Beim letzten EU-Gipfel waren Füchtlingskontingente, die den einzelnen EU-Staaten zugewiesen werden sollten, kein Thema. „Lächerlich“ sei die Thematisierung, so Angela Merkel, denn nicht mal die Verteilung der 160.000 Menschen – vereinbart im September 2015 – habe bisher funktioniert.
An der griechischen Grenze zu Mazedonien wachsen indes die Spannungen. Menschen reißen den Grenzzaun ein, der mazedonische Grenzschutz setzt Tränengas ein, Kinder weinen: Sie sind da, die hässlichen Bilder. Das erhöht den Druck auf Europa. Ein Europa, welches im Angesicht der sich abzeichnenden Katastrophe im Dornröschenschlaf scheint. Die EU-Kommission bereite Notfallpläne vor, heißt es in den Aachener Nachrichten von heute. Immerhin.
Zentrales Anliegen und Ziel der Bundeskanzlerin ist trotz der erkannten „Lächerlichkeit“ die Vereinbarung von Kontingenten, die der Türkei abgenommen werden sollen, wenn diese die Grenze zu Griechenland schließt. Drei Milliarden Euro – die Türkei will mittlerweile noch mehr Geld – sind Herrn Erdogan bereits zugesagt.
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Eine Rechnung sollte immer mit dem Wirt gemacht werden. Das Gleiche gilt umgekehrt. Keine Rechnung ohne die Gäste. Die wollen in der großen Mehrheit nach Deutschland. Hier wohnen bereits viele Landsleute, hier gibt es mit die höchsten Sozialleistungen der EU und vor allem hat Frau Merkel die Menschen eingeladen. Sie sind willkommen. Deshalb ist die Kontingentlösung eine Scheinlösung. Wenn die einzelnen EU-Staaten – nur mal angenommen – ihre zugewiesenen Kontingente aufnähmen, wer oder was hindert die Menschen, die z. B. nach Spanien, Polen oder Rumänien verteilt wurden, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Die Grenzen sind offen. Es herrscht Freizügigkeit. Oder sollen diese Menschen irgendwo festgehalten werden. Wohl kaum. Die Kontingentlösung wird zur Schimäre. Solange die Bedingungen für Schutzsuchende in der EU nicht annähernd vereinheitlicht sind, wird es immer eine Wanderung in die Staaten geben, welche die besten Bedingungen versprechen. Hauptziel: Deutschland, Schweden, Österreich, Benelux.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Türkei mit ihrer aktuellen politischen Führung kein verlässlicher Partner für die EU sein kann. Herr Erdogan führt die EU am Nasenring durch die Arena. Bei Betrachtung der Besetzung der EU-Spitze wundert dies nicht. Eine bei Herrn Erdogan quasi bettelnde Angela Merkel vervollständigt das trübe Bild.
© Rüdiger Stobbe