Die NZZ beschäftigt sich aktuell …
Mehr… mit einem Aspekt der Generaldebatte zum Haushalt der Bundeskanzlerin:
Wie ´stellen` die Altparteien die AfD?
Beispielhaft wird die Rede von Alexander Gauland und die Replik von Achim Post (SPD) herangezogen:
[…] Gauland zitierte eingangs Heinrich Heine mit einem Vergleich über die Revolutionslust der Franzosen und die Duldsamkeit der Deutschen, um dann zu den aktuellen Diesel-Fahrverboten Stellung zu nehmen. Das soeben beschlossene Fahrverbot auf einer Autobahn im Ruhrgebiet sei nur das jüngste Beispiel einer immer weiter reichenden Belastung der nur noch etwa 15 Millionen tatsächlichen Steuerzahler und wirtschaftlichen Leistungsträger des Landes. Es handle sich um eine als «Klimarettung verkaufte Automobilfeindschaft». Gauland ging detailliert auf die geplante Erhöhung der Feinstaubgrenzwerte ein und zitierte einen Experten für Lungenerkrankungen, gemäss dem dies unsinnig sei. Anschliessend folgte ein Exkurs zur deutschen Einwanderungspolitik, der vermutlich in keiner AfD-Rede fehlen kann. […]
Hier die Rede von Alexander Gauland:
Dann kam Herr Post.
«An Ihre Reden wollen wir uns nicht gewöhnen, schon gar nicht an Ihre menschenverachtenden», fing die Replik des Sozialdemokraten an. Als Nächstes forderte er Gauland auf, künftig nicht mehr Heinrich Heine zu zitieren, «den grossen deutschen Dichter und Schriftsteller». Schon der Einstieg war also verschenkt. Einem politischen Konkurrenten Menschenverachtung vorzuwerfen, nachdem dieser vor allem über Fahrverbote geredet hat, ist unredlich und intellektuell faul. Dies blendet zudem die Tatsache aus, dass Gaulands Kritik in den Ohren vieler Deutscher berechtigt ist. Man darf annehmen, dass darunter SPD-Wähler sind.
«Tut weh, ne? Tut weh, ja?»
Als Nächstes äusserte sich der Sozialdemokrat zur ominösen Schweizer Parteispende an den AfD-Verband von Alice Weidel. Die Fraktionsvorsitzende hatte in ihrer Rede zuvor eine wüste Verteidigungsstrategie gewählt und allen anderen Parteien deren mitunter Jahrzehnte zurückliegende dunkle Finanzspritzen vorgehalten. Auch Frau Weidel wurde von Herrn Post nicht inhaltlich gestellt – was leicht gewesen wäre, weil der Fall bis heute Fragen aufwirft. Er setzte abermals auf Plattitüden. Man wisse ja nun, warum die AfD-Politikerin gegen den Euro sei, sagte er: «Sie nehmen lieber Schweizerfranken.» Das fand er selbst so unterhaltsam, dass er mehrmals nachsetzte: «Tut weh, ne? Tut weh, ja?»
So ging es weiter. Der Diskussion um die künftigen Kompetenzen der EU liess der SPD-Mann die Frage folgen, «welches Europa wir wollen: ein offenes Europa oder ein geschlossenes Europa? Ein solidarisches Europa oder eines, das ausgrenzt?» Es gehe um die Entscheidung zwischen den «alten Gespenstern der nationalistischen Vergangenheit» und einem «neuen Geist für ein Europa der Zukunft und Zusammenarbeit». Glaubt Herr Post tatsächlich, dass solche populistischen Zuspitzungen verfangen? Vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der ältesten deutschen Partei sollte man ein bisschen mehr Substanz erwarten dürfen als die vermeintliche Wahl zwischen den United States of Europe und einer Rückkehr unter den Stahlhelm. […]
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Der Autor der NZZ ist ganz sicher kein Freund der AfD:
[…] Die junge Rechtspartei mag ein weltanschaulich widersprüchliches Sammelbecken aus frustrierten Konservativen und völkischen Nationalisten sein, und viele ihrer Abgeordneten fallen im Plenarsaal vor allem mit Gebrüll und dumpfen Parolen auf.* […]
Er referiert und zitiert:
Der Politikwissenschafter und Extremismusexperte Eckhard Jesse hat in einem lesenswerten Interview mit dem Magazin «Cicero» einmal darüber gesprochen, was die alten deutschen Parteien tun sollten, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen – und was nicht. «Sie müssen viel tun, aber nicht die AfD dämonisieren», rät er. Die Volksparteien hätten sich von der Lebenswirklichkeit ihrer Wähler entfernt. Das gelte vor allem für die SPD und ihre «kosmopolitischen Ideen». Die Rede, die der Abgeordnete Achim Post an diesem Dienstag gehalten hat, sollte im Willy-Brandt-Haus als Lehrbeispiel eingesetzt werden: wie es nicht geht.
Eckhard Jesse hat Recht. Das sollten sich die Altparteien mal hinter die Ohren schreiben.
An der Sache diskutieren, Argumente austauschen und den ganzen ideologisch-gutgedanklichen Ballst abwerfen. Das wäre gut. Gleichwohl:
Es bleibt ein frommer Wunsch.
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*Zu „Gebrüll und dumpfen Parolen“: Hier klicken
Hören Sie einige Reden quer und urteilen Sie selber, was dran ist, am „Gebrüll und den dumpfen Parolen“.
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Zum Artikel Generaldebatte 21.11.2018 #1 mit Links zum kompletten Tagesordnungspunkt und Sitzungstag: Hier klicken
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