… titelt die ZEIT am 30.8.2019.
Für ein der Energiewende wohl gesonnenes Blatt schon eine kleine Sensation. Deshalb zitiere ich die wesentliche Punkte des Artikels. Sie können diesen selbstverständlich auch komplett im original lesen. Genau wie die über 1.500 Leserkommentare. Die Verlinkungen finden Sie unter dem Ausschnitt „Der Totalausfall“.
Wichtige Zitate als Kurzübersicht:
Im Kampf gegen neue Windräder geht man im Landkreis Saale-Orla in Thüringen inzwischen, nun ja, unkonventionelle Wege. Im Frühjahr beschloss der Kreisausschuss einstimmig, Bürgerinitiativen jeweils 2.000 Euro Zuschuss zu gewähren, wenn sie Gutachten gegen Windparks in Auftrag geben.
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Ob Ökostrom, Netzausbau, Atom- und Kohleausstieg, bei Deutschlands größtem Energieprojekt läuft zurzeit vieles extrem schief. Besonders dramatisch aber ist die Lage beim Ausbau der Windenergie an Land. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres gingen unterm Strich nur 35 neue Windräder mit einer Leistung von rund 230 Megawatt ans Netz. Das ist der schlechteste Wert seit 20 Jahren, 80 Prozent weniger als im Vorjahr.
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Die Unternehmen der Branche spüren die Folgen. Von „existenzieller Krise“ und von einem „Totaleinbruch“ spricht Hans-Dieter Kettwig, Geschäftsführer von Enercon, Deutschlands größtem Windradproduzenten. Zahlen veröffentlicht der Mittelständler aus Ostfriesland traditionell nicht, aber zweifellos gebe es eine „miserable Auftragslage und einen deutlichen Gewinnrückgang im Inlandsgeschäft“. Erst im Frühjahr musste der Windhersteller Senvion aus Hamburg Insolvenz anmelden.
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Mehr als 20.000 Arbeitsplätze hat die Windbranche allein im Jahr 2017 zum Vorjahr verloren, aktuellere Zahlen liegen nicht vor. War Deutschland früher weltweit führend in der Windenergie, so kommt es heute nur noch auf einen Anteil von mickrigen 2,5 Prozent des Weltmarktvolumens.
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Die Situation erinnert an die Krise der deutschen Solarindustrie vor fünf Jahren. Damals brach eine ganze Branche in sich zusammen, die zuvor dank lukrativer Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) immer größer geworden war, bis sich zeigte, dass chinesische Unternehmen die azurblauen Zellen viel günstiger und ebenso gut herstellen können.
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Mehr als 1.000 Bürgerinitiativen, organisiert im Dachverband Vernunftkraft, wehren sich, und sie sind so einflussreich, dass Bundesländer mittlerweile zögern, einen bestimmten Anteil ihrer Landesfläche für Windenergie zu reservieren. Gegen mehr als 300 Windräder mit insgesamt rund 1.000 Megawatt Kapazität wird laut Fachagentur Windenergie an Land zurzeit geklagt.
Heftiger Widerstand kommt auch von Naturschützerinnen und Naturschützern. Bei der Hälfte der beklagten Windräder führen die Klagenden Artenschutzgründe an. Sie sehen den Bestand des Rotmilans bedroht, oder den von Fledermäusen.
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Deutschlands Energiewende aber wird ohne den Ausbau der Windenergie kaum zu schaffen sein. Wind ist unter den Erneuerbaren der etablierteste Energieträger. Die Bundesregierung hat sich als Ziel gesetzt, bis 2030 65 Prozent des Stromverbrauchs mit Ökostrom zu decken – im ersten Halbjahr 2019 waren es 44 Prozent. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssten nach Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energie jährlich neue Windräder mit einer Kapazität von 4.700 Megawatt gebaut werden. […]
Ohne den Mehrverbrauch durch die E-Mobiltät und den Ersatz anderer Energieträger durch Strom wären das 1.660 Anlagen à 3 MW oder 587 Anlagen à 8 MW pro Jahr netto. Die wegfallenden alten Anlagen müssten zusätzlich gebaut werden. Es wären weniger an Stückzahl als bisher, weil die Leistung neuer Anlagen höher ist, als bei den alten Windrädern.
[…] Nun muss ausgerechnet Altmaier ran, um die Windkraft neu zu beleben, der Minister, der noch vor sechs Jahren ausdrücklich für eine Strompreisbremse plädierte und die Deckelung der Erneuerbaren verteidigte. Für den 5. September hat er Branchenvertreter, Politiker und Aktivisten zum Windkraftgipfel geladen, um den Stillstand zu beenden. Unter Zeitdruck lässt das Wirtschaftsministerium nun noch schnell Deutschland kartieren, um passende Fläche für Windparks zu finden, die nicht gleich wieder vor Gericht landen sollen.
[…]
In Mecklenburg-Vorpommern hat man es anders versucht und als erstes Bundesland ein Bürgerbeteiligungsgesetz beschlossen. Jetzt müssen Windparkentwickler den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gemeinden mindestens 20 Prozent Beteiligung an einem Windpark anbieten, damit von den Erlösen auch etwas in der Region bleibt. Jeder Anteil darf maximal 500 Euro kosten. Alternativ kann der Betreiber der Kommune eine Ausgleichsabgabe zahlen oder den Bürgern einen Sparbrief anbieten.
Doch weil so viele Projekte noch immer in der Genehmigungspipeline feststecken, ist die Zwischenbilanz verheerend: Selbst nach drei Jahren macht bislang keine Kommune mit.
Ach was!?
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