland ist nur der Zahlmeister in Europa?
Von wegen. Das ist nicht das Bild, das die meisten Deutschen vom eigenen Land haben. Das geht zumindest aus einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Progressiven Zentrum hervor, die unserem Hauptstadtstudio vorliegt. 5000 Personen wurden online für die repräsentative Studie, die von einer qualitativen Untersuchung mithilfe von Fokusgruppen begleitet wurde, befragt.
„60 Prozent der Befragten haben gesagt, der deutsche Beitrag zum EU-Haushalt sei nicht zu hoch. Das sagt uns erstmal, die Mehrheit der Deutschen fühlt sich nicht als Zahlmeister Europas.“ […]
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Wenn die Menschen, die interviewt wurden, wenn diese Menschen das Buch links gelesen hätten, dann wäre die Befragung mit Sicherheit anders gelaufen:
Henryk M. Broder verteidigt das gute alte Europa der Freiheit und Vielfalt
In »Die letzten Tage Europas« beschreibt Henryk M. Broder die Tragödie, wie aus der großen europäischen Idee eine kleinteilige, Europa in Frage stellende Ideologie geworden ist. Mit einem brandgefährlichen Hang zur totalen Bevormundung von allem und jedem.
Mit seiner Polemik outet sich Henryk M. Broder als wahrer Europäer, der die europäische Vielfalt schätzt und deswegen der totalen Gleichmacherei durch die europäischen Bürokraten den bösen Spiegel vorhält. Wie kann es beispielsweise sein, dass ein europäischer Spitzenpolitiker freimütig erklärt, Europa könne wegen seiner strukturellen Demokratiedefizite niemals Mitglied der EU werden? Wie kommt es, dass es für jede unmaßgebliche Bagatelle detaillierte Regeln gibt (vom Gemüse bis zum Kondom), aber nicht für den Umgang mit Diktaturen? Kann es angehen, dass die spanische Polizei „europaskeptische“ Demonstranten niederprügelt wie weiland unter Franco? Broder entlarvt das Europa der Bürokraten und der Gleichschaltung als geprägt von einem neuen Totalitarismus, erfunden und propagiert von einer Politikerkaste, die die europäischen Völker in Geiselhaft genommen hat: Das uns verordnete Europa sei alternativlos, heißt es, wer es ablehnt, gefährde den Frieden. […]
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Die Zusammenfassung der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung:
Vom Zahlmeister zum Zukunftsmeister
Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich ein aktiveres und kooperatives Verhalten Deutschlands in der Europäischen Union. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Vom Zahlmeister zum Zukunftsmeister – Ein neues Selbstverständnis Deutschlands in der EU“, die von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit Das Progressive Zentrum durchgeführt wurde.
Im Jahr der Europawahlen steht die Europäischen Union nach innen wie nach außen vor enormen politischen Herausforderungen. Bei deren Bewältigung kommt Deutschland als größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Mitgliedsland eine zentrale Rolle zu. Impulse für Reformen und eine Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Politik kamen in letzter Zeit insbesondere von Frankreich.
Deutschland reagierte dagegen mehr, als dass es agierte. Dabei ist zu beobachten, dass der deutsche Europadiskurs von der Behauptung geprägt ist, Deutschland sei „Zahlmeister Europas“ oder könnte in Zukunft dazu gemacht werden. Trotz eines ambitionierten Europakapitels im Koalitionsvertrag reagierten Vertreter/innen der Regierungsparteien zuletzt auf Reformvorschläge nach alten Mustern und wiegelten sie mit dem Hinweis auf „die deutschen Steuerzahler“ ab. Auch in einigen deutschen Leitmedien wird so mancher Verdacht geschürt, bei Reformvorschlägen von EU-Partnern ginge es darum deutsche Geldtöpfe anzuzapfen.
Korrekt ist, dass Deutschland der größte Nettozahler in den Haushalt der EU ist. Aber die Exportnation profitiert auch in großem Maße von der EU und dem Binnenmarkt. Dass die EU-Mitgliedschaft finanziell ein schlechter Deal für Deutschland ist, lässt sich mit den Daten verschiedener Wirtschaftsinstitute und der Europäischen Kommission nicht belegen – im Gegenteil. Zudem blendet die „Zahlmeisterthese“ jeglichen politischen Nutzen der europäischen Gemeinschaft für Deutschland aus. Trotzdem scheint dieser Mythos mitverantwortlich für die gegenwärtige zurückhaltende deutsche EU-Politik zu sein.
Die vorliegende Studie hat untersucht, welches Selbstbild die deutschen Bürgerinnen und Bürger in Hinblick auf die Rolle Deutschlands in der EU haben. Ist der „Zahlmeister“ eine existierende Befürchtung unter den Deutschen oder nur eine rhetorische Figur, mit der für einen bestimmten europapolitischen Kurs geworben wird? Mit Hilfe der Erhebung von Einstellungen der deutschen Bevölkerung, möchte die Studie zur Entwicklung eines zukunftsgerichteten und realistischen deutschen Selbstbilds in Europa beitragen.
Quelle: Hier klicken
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