Gestern Abend, 6.2.2019, konnte ab 17:00 Uhr …
Mehr… die Zusammenfassung der Aktuellen Stunde NO2 gelesen werden.
Ich habe Ihnen dort eine E-Mail an den CDU-Bundestagsabgeordneten Karsten Möhring versprochen. Hier ist sie:
Sehr geehrter Herr Möring,
mit Interesse habe ich die Aktuelle Stunde vom 1.2.109 im Deutschen Bundestag zum Thema Grenzwerte NO2 verfolgt. Sie sind der einzige Politiker, der den Stundenmessgrenzwert 200 µg NO2 /m3 Luft erwähnt. Sie sagen:
[…], dass es einen Unterschied zwischen einer Spitzenbelastung kurzzeitiger Art und einer Dauerbelastung gibt, die niedriger ist . Für Letzteres gilt ein Durchschnittswert . Es ist ein Vorsorgewert, der auch empfindlichere Bevölkerungsgruppen schützen soll und der nicht für jemanden gilt, der in einer Küche an einem Gasherd kocht . Auf der Straße sind Emissionsspitzenwerte von 200 Mikrogramm zulässig . Aber mit den 40 Mikrogramm wird die Dauerbelastung festgelegt . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES90/DIE GRÜNEN – Dr . Bernd Baumann [AfD]: Niemand steht den ganzen Tag an einer Kreuzung!) Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass diese Diskussion noch einmal kritisch geführt wird . Wir glauben zwar nicht, dass dabei etwas anderes herauskommt . Aber Maßnahmen, die wir mit viel Geld unterlegen, brauchen eine Begründung, die valide und belastbar ist . Quelle: Hier klicken, Seite 9177.
Auch in den bundesweit relevanten Medien kommt dieser Grenzwert praktisch nicht vor. Im Mittelpunkt steht immer und überall der Jahresdurchschnittsgrenzwert 40 µg NO2/m3 Luft im Außenbereich. Sie unterscheiden hingegen zwischen dem in kurzen stündlichen Zeiträumen ermittelten Wert, welcher die tatsächliche Menge NO2 festschreibt, der die Menschen im Bereich der Messtelle ausgesetzt sind, und dem Wert, der aus diesen Stundenmessungen ausgerechnet wird.
Dieser Wert, der Jahresdurchschnittsgrenzwert, hat mit einer tatsächlichen Belastung der Menschen nichts zu tun.
Beispiel: Ein Mann nimmt ein Fußbad. Den einen Fuß hat er in 10 Grad kaltem, den anderen hat er in einer zweiten Schüssel mit 50 Grad warmen Wasser eingetaucht. 30 Grad im Durchschnitt. Der Mann müsste doch zufrieden sein. Ist er aber nicht! Weil der Durchschnitt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Es ist ein rechnerischer Wert, der im Bereich NO2 – Messungen nur eine Funktion hat. Der mögliche, erlaubte und offensichtlich nicht gesundheitsgefährdende – sonst wäre er geringer, oder? – Stundenmesswert soll nicht immer an der Obergrenze 200 µg kratzen. Da allerdings sind 40 µg im Verhältnis zu faktisch erlaubten 200 µg ungeeignet. Das ist so, als wenn ein Schüler immer Dreier schreibt und dennoch nicht versetzt wird, weil er im Durchschnitt eine 2 haben muss. Das Zensurenbeispiel lesen Sie ausführlich hier.
Welche Auswirkungen der hohe Unterschied 200 µg zu 40 µg hat sehen Sie an den Daten einer echten Messstelle. Das Landesumweltamt NRW stellt alle Werte seiner Messstellen tagesaktuell in´ s Internet („Steckbrief“ der gewünschten Messstelle aufrufen und „Messwertübersicht Stickstoffdioxid“ rechts anklicken. Dort den Link Messwerte dieser Station der letzten 365 Tage ganz unten klicken. Dann können Sie die Excel-Datei herunterladen oder öffnen), so dass jeder Bürger sie einsehen kann. Ich habe die Straße in Aachen genommen, deren Messstelle so hohe Werte misst, dass ein Fahrverbot droht: Aachen Wilhelmstraße. Diese Datei ist so unübersichtlich und aussagelos, dass ein Normalbürger damit nichts anfangen kann. Deshalb habe ich die Datei so aufbereitet, dass sie auf NO2 beschränkt und für jeden verständlich ist:
Vom 4.2.2017 bis 4.2.2018 wurden 8.369 Stundenwerte real er-, gemittelt. Die 200 µg wurden an der Wilhelmstr. In Aachen nie auch nur annähernd erreicht. Werte über 100 µg wurden 127 x er-, gemittelt. 127 von 8.369 Messungen.
Wenn Sie meine Tabelle herunterscrollen, sehen Sie die Werte pro Stunde. Der zugelassene Spitzenwert beträgt 200 µg. Und dann diese Zahlen. Echte Zahlen. Dann rechne ich den Mittelwert aus. Komme auf eine Summe von 360.266 µg NO2 und teile diese Summe durch die 8.369 Messungen. Der Jahresdurchschnitt beträgt 43,05 µg NO2 / m3 Luft!
Der Wert dieser Messstelle reicht alleine aus, um ein Fahrverbot in Aachen durchzusetzen. Für ganz Aachen. Ist da nicht etwas merkwürdig? Ja sicher ist es das! Der Jahresdurchschnittsgrenzwert 40 µg ist bezogen auf die 200 µg erlaubter, realer Menge NO2 schlicht zu hoch. Er ist wissenschaftlich unplausibel. Er hat auch nichts mit einer realen Dauerbelastung zu tun. Es ist ein rein theoretischer Wert. Wobei die Höhe nicht wundert. Handelt es sich doch um einen politischen Grenzwert. Prof. Wichmann, der an der Ausarbeitung der Grenzwerte als einer von drei deutschen Wissenschaftlern vor über 15 Jahren bei der WHO mit gewirkt hat, hat es frank und frei zugegeben. Hinzu kommt, dass lediglich ein Wert – der schlechteste Durchschnittswert einer Messstelle einer Stadt – alleine verwendet wird und in der Liste der belasteten Städte aufgeführt wird. Man sollte doch meinen, dass der Durchschnitt aller Messtellen einer Stadt für die Belastung dieser Stadt zu Grunde gelegt wird. Aber nein: Gelsenkirchen und Essen stehen vor Fahrvoten inkl. der A2. Der Durchschnitt beider Städte einzeln wie zusammen liegt hingegen unter 40 µg NO2 / m3 Luft. Vollkommen egal. Der höchste jeweilige Wert einer einzigen Messstelle gilt!
Sehr geehrter Herr Möring, ich schreibe Ihnen diese Mail, weil ich hoffe, dass Sie in der Lage sind, die oben beschriebenen im Prinzip unglaublichen Sachverhalte so in die Debatte einzubringen, dass wieder Sachlichkeit und Wirklichkeitsnähe die Oberhand gewinnen.
Auf Unterstützung des Umweltbundesamtes oder des Bundesministerium für Umwelt brauchen Sie m. E. nicht zu hoffen. Es steht zu befürchten, dass Sie und Ihre Kollegen mit einem realistischen Blick für die Dinge die Legislativmacht inkl. Kontrollfunktion einbringen müssen, um den Knoten aus Technologiefeindlichkeit, ideologischer Verbohrtheit und Mangelwissen in der Exekutive zu durchschlagen.
Dafür wünsche ich Ihnen viel Kraft und Glück.
Sollten Sie noch Fragen haben, mailen Sie bitte.
Beste Grüße aus Aachen
Rüdiger Stobbe
Gastautor bei achgut.com, Jahrgang 1954, seit 44 Jahren mit derselben Frau verheiratet, eine Tochter, 2 Enkelkinder. Mehr: Hier klicken
____________________
Karsten Möhring hat prompt geantwortet:
Sehr geehrter Herr Stobbe,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Sie sind ja ein sehr aufmerksamer und kundiger Beobachter, davon gibt es nicht viele. Sie haben natürlich recht mit Ihrer Kritik an den Schlussfolgerungen der Gerichte zu den Grenzwertüberschreitungen. Aus meiner Sicht sind die bisher verhängten Fahrverbote zumindest in ihrem Umfang nach absolut nicht verhältnismäßig. Dabei überlasse ich die Diskussion um die Höhe der Grenzwerte gerne meinen Kollegen im Europäischen Parlament. Denn dort wird das geregelt. Aktuell hat gerade gestern mein Kollege Peter Liese dies auf einer Pressekonferenz in Brüssel begonnen. Ich füge Ihnen unten zwei Agenturmeldungen bei.
Wir werden in Kürze die Änderung des Immissionsschutzgesetzes verabschieden, mit dem Fahrverbote im Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm/Kubikmeter Luft in der Regel nicht verhängt werden. Dann bleiben nur wenige Stellen in Deutschland übrig, für die aber keine großflächigen Verbote verhängt werden dürfen, weil sie nicht verhältnismäßig sind.
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Möring
______________________
Karsten Möring MdB
- Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
- Mitglied im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen
- stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
- stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie
- Bundestagswahlkreis 93 (Köln I)
________________________________________
Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin
________________________________________
- Februar 2019 13:05
BRÜSSEL (AFP) – Der ehemalige Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Dieter Köhler,
hat bei der EU in Brüssel für höhere Grenzwerte für Feinstaub und
Stickoxid geworben. «Für die gültigen Grenzwerte gibt es keine
ausreichende wissenschaftliche Basis», sagte Köhler am Dienstag im
Europa-Parlament. Am Nachmittag werde er zusammen mit dem
CDU-Abgeordneten Peter Liese der EU-Kommission sein Anliegen
vortragen.
Köhler ist Initiator einer Gruppe von rund hundert Medizinern,
die vor zwei Wochen die ab 2008 auf EU-Ebene eingeführten Grenzwerte
als unwissenschaftlich kritisiert hatten. Besonders Studien, die von
tausenden vorzeitigen Todesfällen sprechen, seien «methodologisch
unsinnig», unterstrich der Lungenarzt nun.
In Deutschland entfachte die Stellungnahme der Mediziner den
Streit um Fahrverbote und Luftqualität in deutschen Städten neu.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) forderte eine
Aussetzung der Grenzwerte. Bundesumweltministerin Svenja Schulze
(SPD) wiederum beharrte auf deren Einhaltung. Bei vielen
Fachkollegen Köhlers stieß die Stellungnahme überdies auf scharfe
Kritik und Widerspruch.
Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen der dauerhaften
Überschreitung der Grenzwerte in mehreren Städten vor dem
Europäischen Gerichtshof verklagt. Der Verein Deutsche Umwelthilfe
(DUH) begann daraufhin, in einer Reihe von Städten Klagen für
saubere Luft anzustrengen, und erwirkte in mehreren Fällen vor
Gericht Fahrverbotsurteile für Dieselfahrzeuge. In einigen Städten
sind Verbote auf einzelnen Straßen schon in Kraft.
Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsparteien im
EU-Parlament, bezeichnete diese Fahrverbote als «vollkommen
unverhältnismäßig». Die Reduktion der Feinstaub- und Stickoxidwerte
sei ein gesundheitspolitisches Ziel, aber zu sagen «wenn es keine
Fahrverbote gibt, sterben Menschen» sei «unverantwortliche
Panikmache». Die Debatte über eine Überarbeitung der Grenzwerte auf
EU-Ebene müsse nun konstruktiv geführt werden.
Und hier noch von dpa:
- Februar 2019 16:02
Brüssel (dpa) – Im Streit über Grenzwerte für Diesel-Abgase und
Fahrverbote hat der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese den zuständigen
EU-Umweltkommissar Karmenu Vella scharf kritisiert. «Der Mann hat
nicht viel kapiert», sagte Liese am Dienstag in Brüssel. «Er ist der
schlechteste Umweltkommissar, den ich je erlebt habe. Und ich habe
viele erlebt.»
Eine Gruppe von Lungenärzten hatte zuletzt den gesundheitlichen
Nutzen der EU-Grenzwerte für Stickoxide in Frage gestellt. Seit 2010
gilt ein Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel.
Die entsprechende EU-Richtlinie wird derzeit von der EU-Kommission
überprüft. Umweltkommissar Vella stellte jedoch klar, wenn die
Grenzwerte überhaupt geändert würden, dann würden sie verschärft und
nicht gelockert.
Der Lungenarzt Dieter Köhler sagte bei einem gemeinsamen Termin mit
Liese in Brüssel, in der Wissenschaft werde das Thema schon lange
diskutiert. «Aber erst jetzt ist daraus ein Medienhype geworden.» Die
zur Festsetzung der Grenzwerte genutzten Daten seien zum Teil
veraltet und nicht aussagekräftig.
Liese sagte, Fahrverbote auf dieser Grundlage seien
unverhältnismäßig. «Es ist ein gravierender Eingriff, der schon sehr
viel bringen muss», sagte er. «Das tut er aber nicht.» Die Autobauer
seien dennoch in der Verantwortung, für Schäden im Rahmen der
Diesel-Affäre aufzukommen. «Wenn ein Kunde das will, muss er das
kriegen», sagte Liese. «Ich habe keinerlei Mitleid mit den Bossen in
der Autoindustrie.»
_____________________