… sicher nicht, meint die NZZ am 26.11.2018:
Mehr[…] Das Schmähwort vom «Staatsfunk» etwa ist unangemessen, weil es suggeriert, die Anstalten würden direkt vom Staat kontrolliert. Dem ist nicht so; in den Aufsichtsgremien dürfen staatliche und staatsnahe Mitglieder maximal noch ein Drittel ausmachen, den Rest stellen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Allerdings sucht man das Gegenteil des Staatsfunks – die Staatsferne – oft vergeblich. Das gilt vor allem für einige politische Sendungen.
Im «Bericht aus Berlin» der ARD wurde am Sonntagabend ein Beitrag über den Uno-Migrationspakt gesendet, den staatsfern zu nennen eine Beleidigung für all jene Journalisten in den Anstalten wäre, die sich täglich um eine ausgewogene Berichterstattung bemühen. Hätte die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Auswärtigen Amt eine Sendung zum Thema komponieren dürfen, dann wäre wohl etwas in dieser Art herausgekommen.
Nachteile? Welche Nachteile?
Schon in der Anmoderation gab der Moderator Thomas Baumann die Richtung vor. Es falle auf, sagte der stellvertretende ARD-Chefredaktor, dass Union und SPD «Existenz und Vorteile des Pakts» bis vor wenigen Tagen kaum kommuniziert hätten. Deshalb hätten rechte Gruppierungen im Kampf um die Deutungshoheit nun einen Vorsprung. Und während die Verunsicherung bis in Teile der Union hineinreiche, gehe die Propaganda des rechten Rands weiter.
Damit war die Bühne bereitet: Es gibt einen Pakt mit Vorteilen, und es gibt eine rechte Kampagne, auf die zu spät reagiert wurde. Mehr gibt es nicht. …
Auszug aus dem Bericht aus Berlin vom 25.11.2018
… Nun wird kein vernünftiger Mensch abstreiten, dass die AfD und rechtsradikale Gruppen masslose Tiraden gegen den Migrationspakt verbreiten – etwa die Behauptung Alexander Gaulands, dass Deutschland heimlich in ein Siedlungsgebiet für Migranten aus aller Welt verwandelt werden solle. Das ist Unfug.* Aber gibt es davon abgesehen wirklich nur Vorteile, die man rechtzeitig hätte «kommunizieren» müssen, wie der «Bericht aus Berlin» der ARD insinuiert?
Nur ein paar Stichworte: Der Vertrag mag kein völkerrechtlich verbindliches Abkommen darstellen, wie seine Befürworter nicht müde werden zu betonen. Dennoch hat die deutsche Regierung im vergangenen Monat in ihrer Unterrichtung des Parlaments selbst festgehalten: «Beide Pakte sind als rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend konzipiert.» Von dieser Verpflichtung und ihren möglichen Implikationen ist im Beitrag keine Rede. Gleiches gilt für die Sorge, dass Gerichte, zumal in Deutschland, aus dem Soft Law des Pakts später ein Menschenrecht auf Migration mit allen möglichen damit verbundenen Ansprüchen ableiten könnten. Schliesslich ist da noch die fast ausschliesslich positive Interpretation von Migration in dem Papier – und der Wunsch der Autoren, dass die Medien weltweit entsprechend berichten.
Wäre all das keine Debatte wert? Nicht um der gerne als angeblich einzige Alternative gegeisselten «Abschottung» das Wort zu reden, sondern ergebnisoffen und im Sinne einer deliberativen Demokratie selbstbestimmter Bürger: Welche Form von Migration will ein Volk? Und auch: wie viel?
Der Moderator als Stichwortgeber
Es gibt weitere Fragen, über die man nüchtern diskutieren könnte. Im «Bericht aus Berlin» sucht man sie alle vergebens. Stattdessen zeigt die Redaktion ein paar schrille Äusserungen rechtsradikaler Aktivisten und blendet dann CDU-Politiker wie den Gesundheitsminister Jens Spahn ein, deren Kritik sich auf die Feststellung beschränkt, dass (aber nicht was) man früher hätte debattieren sollen. Auch ein Kommunikationswissenschafter darf mitreden. Leider beantwortet auch er nur Fragen des Agenda-Setting. Nach dem Motto: Hülfe womöglich ein «Frühwarnsystem» dagegen, dass die Rechten politische Debatten prägen?
Dem Moderator fällt beim Interview mit Aussenminister Heiko Maas ebenfalls kein Argument gegen den Pakt ein, von einer Frage nach dessen angeblicher Unverbindlichkeit abgesehen. Warum die Regierung nicht früh und massiv gegen die Kritik von rechts vorgegangen sei, will er stattdessen wissen. Und ob man in Deutschland womöglich auch ein Gesetz gegen Fake-News brauche. Nein, antwortet der Minister und hat damit recht.
Fernsehsendungen, die sich nicht selbst zum Stichwortgeber der Regierung degradieren, wären ein Anfang.
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*Selbstverständlich kann man die Aussagen von Alexander Gauland (Bundestagsrede Gaulands u. a. zum Migrationspakt: Hier klicken) als Unfug und maßlose Tirade bezeichnen. Ein Blick in die deutschen Innenstädte gibt bereits einen Vorgeschmack, wie sich Deutschland in Zukunft entwickeln werden wird. Ich persönlich habe den starken Eindruck, dass die maasgeblichen Politiker in der Tat Deutschland für Jedermann öffnen wollen. Ob Deutschland dann noch ein Nationalstaat ist, wenn die 50% Marke der Menschen mit Migrationshintergrund überschritten wird, oder ob das Land ein Siedlungsgebiet für Alle ist, bleibt ein schnöder Streit um Begriffe.
Ein konkretes Beispiel aus führendem deutschen Munde gibt mir in diesem Zusammenhang sehr zu denken: Hier klicken. Am Ende war es keine Mauer, sondern ein ´antifaschistischer Schutzwall`.
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Eine Schweizer Sicht zur deutschen Debatte zum Migrationspakt: Hier klicken
Mehr zum UN-Migrationspakt: Hier klicken
Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler, zum Multilateralismus und der Einordnung der Enthaltung zum Migrationspakt: Hier klicken
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