Die Fraktion gibt dem Parlamentarier Halt und Aufgabe. Aber nur so lange, als er sich loyal verhält. Zur Fraktion, im Sinn der Fraktion.*
Wenn ein Parlamentarier wirklich seinem Gewissen folgt und dies nicht fraktionskonform ist, er also wirklich allein seinem Gewissen folgt, ist sofort Schluss mit lustig. Ein Paradebeispiel:
Erika Steinbach, die moderne Mutter Courage.
Mit Mut vertritt sie Ihre Meinung, folgt Ihrem Gewissen.
Was sie am 30.6.2017 im Bundestag sagt, ist in jeder Hinsicht richtig.
Fraktionen fordern Gefolgschaft.
Frau Steinbach ist persona non grata, eine Abtrünnige.
Die Fraktionsdisziplin ist ausnahmslos. Sie wird von allen, von allen ´offiziell` ihrem Gewissen, von allen allein ihrem Gewissen verantwortlichen Parlamentariern, erfüllt. Kein einziger Abgeordneter applaudiert der abtretenden Erika Steinbach.
Eisiges Schweigen beherrscht den Plenarsaal.
„Erst kommt das Fressen, dann die Moral“**
Ich habe am 1.7.2017 folgenden Brief an Frau Steinbach geschrieben:
was gestern im Plenum geschehen ist, verschlägt mir die Sprache. Wie Sie, die ein paar warme Abschiedsworte nach 40 Jahren parlamentarischer Arbeit vom Bundestagspräsidenten erwartet hat, von Herrn Lammert ´abgemeiert` wurden, war unwürdig. Nein, es war schlimmer. Es war eine Bankrotterklärung des parlamentarischen Systems. Denn das, was Sie vorgetragen haben, ist unstreitig. Es spielt gleichwohl keine Rolle. Hier wurde von Verfassungsorganen eine Minderheit, eine Fraktionslose, eine Wehrlose, wurden Sie persönlich und ganz alleine, diskriminiert, weil Sie Ihrem Gewissen gefolgt sind. Weder diese Tatsache, noch die Korrektheit Ihrer Aussagen interessiert unsere Menschen mit Guten Gedanken im Plenum. Reiner Hass wurde transferiert. Das Parlament gerierte sich damit und ganz besonders im Moment des eisigen Schweigen nach Abschluss Ihrer Rede als „Schwatzbude“. Ganz schlimm.
Deutschland benötigt eine starke Opposition. Sie sind höchst politik- und parlamentserfahren und sollten diese Erfahrung der AfD, die m. E. eine absolut demokratische Partei ist, zur Verfügung stellen. Am besten, indem Sie im September antreten und wieder in´ s Parlament einziehen. Sie können dann den „jungen“ Abgeordneten vielfältige Hilfestellung geben. Und: Sie würden ihr Lebenswerk abrunden, weil Sie dem Verfall der politischen Kultur, der sich am 30.6.2017 so eindrücklich Bahn gebrochen hat, Einhalt gebieten würden.
Allerbeste Wünsche für Ihr weiteres Leben, selbstverständlich ganz viel Gesundheit und ein kräftiges „Jetzt erst recht, denen werde ich es zeigen“
von
Rüdiger Stobbe, alleiniger Betreiber des Politikblogs MEDIAGNOSE“
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*Als Bundestagspräsident Lammert Frau Steinbach über die Gewissenfreiheit der Parlamentarier belehrt, sagt er formal das Richtige faktisch geht seine Aussage glatt an der Realität vorbei.
Selbstverständlich gibt es einen informellen „Fraktionszwang“. Es wird daraus auch kein Hehl gemacht. Oder war die Kanzlerin geistig verwirrt, als sie die Abstimmung über die Ehe für Alle ´frei` gab, so den Fraktionszwang aufhob und die Entscheidung ausdrücklich dem Gewissen des einzelnen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion überließ.
Alle anderen Fraktionen waren ohnehin für dieses widernatürliche Konstrukt.
Ich adaptiere dieses Grundbedürfnis in die Welt der Parlamentarier, die eben auch auf die Seelennahrung der Fraktion angewiesen sind und dafür Gewissensbedenken oft beiseite schieben (müssen). Sonst ließe man sie am langen Arm „verhungern“.