Gunter ist in den 60-ern und hat …
Probleme mit der Prostata. Nicht bösartig. Aber die Vorsteherdrüse ist seit einigen Jahren vergrößert und erschwert vor allem des Nachts das Wasser lassen.
Kurz: Es tröpfelt nur; von einem richtigen Harnstrahl kann keine Rede sein. Es braucht bis zu 3-4 Minuten bis die Blase (halbwegs) entleert ist.
Der Notfall
Am 24.10 2017 um etwa 17:00 Uhr war es dann soweit.
Gunter musste Pipi. Aber er konnte nicht. Gar nicht. So sehr er sich auch entspannte. Die Blase ließ sich nicht entleeren, der Harnweg war zu. Also „kasperte“ er rum, legte sich hin, versuchte, sich zu beruhigen, ging immer wieder auf die Toilette.
NICHTS!
Gegen 19:00 Uhr rief er die
Notdienste der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
an. Es war sofort eine Dame in der Leitung, die lediglich die Funktion hat, zu verbinden. Dann kam man in die Warteschleife Nordrhein-Westfalen. Musik, Ansage, man solle warten, Musik usw.
Nach gefühlt einer 1/4 Stunde legte Gunter auf. Er war ja erst in der Zentrale NRW, wann kommt dann wohl Aachen?
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Aber: Da gibt es ja noch den
Hausärztlicher Bereitschaftsdienst: Zentrale Notdienstpraxis
in Aachen, gar nicht weit weg von der Straße, in der Gunter wohnt. Auch ging da sofort eine Dame an´s Telefon.
Gunter: „Ich habe Probleme mit dem Wasserlassen …“ „Reinkommen, wir müssen den Urin angucken.“, so die Dame aus der Pistole geschossen.
Okay, dachte Gunter, ich kann zwar nicht pinkeln, aber Notdienst – in einem Krankenhaus angesiedelt – ist nicht schlecht. Also hin.
Hier muss angemerkt werden, dass Gunter schon extrem gestresst war. Er sagte mir, dass sich das bei ihm anfühlte, als müsse man dringend auf die Toilette, man könne aber nicht, weil man noch im Linienbus ist. Und es noch 3 Stunden bis zur nächsten Haltestelle sind. Nicht nur das. Wenn sie da ist, die Haltestelle, wird das Wasserlassen verboten. Keine Chance zu pinkeln.
Mit Panik im Kopf wurde Guntervon seiner Frau zum Notdienst gefahren. Dort merkte Gunter an, dass er kein Wasser lassen könne. „Das hätten Sie am Telefon aber sagen müssen.“ Der gestresste Gunter gab Widerworte wegen der am Telefon so kurz angebundenen Dame, der Arzt wurde gerufen – wegen der Widerworte, nicht wegen des Harnstaus -, Gunter sagte dem Arzt nun direkt, dass er einen Katheter brauche, einen Katheter wegen Harnstau.
Das ginge hier nicht, das ginge nur im Klinikum, so der Arzt. Darauf verließ Gunter wutschnaubend und die Tür hinter sich zu knallend den „Notdienst“. Er fuhr nach Hause und rief die
Notrufzentrale 112
an.
Die Idee: Das geht schnell und es ist halt ein Notfall, wenn man mit dem Krankenwagen eingeliefert wird.
Der Beamte war freundlich und versprach einen Krankenwagen innert einer 3/4 Stunde. Gut, es wurde weit über eine Stunde und Manfred wartete bereits höchst hibbelig auf der Straße, als der Wagen kam. Manfred bat darum möglichst schnell zum Klinikum gefahren zu werden. „Und bitte, informieren Sie die Notaufnahme, dass der Patient einen Harnstau habe.“ Mittlerweile seit über 4 Stunden.
Der Krankenwagen, der sonst immer mit TatüTata rumfährt, hält an jeder Ampel. Als Manfred im Klinikum ankommt, wird die Urologie angerufen. Eine Vorabinfo gab es wohl nicht.
Gunter wartet. Er wartet. Er wartet. Absurdes Theater, Godot ist nichts dagegen.
Ihm wird 3 X Mal gesagt, er solle sich setzen. Aber Gunter kann nicht sitzen. Lesen Sie noch mal den grün-kursiven Text oben.
Dann – nach einer weiteren halben Stunde in der so genannten „Notaufnahme“ – spricht er einfach einen Arzt an. Der erkennt den Notfall, der nun schon über 5 Stunden – davon über 3 in der Notfallschleife – dauert und telefoniert sofort.
Jawohl, sofort, direkt!
Ein Urologe kommt innerhalb von 5 Minuten und legt den Katheter. Ein freundlicher Spezialist. Nach Vorbereitung eine Sache von 2 Minuten.
Geht doch!
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Fast ein Liter Urin hatte sich angestaut.
Die Schmerzen waren -so Gunter zu mir – kollossal und der gesamte Unterbauch verspannte. Fast hätte Manfred noch den Behandlungsraum eingekotet, weil er praktisch kein Gefühl, und damit auch keine Kontrolle mehr über den Darmausgang hatte. Gerade so schaffte er es noch auf die Toilette.
Ich möchte nicht mal auf Leben- und Tod krank werden und auf Notdienste angewiesen sein.
Dann lieber direkt sterben.
So sagt Gunter.
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