Weber: Dann kommen wir zum dritten Beispiel: Immer mal wieder kommt es vor, dass Demonstrationen, die von der AfD angemeldet werden, blockiert werden von Gegendemonstranten. Da fällt mir zum Beispiel dieser sogenannte Marsch für Frauenrechte ein. Im Februar sollte der in Berlin in Richtung Kanzleramt führen, und angemeldet hatte den eine AfD-Politikerin. Ein großer Gegenprotest hat das verhindert mit dem Argument, dass das, was dieser Marsch fordere, in Wahrheit rassistisch sei. Beide Interessengruppen haben ein demokratisches Grundrecht in Anspruch genommen, sagen, wir wollen unser Anliegen sichtbar auf die Straße bringen. Aber darf eine Gruppe der anderen sagen, wir behindern euch, wir respektieren das in eurem Falle nicht?
Forst: Ja. Sie deuten mit dem Beispiel ganz deutlich darauf hin, dass auch eine Gesellschaft, die sich um Toleranz bemüht, natürlich bei Weitem keine konfliktfreie Gesellschaft ist. Denn wenn wir uns einig sind, dass der Rassismus eine Quelle der Intoleranz ist, die absolut intolerabel ist, ist die Frage, welche Gegenhandlungen dann gerechtfertigt sind, von rechtlichen Verboten bis zum lauten Sagen seiner Meinung, wenn jemand eine rassistische Äußerung macht, ein weit offenes Feld. Wir wissen also, Sie haben den Marsch der Frauen angesprochen, dass die Islamkritiker, die nicht selten damit sehr globale Stereotype, auch rassistische Stereotype verbinden, sehr häufig einen feministischen kritischen Diskurs verwenden, um den Islam oder muslimische Männer generell als Frauenfeinde zu verdammen. Ich denke, dass es richtig ist und sogar notwendig, dagegen seine Stimme zu erheben. Das bedeutet also, wenn so eine Demonstration angemeldet wird, ist es eine gute Sache, wenn eine Gegendemonstration angemeldet wird. Natürlich muss dennoch der Respekt voreinander als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten dazu führen, dass das gewaltfrei abläuft. Aber dass da dann Auseinandersetzungen, also Parolen, Spruchbänder und so weiter in der Luft sind und auch einmal die Situation sich zuspitzen kann, das kann man in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht verhindern. Man kann nicht jedes Mal, wenn eine Demonstration angesagt wird und eine Gegendemonstration angemeldet wird, aus Angst, dass das eskaliert, diese ganze Sache abbrechen. Dann hätten wir keine Demonstrationsfreiheit mehr.
„Der Rassismus selbst ist als Ablehnung anderer ein Problem“
Weber: Okay. Dann stehen sich dort also Bürgerinnen und Bürger gegenüber, die jeweils ihr Grundrecht in Anspruch nehmen, ihre Meinung nach draußen zu tragen. Es kommt dann noch eine dritte Partei hinzu, der Staat in Gestalt seiner Exekutive, der Polizei. Wie müsste die sich verhalten? Müsste die dafür sorgen, dass die Anmelder ihren Weg fortsetzen können Richtung Kanzleramt, um den Protest herum?
Forst: Wenn die Demonstration erst einmal so angemeldet war und das genehmigt wurde, ist das die erste Aufgabe der Polizei. Wenn dann aber die Situation eintritt, dass man Eskalationen befürchten muss, muss die natürlich strategisch darauf reagieren und gegebenenfalls kann dann die Demonstration nicht wie angekündigt zu Ende geführt werden. Das kommt immer wieder vor, dass man auf diese Situationen reagieren muss und den Konflikt einigermaßen einhegt. Man kann soziale Konflikte nicht immer so kanalisieren, dass die Polizei die Wege bahnt, die die Bürger einander versperren. Man muss dann situativ darauf reagieren. Ich denke generell, dass, wenn so eine Demonstration der AfD oder anderer rechtsextremer Gruppen abgebrochen werden muss aufgrund von Gegendemonstrationen, dass dann eine Reihe von öffentlichen Effekten erzielt wurde. Die Gegendemonstranten haben gezeigt, wir nehmen das nicht hin, diese Formen des Rassismus und der stereotypen Verurteilung. Umgekehrt können diejenigen, die die Demonstration veranstaltet haben, den Märtyrer machen und sagen, ach, hier darf man ja gar nichts mehr sagen und die Freiheiten werden eingeschränkt. Aber mit so etwas muss man in einer demokratischen Gesellschaft leben. Wenn wir uns einig sind, dass der Rassismus eine üble Quelle der Intoleranz ist, sollten wir dennoch vorsichtig sein zu sagen, die Toleranz sei die richtige Lösung dafür. Denn was wir vielleicht nicht wollen, sind tolerante Rassisten, so wie wir tolerante Katholiken oder tolerante Muslime wollen.
Weber: Das heißt, Sie fordern Intoleranz?
Forst: Nein. Der Rassismus selbst ist als Ablehnung anderer ein Problem. Eine religiöse Ablehnung einer anderen Religion ist nicht selbst ein Problem, sondern kommt aus einer religiösen Überzeugung heraus. Die rassistische Ablehnung anderer Personengruppen kann solche Gründe nicht für sich generieren. Das heißt, schon die Ablehnung der anderen ist ein Problem. Deshalb sollten wir auf eine Gesellschaft hinwirken, die den Rassismus überwindet, nicht eine, die tolerante Rassisten produziert. Obwohl ein toleranter Rassist immer noch besser ist als ein intoleranter, der entsprechend seine rassistischen Überzeugungen ständig in Handlungen umsetzt.
Weber: Dann lassen Sie mich noch mal andersherum fragen: Wo sehen Sie die Grenzen der Toleranz?
Forst: Die Grenzen der Toleranz bestehen dort, wo anderen der grundsätzliche Respekt als gleichberechtigte Person abgesprochen wird. Wo also Grundrechte infrage gestellt werden, auch demokratische Rechte infrage gestellt werden. Insofern ist auch die Frage, ob antidemokratische, also aktiv die Demokratie in Frage stellende Parteien in einer Demokratie einen Platz haben sollen, eine relevante Frage. Darauf kann man mit Toleranz reagieren und sagen, die sind jetzt nicht so wichtig, nicht so gefährlich. Die erfüllen auch, obwohl sie unangenehm sind, eine Funktion. Man kann aber auch sagen, dass es den Punkt gibt, an dem eine Demokratie sehen muss, dass solche Parteien eine Gefahr sein können, wenn vielleicht nicht für die staatliche Ordnung, wenn sie stabil ist, aber doch für den Genuss der Grundrechte in manchen Gegenden des Landes, wo jemand mit einer bestimmten Hautfarbe sich abends nicht mehr auf die Straße traut.
Das, Herr Professor, was Sie da abliefern, ist gutgedankliches Geschwurbel und eines Wissenschaftlers unwürdig.
Warum?
Weil Sie Menschen, die der AfD angehören oder sie auch nur wählen, Menschen, welche nicht Ihre Meinung teilen, undifferenziert als rassistisch bezeichnen. Die Partei, die AfD, ist für Sie eine rechtsextreme, rassistische Gruppe, welche aktiv die Demokratie in Frage stellt. Wo sind die Belege? Sie werden keine finden. Gäbe es sie, wäre bereits ein Verbotsverfahren in Arbeit.
Bezeichnend ist, dass Ihre Guten Gedanken Ihre Argumentation in´ s Gegenteil verkehren. Wenn Sie sagen:
Die Grenzen der Toleranz bestehen dort, wo anderen der grundsätzliche Respekt als gleichberechtigte Person abgesprochen wird. Wo also Grundrechte infrage gestellt werden, auch demokratische Rechte infrage gestellt werden.
Genau das aber tolerieren Sie mit Ihrer Argumentation und Sie tolerieren, nein, Sie begrüßen eben auch die allfälligen sogenannten Gegendemonstranten, welche versuchen, „rechte “ Demos zu verhindern, zu blockieren usw., usw. . Zum Teil mit massiver Gewalt, die nur durch massiven Poizeieinsatz eingegrenzt werden kann.
Dabei sind es genau diese Gruppierungen, die Grundrechte anderer in Frage stellen, also auch das demokratische Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Gerade da, wo diese Rechte besonders wichtig sind: Wenn die geäußerte Meinung nicht der eigenen entspricht.
Dann meinen Sie, dass, wenn es zur Eskalation zwischen „rechter“ Demo und Gegendemonstraten kommt, es die die Aufgabe von Polizei sei, ggf. die „rechte“ Ursprungs-Demo aufzulösen. Obgleich die Eskalation von den sogenannten Gegendemonstranten – i. a. R angereichert mit militanten Linksautonomen – ausgeht?
Mein lieber Mann, was haben Sie für ein Verständnis von Demokratie und Toleranz. Sie sollten sich schämen, wenn Sie Ihr Professorengehalt ausgeben.
Denn:
Wenn eine Demonstration genehmigt, eine Partei zugelassen ist, dann ist das Wirken im öffentlichen Raum legitim und legal. Auch wenn Ihnen und Ihren gutgedanklichen Genossen das nicht passt. Da braucht es keine Toleranz. Das ist formaldemokratischer Usus. So, wie es im Bundestag keine Toleranz braucht, wenn Abgeordnete reden. Sie haben das Recht – Fertig! Gegenrede ist natürlich möglich. Aus Rede und Gegenrede ergibt sich der politische Prozess, der in Abstimmungen, in Wahlen mündet. So einfach ist das, Herr Professor.
Die, die dagegen, die, welche gegen dieses Prinzip – oft mit Gewalt – angehen, sind die wahren Feinde der Demokratie.
Und dann gibt es natürlich noch die Biedermänner. Insbesondere an Hochschulen. Herr Professor Forst.
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Noch ein Wort zu den „bestimmten Gegenden“, wo man sich mit einer bestimmten Hautfarbe […] abends nicht mehr auf die Straße traut.
Da meinen Sie bestimmt u. a. Teile des Ostviertels in Aachen, wo Sie/man als weißer Mann des Abends nicht mehr hingehen sollten. Auch nicht als Polizist. Es sei denn mit einer Hundertschaft. Und als weiße Frau schon mal gar nicht.
Danke für den Hinweis!
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