Unabhängig vom Inhalt der geschriebenen Verfassung …
… eines Staates ist es für seine reale Verfassung entscheidend, ob und wie frei Wahlen stattfinden (können).
Ist die Freiheit der Wahl für jeden einzelnen Wahlberechtigten gewährleistet, bedeutet das einen wichtigen Schritt in Richtung faktische Rechtsstaatlichkeit. Rechtsstaatlichkeit heißt, dass Gesetze von den gewählten Staatsorganen erarbeitet und beschlossen werden, deren Einhaltung von unabhängigen Gerichten gewährleistet wird. Dass der Staatspräsident – wie jetzt in der Türkei – Dekrete erlassen kann, spricht nicht in jedem Fall gegen Rechtsstaatlichkeit. Vor allem, wenn diese Dekrete vom Parlament durch entsprechende Gesetze quasi „überstimmt“ werden können.
Werden Wahlen darüber hinaus nicht von außen manipuliert, kann sich der mehrheitliche Volkswille etablieren.
Der Teil der Wahlberechtigten, deren Wille nicht oder nur z. T. zum Ausdruck gebracht wird, muss sich dem Mehrheitswillen fügen.
Egal, wie ein Staat verfasst ist, entscheidend ist, dass der Bürger die uneingeschränkte Freiheit hat, seinem politischen Willen in freien, nicht manipulierten Wahlen Ausdruck zu verleihen.
Ob das in der Türkei der Fall war/ist, kann ich nicht beurteilen. Das überaus knappe Ergebnis der Abstimmung über die neue Verfassung lässt mich allerdings zu einem „JA“ tendieren. Allerdings ist mir durchaus bewusst, dass höchst fragwürdige Verhaftungen in sehr, sehr großer Anzahl nach dem so genannten „Putsch“ erfolgten. Das schränkt mein „JA“ wiederum ein.
Das Präsidialsystem, welches durch das Referendum in der Türkei etabliert werden wird, bietet dem vom Volk gewählten Parlamentdurchaus die Möglichkeit, den Präsidenten zu kontrollieren. Es hat die Möglichkeit, Neuwahlen von Präsident und Parlament zu beschließen.
60% der Stimmen sind dazu nötig.
In Bezug auf die Ernennung der Verfassungsrichter wird das Recht des Staatspräsidenten gegenüber den früheren Möglichkeiten beschnitten.
Die Neuerungen im Überblick finden Sie hier:
Für einen Vergleich mit der alten Verfassung haben Sie die Möglichkeit, auf einen älteren Artikel dieses Blogs zu zugreifen. Klicken Sie hier.
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Was in der Diskussion über die neue Verfassung nur am Rande vorkommt, ist der islamische Hintergrund der ganzen Prozedur.
Islamische Strukturen..
… sollen mehr und mehr – noch mehr – in die Gesellschaft implementiert werden.
Da ist es sinnvoll, dass ein Mann, der Staatspräsident, welcher diesen islamischen Willen verkörpert, diesen Willen ohne Umwege umsetzen kann.
Der Pferdefuss hinter der Verfassung:
In dem Moment, in dem sich eine wirkliche und starke Opposition im Parlament formieren könnte und auch würde, wird der Sachverhalt des „Anti-Islam“ greifen.
Gottes Recht steht über jeglichem weltlichen Recht, wozu eine Verfassung nun mal gehört.
Der Koran – Gottes Wort – ist sozusagen die „Notstandsgesetzgebung“ – faktisch natürlich das A & O – der neuen Türkei.
Wird gegen Gottes Willen, verkörpert durch den Staatspräsidenten, verstoßen, wird die Verfassung einfach außer Kraft gesetzt.
Klingt einfach, ist einfach und wird genau so gemacht, wenn sich das Volk ´Gottes Willen` widersetzten sollte.
Perfide, nicht wahr?
Wir im Westen müssen es uns einfach mal abgewöhnen, immer nur in westlichen Maßstäben zu denken (siehe ganz oben!). Das führt in Bezug auf fremde Kulturen, fremde Denkstrukturen sehr häufig zu Fehleinschätzungen. Wie am Beispiel der Türkei sehr schön zu sehen ist.
Nicht die neue Verfassung der Türkei ist das Hauptproblem.
Der politreligiös-totalitäre Hintergrund des Islam ist es.