Da wird ein prominenter Intellektueller, Jude, …
Mehr… antisemitisch beschimpft. Von einem Goldstück. In Frankreich. Da wird der Beschimpfte auch in Deutschland schlagartig bekannt.
Der Mann heißt Alain Finkielkraut, er gibt der WELT ein Interview und sagt u. a.:
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Man will uns jetzt einreden, dass es sich um ein Wiederaufkeimen alter nationalistischer und antisemitischer Kampfrufe handelt wie „Frankreich gehört uns“, „Frankreich den Franzosen“. Aber derjenige, der das gerufen hat, der Aggressivste von allen, ist ein Salafist. Er hat auf sein Palästinensertuch gezeigt. Wenn so jemand sagt: Frankreich gehört uns, dann heißt das: Frankreich ist dazu bestimmt, islamischer Boden zu werden. Es handelte sich ganz offensichtlich um einen ganz besonders fanatischen Anhänger von der These des Bevölkerungsaustausches.
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Natürlich ist es neu. Auch wenn wir es mit recyceltem Antisemitismus zu tun haben. Das sieht man an der obsessiven Assoziation von Macron und Rothschild. Aber meine Angreifer haben mich ganz spontan als Rassisten und Zionisten bezeichnet. Beide Begriffe bedeuten für diese Leute dasselbe. Seit 20 Jahren spricht ein Teil der Intellektuellen von mir in genau diesen Begriffen.
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Ich will nicht die französischen Moslems kritisieren. Ich bin überzeugt, dass eine große Zahl von ihnen in Frieden und auch ihren Glauben in aller Stille leben will. Diese Leute haben nichts gegen Juden. Ich stelle lediglich fest, dass die massive Immigration in Frankreich und anderswo in Europa etwas radikal verändert hat.
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Ich bin sicher, der Antisemitismus ist nur eine Randerscheinung. Mich beunruhigt der Hass auf jede Form von Hoheit, von Eminenz im Namen der ewigen Gleichheit. Das ist extrem gefährlich.
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WELT: Trotzdem verweigern Sie den Vergleich mit den 30er-Jahren, den alle derzeit anbringen. Warum ist er falsch, wo doch so viele Ähnlichkeiten ins Auge fallen: Antisemitismus, Antiparlamentarismus?
Finkielkraut: Weil ich der Überzeugung bin, dass der Antisemitismus in Frankreich und Europa ein Randproblem wäre, wenn unsere Gesellschaften nicht gegen ihren Willen in multikulturelle Gesellschaften umgeformt worden wären. Der beängstigende Populismus ist eine pathologische Reaktion auf dieses Phänomen der demografischen Veränderung.
Europa wollte das nicht. Die Regierungen haben nicht ernst genommen, was die Gesellschaften dachten und empfanden, und müssen das heute teuer bezahlen. Ohne Angela Merkels „Wir schaffen das!“ und die Million Einwanderer, die Deutschland 2015 aufgenommen hat, hätte es keinen Brexit gegeben.
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Aber ich frage mich, ob es den Brexit gegeben hätte, wenn es nicht diese große Sorge in Europa durch die Grenzöffnung gegeben hätte. Durch Europa ging damals eine Schockwelle. Die Europäer sind nicht gefragt worden. Aber die europäische Zivilisation will ihr Wesen bewahren. Die Nationen wollen das auch. Es stellt sich heraus, dass es schwieriger wird.
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„Wir schaffen das!“ war einfach Unsinn. Sie sehen es ja selbst: Ihr schafft es nicht. Dieser Mix aus extremem Moralismus und wirtschaftlichen Interessen war abstoßend. Die Deutschen wollten sich damit freikaufen und endlich ein moralisch tadelloses Volk werden. Aber das passiert auf Kosten der Juden, die die ersten Opfer sind, wenn immer mehr Einwanderer hineingelassen werden. Herr Habermas sollte mal etwas darüber nachdenken. Die Deutschen mögen ein schlechtes Gewissen, aber nicht auf Kosten der Juden. Ich sage nur: Merci, Monsieur Habermas.
WELT: Handelt es sich nicht um ein sehr französisches Phänomen?
Finkielkraut: Hören Sie mit dem Wort „französisch“ auf. Ilan Halimi ist nicht von einem Franzosen getötet worden. Sarah Halimi auch nicht. Genauso wenig Mireille Knoll oder die Kinder in der Thoraschule in Toulouse, die Mohamed Merah ermordet hat. Selbst wenn es eine Art französische Besonderheit gibt, ist diese Besonderheit importiert. Ich bedauere es sehr, dass die radikale und auch die wohlwollende, politisch korrekte Linke das nicht sehen will.
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Deshalb wiederhole ich nochmal: Europa ist nicht dazu berufen, eine multikulturelle Gesellschaft zu werden. Alle politischen Parteien sollten die Angst davor endlich zur Kenntnis nehmen, damit sie nicht allein das Spielfeld der demagogischen und gefährlichen Parteien bleibt.
WELT: Sie plädieren für eine verantwortungsvolle Immigration?
Finkielkraut: Ja, verantwortungsvoll wenn nicht extrem restriktiv, weil ich davon überzeugt bin, dass die Eingliederung von Einwanderern immer schwieriger wird. Wenn die Einwanderung so weiter geht, werden wir eher umgekehrte Phänomene haben, dass sich nämlich Franzosen an die Kultur des Islam anpassen oder mehr und mehr konvertieren.
WELT: Warum sind Sie so pessimistisch, Sie sind doch selbst Sohn polnischer Immigranten, heute Mitglied der Académie Française, ein perfektes Beispiel für die Fähigkeit der Integration?
Finkielkraut: Ja, das bin ich. Aber ich bin noch in den Genuss einer funktionierenden Schule der Republik gekommen. Seither ist die Schule in Frankreich zusammengebrochen. Als meine Familie ankam, gab es noch eine Mehrheitskultur, an die sich jeder anpassen wollte. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr.
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Ist der Mann Mitglied in der AfD?
Klingt nämlich alles recht vernünftig!
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